Wie es der AfD gelingt, den Diskurs zu bestimmen
Eine Brandmauer ist eine Wand, die durch ihre besondere Beschaffenheit dafür sorgen soll, dass ein Feuer nicht von einem Gebäude oder Gebäudeteil auf ein anders übergreifen kann. Sie muss diese Aufgabe auch dann erfüllen, wenn Löschwasser und Hitze auf sie einwirken oder Bauteile auf sie stürzen. Natürlich darf eine Brandmauer nicht durch brennbare Baustoffe unterbrochen werden oder Hohlräume aufweisen. Kurz: Eine Brandmauer ist eine Defensivmaßnahme, die im Ernstfall Schlimmeres verhindern soll. Der Ernstfall, das ist der Brand. Sie wirkt nicht dort, wo es bereits brennt.
Die Brandmauer, von der gerade – angestoßen vom CDU-Vorsitzenden Friedrich Merz – im politischen Leben alle reden, ist die »Brandmauer gegen rechts«; konkret: gegen die AfD. Jene Partei, die Merz mit seiner CDU halbieren wollte. Jene AfD, deren Vorsitzender Tino Chrupalla inzwischen davon spricht, dass die von ihm geführte AfD die CDU halbieren wolle. Damit ist er noch zurückhaltend. Maximilian Krah, Spitzenkandidat der AfD zur Europawahl gibt als Ziel gar die Parole aus, die CDU müsse vernichtet werden. »Die CDU bleibt also der strategische Hauptgegner«, so Krah. Es brennt also tatsächlich. Lichterloh.
Eine Brandmauer wäre also tatsächlich sinnvoll. Sie wäre es jedenfalls dann, wenn sich der Brand entweder noch nicht auf den zu schützenden Gebäudeteil ausgebreitet hat oder aber wenn sie keine Hohlräume aufweist. Eine vergebliche Hoffnung. Das weiß auch und gerade Friedrich Merz, der nicht nur die Hohlräume in der Brandmauer genau kennt, sondern der auch weiß, dass die Brandstifter schon längst in seinem Haus zündeln, dass es sich bei ihnen um Hausbewohner handelt, die konzertiert immer weitere Brände legen.
Ein Beispiel nur. Am letzten Augustwochenende fand in Wetzlar eine Veranstaltung mit dem blumigen Titel »Vollversammlung der wahren Schwarm-intelligenz« statt. Es handelte sich um die bereits achte ihrer Art. Kopf dieser Vernetzungsinitiative ist das CDU-Mitglied Klaus Kelle. Zu den veranstaltenden Gruppen gehörten die »Christdemokraten für das Leben« und die CDU-Rechtsausleger der WerteUnion um Hans-Georg Maaßen ebenso wie die »Atlas-Initiative« des antidemokratischen ehemaligen CDU-Mitglieds Markus Krall oder die Kleinpartei »Bürger für Thüringen« um die Landtagsabgeordnete Ute Bergner, die aus der FDP austrat und dann zeitweise in einer Gruppe mit ehemaligen AfD-Mitgliedern arbeitete.
Einfach nur der rechte Rand der CDU also? Weit gefehlt. Es findet sich nämlich auch »Eltern stehen auf e. V.« aus dem Querdenker-Spektrum als Veranstalter, es findet sich die ominöse »Good Governance Gewerkschaft« um das ehemalige FDP-Mitglied im Berliner Abgeordnetenhaus Marcel Luthe, ebenfalls aus dem Querdenker-Bereich. Mit von der Partie die Partei »Bündnis Deutschland« um den Dresdner Steffen Große, der selbst den Freien Wählern Hubert Aiwangers zu rechts geworden war und der seine Partei zwischen CDU und AfD etablieren möchte. Und nicht zuletzt rief auch die Desiderius-Erasmus-Stiftung der AfD zu dem Treffen auf.
Beim »Deutschland Dinner« am Samstagabend trat Vizeadmiral a. D. Kay-Achim Schönbach, ehemaliger Inspekteur der Bundesmarine, aktuell stellvertretender Vorsitzender der WerteUnion, auf. Bei der Podiumsdiskussion am Freitag, die die Frage, ob es eine neue Partei zwischen CDU und AfD brauche, fand sich dann das gesamte Spektrum: neben Kelle und Maaßen als weiteres CDU-Mitglied die langjährige Bundestagsabgeordnete Sylvia Pantel (»Berliner Kreis«), Ex-AfD-MdB Joana Cotar und nicht zuletzt der prominente Berliner AfDler Frank-Christian Hansel.
Hat hier jemand etwas von Brandmauer gesagt? Es ist die Stärke der AfD, die dazu führt, dass CDU-Chef Merz die Existenz einer Brandmauer vorgaukelt und dabei den Blick auf die Ebene der Gemeinden und Landkreise richtet. Er will ablenken. Ablenken von dem Umstand, dass es gerade auf der Bundesebene bereits lichterloh brennt. Es sind Treffen wie das geschilderte in Wetzlar, die als Brandbeschleuniger wirken. Es sind CDU-Funktionäre wie der sächsische Ministerpräsident Michael Kretschmer, immerhin stellvertretender Parteivorsitzender, die bei ihren Auftritten und Reden immer wieder implizit klarmachen, dass sie ja eigentlich die gleichen Ziele verfolgen wie die AfD, nur eben seriöser seien und durchdachter handelten. Sie praktizieren die Politik der ausgestreckten Hand.
So ist es nur logisch, dass gerade in seinem Bundesland die Beispiele für die Hohlräume in der Brandmauer besonders zahlreich und inzwischen auch gut dokumentiert sind. Auffällig ist, dass es die AfD ist, die dabei die Initiative hat. Sie bestimmt den Diskurs. Sie stellt im Kreistag die Förderungswürdigkeit eines soziokulturellen Treffs in Frage, da auf der Toilette Sticker der Antifa gefunden wurden. Die CDU springt zunächst auf. Der Wegfall dieser Gelder hätte bedeutet, dass es auch keine Bundes- und Landesmittel mehr gegeben hätte. Das finanzielle Aus. Es geht nicht um die Straßenbeleuchtung, es geht um politische Richtungsentscheidungen.
Es gibt sie nicht, die Brandmauer des Friedrich Merz. Es gibt nur eine Feuerwehr: Antifaschismus.