Unter dem Label, „Widersetzen“ fanden seit 2024 mehrere große Mobilisierungen gegen bundesweite AfD-Veranstaltungen statt, darunter die Parteitage in Essen und Riesa. An Blockadeaktionen und Demonstrationen beteiligten sich mehrere tausend Menschen, wofür unter anderem „Widersetzen“-Ortsgruppen Anreisen aus dem gesamten Bundesgebiet organisierten. Auch wir beteiligten uns an diesen Anreisen und sind auch im Kontext der Neugründung der Jugendorganisation der AfD in Gießen am 29.11. an der Organisation von Widersetzen Heidelberg“ beteiligt. Innerhalb der lokalen Vernetzung haben wir offen Kritik an „Widersetzen“ formuliert und uns dennoch dazu entschlossen, die Mobilisierung zu unterstützen. Jede größere Mobilisierung bringt innere Widersprüche mit sich. Wir sind der Meinung, dass wir mit diesen Widersprüchen offen umgehen sollten, statt sie still beiseite zu legen.
Wir halten es deshalb für sinnvoll, unsere Kritik an den Aufrufen von „Widersetzen“ hier zu veröffentlichen und dennoch dazu aufzurufen, Ende November in Gießen auf die Straße zu gehen. Wir sehen unseren Text als Beitrag an, der an bereits veröffentlichte Kritik an,,Widersetzen“ anschließt. Angesichts einer schwachen Linken und kleinen antifaschistischen Bewegung scheint es verlockend, sich auf Gemeinsamkeiten fokussieren zu wollen und Unterschiede in Analyse und Praxis hintenanzustellen, um sich einem gemeinsamen Feind zu widmen, auf den sich alle einigen können. Das ist zwar nicht falsch, doch wer Einigkeit ohne Kritik und inhaltliche Auseinandersetzung herstellen will, wird letztlich nur hohle Phrasen vor sich hertragen, unter denen alle verstehen können, was sie wollen.
Gemeinsame Perspektiven und geeintes Handeln können auf diesem Weg nur sehr begrenzt entstehen, wenn über eine gemeinsame Analyse und Haltung nicht diskutiert wird. Wir sind der Meinung Es ist nicht egal, aus welchen Gründen wir die AfD ablehnen. Es ist nicht egal, wie wir sie in unseren Aufrufen charakterisieren und was wir ihrem Gesellschaftsentwurf entgegenhalten. Damit kommen wir zu unserem Hauptkritikpunkt an „Widersetzen“ die Aussparung der sozialen Fragen. In den Aufrufen von „Widersetzen“ ist die Kritik an der AfD zu einem großen Teil im Moralischen zu verorten. Als „Antidemokratinnen“ würden sie unsere angebliche Freiheit und Gleichheit abschaffen wollen. Die Krisen, in denen die AfD Stärke gewinnt, werden nicht angesprochen.
Der AfD gelingt es, sich in den fortwährenden Krisen des Kapitalismus als scheinbare Alternative zu inszenieren. Dass sie falsche Lösungen anbietet, ändert nichts daran, dass viele der Missstände, die sie benennt, tatsächlich bestehen. Wuchernde Mieten, stagnierende Löhne, Konkurrenzdruck, Kriegstreiberei und Sparpolitik auf dem Rücken der Arbeiterinnen all das sind Zustände, die die AfD aufgreift und mit ihren vermeintlichen Lösungen Arbeiterinnen, Arme und an den Rand gedrängte gegeneinander aufhetzt. Insgesamt entsteht so der Eindruck, dass der eigentlich erhaltenswerte Status Quo gegen die „Antidemokratinnen“ der AfD verteidigt werden soll. Doch wir leben in der Demokratie des Kapitals. Wir können lediglich wählen, wer den Kapitalismus verwaltet und sollen unser Einverständnis zur bürgerlichen Herrschaft alle paar Jahre an der Urne abgeben.
Gerade jetzt zeigt sich im Kontext der Aufrüstung, dass wir Untertanen eines Staates sind, für den wir arbeiten, sparen und wenn nötig töten und getötet werden sollen. Natürlich gibt es soziale Errungenschaften zu verteidigen – doch dabei darf es nicht bleiben. Wer die Ursache der Missstände nicht anerkennt und benennt, kann der AfD und anderen Rechten nicht gefährlich werden. Antifaschistische Politik muss die gesellschaftlichen Umstände, die den Aufstieg der Rechten begünstigen, verstehen und darf um entscheidende Fragen keinen Bogen machen. Ein weiterer Kritikpunkt ist die Betonung von „zivilem Ungehorsam“ als Mittel der Wahl. Dieser akademisch anmutende Begriff wirft bei vielen Menschen die Frage auf, was das eigentlich heißen soll. Bei diesem schwammigen Ausdruck für nicht-militanten aber dennoch widerständigen Protest, kann man die Frage stellen, inwieweit bereits der Begriff eine bewusste oder unbewusste – öffentliche Abgrenzung von offensiven Aktionen mit sich bringt. Die zusätzliche Betonung im Aufruf für Gießen, dass von uns keine Eskalation ausgehen wird“, ist nicht weit weg von einer allgemeinen Distanzierung von Gewalt. Dagegen ist der Aufruf, dass die Neugründung „nicht stattfinden darf“, eine klare und radikale Forderung.
Doch wie soll das geschehen? Das Szenario, sich ,,zu tausenden zu versammeln und nicht Platz zu machen“ spart im Verhältnis zur klaren Forderung aus, was dabei passieren wird Die Polizei wird den Protest angreifen, die Demonstrierenden werden versuchen, sich gegen die Polizei durchzusetzen. Es ist verständlich, dass „Widersetzen“ diesen Umstand, der vielen sehr wohl bewusst ist, aus verschiedenen Gründen nicht ausbuchstabiert.Ein Grund dafür ist die Repression Das Bündnis nennt sich unter anderem „Widersetzen“ weil es in NRW unter Strafe gestellt wurde, zu Blockaden aufzurufen. Doch wie bereits in einer anderen Kritik geschrieben wurde, zeigen mehrere Beispiele, dass Blockaden von Nazi-Großveranstaltungen dort erfolgreich waren, wo sie als genau solche angekündigt waren. Neben der Repression dürfte ein weiterer Grund für die Formulierung eine gewünschte Anschlussfähigkeit an das bürgerliche Spektrum sein. Aus welchen Gründen auch immer sich gegen eine klare Sprache entschieden wird – am Ende muss denjenigen, die dafür sorgen sollen, dass die Veranstaltungen der AfD empfindlich gestört werden, klar sein, was das für sie bedeutet.
Zusammenfassend sind für uns die Aussparung der sozialen Fragen und die schwammigen Formulierungen Kritikpunkte, die unser Engagement auf lokaler Ebene beeinflussen.
Wir halten es dennoch für richtig und sinnvoll, die Mobilisierung zu unterstützen – mitsamt unseren Kritikpunkten, die wir auf lokaler Ebene bereits transparent gemacht haben.
Wir hoffen für den 29.11. auf kraftvolle, kämpferische und entschlossene Proteste gegen die Gründung der „Generation Deutschland“.
Offenes Antifaschistisches Treffen Heidelberg
Die Debatte um die Aktionsformen im Protest gegen rechte Akteur:innen insbesondere die Herangehensweise an rechte, strategische Großveranstaltungen ist eine wichtige Auseinandersetzung für die antifaschistische Bewegung. Die Kritik an Widersetzen, dessen Aktionskonsens und Aufruf ist daher, wie das OAT Heidelberg schreibt kein Plädoyer, sich von breiten Protesten abzuwenden, sondern soll dazu dienen, die notwendige Vielfalt im Kampf gegen Rechts anzuerkennen, klar Position zu beziehen und Zusammenhänge aufzuzeigen – und darum zu streiten.
Deshalb sei an dieser Stelle auch auf die Kritik zum Aufruf und geplanten Aktionen von Widersetzen anlässlich des AfD-Bundesparteitags 2024 in Essen verwiesen, den ihr hier nochmal nachlesen könnt.








