Nazi-Aktivistin organisiert Regensburger Krisenprotest

Für Samstag, den 22. Juli 2023 mobilisiert die rechte und verschwörungsideologische Szene zu einer Demonstration in Regensburg unter dem Motto „Schluss mit dem Ampel Wahnsinn“. Jörg Uhlig, CSUler und Mitglied der verschwörungsideologischen Gruppe Gemeinsam für unsere Zukunft (GfuZ) bezeichnet die Organisatorin auf Nachfrage als „eine mir bekannte Einzelperson ohne parteipolitischen Hintergrund“. Es gebe „keine Vereinnahmung der Aktion durch eine politische Seite“ und „keinen ‚bedenklichen‘ Hintergrund (das ist natürlich eine Frage des Blickwinkels!)“. Aus unserem Blickwinkel – dem von jahrelanger Antifa-Recherche in Regensburg nämlich – sieht die Sache deutlich anders aus, denn auch für uns ist die Organisatorin eine „bekannte Einzelperson“

Flyer für den 22.07.2023

III. Weg Aktivismus

Nadine Alt, Jahrgang 1987, aktuell wohnhaft in Schierling, war Mitte der 2010er Jahre im Umfeld der Neonazipartei Der III. Weg und seiner Vorgängerstruktur Freies Netz Süd (FNS) aktiv. Gemeinsam mit Regensburger Neonazis wie Martin Weikenstorfer, Kerstin Haseneder und Frank Müller nahm sie beispielsweise an einer Kundgebungen des III. Weg 2014 in Deggendorf und der 1. Mai-Demonstration des III. Wegs 2016 in Plauen teil. Dort trug sie gemeinsam mit dem mittlerweile verstorbenen Neonazi Kurt Günther ein Transparent mit der Aufschrift „Für Arbeitsplätze und gerechten Lohn – nationale Revolution“. Neben dem neonazistischen Aktivismus war Alt zudem schon 2016 an Verschwörungserzählungen wie der Hohlen Erde, Lichtwesen aus dem Weltall und Reptiloiden interessiert. Beruflich absolvierte sie zu dieser Zeit eine Ausbildung zur Bürokauffrau bei den Johannitern.

Rückzug aus der „Öffentlichkeit“

Obwohl Alt sich dann Mitte/Ende der 2010er Jahre von neonazistischen Demonstrationen fern hielt, unterhielt sie auf Facebook weiterhin Kontakt zu regionalen und überregionalen Neonazis, darunter dem notorischen Gewalttäter Constantin Sievers, der 2006 einem Antifaschisten mit zwei Messerstichen fast das Leben nahm und längere Zeit im Gefängnis saß.

Privat veränderte sich viel in dem Leben von Alt; sie gründete eine Familie veränderte ihr Äußeres, lebte „unauffällig“, besuchte Rock-Konzerte, ging auf Dorffeste und pflanzte Blumen im Garten. Zudem versucht sie sich seit einigen Jahren als Statistin und Komparsin unter anderem in TV-Produktionen. Als nadiiitestet vermarktet sie sich als Produkttesterin auf Instagram und kann dabei auf über 2.000 Follower:innen blicken. Neben all diesen Veränder- und Neuerungen kann Alt auf eine Konstante zurückgreifen: ihre Schwarze Sonnen-Ohrringe, die sie seit über 10 Jahren immer wieder trägt und damit auch erkennen lässt, dass sie die neonazistische Ideologie nie abgelegt hat.

Aktivistisch und …

Erst im Zuge der Corona-Proteste und neuer rechter und verschwörungsideologischer Netzwerke trat die nun „ehemalige Pflegekraft“ wieder sichtbar aktivistisch auf. Alt ist Mitglied der verschwörungsideologischen Trommelgruppe, die seit über 1 1/2 Jahren bei vielen Demonstrationen der Szene mitläuft. Die Truppe trat Anfang 2022 erstmals unter dem Namen Regensburger Trommler auf Corona-Kundgebungen in Regensburg auf und wurde schnell fester Bestandteil der verschwörungsideologischen Szene in Ostbayern. Im vergangenen Sommer beteiligte sich die Gruppe als Freiheitstrommler auch überregional an Demonstrationen, beispielsweise in Frankfurt am 25. Juni 2022. Unter dem neuen – vermutlich um die Herkunft aus der verschwörungsideologischen Szene zu verschleiern – Namen Ritmo Ratisbona trat die Gruppe kürzlich beim Regensburger Bürgerfest auf. Neben Alt gehören zur Trommelgruppe auch die umtriebige Landshuter Querdenken– und Bayern steht zusammen-Aktivistin Renate Kukral, die auf Telegram schon öfters zum „Systemumsturz“ aufrief.

… extrem rechts

Alt ist aber nicht nur Teil der verschwörungsideologischen Szene. Noch heute ist sie in sozialen Medien mit lokalen Neonazis wie der III. Weg Stützpunkleiterin Jasmin Eisenhardt und dem ehemaligen NPD- und FNS-Akteur Robin Siener vernetzt. Aus ihrer nach wie vor extrem rechten Einstellung macht sie keinen Hehl, verbreitet Reden der AfD, wettert gegen den „Asyltourismus“ und ist sich sicher, ohne Migration würde „Deutschland auch in Zukunft Deutschland bleiben mit einem stolzen, heimatverbundenen Volk!“. Alt weiß, dass „die wahren Verbrecher schon immer die Amerikaner“ waren, positioniert sich pro-russisch und verbreitet Hetze gegen ukrainische Geflüchtete. Daneben bedient sie gängige Verschwörungsmythen, beispielsweise über angeblich giftige MRNA-Impfstoffe.

Ein Protest aus der „Mitte der Gesellschaft“? Eher nicht!

Laut Ankündigung auf Telegram wird Alts Veranstaltung am 22. Juli ein wilder Rundumschlag: Es soll um „Mittelstand, Handwerk & Landwirtschaft“, um „Manipulation & Spaltung durch Medien & Politik“, um „Aufklärung der Corona-Krise“, um „Heizungsideologie“ und um „FRIEDEN!!!“ gehen. Dass bei diesem Wording verschwörungsideologische, antisemitische und rassistische Aussagen selten weit sind, haben die letzten drei Jahre gezeigt. Auch diesmal wird für die Veranstaltung in den einschlägigen verschwörungsideologischen Telegramgruppen geworben. Besonders amüsant gestaltet sich auch die auf dem Demo-Flyer formulierte „Ausschlussklausel“ für die Veranstaltung am 22. Juli, welche doch „keiner Vereinnahmung durch eine politische Seite“ unterliege. Von dem Protest ausgeschlossen seien „Linke, Grüne und Extremisten“. Letzteres gilt augenscheinlich nicht für solche, die sich in der Vergangenheit in inzwischen verbotenen neonazistischen Strukturen betätigten. Aber auch andere Neonazis wie Andreas Dießinger und Akteure der örtlichen AfD wie Georg Bäumel werben für die Demonstration. Daher wird es am Samstag in Regensburg zu einer Versammlung mit unterschiedlichen Personen aus der extremen Rechten sowie dem verschwörungsideologischen Milleu kommen.