„Knockout 51“: Reale Tötungsabsichten

Vor dem Oberlandesgericht Jena müssen sich voraussichtlich ab Ende August vier mutmaßliche Mitglieder der extrem rechten Kampfsportgruppe „Knockout 51“ aus Eisenach verantworten. Der Generalbundesanwalt wirft ihnen die Mitgliedschaft in einer rechtsextremistischen kriminellen und terroristischen Vereinigung vor. Ihr Ziel sei die Tötung von Personen der linken Szene gewesen.

Es war einer der größten Polizeieinsätze gegen die bundesdeutsche Neonazi-Szene: Wegen des Verdachts rechtsextremistischer Straftaten rückten im April 2022 über 800 Polizeibeamt*innen zu Durchsuchungen in elf Bundesländer aus. Sie richteten sich gegen insgesamt rund 50 Beschuldigte, der Schwerpunkt lag in Thüringen. In Eisenach und im hessischen Rotenburg an der Fulda wurden vier Neonazis festgenommen, denen die Bundesanwaltschaft die Mitgliedschaft bzw. Rädelsführerschaft in der rechtsextremistischen kriminellen und terroristischen Vereinigung „Knockout 51“ vorwirft.

Seit Januar 2021 ermittelt der Generalbundesanwalt in dieser Sache gegen 14 Beschuldigte, darunter die festgenommenen Leon R.1Leon Ringl, Maximilian A.2Maximilian Andreas, Eric K.3Eric Krempler und Bastian A.4Bastian Adams In den Augen der Strafverfolgungsbehörde ist R. der Anführer, die drei anderen sollen als Führungsfiguren der Gruppierung mit Schwerpunkt in Eisenach agiert haben. Nach der Anklageerhebung Mitte Mai wurden zehn weitere Beschuldigte aus dem Verfahren abgetrennt. Darunter befindet sich auch Patrick Wieschke, Bundesorganisationsleiter und Vorsitzender der Eisenacher Stadtratsfraktion der mittlerweile in „Die Heimat“ umbenannten NPD.

Radikalisierung und Professionalisierung der Gewalt

Seit spätestens März 2019 war die Gruppierung in und um Eisenach aktiv, sie verstand sich wie „Combat 18“ als elitäre Kampf- und Einsatzeinheit. Trainiert wurde in der NPD-Landeszentrale in Eisenach. Zum Vorstand des Trägervereins gehörte auch R., andere Beschuldigte waren Mitglieder. Gezielt sollen die Mitglieder von „Knockout 51“ für körperliche Auseinandersetzungen mit Polizeibeamt*innen, vermeintlich Linken, Angehörigen der Drogenszene und anderen als Feind markierten Personen ausgebildet worden sein. Dass die Beschuldigten bereits dabei waren, in Eisenach dieses Ziel umzusetzen, zeigen die weiteren angeklagten Delikte wie mehrfache gefährliche Körperverletzungen, tätliche Angriffe auf Vollstreckungsbeamte und Verstöße gegen das Waffenrecht. Mit der Errichtung eines „Nazi-Kiezes“ in der Eisenacher Weststadt und der Durchführung von bewaffneten „Kiezstreifen“ wollten sich die Neonazis dort als Ordnungsmacht etablieren und eine „national befreite Zone“ schaffen.

Neben ihrer Tätigkeit als Sicherheitsdienst bei Veranstaltungen in der NPD-Parteizentrale suchten die Mitglieder der bundesweit vernetzten Gruppe bei Aufmärschen von Gegner*innen der Corona-Maßnahmen beispielsweise in Berlin die Konfrontation mit der Polizei. Auch in Eisenach nutzten oder initiierten sie entsprechende Aufmärsche als Gelegenheit zur Eskalation. Wie schon bei ihren Vorläufergruppen fand auch bei „Knockout 51“ eine rasante Radikalisierung und Professionalisierung der Gewalt statt. Der Netzwerker und Betreiber einer rechten Szenekneipe, R., soll bereits damit angefangen haben, nach dem Vorbild des Attentäters von Halle mit einem 3D-Drucker Maschinenpistolen mit Munition herzustellen. Den Umgang mit Schusswaffen trainierten die Mitglieder auf Schießständen in der Tschechischen Republik.

Kopf der Gruppe, Leon R., wird auf einer verschwörungsideologischen Demo in Berlin festgenommen.

Keine Toten nur durch Zufall

Weil die jetzt Angeklagten ahnten, dass sie im Fokus von Ermittlungen standen, lösten sie – wie schon die Vorläufer-Organisation „Nationaler Aufbau Eisenach“ – die Gruppierung Ende November 2021 zum Schein auf, um einem Verbot zuvor zu kommen. Hinter den Kulissen jedoch ging alles so weiter wie gewohnt. Allein zwischen der offiziellen Auflösung und den Razzien im April 2022 fand die Hälfte der insgesamt 14 Straftaten statt, die die Beschuldigten in wechselnder Beteiligung begangen haben sollen, um den „Nazi-Kiez“ durchzusetzen.

Dass dieses mit Tötungsfantasien gespickte Gewaltpotential nicht zu Toten geführt hat, ist mit Blick auf eine Aktion Ende September 2021 wohl nur dem Zufall zu verdanken. Mit Messern, Machete und Axt bewaffnet, wollten Mitglieder von „Knockout 51“ eine Auseinandersetzung vor dem AJZ Erfurt provozieren, wo an diesem Abend ein Konzert stattfand. Ihr Ziel: Besucher*innen, die möglicherweise aus dem Gebäude kommen könnten, mit den Waffen angreifen und auch mit einem Auto überfahren. Nur weil niemand der Konzertbesucher*innen die Provokation bemerkte, zogen die Neonazis tatenlos wieder ab.

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    Leon Ringl
  • 2
    Maximilian Andreas
  • 3
    Eric Krempler
  • 4
    Bastian Adams