Landau: Erinnern heißt kämpfen – Für eine antifaschistische, selbstbestimmte Erinnerungskultur
Am 27.1. vor 79 Jahren wurde das Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau von der Roten Armee befreit. Heute gilt der Tag international als Holocaust-Gedenktag. Auch wir vom Offenen Antifaschistischen Treffen gestalten jährlich Aktionen zu Gedenktagen mit denen wir die Gräueltaten des NS-Regimes vor Augen führen und mahnen wollen, dass eine offensive, selbstbestimmte antifaschistische Arbeit wichtig ist um zu gewährleisten, dass so etwas nicht wieder passieren kann.
Als Bündnis aus dem AStA der Uni Landau, der Umweltgruppe, der DKP, der Linkspartei und dem Offenen Antifaschistischen Treffen organisierten wir einen Infostand auf dem Wochenmarkt und riefen zu einer Kundgebung am Nachmittag auf dem Stiftsplatz mit anschließendem Gedenken auf dem Friedhof auf.
Von 10-13 Uhr konnten wir bei unserem Infostand viele gute Gespräche mit Passant:innen und Besucher:innen des Wochenmarkts führen. Wir konnten informieren, aufklären und viele zu der späteren Kundgebung einladen. Man munkelt: Sogar Oberbürgermeister Geißler konnten wir unser Infomaterial unterjubeln.
Um 16 Uhr fanden sich ca. 200 Menschen auf dem Stiftsplatz ein. Dort wurden Redebeiträge zu unterschiedlichen Themenkomplexen gehalten. Wir als OAT Landau gingen auf die antisemitische Kontinuität nach 1945 innerhalb des deutschen Staats und seiner Politik sowie dem aktuell erneut zunehmenden Antisemitismus sowie Rassismus ein. Die DKP befasste sich in erster Linie mit der zunehmenden Militarisierung der Gesellschaft und dem nach wie vor vorherrschenden Antikommunismus. Der Redebeitrag des AStAs beschäftigte sich vordergründig mit der Rolle junger Menschen innerhalb der Erinnerungskultur und ihren berechtigten Ängsten vor einem weiter zunehmendem Rechtsruck sowie der Bedeutung, sich dem entgegen zu stellen.
Ordnungsamt der Stadt Landau versucht Gedenken zu sabotieren!
Als wir am Ende der Kundgebung dazu aufriefen, noch Nelken am Mahnmal für die Opfer des Faschismus auf dem Friedhof abzulegen, probte das Ordnungsamt bereits den ersten kleinen Aufstand und behauptete, dass wir dies hätten anmelden müssen. Letztendlich konnten wir aber klären, dass wir gemeinsam zum Friedhof laufen möchten und dafür keine Bulleneskorte benötigen. Mit dem Hinweis, dass wir uns dann an die Straßenverkehrsordnung zu halten haben, sicherte uns das Ordnungsamt dennoch zu, dass wir „selbstverständlich am Friedhof Nelken niederlegen“ dürfen und dort „als Privatpersonen hinlaufen dürfen“. Der Weg führte durch den Goethepark, wo wir gemeinsam das Lied „Die Moorsoldaten“ sangen, welches von Gefangenen des KZs Börgermoor gedichtet und gesungen wurde.
Um ca. 17 Uhr kamen die 50 Antifaschist:innen am Friedhof an, dessen Schließzeiten offiziell um 18 Uhr sind. Gerade als wir dort ankamen, schlossen zwei Vollzugsbeamte des Ordnungsdienstes den Friedhof ab und sagten, die Öffnungszeiten hätten sich spontan geändert und wir könnten hier jetzt keine Nelken niederlegen. Dem Versuch unser Gedenken unverschämt zu verhindern, konnten wir uns leicht widersetzen, indem wir den zweiten Eingang 10 Meter weiter nutzten, der noch nicht verschlossen war. Das Lauterwerden der Behörden sowie auch die Drohung, uns auf dem Friedhof einzusperren, hielten uns nicht davon ab, unser Gedenken wie geplant durchzuführen.
An einem Gedenktag für die Opfer des Holocausts Menschen, die diesen gedenken wollen, den Zugang zum Friedhof, einem öffentlichen Ort, zu verwehren, ist eine absolute Frechheit. Diese Situation reiht sich in ein repressives und rückwertsgewandtes Verhalten staatlicher Behörden gegenüber Antifaschist:innen ein.
Nach den politischen Schlussfolgerungen auf dem Marktplatz war es uns ein berechtigtes Anliegen nochmal am Gedenkstein für die Opfer des Faschismus den Toten zu gedenken. Nach einleitenden Worten verlasen wir das Gedicht „Todesfuge“ von Paul Celan. Paul Celans Eltern starben beide in einem Zwangsarbeitslager, er selbst war im Ghetto in seiner früheren Heimatstadt Czernowitz und musste dort zwangsarbeiten verrichten. Er schafft es mit erdrückenden Bildern den Holocaust in Worte zu fassen. Wir beendeten den Tag mit einer Schweigeminute und dem Gedicht „Gespräch mit einem Überlebenden“ von Erich Fried.
Wir bewerten das Verhalten der Behören als unverschämten Versuch ein würdiges Gedenken zu verhindern. Trotz unserer Vereinbarung im Vorfeld haben nicht wir – sondern eben Bullen und Ordnungsamt – die Vereinbarungen gebrochen und wollten uns hintenrum den Tag versauen. Dass man sich beim Kampf gegen Rechts nicht auf den Staat und seine Behörden verlassen kann, ist für uns und viele andere keine Neuigkeit. Doch gerade an Tagen wie dem Holocaust-Gedenktag sind wir nicht davon ausgegangen, dass das Niederlegen von Nelken an einem Gedenkstein so aktiv zu verhindern versucht wird.
Für uns wird antifaschistische Gedenkarbeit weiterhin ein wichtiger Schwerpunkt unserer Arbeit sein, auch wenn wir sie immer mehr verteidigen müssen. Gerade in diesen Zeiten ist es weiterhin notwendig, an die Verbrechen und die Opfer des Faschismus zu erinnern.
München: Stolpersteinspaziergang am Holocaustgedenktag
Am 27.01. waren wir mit einer Gruppe Anitfaschistinnen in München unterwegs zu einem Stolperstein-Spaziergang. Zu Beginn hörten wir am Odeonsplatz eine Rede zum Anlass des Tages, Faschismus-Theorie und mit einem klaren antifaschistischen Handlungsauftrag. Wir machten uns klar, dass antifaschistischer Kampf nicht nur zu einzelnen Anlässen notwendig ist sondern 365 Tage im Jahr unabdingbar ist. Danach liefen wir gemeinsam an mehreren Stolpersteinen in der Nähe des Odeonsplatz vorbei, putzten diese und hörten vor Ort über die Geschichte der Menschen denen die Stolpersteine gewidmet sind. Wir legten rote Nelken und Kerzen nieder und gestalteten mit Schildern mit Informationen über die Bewohnerinnen temporäre Gedenkstellen. Alles in allem ein sehr kämpferischer Spaziergang.
Im folgenden könnt ihr noch Auszüge aus unserer Rede lesen:
“Diese vermeintlich einfachen Antworten auf komplexe Fragestellungen sind ein Muster faschistischer Kräfte. Für uns als Linke ist es daher wichtig rechte Krisenlösungen als das zu entlarven was sie sind.
Nämlich keine Lösungen. Historisch gesehen fußen Lösungen von Rechten ausschließlich auf der Unterdrückung, Ausgrenzung und Vertreibung von als Feindbild proklamierten Gruppen. Und auch heute versuchen sie mit Lügen und falschen Versprechen an die Arbeiter:innenklasse ihre rechte Ideologie in der Masse zu verbreitern.
Als Antifaschist:innnen ist es unsere Aufgabe an die Geschichten der Opfer des Faschismus und den Widerstand dagegen zu erinnern.
Erinnern meint aber nicht stilles Gedenken, sondern die Geschichten weiterezuerzählen und aus ihnen Lehren zu ziehen. Lehren auf welchen unser praktischer Kampf gegen Rechte und Faschist:innen auch heute aufbauen muss, damit sich die Geschichte NICHT wiederholt.”
“Deshalb gilt es weiterhin auf die Straße zu gehen gegen rechts, sich Räume zu nehmen, wo sie uns streitig gemacht werden sollen und die Konfrontation mit rechten nicht zu scheuen.
Denn wer den rechten nicht aktiv entgegensteht sondern glaubt ihnen mit klugen Argumenten im Diskurs oder Lichtermeeren auf Großdemonstrationen etwas anhaben kann wird eines Tages aufwachen in einer Welt in welcher Faschist*innen sich unsere Räume genommen haben. Dies gilt es in jedem Fal zu verhindern.
Im Gedenken an alle im Holocaust Ermordeten Jüdinnen,Romnja und Sinitzze, behinderte und psychisch erkrankte Menschen,queere Menschen, BIPOCS. Im Andenken an alle die für den Kampf gegen den Faschismus gestorben sind, in Gedenken an alle Revolutionärinnen in München und überall. Im Gedenken an Olga Benario, Georg Elser, Rosa Luxemburg, Karl Liebknecht und allen deren Namen wir nicht aufzählen können, die ebenfalls ermordet wurden für ihren Kampf gegen den Faschismus. Wir erinnern uns, denn euer Kampf war nicht umsonst! Ihr lebt weiter in unseren Kämpfen. Nie wieder ist jetzt. Nie wieder für alle.”
Tübingen: Gemeinsamer Besuch der KZ-Gedenkstätte Hailfingen/Tailfingen
Am 27.01., dem Tag der Befreiung von Auschwitz haben wir gemeinsam mit der VVN-BdA Tübingen-Mössingen einen Besuch der KZ-Gedenkstätte Hailfingen/ Tailfingen organisiert. Im Lichte der aktuell überall spürbaren Rechtsentwicklung, dem zuneh-menden Rassismus und Antisemi-tismus, ist der 27. Januar für alle Antifaschist*innen ein wichtiger Anlass, uns die Verbrechen des Faschismus ins Gedächtnis zu rufen und zu mahnen. Dazu mussten wir nicht ins weit entfernte Auschwitz fahren: Im Hailfingen befand sich bis Februar 1945 ein Außenlager des KZ Natzweiler-Struthof, in dem insgesamt mindestens 2000 Kriegsgefangene, Zwangsarbeiter*innen und KZ- Häftlinge – davon 601 Jüdinnen und Juden – zum Ausbau des Nachtjägerflugplatz gezwungen wurden. Nachweislich sind dort mindestens 189 Häftlinge an Erschöpfung, Hunger und Krankheiten verstorben.
Nach einer Führung durch das Dokumentationszentrum legten wir vor dem Denkmal, auf dem die Namen der KZ-Häftlinge zu lesen sind, einen Kranz nieder mit der Aufschrift „Nie wieder Faschismus! Nie wieder Krieg!“. Darin spiegelt sich unsere Überzeugung, dass es eine antifaschistische Gedenkkultur braucht, in der wir denen gedenken, die von den deutschen Faschisten ermordet wurden und aus dieser Erinnerung Kraft und Konsequenzen für unseren Kampf heute ziehen. Denn, um es mit den Worten der Auschwitz-Überlebenden und Antifaschistin Esther Bejarano zu sagen: Wir erinnern, um zu verändern.