Die Mauern überwinden, die uns trennen

Widerstand drinnen und draußen

Der Stuttgarter Antifaschist Findus sitzt seit Juli 2021 eine zweieinhalbjährige Haftstrafe wegen verschiedener politischer Tätigkeiten in der Justizvollzugsanstalt (JVA) Heimsheim ab. Als politischer Gefangener begreift er den Knast als Ort der Auseinandersetzung. In diesem Sinne thematisiert er immer wieder die Schikanen des Knastsystems gegen die Gefangenen, etwa der in Heimsheim stark eingeschränkte Zugang zu Büchern oder die rigorose Postzensur, die mit vermeintlichem Drogenschmuggel begründet wird. So werden Briefe lange aufgehalten und nicht im Original ausgehändigt, sondern schlecht kopiert und damit teilweise kaum lesbar weitergegeben.

Hinzu kam im Frühjahr 2022 ein Corona-Lockdown im Knast, bei dem die Gefangenen trotz Impfung und negativem Test über mehrere Tage durchgehend in ihren Zellen festsaßen. Hofgang, Freizeit, Arbeit, Besuche und selbst Telefonate nach draußen waren verboten. Teilweise war es Gefangenen über fünf Tage nicht möglich zu duschen. Das Ganze wohlgemerkt zu einer Zeit, als draußen kaum noch Einschränkungen galten.

Diese Umstände prangerte Findus in einem Brief an und bekundete, sie nicht mehr länger einfach so hinzunehmen. Diese Absichtserklärung des Widerstandes nahm die Knastleitung zum Anlass, ihn innerhalb des Knastes „abzusondern“, also in einer extra Abteilung von jeglichem Kontakt zu anderen Gefangenen und ohne Zugang zu seinen Sachen, Fernsehen, Briefen
und eigener Kleidung zu isolieren.

Der Knast bedeutet für politische Gefangene eine konstante Konfrontation, konstante Angriffe auf ihre politische Identität: durch Einschränkungen von Büchern, Postzensur, wiederholte Zellenrazzien, das Beschlagnahmen von persönlichen Gegenständen bis hin zur oben beschriebenen „Absonderung“.

Der Knast zielt durch seinen Charakter darauf ab, die Gefangenen gefügig zu machen, nach seinen Regeln zu konditionieren und jegliche Selbstbestimmung oder Widerstand zu verhindern.

Diese „politische Selbsterhaltung“ und konkreten Widerstand gegen die alltäglichen Schikanen des Knastes zu unterstützen und ihnen einen Platz in unseren Kämpfen draußen zu schaffen, sehen wir als wichtige Aufgabe – als Solistruktur und als gesamte Bewegung.

Entsprechend gab es verschiedene Reaktionen auf Findus’ „Absonderung“: Gemeinsam mit einem Anwalt wurde juristisch gegen die Maßnahme vorgegangen, es wurde Öffentlichkeit für die Situation geschaffen, unzählige Menschen folgten einem Aufruf, jetzt erst recht Briefe zu schreiben; es kam zu nächtlichen Feuerwerksgrüßen, und wir organisierten eine Kundgebung vor der JVA, an der sich Genoss*innen aus der ganzen Region beteiligten.

Findus selbst beschreibt diese Zeit so:

„Den Schikanen, die ich hier drinnen erlebe, weil ich meine politische Identität nicht verrate und einfach so über Bord werfe, kann man bewusst entgegentreten. Die prägendste Zeit für mich hier drinnen war die, als ich in die Absonderung verlegt worden bin und kurze Zeit danach viele von euch Genoss*innen vor der JVA den Protest lautstark ausgetragen haben. Dadurch wurde der Druck auf die JVA erhöht, und zeitgleich lief auch noch ein Beschwerdeverfahren vor der Kammer. All dies und meine ungebrochene politische Haltung, der Druck von draußen und das Verfahren haben selbstverständlich den Druck auf die JVA erhöht. Genau diese Wechselwirkung im Kampf hat mir die nötige Kraft und den Mut gegeben, so widerständig wie eh und je zu bleiben und mich von all dem nicht entmutigen zu lassen!“

Am Ende hat sich das Kämpfen gelohnt. Nicht nur wurde die Absonderung gekippt, die JVA musste sich auch kritischen Fragen von Journalist*innen zur Situation der Gefangenen stellen. Und: Der Widerstand von Findus, samt der praktischen Unterstützung vor den Mauern, inspirierte andere Gefangene, sich ebenfalls zu äußern, und führte zu einem kollektiveren Umgang mit den Schikanen.

Zu diesem Verzahnen verschiedener Ebenen drinnen wie draußen schreibt Findus:

„Der Kampf hinter Gittern kann ziemlich facettenreich sein, aber ebenfalls kann dieser auch sehr festgefahren und stagnierend sein. Ich denke, dass trotz alledem der Kampf auf juristischer Ebene zentral ist, aber dieser muss in Wechselwirkung stattfinden. Für mich heißt das, dass dieser auch in gewisser Weise mit den politischen Kämpfen draußen zusammenhängen oder zumindest gewisse Überschneidungspunkte an den Tag legen sollte.“

Die Erfahrungen, die wir – sowohl Findus im Knast als auch wir Genoss*innen draußen – sammeln, stehen am Anfang. In Anbetracht sich zuspitzender Verhältnisse, steigender Repression und damit einhergehend mehr politischer Gefangener gewinnen diese Erfahrungen und das Zusammenführen der Kämpfe drinnen und draußen aber weiter an Bedeutung.