Bürgerlicher Revisionismus in Oberbayern: Das Coburger Convent

Immer wenn „Fuxen“, „Burschen“ und „Alte Herren“ jährlich in der oberfränkischen Idylle aufeinandertreffen, steht der Pfingstkongress des Coburger Convents bevor. Auch in diesem Jahr treffen sich Mitglieder aus über 100 Studentenverbindungen und feiern ausgelassen ihre längst überkommenen Traditionen. Doch der Protest bleibt nicht aus.

Als am vergangenen Freitag die Teilnehmer des „Coburger Convents” (CC) am Coburger Marktplatz eintrafen, herrschte ausgelassene Stimmung. Einige versammelten sich dort zum traditionellen Einzug, der jedes Jahr am Freitag vor Pfingsten stattfindet.

Im Vorfeld des diesjährigen CC war von der Feierlaune jedoch noch wenig zu spüren. Denn bereits seit einiger Zeit gibt es interne Konflikte im gesamten Verband. In ihnen ging es in letzter Zeit vorrangig um eine Burschenschaft, die selbst den nationalkonservativen Köpfen des CC bitter aufstößt: die Landsmannschaft Thuringia Berlin.

Die „schlagende Verbindung” (Burschenschaften, in denen früher das Duellieren im Fechtkampf zum Brauch gehörte) fiel unter anderem im Oktober 2022 durch NS-verherrlichende Äußerungen und Gestiken auf. Kein Novum im CC, stehen doch immer wieder zahlreiche Strukturen der Vereinigung wegen nationalistischer, rassistischer, völkischer oder antisemitischer Narrative und Handlungen unter Dauerfeuer.

Doch trotzdem ist in diesem Jahr vieles anders: Schon vor einigen Monaten wurden durch die Autonome Antifa Freiburg CC-interne Chat- und Mail-Verläufe geleakt. Diese zeigen ausgeprägte Machtkämpfe, einen starken Willen zur „kollegialen Schadensbegrenzung” und vor allem die braune Gesinnung vieler, die Teil des Convents sind.

Landesvater in Prag von Oscar Rex um 1900-1905

Das Coburger Convent – mit Nähe zur AfD

Bereits seit einigen Jahren steht das CC massiv in der Kritik. Das liegt nicht zuletzt daran, dass Studentenverbindungen heutzutage oftmals durch dumpfen Nationalismus und Geschichtsrevisionismus auftrumpfen wollen.

Im Gegensatz dazu geben sich die Männerbünde in der Öffentlichkeit und auf Social Media offen und transparent. Auch der CC wirbt auf seiner Website damit, sich für eine „liberal- rechtsstaatliche Ordnung“ einzusetzen. Dass dies jedoch nur eine Fassade ist, zeigen andere Ausschnitte der geleakten E-Mails. Dort kann der erwähnten Thuringia eine Nähe zum AfD-Politiker Sebastian Krabbe nachgewiesen werden. „Krabbe ist Wahlkreismitarbeiter des brandenburgischen Landtagsabgeordneten Daniel Freiherr von Lützow“, schreiben die Aktivist:innen der Autonomen Antifa Freiburg in ihrem Blogpost. Dabei ist das geplante Auftreten Krabbes beim Coburger Convent kein Zufall. Er sollte seine Burschenschaft dort vertreten – denn diese war nun doch nicht mehr eingeladen.

Scheinbar waren das offen rechte Auftreten, sowie das völkische Denken der Berliner Burschenschaft selbst für die reaktionäre Elite des CCs zu viel des „Guten“. Vor etwa einem Monat wurde die Thuringia nach reichlich aufbrausendem E-Mail-Verkehr dann offiziell ausgeladen. Nun wurde AfD-Mann Krabbe auserkoren, als Teil einer kleinen Gruppe die Burschenschaft trotzdem zu vertreten. Scheinbar ohne wirklichen Gegenwind aus dem Convent.

Die verfestigte Misogynie des Convents

Dass das revisionistische Spektakel der Verbindungen nicht ohne progressive Interventionen bleiben konnte, sollte klar sein. Doch in diesem Jahr meldete das Bündnis „Studentenverbindungen auflösen“, das Jahr für Jahr Proteste gegen das CC organisiert, gleich acht Gegenaktionen an. Darunter eine Demonstration am gestrigen Samstagmittag. Für diese Gegenaktionen mobilisierte der Zusammenschluss in den vergangenen Monaten intensiv und veranstaltete Vorträge, Infoveranstaltungen oder auch Quiz Kneipen.

Im Fokus stehen bei diesen Protesten nicht zuletzt die verfestigten patriarchalen und misogynen Strukturen, die nicht nur dem CC, sondern nahezu allen derartigen Verbindungen zu Grunde liegen. Denn immer wieder fallen Studentenverbindungen durch frauen- und queerfeindliche Äußerungen und Aktionen auf. Wie problematisch dies in der Praxis aussehen kann, zeigen andere Ausschnitte der geleakten E-Mails. In diesen wurde eine geplante Cocktail-Party der Thuringia Berlin, zu der (ausnahmsweise) scheinbar auch Frauen eingeladen wurden, mit dem Zusatz „mit Fotzen“ markiert.

Doch auch andere Strukturen des CCs fallen regelmäßig durch Misogynie auf. So verfasste Hans Schollmeyer, ein hochrangiges Mitglied der sogenannten „Alten Herren“ des Coburger Convents (AHCC), einem Verband für ehemalige Verbindungsmitglieder eine Mail, in der er sich über die gestiegenen Hotelpreise der Region über Pfingsten beschwerte. Dabei schrieb er, dass bei den hohen Preisen der „Dormero“-Hotelkette wohl „körperliche Dienstleistungen“ mit inklusive seien. Anders könne er sich die hohen Preise nicht erklären. Die Erkenntnis, dass Hotels in der Regel keinen Bedarf haben, betrunkene und pöbelnde Nationalisten bei sich aufzunehmen, schien für Schollmeyer anscheinend intellektuell zu herausfordernd gewesen zu sein.


Unter Hintergründe findet ihr die Broschüre „Verbindungen auflösen! Eine antifaschistische Perspektive auf das Verbindungswesen“ des OTFR Tübingen.
Darin wird das deutsche Verbindungswesen und seine Geschichte erläutert, die Merkmale von Verbindungen wie Sexismus, Nationalismus, Antisemitismus usw. aufgedröselt und natürlich aufgezeigt, wie antifaschistische Intervention aussehen kann!

Im Antifaschistischen Infoblatt könnt ihr zudem über das Coburger Convent als auch zum Communiqué „Coburg ohne Convent“ mehr lesen: