Kapital hadert mit AfD-Aufstieg

Unternehmervertreter warnen vor möglichen Wahlsiegen der Partei in 2024

Angesichts des aktuellen Umfragehochs der AfD meldeten sich am Sonnabend hochrangige Vertreter der Kapitalseite zu Wort, um einmal mehr vor möglichen Wahlerfolgen der rechten Partei im neuen Jahr zu warnen. So erklärte der Präsident des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI), Siegfried Russwurm, gegenüber der dpa: »Wer erwägt, die AfD zu wählen, muss wissen: Diese Partei richtet großen Schaden an.« Rainer Dulger, Präsident der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) sagte: »Der zunehmende Zuspruch, den die AfD erhält, besorgt mich als Unternehmer und als Arbeitgeberpräsident wirklich sehr.«

Die sogenannte Brandmauer hat die CDU zumindest offiziell noch nicht gänzlich eingerissen – Lippenbekenntnisse gegen »Rechtspopulisten« sind im bürgerlichen Lager also durchaus en vogue. Zudem scheint aktuell die Angst der exportorientierten Kapitalfraktionen vor einer stärker protektionistisch ausgerichteten Bundesrepublik zu dominieren. Dass es sich um wenig mehr als Bekenntnisse handelt, machte der BDI-Chef klar: »Ich treffe fast ausschließlich Unternehmerinnen und Unternehmer, die klare Kante zeigen: Das Programm der AfD schadet unserem Land«, so Russwurm. Dabei macht diese vor allem Politik fürs Kapital und trägt durch ihr Abstimmungsverhalten maßgebliche Entscheidungen der Ampel mit. 2023 lag sie dank der drittgrößten Einzelspende (265.050 Euro) seitens eines hessischen Bauingenieurs außerdem auf Platz drei bei den Großspenden von Unternehmen an Parteien – hinter den noch wichtigeren Kapitalparteien CSU und CDU, die jeweils Einzelspenden über eine halbe Million Euro erhielten.

Dass die Wirtschaftsbosse keinesfalls aus antifaschistischer Überzeugung agitieren, zeigt, woran sie sich im wesentlichen abarbeiten: Er störe sich an den »nationalistischen Positionen« der AfD, mit denen er »nichts anfangen könne«, so BDA-Präsident Dulger. Man habe schließlich »unseren Wohlstand in Deutschland nicht mit Nationalismus aufgebaut«, sondern sei eine »weltoffene und liberale Industrie- und Handelsnation«. Er beteuerte die Relevanz der EU als wichtigen Binnenmarkt und erklärte, man dürfe nicht vergessen, dass das Modell der Europäischen Union nicht nur die »Ursache eines dauerhaften, mehr als 70 Jahre währenden Friedens in Europa« sei, sondern auch der »Garant für den Wohlstand, den wir heute alle genießen«. Man könne über Landesgrenzen hinweg arbeiten, ohne Zölle, mit einer einheitlichen Währung einkaufen, Handel treiben. Das alles stehe nicht im Wahlprogramm der AfD.

»Germany first« – Eigentlich ein Leitspruch, mit dem auch Unternehmer leben können

Auch eine weitere Hauptsorge der Unternehmer ließ er nicht unerwähnt: »Deutschland profitiert wie wenig andere Länder von seiner Weltoffenheit. Ich habe von der AfD noch keine Antwort auf die Frage gesehen, wie wir die Fachkräftelücke füllen wollen«, so der »Arbeitgeberpräsident« Dulger. Die Rhetorik gegen die »unkontrollierte Einwanderung«, die die anderen Parteien zunehmend von der AfD übernehmen, könnte am Ende die Einreise derjenigen ausländischen Arbeitskräfte gefährden, die in der BRD so dringend gebraucht werden, um das Lohnniveau der einheimischen Arbeiter weiter zu drücken.

Was die Kapitalvertreter in erster Linie befürchten, ist nicht die Konsolidierung einer weiteren rechten Partei, sondern dass die Interessen der transnational ausgerichteten deutschen Unternehmen aus dem Blick geraten könnten. Dass die AfD keinesfalls der Sache des entfesselten Freihandels gegenübersteht, hatte AfD-Parteichef Tino Chrupalla bereits auf dem AfD-Parteitag im Juli in Magdeburg bekräftigt, als er sich für einen von ideellen Bedenken ungestörten Handel und ununterbrochene Lieferketten aussprach.