Wahlerfolge der AfD, gewaltsame Angriffe auf Migrant:innen und Antifaschist:innen und eine bürgerliche Politik, die unter dem Deckmantel der „Demokratie“ eine immer reaktionärere und offen rassistische Rhetorik übernimmt und in materielle Gewalt umwandelt. Gleichzeitig werden bürgerliche Rechte im Eiltempo abgebaut und die Repression gegen Links massiv ausgebaut. Diese Entwicklung können wir nur revolutionär stoppen. – Ein Kommentar von Clara Bunke.
Die Wahlerfolge der AfD bieten den etablierten „Volksparteien“ CDU, SPD, FDP und Grünen – die seit Jahrzehnten in jeder Regierungskoalition die Politik der großen Monopole umgesetzt haben – die Möglichkeit, in Zeiten von Krieg und anhaltender Krisen offener und schneller nach rechts zu rücken. Sie nutzen den „Druck von rechts“, um immer mehr bürgerliche Rechte Stück für Stück einzuschränken und gegen jede Opposition, die diesen Weg in Frage stellt, offensiv vorzugehen.
Ein Antifaschismus, der durch eben jene bürgerlichen Kräfte aus Regierung oder parlamentarischer Opposition und allen Schattierungen der Sozialdemokratie „gegen rechts“ angeführt wird, muss scheitern und in einer Sackgasse enden. Wie kann es auch anders sein, wenn Regierungsparteien gemeinsam mit bürgerlichen NGO eine Bewegung gegen die „Remigrationspläne“ der Faschist:innen organisieren und parallel selbst eine Abschiebeoffensive „im großen Stil“ ankündigen und durchführen?
Auch wenn es sicher hoffnungsvolle Bilder waren, als Anfang des Jahres Hunderttausende im ganzen Land, ja selbst in vielen kleineren Städten und Orten in ländlichen Gebieten, über Wochen gegen die AfD demonstriert haben, so gelang es doch nur in wenigen Städten, die bürgerliche Hegemonie zu brechen und dauerhaft wahrnehmbare antikapitalistische, ja revolutionäre Positionen in diese Proteste zu tragen.
Damit ist diese spontane Bewegung im Großen und Ganzen so schnell wieder verschwunden, wie sie zuvor durch bewusstes Puschen von Medienberichten entstanden ist. Positiv ist, das dort, wo Revolutionär:innen – wenn auch viel zu zögerlich – in der Bewegung gearbeitet haben, zumindest einzelne dauerhaft für den konsequenten antifaschistischen Kampf gewonnen werden konnten.
Die Proteste gegen den AfD-Parteitag
Auch die Proteste gegen den Bundesparteitag der AfD in Essen Ende Juni konnten von dieser Bewegung profitieren. Ohne sie wären sicher weitaus weniger als 50.000-70.000 Menschen Ende Juni nach Essen gekommen und hätten gegen den Parteitag der Faschist:innen protestiert.
Doch nicht diese Zahl ist der eigentliche Erfolg der Proteste. Sondern es waren die 5-7.000 Menschen, die über Nacht aus ganz Deutschland angereist sind, mit dem Ziel, in den frühen Morgenstunden den AfD-Parteitag zu blockieren und zu verhindern. Allein der Fakt, dass so viele Menschen – bei aller Schwäche und Zersplitterung der antifaschistischen Bewegung – gemeinsam in Aktion getreten sind und sich über Stunden der AfD und tausenden eingesetzten Polizist:innen, ihren Knüppeln, Faustschlägen und dem Pfefferspray entgegengestellt haben, ist ein Erfolg.
Gleichzeitig muss man natürlich klar sagen, dass die Chancen, den Parteitag real zu verhindern oder auch nur ernsthaft in seinem Ablauf zu behindern, sehr gering waren. Dafür sorgten schon die Polizeigewalt und die tagelange Abriegelung ganzer Stadtteile. Grund dafür war aber auch, dass 90 Prozent der Demonstrant:innen an diesem Tag eben nicht Teil der Aktionen waren, die den Parteitag verhindern wollten.
Hier geraten auch alle Vergleiche zu den erfolgreichen Protesten von „Dresden Nazifrei“ schief: Diese waren gerade deshalb erfolgreich, weil alle Kräfte, von bürgerlichen Institutionen, Kirchen, über aktionistische Antifaschist:innen bis hin zu militanten Aktionen in ein Gesamtkonzept eingebunden waren und sich in ihrer Wirkung gegenseitig ergänzten. Doch genau das hat in Essen gefehlt. Die bürgerliche Großdemo fand zeitlich und örtlich versetzt zu den Blockadeaktionen statt, so dass sie eher als konkurrierende Veranstaltung, denn als Ergänzung der Aktionsformen fungierte, militante Aktionen gegen den Parteitag gab es hier nicht. Das zeigt insgesamt die Schwäche der antifaschistischen Bewegung. So können die Proteste zwar als Schritt in die richtige Richtung gewertet werden, bleiben in ihrer Wirkung jedoch begrenzt.
Die kommenden Landtagswahlen
Schauen wir von der westdeutschen Großstadt in die Fläche der ostdeutschen Bundesländer, sieht das Bild noch einmal ganz anders aus: Die AfD und andere faschistische Strukturen haben sich hier über Jahrzehnte systematisch aufgebaut und können mit großen Zuwächsen bei den kommenden Landtagswahlen in Thüringen, Sachsen und Brandenburg rechnen.
Auch wenn mögliche Wahlsiege der AfD oder eine Regierungsbeteiligung auf Landesebene sicher eine neue Stufe im Aufstieg der Faschist:innen wären und sie damit ihre Positionen in- und außerhalb der Parlamente sichern und ausbauen könnten, so sind doch die Wahlergebnisse nicht der entscheidende Gradmesser für ihre Stärke und ihr Selbstvertrauen.
Dass die Faschist:innen wie in Berlin und andernorts wieder in aller Öffentlichkeit den Kampf gegen Migrant:innen und Linke trainieren und mit Überfällen in die Tat umsetzen und es deutschlandweit seit 2015 jeden Tag zu Angriffen auf Geflüchtete und Migrant:innen kommt, ist eine Entwicklung, die parallel zum Aufstieg der AfD verläuft und sich auch nicht nur auf Ostdeutschland beschränkt – auch wenn hier das öffentliche Agieren und der direkte Einfluss auf die Stimmung in Stadt und Land sicher vielerorts eine andere Qualität hat.
Militante Faschist:innen im Aufwind
Militante faschistische Strukturen bis hin zu bewaffneten terroristischen Gruppen, die direkt mit staatlichen Strukturen wie den Geheimdiensten, Polizei und Militär verwoben sind, haben seit Jahren Aufwind und treten immer offensiver und martialischer auch in der Öffentlichkeit auf.
Der ein oder andere symbolische Schlag gegen ein heute zu aggressives Auftreten der Faschist:innen, bzw. eine zu deutliche Infragestellung des bürgerlichen Gewaltmonopols und des parlamentarischen Status Quo können nicht darüber hinwegtäuschen, dass parlamentarische, bürgerliche, militante und intellektuelle Faschist:innen und Teile des Staatsapparats und Kapitals ein sich ergänzendes Ganzes bilden.
Sie agieren wie ein Knäuel, bei dem es egal ist, an welchem Ende man etwas abschneidet: solange man nicht das gesamte Gebilde zerschlägt, wird es nicht zerfallen oder auch nur ernsthaft geschwächt sein.
Selbstschutz und revolutionärer Antifaschismus
Dem Erstarken der Faschist:innen auf allen Ebenen – auf der Straße, in den Parlamenten und ihrem offenen Einfluss in Sicherheitsbehörden und staatlichen Institutionen – können wir erfolgreich nur durch einen revolutionären Antifaschismus begegnen.
Das bedeutet auf der einen Seite, dass wir uns den Faschist:innen überall entgegen stellen müssen, wo wir sie antreffen, und auch ihrer Gewalt und ihrem überheblichen Auftreten etwas entgegensetzen können müssen. Wir müssen sie schrittweise in ihrer Offensive zurückdrängen und auf allen Ebenen einen effektiven Schutz gegen ihre Angriffe organisieren.
Gleichzeitig reicht das für das Zurückdrängen ihres Einflusses bei weitem nicht aus – ja wird an ihrem Aufstieg allein kaum etwas ändern können. In erster Linie sind es auch nicht die Großmobilisierungen und medienwirksamen Proteste, sondern die kontinuierliche, konsequente revolutionäre und klassenkämpferische Politik dort, wo wir leben und arbeiten. Diese muss sich offensiv an die Arbeiter:innen und Teile der Kleinbürger:innen richten, damit wir dem Einfluss der Faschist:innen etwas entgegensetzen können.
Dem Aufstieg des Faschismus zugrunde liegt der zunehmende ökonomische und gesellschaftliche Zerfall der bürgerlichen Lebenswelten und die Mobilisierung von Teilen des Kleinbüger:innentums und der Arbeiter:innenklasse mithilfe irrationaler Angst- und Schrecken-Szenarios, welche die Faschist:innen ihnen rund um die Uhr über unzählige Kanäle präsentieren.
Der revolutionäre Antifaschismus muss den Einfluss der Faschist:innen auf politischer, ideologischer und praktischer Ebene stoppen, entlarven, brechen und zurückdrängen. Dabei können wir nicht allein bei rationalen Argumenten stehen bleiben, sondern müssen die von den Faschist:innen geschürten irrationalen Ängste zurückdrängen und ihnen eine positive Vision entgegen setzen, für die es sich zu kämpfen lohnt. Wir müssen den Kampf um die Köpfe und um die Straße als einen ganzheitlichen Kampf sehen.
Nur wenn wir diesen Kampf unter Einschluss aller ehrlichen Antifaschist:innen und in Form einer Einheitsfront der revolutionären Kräfte führen, können wir unsere eigene Defensive überwinden und schrittweise den Einfluss der Faschist:innen zurückdrängen.
“Perspektive – Zeitung für Solidarität und Widerstand” will den bürgerlichen Medien, die in ihrer vorgeblich „neutralen“ Berichterstattung immer den Status-Quo normalisieren und damit – mal bewusst und mal versehentlich – die Perspektive der Kapitalist:innen vertreten, eine Zeitung entgegenstellen, welche gezielt die Perspektive „der ArbeiterInnen, Angstellten, Frauen, Jugendlichen, Migranten und RentnerInnen“ und ihrer Widerstandskämpfe hervorhebt.
Die Genoss:innen schreiben immer wieder gut recherchierte Analysen, auch aber nicht nur über die extreme Rechte, also schaut auf jeden Fall mal vorbei!