Antifaschismus bleibt notwendig

„Unbändige Freude und Kraft, die man spürt, wenn Genoss*innen ihre Solidarität zeigen“

Grußwort von Jo aus der JVA Ravensburg

Vorbemerkung von Genoss*innen von Jo aus der „Antifa bleibt Notwendig“-Kampagne:
Das nachfolgende Grußwort von Jo ist im Dezember 2022 entstanden, nachdem die beschriebenen Regelungen zum Gassparen in den Knästen in Baden-Württemberg eingeführt wurden. Das Grußwort hat ganze fünf
Wochen gebraucht, bis es über den regulären Postweg zu uns nach draußen gelangt ist. Das eigentliche Grußwort für diese Ausgabe der Sonderzeitung zum Internationalen Tag der politischen Gefangenen ist auf dem Briefweg verzögert oder aufgehalten worden – welche Ironie – und hat es leider nicht mehr rechtzeitig nach draußen geschafft. Umso deutlicher bestätigt sich noch einmal, wie wichtig es ist, dass wir unsere Gefangenen nicht vergessen und ihnen Briefe schreiben.

Liebe Genoss*innen,
tagtäglich lesen wir in der Zeitung und sehen wir im Fernsehen, dass wir anscheinend kurz vor einem Black-Out stehen, wenn nicht jede*r auf Duschen verzichtet und die Wohnung nur noch mit Kerzen beleuchtet.
Für die unbezahlbaren Stromkosten gibt es jetzt den symbolischen Energiepreisdeckel, um den Widerstand in der Bevölkerung gegen die Teuerungen in jedem Lebensbereich und den Wirtschaftskrieg gegen Russland möglichst kleinzuhalten. Man macht sich was vor, wenn man denkt, dass Politiker*innen, die uns statt der Dusche den Griff zum Waschlappen empfehlen, uns mit diesem Preisdeckel was Gutes tun wollen. Nein, da geht es nur darum, die Bevölkerung ruhigzuhalten. Für die Interessen der Reichen, die in diesem Staat das Sagen haben, sollen wir im Winter frieren und haben am Ende des Monats trotzdem nicht genug Geld, um den Wocheneinkauf zu bezahlen.
Die Politiker*innen sind sich ihrer Macht nicht sicher genug, um den Menschen draußen in Freiheit die tägliche Dusche oder die warme Wohnung zu verbieten. Aber bei uns Gefangenen haben sie keine so großen Bedenken. Wenn man einfach die Zelle zuschließen kann, muss man sich wenig Sorgen vor einem heißen Herbst oder Wutwinter machen.
So wurde uns vor einigen Wochen mitgeteilt, dass das Justizministerium beschlossen hat, unsere Zellen ab jetzt tagsüber nur noch auf 20 Grad, nachts höchstens auf 16 Grad Celsius zu beheizen. Dazu kommt, dass
ein Großteil unserer Duschmöglichkeiten wegfällt. Vor und nach der Arbeit, an Wochenenden und vor allem vor Besuchen dürfen wir nicht mehr duschen. Viele von uns arbeiten in Betrieben, in denen man nach
acht Stunden schwerer Arbeit durchgeschwitzt und verdreckt ist. Zum Beispiel sind meine Arme und mein Gesicht nach meiner Tätigkeit in der Schlosserei oft schwarz vom öligen Stahl, den ich bearbeite.
Wenn ich montags Besuch habe, muss ich denen, die mir lieb sind und die ich sowieso viel zu selten sehe, verdreckt und seit Freitagabend ungewaschen gegenübertreten. Duschen können wir nämlich nur noch
unter der Woche in der anderthalbstündigen Freizeit am Abend, wo die Zeit mit Zelleputzen, Kochen und Telefonieren auch so schon knapp ist.
Bei allen Entbehrungen, denen man im Knast sowieso und in Zeiten der Energiekrise noch mehr ausgesetzt ist, gibt es einem aber viel Kraft, wenn man die Solidarität der Menschen da draußen spürt. Hinter den Knastmauern lebt man wie in einer Parallelwelt, die Geschehnisse, die Leute und die Gesellschaft draußen wirken sehr weit weg. Da ist man froh über jeden Moment, in dem man spürt, dass man nicht vergessen wird und nicht alleine ist, sei es durch Briefe, Feuerwerk vor dem Knast oder alle anderen, die einen irgendwie erreichen.
Unsere Stärke liegt in unserer Solidarität, das ist keine leere Floskel. Die unbändige Freude und Kraft, die man spürt, wenn Genoss*innen ihre Solidarität zeigen, lässt sich nur schwer beschreiben und kann – wenn auch nur für ein paar kurze Augenblicke – die Gefängnismauern überwinden. Egal wie hoch sie sind.

Jo, aktuell inhaftiert in der JVA Ravensburg


»Politische Gefangene werden besonders schikaniert«

Kampagne organisiert Solidarität mit inhaftierten Antifaschisten »Jo« und »Dy«. Ein Gespräch mit Anna Herrmann

Interview: Henning von Stoltzenberg

Im Oktober 2021 wurden zwei unter den Namen »Jo« und »Dy« bekannt gewordene Antifaschisten zu viereinhalb bzw. fünfeinhalb Jahren Haft verurteilt. Wofür diese so hohen Haftstrafen?

Ihnen wird vorgeworfen, an einer Auseinandersetzung mit Faschisten der rechten Scheingewerkschaft »Zentrum Automobil« am Rande einer »Querdenken«-Demonstration beteiligt gewesen zu sein. Angeklagt wurden sie wegen gemeinschaftlicher Körperverletzung, zeitweise stand versuchter Totschlag im Raum. Das gesamte sogenannte Wasen-Verfahren ist politisch motiviert. Schon früh zeichnete sich ab, dass an Jo und Dy ein Exempel statuiert werden sollte. Dies bestätigte auch das Urteil, bei dem eine politische Begründung dargelegt wurde und es dem Gericht um eine Delegitimierung antifaschistischer sowie revolutionärer Politik geht. So spricht es von Handeln aus »ideologischer Verblendung« und von »Linksextremisten, wie man sie sich vorstellt«.

Sie haben das Verfahren begleitet. Welches Fazit ziehen Sie daraus?

Im Rahmen unsere Kampagne »Antifaschismus bleibt notwendig« haben wir nicht nur die direkte Unterstützung für alle Betroffenen organisiert, sondern auch versucht, die Repression politisch einzuordnen. Letztlich geht es uns darum, dem staatlichen Angriff unsere Solidarität entgegenzustellen. Ziel der Repression ist immer auch die Schwächung unserer Arbeit. Eine Fortführung und Ausweitung der eigenen Praxis und der Aufbau von Strukturen ist für uns daher die konsequenteste Antwort auf die Repression.

Wie ist die Haftsituation der beiden Antifaschisten? Gibt es Repressalien im Gefängnis?

Die Situation der Gefangenen ist sehr unterschiedlich. Jeder Knast hat eigene Regeln, Möglichkeiten und einen Tagesablauf. Jo sitzt in Ravensburg in Haft. Vor kurzem hat er über die Sparmaßnahmen im Knast geschrieben. So wurden zum Beispiel die Duschzeiten beschränkt und die Temperatur auf 16 Grad in der Nacht gesenkt. Dy wiederum sitzt in Bruchsal in Haft. In den ersten Wochen wurde er stark schikaniert. So durfte er keinen Kontakt zu Anwälten oder seiner Familie haben. Auch Besuche, Briefe und Telefonate wurden unterbunden. Resultat der Schikanen war, dass Dy keine politische Bezugnahme mehr wollte. Wir bedauern, dass wir der Repression nichts gegenhalten konnten, und respektieren seine Entscheidung. An unserer Solidarität mit ihm wird sich deswegen nichts ändern.

Politische Gefangene haben eine besondere Stellung im Knast: Im Gegensatz zu vielen anderen Gefangenen erhalten sie Solidarität von außen, Briefe und finanzielle Unterstützung. Das missfällt auch der JVA, die die politischen Gefangenen dafür besonders schikaniert.

Welches Ziel hat die bundesweite Infotour Ihrer Kampagne?

Mit den Veranstaltungen möchten wir das »Wasen-Verfahren« bekannt machen und auf die Hintergründe eingehen. Auch möchten wir unsere gemachten Erfahrungen teilen und voneinander lernen.

Gibt es weitere Repressionsfälle dieser Art gegen Linke in Baden-Württemberg?

In den vergangenen Jahren gibt es immer mehr politische Gefangene in Baden-Württemberg. Der Antifaschist »Findus« sitzt seit Juli 2021 für verschiedene antifaschistische Aktivitäten in Heimsheim. Auch im Knast ist er weiterhin politisch aktiv, solidarisiert sich mit kurdischen Gefangenen und thematisiert die Situation seiner Mitgefangenen. Zusätzlich laufen gerade Verfahren gegen drei linke Aktivistinnen und Aktivisten wegen der Beteiligung an der »Krawallnacht« in Stuttgart. Auch hier wurden zwei Genossen zu hohen Haftstrafen verurteilt.

Anlässlich des Tages des politischen Gefangenen am 18. März wollen wir mit verschiedenen Solidaritätskampagnen und der Roten Hilfe all diese Gefangenen im Rahmen einer Bustour besuchen und unsere Solidarität zum Ausdruck bringen.