Die AfD und der Russland-Ukraine-Krieg

Auch wenn die »Alternative für Deutschland« (AfD) in den außenpolitischen Diskussionen hierzulande keine Rolle spielt, ist festzustellen, dass der Überfall Russlands auf die benachbarte Ukraine am 24. Februar 2022 die Partei unter Spannung setzt. Immerhin hatte die Partei mit ihren wohlwollenden Besuchen in Moskau dort einen Partner für ihre politischen Ansichten gefunden – Ablehnung der liberalen Demokratien, Ablehnung der diversen, heterogenen Gesellschaft, Ablehnung einer nachhaltigen Umweltpolitik.

Vom Thema Corona ungebremst zum Thema Russland und Ukraine – die Fraktionsvorsitzenden Alice Weidel und Tino Chrupalla. © Roland Geisheimer / attenzione

Bundestag

Auf der Fraktionsklausur im März 2022 in Oberhof (Thüringen) konnte sich die Partei auf ein »Positionspapier der AfD-Bundestagsfraktion zum Russland-Ukraine-Krieg« mit neun Punkten einigen. Darin können sich die verschiedenen Strömungen – Putin-Versteher*innen und Ukraine-Unterstützer*innen – wiederfinden. Der Angriffskrieg Russlands wird verurteilt, aller gefallenen Soldat*innen wird gedacht, Waffenlieferungen an die Ukraine wird eine Absage erteilt. Außerdem soll nur »die temporäre Aufnahme von ukrainischen Kriegsflüchtlingen (gelten), sofern es sich um ukrainische Staatsbürger handelt«. Offensichtlich trauen die Fraktionsvorsitzenden Alice Weidel und Tino Chrupalla ihrer eigenen Fraktion nicht zu, sich an die Verlautbarungen zu halten: Die Einführung eines Sanktionskatalogs in der Fraktion soll dazu führen, die Meinungsdisziplin der Fraktionsmitglieder zu erhöhen.

Ausgangspunkt und exemplarisch für den Streit in der Fraktion ist die Bundestagsrede zum Krieg gegen die Ukraine des AfD-Abgeordneten Steffen Kotré am 25. März 2022. Nachdem Kotré pflichtbewusst den Angriff Russlands verurteilt hatte, holte er aus: »Der Westen (…) hat sogar noch provoziert. Und wir müssen auch dazu sagen, dass es Denkfabriken in den USA gibt, die sich Gedanken machen, wie Russland destabilisiert werden kann, und die sich Gedanken machen, wie gerade die Ukraine als Aufmarschgebiet dieser politischen Destabilisierung genutzt werden kann. Und wenn wir darüber reden, dann müssen wir eben auch über die Biowaffenlabore in der Ukraine reden, die gegen Russland gerichtet sind, und viele, viele andere Dinge.« Sein Fraktionskollege Norbert Kleinwächter distanzierte sich öffentlich und sprach von »widerlicher Putin-Propaganda«. Kleinwächters Distanzierung und seine Zustimmung für den Ausschluss Russlands aus dem Europarat nahmen mehrere Abgeordnete der AfD-Bundestagsfraktion zum Anlass, um Ordnungsmaßnahmen für ihn zu fordern.

Kleinwächter steht mit seiner fraktionsinternen Kritik nicht allein. So äußerte sich Joana Cotar, Beisitzerin im Bundesvorstand, eindeutig gegenüber dem Portal t-online. Da sie aus Rumänien komme, wisse sie sehr genau, was es bedeute, »unter der Knute Russlands« zu leben. Für sie sei die Haltung einiger in der AfD, aber auch in anderen Parteien, »unerträglich«. Sie forderte: »Jeder Partei- und Fraktionschef muss da auf den Tisch hauen, Klarheit schaffen.«

 

Brandenburg

Der brandenburgische AfD-Landesverband sah sich nach Beginn des russischen Angriffskriegs angesichts der gesellschaftlich weit verbreiteten pro-ukrainischen Stimmung genötigt, für seine Verhältnisse zurückhaltende Positionen zu beziehen. Der Fraktionsvorsitzende im Landtag, Christoph Berndt, erklärte im Potsdamer Parlament, dass »Gewalt kein Mittel zur Durchsetzung von eigenen Interessen« sein dürfe und befand, das russische Handeln habe eine Eskalation der Situation bewirkt. »Hilfe für Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine unterstützen auch wir«, bekundete Berndt. Damit hatte Berndt durchaus bemerkenswerte Akzente gesetzt: Mitnichten sprach er von einem russischen Angriff oder überhaupt von einem Krieg, stattdessen von »Vorgängen in der Ukraine« und einem »Eingreifen russischer Truppen«, über die es kaum »Erkenntnisse« gebe. Er forderte einen »Interessenausgleich«, der die »Sicherheitsinteressen Russlands« würdige. Das Pipeline-Projekt »Northstream II« solle nicht eingefroren werden und generell gelte: »Sanktionen« – gegen Russland – »halten wir für ungeeignet«. Sanktionieren wollte Berndt hingegen den Ausbau der erneuerbaren Energien, der seiner Meinung nach gerade jetzt gestoppt werden müsse. Auch andere Landespolitiker*innen der AfD argumentierten auf dieser Linie.

In einem eilig verabschiedeten Positionspapier des Landesverbands heißt es unter anderem: »Deutschland darf nicht den Fehler machen, nur Russland alleine für diese Entwicklung verantwortlich zu machen.« Und Ende März forderte die AfD in einem Entschließungsantrag, der Welle antirussischer Diskriminierungen entgegenzutreten. Außerdem wurde das europaweite Verbot der russischen Medien RT und Sputnik beklagt. Stärker noch aber diente der Antrag dem Ansinnen, die gegenwärtige Situation in Hinsicht auf die ankommenden Kriegsflüchtlinge rassistisch zu interpretieren: Unter den derzeitigen Flüchtlingen befänden sich viele »illegale Migranten«, weswegen es schärfere Kontrollen, Abweisungen und Abschiebungen brauche.

Andere brandenburgische AfD-Politiker*innen gehen weiter und bemühen sich, eine »russische Perspektive« zu vermitteln. Der Landtagsabgeordnete Lars Günther informierte Mitte März zusammen mit seinem ehemaligen Arbeitgeber – dem »Compact«-Chefredakteur Jürgen Elsässer – und dem einschlägig bekannten Berliner Abgeordneten Gunnar Lindemann bei einer Veranstaltung über die »wirklichen Hintergründe des langen Ukraine-Russland-Konfliktes«. Günther hatte seine ersten politischen Sporen am extremen rechten Rand der sogenannten Friedensmahnwachen 2014 verdient. Die USA und die NATO, »Transatlantiker« und die bundesrepublikanische Presse hätten von langer Hand den damaligen Umsturz in der Ukraine, eine Militarisierung des Landes und antirussische Aggressionen geplant. »Als deutscher Patriot« trete Günther für die »nationalen freiheitlichen Bestrebungen der jeweiligen Völker« ein. Daher würde er »auch die Bestrebungen russischsprachiger Menschen in den Gebieten der Krim, des Donezk und der Luhansk begrüßen« und ebenso »die nationalen russischen Sicherheitsinteressen« nachvollziehen können.

 

Die Südwest-AfD im Russland-Ukraine-Krieg

Auch in Baden-Württemberg ist die AfD gespalten in ihrer Beurteilung des Krieges in der Ukraine. Offiziell wird der russische Einmarsch verurteilt, viele AfD-Mitglieder neigen jedoch zu »Ja, aber«-Statements oder reproduzieren Pro-Putin-Propaganda. So schrieb das baden-württembergische Landtagsmitglied Emil Sänze am 1. März 2022 in einer Pressemitteilung, ein »in Teilen mit faschistoiden Elementen durchsetzter Staat wie die Ukraine« verdiene nicht »unsere Unterstützung«. Eher pflichtschuldig schiebt er hinterher: »Gleiches gilt für Russland.«

Sänze verbreitet auch russische Propaganda, etwa wenn er behauptet, es seien »15.000 bis 20.000 Zivilisten durch die diversen Kampf- und Unterdrückungsmaßnahmen auch des ukrainischen Staates zu Tode« gekommen. Hierbei handelt es sich nachweislich um Fake-News. Andere sind etwas vorsichtiger. Johann Martel, Kreisvorsitzender der AfD Neckar-Odenwald, twitterte am 10. März 2022 in Reaktion auf einen kritischen Artikel: »Erneuter Versuch der #ARD, der #AfD etwas anzuhängen, was sie nicht ist. Es muss klar sein, dass Leute wie Eugen Schmidt (…), @Tino_Chrupalla oder Gunnar @AfDLindemann den BRD-Hass auf #Russland auszugleichen versuchen.« Andere Partei-Gliederungen, wie etwa die AfD Karlsruhe, positionieren sich dagegen deutlich gegen den Angriff auf die Ukraine. Ansonsten wird auch die Befürchtung geäußert, der Ukraine-Krieg werde das Thema »Corona-Diktatur« und Impfen verdrängen. So heißt es in einer Instagram-Story der AfD-Landtagsfraktion am 29. März 2022: »Neben Ukrainern gibt es übrigens auch noch Deutsche – die in den letzten Jahren wenig zu lachen hatten. Deswegen laufen im Schatten des Krieges nach wie vor die Montagsspaziergänge gegen unsinnige Corona-Zwangsmaßnahmen (…).«

 

Bayern

Oskar Atzinger, der als Abgeordneter in den Bayerischen Landtag nachrückte, erklärte in seiner Antrittsrede am 15. März 2022: »Die kriegerische Auseinandersetzung in der Ukraine ist meiner Meinung nach die Folge einer expansiven Politik der NATO, die die berechtigten Sicherheitsinteressen Russlands ignoriert. (…) Im Unterschied zum Ersten Weltkrieg (…) besteht jetzt die Gefahr, dass der Konflikt absichtlich geschürt wird, um von innenpolitischen Schwierigkeiten abzulenken.« Die Aussagen seines Passauer Kreistags- und Landtagskollegen Ralf Stadler gestalten sich ebenso weniger »Pro-Putin« als vielmehr »Anti-Ukraine«. Ende März publiziert er auf Facebook: »Russlands Krieg mit der Ukraine ist mit nichts zu rechtfertigen, wenn aber jemand laufend Natopartner anstachelt, schwere Waffen jemandem zu liefern, der weder Nato- noch EU Partner ist, provoziert er einen Weltkrieg. Als Politiker müsste doch Selenskyj wissen, dass Waffenlieferungen von Natoländern einen Flächenbrand auslösen können.«

Der Russland-Ukraine-Krieg dient Stadlers Meinung nach vor allem als Ablenkungsmanöver für diverse »volksschädliche« Agenden der Bundesregierung, wie dem Beschluss der Impfpflicht – die es nicht gibt – oder Klimaschutzmaßnahmen. Stadler, der regelmäßig Narrative und Chiffren einer »jüdischen Weltverschwörung« verbreitet, ist sich für keine Verschwörungserzählung zu schade und teilte einen Beitrag des bayerischen Bundestagsabgeordneten Martin Sichert (AfD). Dieser deckt den angeblichen Plan hinter dem Russland-Ukraine-Krieg auf: die klimapolitische Wende, forciert durch das Weltwirtschaftsforum und dessen Mitglieder Annalena Baerbock und Wolodymyr Selenskyj unter dem Agitator George Soros. Auch teilte Stadler Beiträge, welche belegen sollen, dass ukrainische Soldat*innen für die »Neue Weltordnung« kämpfen. Im Sinne der AfD skandalisiert Stadler, ein Großteil der Geflüchteten seien nicht ukrainische »Frauen und Kinder«, sondern Männer aus Afrika.

Der ehemalige Bundestagsabgeordnete Hansjörg Müller, der seit Anfang des Jahres in Russland lebt, sticht aus dem Kreis der Anti-Westlichen hervor. Im Interview mit dem »Compact«-Magazin behauptete Müller, er hätte im Gegensatz zur »Lügenpresse« einen authentischen Blick auf das Geschehen. Er sprach vom »US-finanzierten« Maidan-Putsch, bei welchem »Scharfschützen des Westens« auf Demonstrant*innen geschossen hätten, um »eine Stimmung gegen den Staatspräsidenten zu erzeugen«. Müller ist seit 2013 AfD-Mitglied und beriet vor seinem Einzug in den Bundestag (2017-2021) Firmen bei ihren osteuropäischen und russischen Investitionen. Bereits 2016 wurde er gemeinsam mit Petr Bystron als Delegation der AfD vom russischen Generalkonsul in München empfangen. Als Bundestagsabgeordneter erhielt er fünfstellige Beträge durch Beteiligungen an der »OOO Dissawo, Moskau«. Da er in den letzten Jahren immer wieder ein Ende der europäischen Wirtschaftssanktionen gegen Russland forderte, war er beim russischen Staatssender Russia Today ein gern gesehener Interviewpartner. Und 2020 reiste er gemeinsam mit den AfD-Bundestagsabgeordneten Robby Schlund und Waldemar Herdt nach Russland, um mit Vertreter*innen der Staatsduma zu sprechen.

Am 20. Januar 2022 veröffentlichte Müller vor seinem Abflug nach Mos­kau ein Video, in dem er mitteilte, dass er als »Deutscher Patriot« in eine »Art politisches Exil« gehe, weil er die »Unterdrückung demokratischer Rechte« durch die deutsche Regierung nicht mehr mitmache. Er kündigte an: »Ich werde auch von Moskau aus die demokratische Opposition unterstützen.«

Putin-Fan Maximilian Krah ist der AfD-Kandidat zur Dresdner Oberbürgermeisterwahl im Juni 2022.

 

Sachsen

Als der sächsische Landtag am 23. März 2022 zusammentrat und Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) seine Regierungserklärung zum Krieg in der Ukraine abgab, diesen verurteilte und einen klugen Umgang mit dem Aggressor Russland anmahnte, äußerte sich die AfD in Sachsen erstmals offiziell zu diesem Thema. In seiner Landtagsrede bezeichnete AfD-Fraktionschef und Landesvorsitzender Jörg Urban den Einmarsch der russischen Armee als völkerrechtswidrig, warf im gleichen Atemzug jedoch allen anderen Parteien Heuchelei vor. Im Weiteren übernahm er Teile der russischen Rechtfertigung: In der Ukraine trage keineswegs allein der Angreifer die Schuld an der Eskalation. Vorausgegangen seien jahrelange Provokationen der NATO, eine durch die deutsche Regierung forcierte Konfrontation, ein durch die Ukraine gebrochenes Minsker Abkommen und Tote im Donbass. Die Ukraine sei außerdem undemokratisch, korrupt und partiell faschistisch. Sanktionen gegen Russland wiederum seien kontraproduktiv – deren Aufhebung fordert die sächsische AfD schon länger. Maximilian Krah, Mitglied des Europaparlaments und Kandidat zur Dresdner Oberbürgermeisterwahl im Juni, macht keinen Hehl aus seiner pro-russischen Parteinahme inklusive Übernahme russischer Propaganda: Bezüglich der Kriegsverbrechen in Butscha twitterte er von »zahlreichen Bildern und Videos vom 1. und 2.4., alle ohne die ab dem 3.4. berichteten Verbrechen«. Für ihn gilt Putins Russland ohnehin als stärkster Verbündeter im Kampf gegen westlichen Individualismus und Liberalität.

Der Krieg in der Ukraine wird die AfD weiterhin beschäftigen. Intern werden die Landesverbände versuchen, pro-russische beziehungsweise anti-ukrainische Stimmen zu deckeln, um der öffentlichen Meinung Rechnung zu tragen. Im Bundestag wird die Partei gegen den Kurs der Regierungskoalition opponieren, auf Grundlage ihrer Themenschwerpunkte – Geflüchtete, Energie und Zuwendung Richtung Russland.


Dieser Artikel stammt von „der rechte rand“. Schaut gerne mal dort vorbei! Dort sind immer wieder ausführliche und gut recherchierte Artikel und Analysen zum Thema Antifa zu finden.