Urteil gegen faschistische Terrorstruktur

Am vergangen Donnerstag fand die Urteilsverkündung gegen die faschistische „Gruppe S.“ statt. Ein als Informant der Polizei handelnder Angeklagter kam ungestraft davon.

Nach über 170 Verhandlungstagen des Staatsschutzsenats wurde nun am Samstag im Oberlandesgericht Stuttgart endlich ein Urteil gegen mutmaßliche Mitglieder der rechten Terrororganisation „Gruppe S.“ gefällt. Den Anträgen der Strafverteidiger zufolge rechneten alle außer einem Angeklagten mit einem Freispruch oder einer Einstellung des Verfahrens gegen sie. Nur dieser eine machte während des Ermittlungsverfahrens Aussagen gegenüber der Polizei und schien auch von einem Strafspruch auszugehen.

Bekannte Gesichter

Jüd:innen, Muslima, Ausländer:innen und Antifaschist:innen als Feindbild und Pläne, sie aus der Welt zu schaffen: ähnlich wie zahlreiche weitere rechte Gruppen oder Einzelpersonen war die „Gruppe S.“ mit solcherlei Motiven über eine Chatgruppe vernetzt, in der sie sich über Waffen austauschte, Baupläne erstellte und unter anderem Angriffe auf Moscheen plante.

Anders als bei einigen anderen faschistische Terrorstrukturen waren über die Gruppe S. jedoch vielerlei Dinge und Gesichter bekannt. Mehrere von ihnen, darunter Steffen B. und Stefan K., sollen tief in der Neonazi-Szene verankert sein.

Faschistische Umsturzpläne

Laut Bundesanwaltschaft haben seit September 2019 einige Chatmitglieder auch begonnen, sich persönlich zu treffen und auszutauschen. Rund um Werner S., einem Ende 50-Jährigen aus Bayern, fanden fortan mehrere Treffen statt. Bei ihm wurden auf Grillabenden Pläne zum Beschaffen von Waffen aufgestellt, auch wurde über Finanzierung und Rekrutierung weiterer Rechtsextremer geredet. Gemeinsam wollte die Gruppe mit gezielten antimuslimischen Angriffen einen Bürgerkrieg auslösen und die BRD in eine faschistische Revolution stürzen. Das letzte Mal traf sich der sogenannte „harte Kern“ der Chatgruppe im Februar 2020.

Danach wurden die Wohnungen der Beschuldigten durchsucht und dabei etliche Waffen, darunter eine Armbrust, Handgranaten sowie eine selbst konstruierte Flinte beschlagnahmt. Gleichzeitig wurden 12 von 13 Angeklagten in Untersuchungshaft genommen, während der Verdacht gegen ein weiteres mutmaßliches Mitglied der Kerngruppe sich nicht erhärtet haben soll.

Wenig verwunderlich

Die Polizei stützte sich bei ihren Ermittlungen auf ein ehemaliges Mitglied der Gruppe S. und betrachtete ihn als eine Art V-Mann für ihre Arbeit.  Es war Paul U., der dem Landeskriminalamt Baden-Württemberg Genaueres über die Organisation berichtete , er wurde als vertrauensvolle Quelle gewertet, die für den Staat Informationen sammelte. Dass Paul U. selbst Neonazi-Gedankengut teilen könnte und für ihn lediglich der Freispruch von einer Haftstrafe angestrebt wurde, spielte für die Polizeibeamt:innen keine Rolle.

Doch nicht nur Paul U. spielte im Prozess eine bedenkliche Rolle. Ein weiterer Angeklagter der Gruppe S., Thorsten W., ist eigentlich ein Angestellter in der Polizeiverwaltung und laut eigener Aussage lediglich ein Mittelalter-Fan. Darüber sei er aus Versehen an die Neonazigruppe geraten. In einer weiteren rechten Chatgruppe mit dem Titel „Heimat“ sei er ebenfalls nur aus historischem Interesse Mitglied gewesen.

Haft und Freispruch

Nun, nach fast vier Jahren, sprach das Oberlandesgericht Stuttgart sein Urteil. Werner S. wurde als führender Kopf der Truppe zu einer Haftstrafe von sechs Jahren verurteilt. Die Bundesanwaltschaft hatte sich zuvor für sieben Jahre ausgesprochen. Auch für neun weitere Angeklagte wurden mehrjährige Gefängnisstrafen verhängt, teilweise auf Bewährung. Die Ausnahme bildet der o.g. Angeklagte und als Informant agierende Paul U., der – wie von Anfang an erhofft – keine Konsequenzen aus seiner Mitwirkung davontragen muss.


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Bildquelle: Kontext Wochenzeitung