Debatte rund um die „Antifa-Verbote“

Seit 100 Jahren kämpfen Menschen international unter dem Label Antifaschistische Aktion, kurz Antifa außerparlamentarisch gegen den Faschismus. Antifa ist dabei keine feste Organisation, sondern ein Sammelbegriff für all jene, die entschlossen und aufrichtig Antifaschist*innen sind. Unbeirrt von diesem Fakt nähren Rechte seit jeher das Märchen, „die Antifa“ sei eine Terrororganisation, um Antifaschismus generell zu delegitimieren. Dabei kämpfen Antifaschist*innen gegen Terror – gegen Nazi-Terror sowie auch gegen Staatsterrorismus.

Vor ein paar Tagen hat zuerst Donald Trump angekündigt, die Antifa verbieten zu wollen. Auf Antrag des rechten Politikers Geert Wilders hat wenige Tage später das niederländische Parlament beschlossen, ein Verbot der Antifa einzuleiten. Und Viktor Orbán hat für Ungarn am Freitag ein Dekret zum Verbot der Antifa erlassen, mit einer Terrorliste, auf der nicht näher definiert „die Antifa“ sowie der deutsche Antifa-Ost-Komplex stehen.

Gestern eskalierte Trump die Situation noch weiter, in-dem er das Militär nach Portland entsandte, da die Stadt „von der Antifa (…) belagert“ und „vom Krieg zerstört“ sei. Trump meint damit die legitimen und wichtigen Proteste gegen die menschenverachtende brutale Einwanderungsbehörde ICE, die dafür bekannt ist, Migrant*innen vermummt zu überfallen und, teilweise ohne Gerichtsverfahren, zu deportieren, um Trumps Ziel von der größten Abschiebeoperation in der Geschichte der USA zu erfüllen. Portland kooperiert nicht mit der Behörde und ist eine von hunderten Sanctuary Cities in den USA – Städte, die die Zusammenarbeit mit den nationalen Behörden in Bezug auf die Anti-Einwanderungs-Gesetze einschränken und verweigern. Seit Juni demonstriert die Bevölkerung von Portland täglich vor dem ICE-Gebäude. Die Gouverneurin Oregons Tina Kotek sowie der Bürgermeister Keith Wilson stellten klar: Keine*r hat in Portland „Unterstützung“ angefordert und sie brauchen und wollen sie auch nicht. Es gibt keine Gefahr, außer Trump schafft sie, und mensch werde gegebenfalls auf den Militäreinsatz „reagieren“. Mit dem Antifa-Verbot versucht Trump alle Menschen aus dem Weg zu räumen, die nicht mit seiner rassistischen Anti-Migrations-Politik einverstanden sind. In Portland genehmigte er gegen all jene „die Anwendung vollumfänglicher Gewalt“.

Im deutschen Parlament waren Vorstöße, die Antifa verbieten zu wollen, bisher zwar noch nicht erfolgreich, aber die Verurteilung von Hanna am 26.09.2025 zu fünf Jahren Haft zeigt wieder einmal, dass Antifaschismus auch hierzulande bereits kriminalisiert wird.

Die Geschichte hat schon oft gezeigt, wie Esther Bejarano sagte, dass wer gegen Nazis kämpft, sich auf den Staat nicht verlassen kann. In zahlreichen Fällen kommen die wichtigsten Infos über Nazi-Strukturen nicht vom Verfassungsschutz, sondern von Antifa-Recherchegruppen. Während im Fall des NSU staatliche Behörden die Angehörigen der Ermordeten rassistisch unter Verdacht stellten und schikanierten, leisteten Recherche-Antifas einen entscheidenden Beitrag dazu, die Nazi-Terrorgruppe aufzudecken.

In den Niederlanden gab es vergangene Woche bei einer rechtsradikalen Demo gegen Migration schwere gewalttätige Ausschreitungen. Mit Flaggen der „Nationalsozialistischen Bewegung der Niederlande“ und „Remigrations“-Rufen griffen Nazis das Büro der Partei „Democraten 66“ an. In Teilen Deutschlands patrouillieren nachts wieder bewaffnete Faschos und prügeln regelmäßig migrantisch und links gelesene Menschen ins Krankenhaus. Bilder, die an die Baseballschlägerjahre der 90er erinnern. Als 1992 das Sonnenblumenhaus in Rostock-Lichtenhagen, ein Wohnheim für vietnamesische Vertragsarbeiter*innen, von Rechten mit Mollis in Brand gesteckt wurde, stand die Polizei nur daneben, bis sie sich schließlich sogar vollständig zurückzog und die Bewohner*innen schutzlos zurückließ. Die Bürger*innen betrachteten das Pogrom als Event, bauten Bratwurst- und Bierstände auf und machten ein Volksfest daraus. Wenn Geflüchtetenunterkünfte angegriffen wurden, war und ist es immer wieder die Antifa, die sich schützend davor stellt und schlimmeres verhindert. Die rechten Gewalttäter*innen werden von staatlicher Seite damals wie heute nicht bekämpft:

1992 erklärte der damalige mecklenburg-vorpommerische Ministerpräsident Berndt Seite (CDU) noch während des Pogroms: „Die Vorfälle der vergangenen Tage machen deutlich, dass eine Ergänzung des Asylrechts zwingend erforderlich ist, weil die Bevölkerung durch den ungebremsten Zustrom von Asylanten überfordert wird.“ Folgend dieser Täter-Opfer-Umkehr wurde das Asylrecht massiv eingeschränkt.

Im gleichen Jahr traf beim Pogrom in Mannheim-Schönau die staatliche Gewalt so gut wie ausschließlich die Antifaschist*innen, die den rassistischen Mob aufhalten wollten, während dieser trotz Bewaffnung und Angriffen auf Polizist*innen nicht aufgelöst wurde, sondern rassistische Demos unter Polizeischutz durchführen durfte. Heute wird wieder die gleiche rechte Argumentation bemüht, um restriktive geflüchtetenfeindliche Gesetze zu beschließen, und „die Antifa“ soll verboten werden. Staaten schaffen Fluchtursachen, schränken die Möglichkeit zu fliehen ein und kriminalisieren diejenigen, die sich dem rassistischen Großen und Ganzen entgegenstellen. Angesichts dessen kann mensch es in unseren Augen nur so halten, wie Marlene Dietrich es gesagt hat: Aus Anstand Antifa sein!

Dem Nationalsozialismus etwas entgegengesetzt haben Widerständige wie Sophie Berlinghof, die Lechleiter-Gruppe, Georg Elser, Freddie und Truus Oversteegen, Hannie Schaft, Hans Litten und viele weitere Widerstandskämpfer*innen, -gruppen und Partisan*innen! Viele von ihnen werden posthum geehrt. In ihrer Zeit er-fuhren sie jedoch viel Ablehnung, Repression und negative Konsequenzen für ihre entschlossene antifaschistische Haltung und Aktion.

Heute droht wieder eine Nazi-Partei an die Regierung zu kommen und die sogenannten „Parteien der Mitte“ reihen sich in den rassistischen, queerfeindlichen, misogynen, ableistischen, antisemitischen Reigen ein. „Man darf nicht warten, bis aus dem Schneeball eine Lawine geworden ist. Man muss den rollenden Schneeball zertreten“ (Erich Kästner). Mit einer Lawine kann mensch nicht reden. Und mensch muss auch nicht „ihre Sorgen ernst nehmen“. Sondern die derjenigen, die sie zu überrollen droht. Die Geschichte hat gezeigt, dass es nichts bringt, dabei auf den Staat zu bauen. Sondern auf die Antifa! Und irgendwann werden die Antifas von heute die gleiche Anerkennung wie die Antifas von damals erfahren.

Mensch könnte meinen, dass ein Verbot „der Antifa“ keine reelle Gefahr sei, da eine Organisation, die keine ist, nicht verboten werden kann. Aber politische Prozesse gegen Linke unter dem Paragraphen 129 zeigen, dass noch so absurde Konstruktionen für den Staat kein Hindernis sind. Dieser Paragraph stellt die Mitgliedschaft in „kriminellen Vereinigungen“ unter Strafe. Hanna wurde deshalb zu 5 Jahren Haft verurteilt, weil sie gemeinsam mit Antifaschist*innen aus ganz Deutschland und Europa eine „kriminelle Vereinigung“ gebildet haben soll – mit Menschen zwischen denen hunderte Kilometer liegen und zwischen denen es zum Teil keine Verbindungen gibt, außer dass sie im Februar 2023 in Ungarn gewesen sein sollen. Gibt es keine Vereinigung, konstruiert der Staat also eine. So könnte es möglicherweise auch bei der Antifa generell geschehen, womit sämtliche Symbole und Erwähnungen von Antifaschismus als Mitgliedschaft interpretiert werden könnten. Insofern ist die Schwammigkeit sogar eine Gefahr.

Faschist*innen versuchen sich mit dieser Hetze Gerichte zu ihren Gehilfen zu machen, um ihre politischen Gegner*innen auszuschalten und sich den Weg zur Machtergreifung freizuräumen. Deshalb ist es wichtig, Stellung zu beziehen und diese Entwicklungen aufzuhalten, bevor es zu spät ist. Siamo Tutti Antifascisti!