Massen gegen Milei

Argentinien: Generalstreik legt Zentrum von Buenos Aires lahm. Präsident boxt in der Nacht Privatisierungsgesetze durch

Es ist die erste Machtprobe zwischen Argentiniens neuem Präsidenten Javier Milei und der Gewerkschaftsbewegung. Die großen Verbände des Landes hatten für Mittwoch zum Generalstreik aufgerufen und für eine zentrale Versammlung nach Buenos Aires mobilisiert. Zahlreiche Basisorganisationen und Parteien schlossen sich dem Aufruf an. Zehntausende waren bereits bis zur Mittagszeit auf den Platz vor dem Parlament geströmt. In vielen Seitenstraßen war selbst für Fußgänger kaum noch ein Durchkommen, und dies, obwohl der Höhepunkt der Kundgebung mit den Reden der Vorsitzenden der CGT erst ab 15 Uhr Ortszeit angesetzt war.

Bereits in den Tagen zuvor war mit einer starken Mobilisierung gerechnet worden. Gewerkschaftsvertreter sprachen mit Bezug auf den seit dem 10. Dezember amtierenden neoliberal-autoritären Präsidenten von der schlechtesten Regierung seit dem Ende der Diktatur vor 40 Jahren und von einem Großangriff auf die hart erkämpften sozialen Rechte. Der Sprecher des Präsidenten, Manuel Adorni, bezeichnete die Protestaufrufe als »kindisch«, wie die in Buenos Aires erscheinende Tageszeitung Página 12 am Sonnabend berichtete. Adorni erklärte lapidar, dass es keinen Grund für den Streik gäbe.

Dabei ist der Grund offensichtlich: Umfang und Geschwindigkeit von Mileis neoliberalem Schockprogramm sind beispiellos. Erst seit wenigen Wochen im Amt hat er bereits eine Reihe von Sofortmaßnahmen in die Wege geleitet, unter anderem das vorläufig in Kraft gesetzte Dekret der Notwendig- und Dringlichkeit (DNU). Neben dem weitgehenden Abbau von sozialen Rechten, wie dem Mieter- und Arbeitsschutz, handelt es sich dabei um ein Ermächtigungs- und Notstandsdekret, das die Befugnisse des Parlaments zunächst für einen Zeitraum von zwei Jahren umfangreich beschneiden und damit dem Präsidenten weitgehend freie Hand geben soll. Dieses Dekret befindet sich zwar schon vorläufig in Kraft, allerdings steht eine Bestätigung durch das Parlament noch aus. Gleichzeitig ist es heftig umstritten. Bereits Ende Dezember waren Dutzende von Eilanträgen gegen das Dekret bei der Justiz eingegangen, woraufhin der Teil, der den Arbeitsschutz betrifft, bis zur Prüfung durch das Parlament ausgesetzt wurde.

»Weg mit dem Kürzungsdekret«: Zehntausende demonstrieren am Mittwoch in Buenos Aires gegen Mileis Pläne

Die nächste Maßnahme ließ nicht lange auf sich warten: Milei und seine Partei »La Libertad Avanza« (Die Freiheit schreitet voran) legten den Entwurf für das sogenannte Omnibusgesetz vor. Es handelt sich um eine Sammlung von Gesetzesreformen mit einem Umfang von 351 Seiten, umfasst 664 Artikel und beinhaltet die Privatisierung einer ganzen Reihe von öffentlichen Unternehmen, die Ausweitung der Befugnisse der Polizei, Sozialkürzungen, die Aufhebung von Umweltregularien für Unternehmen, den uneingeschränkten Freihandel und vieles mehr.

Am frühen Mittwoch morgen veröffentlichten argentinische Medien dann, dass es Milei nach einer langen Verhandlungsnacht gelungen sei, eine Mehrheit für das »Omnibusgesetz« im Abgeordnentenhaus zu organisieren. Durch eine ganze Reihe von Kompromissen am Gesetzestext ist die Einbindung von Teilen der liberalen und Rechtsopposition gelungen. Damit ist der Weg frei für eine in Mileis Sinne erfolgreiche Abstimmung im Abgeordnetenhaus. Dabei könnte der Zeitpunkt der Einigung für Milei kaum günstiger sein. Es ist ein Schlag gegen die Akteure des Generalstreiks. Die Nachricht lautet: Das Schockprogramm schreitet voran trotz eures Protestes.


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