Am 30.06 wurde unser Genosse Max vor dem Offenburger Amtsgericht zu einer Haftstrafe von 2 Jahren und 6 Monaten verurteilt. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Dieses Urteil steht im Kontext einer Demonstration gegen die AfD im März 2023. Damals hatte sich eine antifaschistische Demonstration durch den Einsatz eines Feuerlöschers kurzzeitig gegen einen Angriff der Polizei wehren können – dieser Einsatz des Feuerlöschers wurde nun vor Gericht unserem Genossen zur Last gelegt.
Was ist in Offenburg passiert?
Am 04. März 2023 fand der Landesparteitag der AfD in Offenburg statt, gegen den sich antifaschistischer Widerstand formierte. Es gab zwei Demonstrationen: Eine hin zur Messehalle in Offenburg, wo die AfD getagt hatte und anschließend eine zweite — explizit klassenkämpferische — Demonstration wieder in die Stadt zurück. Die Polizei wollten diese trotz angemeldeter Route am Loslaufen hindern und griff die Spitze der Demo unter Einsatz von Knüppel und Pfefferspray an. In diesem Zuge kam es zum Einsatz eines Feuerlöschers zur Verteidigung der Demonstration. Chaotische Einsatzlage, unklare Befehle, Einsatzpapiere und Schusswaffenmunition, welche in der Hektik von den Beamten auf der Straße verteilt wurden: Die Bullen haben die Kontrolle über die Situation kurzzeitig verloren. Nachdem sich einige hundert Meter erkämpft werden konnten, wurde die Demo aufgehalten, in einen Kessel zusammengepfercht und bis in die Nacht festgehalten und erkennungsdienstlich behandelt.
Die Repression im Nachgang
Die Staatsanwaltschaft und nun auch das Gericht setzen alles daran, den fragwürdigen Polizeieinsatz mit Gerichtsurteilen im Nachhinein zu rechtfertigen. Kurz nach den Protesten stürmte die Polizei zwei linke WGs in Karlsruhe. In einem Fall haben sie, vermummt mit schweren Waffen, ihre verloren gegangenen Einsatzunterlagen gesucht, die aber unter dem Motto „Wer’s findet, kann’s behalten“ bereits im Internet hochgeladen waren. Im anderen Fall haben sie nach einem Kaufbeleg für einen Feuerlöscher gesucht. Diesen haben sie zwar nicht gefunden, dafür wurden aber allerhand Klamotten, Werkzeug und technische Geräte geklaut und die Wohnung verwüstet.
Etwa ein Jahr nach den Protesten begannen dann die ersten Prozesse. Bis heute wurden Dutzende Antifaschist*innen, teils wegen juristischen Kleinigkeiten, verurteilt – und die Prozesse dauern an. Schon in den vergangenen Prozessen des letzten Jahrs wurde schnell klar, dass es sich dabei immer wieder um den Einsatz des Feuerlöschers drehen wird.
Der Feuerlöscher-Prozess
Zum Prozesstag von Max sowie eine*r weitere*n Antifaschist*in, die wegen angeblichem Widerstand zusammen mit Max in Offenburg angeklagt war, haben wir als Solikreis „Die Solidarität nicht abreißen lassen“ eine solidarische Prozessbegleitung sowie eine Kundgebung vor dem Gericht organisiert. Über hundert solidarische Antifaschist*innen aus ganz Baden-Württemberg, Bayern und Rheinland-Pfalz folgten dem Aufruf, sodass der Tag bis zum Ende des Prozesses politisch begleitet und eingeordnet werden konnte.
Bereits der Weg ins Gericht herein gestaltete sich schwer und zeigt die enorme politische Relevanz, die die Repressionsorgane diesem Fall zuschreiben. Begrenzte Plätze aufgrund von angeblichen Sicherheitsbedenken, Ausweis- und Körperkontrollen aller, die in den Gerichtssaal wollten und ein Verbot, selbst banale Dinge wie eine Flasche Wasser oder einen Stift ins Gericht mitzunehmen.
Mit Beginn des Prozesses offenbart sich schnell die Absurdität des Verfahrens. Die schriftlichen Aussagen, die die geladenen Polizist*innen im Vorfeld gemacht haben, sind oft 1:1 identisch – inklusive Rechtschreib- und Grammatikfehlern. Das war Staatsanwaltschaft und Richter aber keinem Kommentar würdig. Beweise basieren auf fadenscheinigen, halbwissenschaftlichen Gutachten irgendwelcher Algorithmen. Es wurden Unmengen an Videomaterial zusammengeschnitten, bei dem anhand von winzigen Details der Klamotten, die jedem gehören könnten, suggestiert wird, dass es sich immer um die gleiche Person handeln muss. Es wurden fast keine der Zeugen geladen, sondern schriftliche Aussagen der Bullen vorgelesen, von denen nur einer von 21 überhaupt dienstunfähig war. Die Staatsanwaltschaft beschreibt angebliche Verletzungen von Bullen, für die unser Genosse nach jetzigem Stand zweieinhalb Jahre in Haft muss: Würgereiz für einige Sekunden, Hustenanfälle und ein Halskratzen. Und das, während die Bullen beim Knüppeln Knochenbrüche, Gehirnerschütterungen und ähnliches verursacht haben. Der Richter schläft während der Plädoyers der Staatsanwaltschaft immer wieder ein – und urteilt kurz darauf über den Verlauf eines Lebens. Während die Staatsanwaltschaft für anderthalb Jahre Haft ohne Bewährung plädiert, urteilt der Richter letztendlich 2 Jahre und 6 Monate, also ein ganzes Jahr länger als die Forderung der Staatsanwaltschaft. Die ebenfalls angeklagte antifaschistische Person wurde zu 220 Tagessätzen verurteilt.
In Reaktion auf diese Urteile bekundeten die im Saal anwesenden Genoss*innen lautstark mit Parolen, was sie davon hielten. Außerdem konnten einige Genoss*innen trotz der intensiven Körperkontrollen Alarmpiepser in den Saal bringen, die in Folge ausgelöst wurden. Der Richter ließ den Saal daraufhin räumen. Die Alarmpiepser hielten die Justizbeamten ordentlich auf Trab: Sie mussten auf dem Boden herumkriechen, um die Ursache des Alarms zu finden und schafften es kaum, diese auszuschalten. Auch der Richter war von dieser kreativen Solidaritäts-Aktion sichtlich irritiert und verließ nach der Urteilsbegründung wutentbrannt den Saal.
Wie geht es jetzt weiter?
Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Max wird mit seinem Anwalt gegen das Urteil in Berufung gehen. Bis es zu einem rechtskräftigen Urteil kommt, wird Max weiter mit uns auf der Straße stehen und den Kampf gemeinsam mit uns führen. Auch wenn es in zweiter Instanz zu einem Hafturteil kommen sollte, ist das bei weitem nicht das Ende der Geschichte und auch nicht das Ende der politischen Aktivität der Inhaftierten. Ein paar Gedanken zur Auseinandersetzung mit Repression und Haft im speziellen könnt ihr hier nachlesen.
Uns haben schon zahlreiche Soli-Aktionen und Demos aus ganz Deutschland erreicht. Diese überwältigende Solidarität ist natürlich sehr erfreulich und macht Mut. An dieser Stelle wollen wir jedoch nochmal speziell auf die Situation von Maja aufmerksam machen, welche sich seit mittlerweile 35 Tagen im ungarischen Knast im Hungerstreik befindet. Majas gesundheitlicher Zustand ist zunehmend kritisch und es liegt an uns als antifaschistische Bewegung, Druck aufzubauen und Majas Rückkehr zu bewirken. Mehr Infos zu Maja und Möglichkeiten der Beteiligung findet ihr hier.
In Zeiten, in denen die CDU Deals mit der AfD eingeht, junge Neonazigruppen durch die Straßen ziehen und rechte Gewalt immer mehr zum Alltag wird, wird die Notwendigkeit von konsequentem Antifaschismus immer deutlicher. Auf der Straße oder vor Gericht, wir lassen uns nicht einschüchtern, nicht gegeneinander ausspielen und sagen trotz Repressionswelle immer noch: Wir lassen die Solidarität nicht abreißen und halten zusammen!







