Repression gegen Nazigegner – Justiz jagt »Schwarzen Block«

Staatsanwaltschaft Gera erwirkt Hausdurchsuchungen in mehreren Bundesländern wegen 1.-Mai-Demonstrantion von Antifaschisten

Im thüringischen Gera gab es nach dem 1. Mai viel Kritik am polizeilichen Vorgehen gegen eine linke Demonstration – von der Partei Die Linke bis zu SPD und Bündnis 90/Die Grünen. Da wirkt es wie eine Retourkutsche, dass die Staatsanwaltschaft Gera am Mittwoch, ein halbes Jahr später, im ganzen Bundesgebiet Wohnungen von Teilnehmern der Demonstration hat durchsuchen lassen. Die Razzien fanden parallel in Thüringen, Sachsen, Baden-Württemberg, Hamburg und in Niedersachsen statt. Der »eindeutige Schwerpunkt« liege aber auf den beiden Freistaaten, sagte ein Sprecher der Staatsanwaltschaft Gera laut Nachrichtenagentur dpa. Es seien mögliche Beweismittel sichergestellt worden, vor allem Mobilfunkgeräte und Datenträger.

In der kreisfreien Universitätsstadt im Osten Thüringens hatte es am 1. Mai eine linke Demonstration gegeben, mit der sich die Teilnehmenden einem rechten Aufmarsch entgegenstellen wollten. Zu diesem hatte der Verein »Aufbruch Gera« mobilisiert. Mit einer Polizeikette war die Demonstration der Nazigegner gestoppt worden. Weil einige Teilnehmende versucht haben sollen, die Kette zu überwinden, habe die Polizei den Einsatz eskaliert und die Demonstranten mit Tränengas sowie Schlagstöcken malträtiert. Rund 250 Menschen, die die Staatsmacht als »schwarzen Block« identifizierte, wurden sogar eingekesselt. Bis zu fünf Stunden lang ließ die Polizei sie nicht gehen. Von allen wurden die Personalien festgestellt.

Kritik an dem Einsatz kam auch aus den Reihen der Regierungsparteien. So sprachen die Jugendorganisationen von SPD, Grünen und Linkspartei in einer gemeinsamen Mitteilung von Polizeigewalt. Zögerlicher erklärte die Landtagsabgeordnete Diana Lehmann (SPD), dass bei der »Masse an Personalienfestellungen« die Frage nach der Verhältnismäßigkeit gestellt werden müsste. Innenminister Georg Maier (ebenfalls SPD) nahm die Polizei dagegen pflichtgemäß in Schutz. »Die Gewalt ging von diesem schwarzen Block aus und die Polizei hat reagieren müssen«, behauptete er.

Knüppelgarde revanchiert sich bei Teilnehmern der antifaschistischen Demonstratio am 1. Mai in Erfurt

Die aktuellen Durchsuchungen sollen aufgrund des damaligen Versuchs, eine Polizeikette zu durchbrechen, erfolgen, wie die Staatsanwaltschaft Gera gegenüber dpa am Mittwoch erklärte. Der Schwerpunkt der Ermittlungen liege auf dem Vorwurf des Landfriedensbruchs, es gebe aber noch weitere Vorwürfe, etwa ein mutmaßlicher tätlicher Angriff auf sowie Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte und Körperverletzung. Nach jW-Informationen wurden allerdings auch Wohnungen von Personen durchsucht, denen keine konkrete Straftat, sondern nur die Anwesenheit bei der Demonstration und das Tragen schwarzer Kleidung vorgeworfen werde.

In einem der Durchsuchungsbeschlüsse heißt es offenbar, der Beschuldigte habe sich in dem Block befunden, der von der Polizei eingekesselt wurde. »Zum Ausdruck seiner linksgerichteten und die Kommunikation mit staatlichen Organen ablehnenden Haltung trug er schwarze Oberkleidung« und eine schwarze Hose als Zeichen der Zugehörigkeit zum »schwarzen Block«. Vergleichbare Kleidung soll aus denselben Gründen die »weit überwiegende Zahl der sich in diesem Bereich der Versammlung befindlichen Personen« getragen haben, »welche zuvor gewaltsam die Polizeikräfte angegriffen hatten«, heißt es weiter.

Die Durchsuchungsbeschlüsse seien jedoch »wenig substantiell«, kritisierte die Linke-Fraktion im Thüringer Landtag am Mittwoch. Es gebe nicht einmal einen individuellen Tatbeitrag oder ein Verschulden, welches Personen konkret vorgeworfen werde, teilte die Abgeordnete Katharina König-Preuss, Sprecherin ihrer Fraktion für Antifaschismus, mit. So werde Betroffenen zur Last gelegt, dass sie bei der angemeldeten Demonstration am 1. Mai im vorderen Bereich teilgenommen hätten. Seit mehr als sechs Monaten versuche die Fraktion Die Linke, »diesen völlig fehl gelaufenen Einsatz auf verschiedenen Ebenen aufzuklären«. Den Polizeikessel um die 250 Demonstranten bezeichnete König-Preuss als »willkürlich«, die Wohnungsdurchsuchungen als »unverhältnismäßig«. Die Maßnahme vom Mittwoch sei »zur Aufklärung der fraglichen Sachverhalte weder geeignet noch angemessen«. Im Kurznachrichtendienst X (ehemals Twitter) vermutete die Gruppe »Antifa Dresden«, dass die Razzien ein halbes Jahr nach der Demonstration am 1. Mai in Gera der »Einschüchterung und der Schnüffelei« dienten – und eben nicht der Beweissicherung.