Demonstration „Wir sind die Alternative – nur wer kämpft hat die Wahl“

Am 22. Februar 2025 fand in Ludwigsburg die Demonstration „Wir sind die Alternative – Nur, wer kämpft, hat die Wahl“ statt. Aufgerufen hat das lokale Bündnis gegen Rechts neben weiteren Organisationen. Mehr als 400 Menschen beteiligten sich insgesamt am Demonstrationszug. Inhaltlich zielte die Veranstaltung darauf, gemeinsam Möglichkeiten aufzuzeigen aktiv zu werden und den politischen Kampf auf der Straße, im Betrieb und in der Schule stärker zu gewichten als die Bundestagswahl am 23.02.2025.

Nach der Auftaktkundgebung auf dem Ludwigsburger Marktplatz zog die Demonstration unter lautstarken Parolen am Marstall-Center entlang bis zum Akademiehof. Redebeiträge hielten das Bündnis gegen Rechts Ludwigsburg, Sidar Carman – die Geschäftsführerin des ver.di Bezirks Stuttgart – ein Aktivist der Initiative „NEIN zur Bezahlkarte Stuttgart“ und die Antifa-Vernetzung Ludwigsburg.

Nachdem die Kollegin der ver.di sich in ihrer Rede gegen die Instrumentalisierung des Attentats auf eine Streikkundgebung in München durch rechte Kräfte ausgesprochen hatte, sprach sich der Redner Mustafa gegen die Einführung der rassistischen Bezahlkarte für Geflüchtete aus und wies auf solidarische Tauschaktionen gegen Bargeld hin.

Die Abschlussrede von der Antifa-Vernetzung lud zu einer „Fantasiereise“ in ein von der AfD autokratisch regiertes Deutschland ein, in dem eine Militarisierung und Verarmung nahezu der gesamten Gesellschaft sowie die Zerschlagung der Arbeiterbewegung drohen.

Ein spontan entrolltes Banner rief dazu auf Kapitalismus zu stürzen und Faschismus zu bekämpfen; Pyrotechnik und Konfettikanonen begleiteten den Demonstrationszug. Der Einsatz dieser Protestmittel veranlasste die Polizei im Nachgang zu unverhältnismäßigen Kontrollen und dem kurzzeitigen Festhalten mehrerer Teilnehmender.

Obwohl sich vor Ort keine Pressevertreter:innen zeigten und das Ordnungsamt im Vorhinein Mobilisierungsmaterial des Bündnisses gegen Rechts entfernen ließ, schätzten die Organisator:innen den Andrang am 22.02.2025 ausnehmend positiv ein. Über alle Grenzen hinweg solidarisch und mit der nötigen Wut im Bauch konnte eine durchweg solide Veranstaltung durchgeführt werden.

Bereits am Morgen hatte die Antifa Vernetzung einen AfD-Infostand in der Ludwigsburger Innenstadt gestört. Auch diese Aktion rief die Polizei dazu auf, rechte Wahlkämpfer:innen zu schützen und mit überzogener Härte gegen Antifaschist:innen vorzugehen.

Rede der Antifa Vernetzung Ludwigsburg:

„Liebe Ludwigsburgerinnen und Ludwigsburger,

Ich bin Anna, Antifaschistin von der Antifa Vernetzung Ludwigsburg und Gewerkschaftsmitglied

Ich möchte gerne eine Fantasiereise mit dir unternehmen.

Schließ die Augen und stell dir vor…die AfD hätte die Bundestagswahl gewonnen.

Stell dir also einmal vor, du würdest in einem Land leben, in dem eine Partei regiert, die sich eine Friedenspartei schimpft. Zu deinem Schutz werden schon seit einiger Zeit Massendeportationen durchgeführt. Mittlerweile wird die Remigration so brutal und schnell wie möglich umgesetzt. Um dich herum werden neue Bunker gebaut und Tiefflieger getestet. Fast alle in deinem Alter wurden zur Wehrpflicht eingezogen. Es wird sich aktiv vorbereitet auf einen deutschen, imperialistischen Krieg, die Gesellschaft wird militarisiert.

Seit die Arbeiterklasse entrechtet, Betriebsräte entmachtet und die Gewerkschaften verboten wurden, ging es nur noch bergab. So ein Verbot wurde das letzte Mal im Gesetz zur Ordnung der nationalen Arbeit unterzeichnet mit “Der Reichskanzler Adolf Hitler”

Statt dass du, wie versprochen, deinen Status Quo in der “Mittelschicht” bewahren konntest, bist du sozial gravierend abgestiegen. Weil du lange studiert und spät angefangen hast zu arbeiten, wirst du dank der Regelung der “Lebensarbeitszeit” noch schuften bis du fast 80 bist – so richtig darauf freuen kannst du dich aber auch nicht.

Seit der Privatisierung der Rente weißt du, dass du dir nur wenig erhoffen kannst. Während du von Jahr zu Jahr ärmer wirst, bauen die Bonzen der Stadt die nächste Villa. Die Armen werden Ärmer, die Reichen noch viel reicher. Obwohl eine queere Frau Kanzlerin ist, ist das einzige akzeptierte Familienmodell: deutscher Vater, deutsche Mutter, deutsche Kinder.Wer nicht ins Raster passt oder sich nicht anpasst, lebt in Todesangst.

Hört sich das für euch gut an? Hört sich das nach einer Friedenspartei an?

Wer das nicht will, liebe Kolleginnen und Kollegen, der muss sich politisch engagieren.

Dass wir hier heute gemeinsam stehen, ist ein schöner Auftakt, aber das darf nicht alles sein. Ab hier muss es konsequent weitergehen!

Dass die AfD keine Alternative ist, muss ich euch hier vermutlich nicht mehr erzählen. Vielmehr möchte ich ein Augenmerk darauf legen, dass auch die anderen Parteien kein non plus ultra gegen Rechtsentwicklung und Krise darstellen.

Wie auch vor ein paar Tagen nach dem Anschlag in München auf eine Gewerkschaftsdemonstration, bei dem eine Kollegin und ihr Kind ums Leben kamen, wurde sich sofort im ganzen Parlament für mehr Abschiebung ausgesprochen.

An dieser Stelle möchte ich meine tiefe Anteilnahme und volle Solidarität allen Angehörigen und Betroffenen aussprechen. Amel und Hafsa, ihr werdet nicht vergessen.

Dass Gewerkschafter:innen totgefahren werden, ist nie “okay” und kann nicht beschönigt werden. Das ist ein Angriff auf uns alle, die sich für ein besseres Leben und bessere Arbeitsbedingungen einsetzen. Egal ob der Täter Islamist oder Nazi ist, eine solche Tat ist nicht zu entschuldigen.

Ich möchte aber auch ganz deutlich sagen:

Wer jetzt behauptet, wir wären ohne Ausländer hier sicherer, befeuert einen Angriff und Stigmatisierung auf all unsere migrantischen und geflü chteten Kolleg:innen. Natü rlich wissen alle Parteien, die mit rechtspopulistischen Parolen fü r sich Wahlkampf machen, sehr gut, dass jede weitere Drangsalierung von Flü chtlingen, jede weitere Verschä rfung des Auslä nderrechts, jede weitere rassistische Hetze ganz im Gegenteil die Attraktivitä t des Islamismus erhö ht. Islamistische Agitation kann unter Migranten in Westeuropa nur auf fruchtbaren Boden fallen, wenn sie von Politik und Mehrheitsgesellschaft wie Dreck behandelt und demonstrativ verachtet werden. Jemand, der sich als respektiertes, geachtetes Mitglied dieser Gesellschaft empfindet und hier ein gutes Leben fü hrt, wird einem IS-Agitator keine Minute zuhö ren. Jemand aber der eingepfercht am Rande des Gewerbegebiets in Container verfrachtet ohne eine wirkliche Perspektive, jeden Tag von Politik und Medien vermittelt bekommt, als hö chstens widerwillig geduldeter, fremdartiger Schä dling betrachtet zu werden, der wird vielleicht mit einer Ideologie liebä ugeln, die dieser Gesellschaft den Krieg erklä rt. Rassistische Hetze ist die Existenzgrundlage des Islamismus in Europa und keine Gegenmaßnahme gegen ihn.

Aber warum verlassen Menschen überhaupt ihr Heimatland?

Vermutlich nicht, um in deutschen Supermärkten zu klauen oder im Park Drogen zu verkaufen – auch wenn die Rechten uns das so weismachen wollen.

Näherliegend ist, dass sich zum Beispiel Afghanistan seit Jahrzehnten im Krieg befindet – nicht zuletzt durch westliches Zutun.

Schwerste Menschenrechtsverletzungen ausgehend von der westlichen Welt trugen zur Entstehung von Organisationen wie dem IS bei, dessen Terror wieder neue Flüchtlingsströme auslöste. Afghanistan ist natürlich nur ein Beispiel dafür, wie auch die Regierung unserer westlichen Länder ihren Teil dazu beitragen, Fluchtursachen zu schaffen statt zu beseitigen. Dazu kommen die profitorientierte, kolonialistische Ausbeutung und der einhergehende menschengemachte Klimawandel. Geflüchtete an unserer Grenze sind die Folgen der imperialistischen und kapitalistischen Politik auch unseres Landes.

Auch wenn sich Scholz und Habeck morgens also auf die “Wir sind die Brandmauer” Demos gegen Rechts stellen, wird am Nachmittag auf den Abschiebezug gesprungen und auch Aufrüstung wird durchweg besonders groß geschrieben.

So hat die Ampelregierung 2024 freundlicherweise den Verteidigungshaushalt für Krieg und Aufrüstung um knapp 2 Milliarden Euro erhöht und damit knapp 52 Milliarden Euro in Krieg und Militarisierung investiert. Würde man sich diesen Betrag in Ein-Euro-Münzen auszahlen und sie aufeinander stapeln, könnte man diesen Stapel locker einmal um die Weltkugel legen.

Gleichzeitig fehlen im Gesundheitssektor und im öffentlichen Dienst die Gelder. In Bremen zum Beispiel werden Sprach- und Integrationskurse für Geflüchtete nicht nur immer unbezahlbarer, sondern werden sogar komplett weggekürzt!

Wie kommt das? Wieso wird sich entschieden für Krieg und gegen soziale Hilfestellung gestellt?

Staat und Kapitalisten gehen Hand in Hand, um das zu sehen, muss man gar nicht erst über den großen Teich zu Elon und Donald blicken, auch hier mischen die Reichsten der Reichen munter in der Politik mit.

Vermögende und einflussreiche Menschen haben faktisch völlig andere Zugänge zum politischen Raum als die Arbeiter:innenklasse mit weniger Geld oder Einfluss. Bei privaten und öffentlichen Treffen, bei Abendessen, bei Veranstaltungen. Dazu kommt der strukturelle Lobbyismus. Der Einfluss von Kapitalisten auf die Spitzenpolitik ist auch in der BRD allgegenwärtig.

So ist dieser Staat nicht mehr als ein Werkzeug der Regierung, die gerade an der Macht ist und die Kapitalisten nutzen das, um ihre Interessen fördern zu können.

Sie machen Gesetze, nutzen Repressionsorgane, um das zu schützen, was sie für wichtig erachten, in diesem Fall, den deutschen Profit.

Leider lassen sich auch unsere Klassengeschwister, unsere Kolleginnen und Kollegen davon blenden und suchen ihren Feind in den Kolleg:innen ohne deutschen Pass statt bei den Kapitalisten, die das wirkliche Problem sind.

Versteht mich bitte nicht falsch.

Natürlich kann man durch Wahlen ein Stück weit beeinflussen, welche Ausgangsposition man sich für seinen Alltag und seine politische Arbeit wünscht.

Allerdings wird das Hauptproblem durch ein Kreuzchen in der Wahlkabine niemals gelöst werden.

Auch wenn dein Kreuzchen bei der Linken steht wird das unsere Welt nicht automatisch schön machen – das müssen wir schon selber tun.

Das Parlament als solches ist das Problem.

Im Kapitalismus wird immer nach Profit und nicht nach dem Menschen geschaut werden. Es gibt kein Parlament, an dem man die kapitalistische Ausbeutung abwählen kann; an dem man die Mechanismen abwählt, die zu imperialistischen Kriegen führen, die weiter und weiter Fluchtursachen schaffen und Menschen aus ihrer Heimat vertreiben.

Schaut mal nach links und nach rechts. Schaut euch an, wer da neben euch steht.

Stellt euch ein System vor, in dem ihr diese Menschen für die Umsetzung unserer Politik wählen könntet. Menschen, die für ein Arbeitergehalt Politik machen und nicht von oben herab. Menschen, die sich rechtfertigen müssen vor den Wähler:innen, die man einzeln auch wieder abrufen kann, statt irgendwelche hochbezahlten Hofschranzen in Schwatzbuden wie dem Bundestag. Politik, die offen stattfindet und nicht auf Bestellung der Konzerne im Hinterzimmer gemacht wird!

Lasst uns kämpfen für geänderte Eigentumsverhältnisse, Schluss mit dem kapitalistischen Eigentum an den Produktionsverhältnissen!

Für die Herrschaft der Arbeiterklasse statt der Superreichen.

Also lasst uns wieder nach oben treten statt gegen unsere Nachbarn!

Unser Problem sitzt eben nicht im Schlauchboot, sondern im Privatjet.

Denn mit dem Geld, das sich in den robusten Taschen des kleinsten und reichsten Teiles der Gesellschaft immer weiter ansammelt, könnten so viele wirkliche Probleme gelöst werden.

Wir könnten Menschen mit Fluchtgeschichte eine ehrliche Chance zum Ankommen in einer neuen Gesellschaft ermöglichen. Wir könnten psychische Unterstützung zur

Traumabewältigung leisten, Menschen in die Sprache einführen und lebenswerten und bezahlbaren Wohnraum für alle schaffen.

Wir könnten eine schnellere und einfachere Eingliederung leisten, wenn wir einen Staat erbauen, der den Menschen im Fokus hat.

Was können wir also momentan tun, was über den Gang zur Wahlkabine hinausgeht?

Wahlplakate zu verschönern, den AfD-Wahlkampf auf Podien und Infoständen zu begleiten und sich auf Kundgebungen zu beteiligen, ist wichtig und richtig.

Aber das wird die Leute, die mit Rechts sympathisieren nicht vor ihrer Verführung schützen oder gar umstimmen.

Wir brauchen antifaschistischen Selbstschutz, Menschen, die sich organisieren und sich einbringen – im Betrieb, in der Schule oder wo auch immer wir sind.

Lasst uns laut sein und den Widerspruch zwischen Arbeiterklasse und Kapitalisten aufzeigen. Denn wir brauchen eine kämpfende Arbeiter:innenbewegung.

Gemeinsam können wir etwas bewegen.

Gegen die Zerschlagung des Sozialstaats, gegen Milliarden für Aufrüstung.

Für eine bessere, sozialere Welt!

Denn nur wer kämpft hat die Wahl.“