Einige Überlegungen zum Verbot des COMPACT Magazins

Staatliches Vorgehen gegen Rechts hat es in der BRD immer wieder gegeben. Das Verbot des COMPACT Magazins ist aber von anderer Natur als bisheriges Agieren.

Die letzten großen Schläge gegen Teile der rechten Bewegung waren entweder dadurch gekennzeichnet, dass konkrete Umsturzpläne von kleinen isolierten Zirkel aus Putschist:innen gestoppt wurden (Gruppe S, Reichsbürgerverschwörung, …) oder diese eher symbolischer Natur waren.

Dem Freien Netz Süd zum Beispiel wurde vor dem Verbot genügend Vorlaufzeit gelassen, sich eine Ersatzstruktur in Form des III. Wegs zuzulegen.1https://antifainfoblatt.de/aib108/der-iii-weg Diese Nachfolgeorganisation wird auch nicht mehr weiter vom Staat behelligt. Ähnlich verhält es sich mit dem NPD-Verbotsverfahren. Das nicht dann ansetzte, als die Partei auf dem Höhepunkt ihres Einflusses stand. Als kurze Zeit nach dem gescheiterten Verbot die Wahlerfolge wieder zunahmen, wurden die Verbotsbestrebungen nur noch halbherzig und mehr zu PR-Zwecken weitergeführt. Beiden Beispielen ist gemeinsam, dass sie gar nicht wirklich auf die Zerschlagung der faschistischen Organisation aus waren, sich gegen zu diesem Zeitpunkt gesellschaftlich unbedeutende Akteur:innen richteten und meist hauptsächlich PR-Zwecken dienten. Auf diverse Verbote und Verfahren gegen kleine Kameradschaftsstrukturen trifft dies in ähnlicher Weise zu. So zum Beispiel das Verfahren gegen die Gruppe Knockout 51 in Eisenach. Um ein Handeln gegen Rechts zu beweisen, wanderten ein paar der freidrehenden Faschist:innen in U-Haft. Doch noch bevor der Prozess gegen diese abgeschlossen ist, hat schon eine neue Generation in der Stadt die Gewalt in die Hand genommen, denn am faschistischen Sumpf in der Gegend wurde gar nicht erst angesetzt.

Das COMPACT-Verbot unterscheidet sich davon deutlich. Jürgen Elsässer, Herausgeber des COMPACT-Magazins, ist neben Götz Kubitschek eine der zentralen Figuren, die im Hintergrund die strategischen Fäden der Neuen Rechten ziehen. Diesmal trifft der Angriff eines der größten Einflussfelder der Rechten: ihre Medienarbeit und Propagandamaschinerie. Das COMPACT Magazin hatte eine ungefähre Auflage von 40.000 Zeitungen pro Monat, ihre Sozialmedia-Kanäle zehntausende Follower und einzelne Beiträge dort mehrere Millionen Aufrufe. Darüber hinaus leisten sie mit Kampagnen wie „der blauen Welle“ aktive Wahlkampfhilfe für die AfD. Es war kein Verbot irgendeiner „unbedeutenden“ Kameradschaft, sondern gegen eines der wichtigsten rechten Medienprojekte, das der aktuell zweitstärksten Partei im Land nahe steht. Und es spielt eine sehr bedeutende politische Rolle als Scharnier zwischen verschieden rechten Akteur:innen und Spektren wie der IB, Querdenken, Freie Sachsen, etc. und der AfD selbst. Das Verbot ist viel mehr als nur ein indirekter Angriff auf die AfD.

So zum Beispiel wäre die Siegeskundgebung für den Tag der Landtagswahlen in Thüringen für mehrere tausend Menschen vor dem Erfurter Landtag von COMPACT Magazin im Rahmen der Kampagne „die blaue Welle“ angemeldet gewesen und unter gleichen Kampagne wurden Unmengen Propagandamaterial für den Wahlkampf der AfD gedruckt. Verteilt oder aufgehängt werden diese jetzt nicht mehr, sie dürften jetzt in der Asservatenkammer der Bullen liegen. Die AfD Brandenburg organisierte Teile ihres Wahlkampfs über die Infrastruktur des Magazins. Nach eigenen Angaben zahlte diese ein größerer fünfstelliger Betrag für Wahlkampfmittel an COMPACT. Die Gegenleistung gibt es nun nicht mehr, das Geld ist einstweilen beschlagnahmt und fehlt dem Landesverband im aktuellen Wahlkampf.2https://www.spiegel.de/politik/deutschland/compact-magazin-verbot-schwaecht-wahlkampf-der-afd-in-brandenburg-a-98b42d3a-eec8-43d5-aa98-0dab403cf7c6 Uns verwundert auch nicht der Zeitpunkt des Verbots, kurz vor dem Höhepunkt der Wahlkämpfe um die Landtage in Sachsen, Thüringen und Brandenburg, wo mit ziemlicher Sicherheit die AfD ihren nächsten qualitativen Sieg einfahren wird.

Juristisch konnte sich das Verbot nicht halten. Darin waren sich bürgerliche Jornalist:innen schon am Tag der Verbotserteilung einig und das wird auch den Initiator:innen klar gewesen sein. Offensichtlich ging es also darum, den Wahlkampf in den drei ostdeutschen Bundesländern möglichst umfänglich zu stören, ohne direkt die Partei angreifen zu müssen. Mit eine Motivation dürfte auch gewesen sein, dass SPD und Grüne nicht mehr allzu viel Zeit haben werden, weitreichendes Vorgehen gegen Rechts durchzusetzen. In etwas mehr als einem Jahr ist die nächste Bundestagswahl und so wie sich die politische Stimmung im Land gerade darstellt, wird die SPD danach nicht mehr das Innenministerium innehaben.

Wird die Ampel-Regierung jetzt doch noch zu einem antifaschistischen Akteur? Ja und Nein. Der Aufstieg der AfD hin zur stärksten und tonangebenden Oppositionspartei mit Aussicht auf baldiger Regierungsbeteiligung hat einige Koordinaten im Politikbetrieb der BRD verändert. Auch wenn damit nicht unbedingt ein neuer Faschismus an der Macht droht, bereitet die Aussicht auf Faschist:innen in der Regierung, der Zwang zu Volksfront- oder Minderheitsregierungen um Ersteres zu Verhindern, etc. sicher auch den bürgerlichen Parteien unruhige Nächte.

Denn es ist erklärtes Ziel der AfD und ihren europäischen Schwesterparteien die politische Zerstörung der alten Volksparteien voranzutreiben. Darin sind sie auch sehr erfolgreich. SPD, Grüne und FDP stehen herbe Niederlagen in den nächsten Wahlen bevor und daran trägt die AfD keinen kleinen Anteil.

Diese neuen gesellschaftlichen Ausgangsbedingungen ziehen für alle Akteur:innen auch immer mehr neue Handlungszwänge nach sich. In Frankreich waren die Neoliberalen gezwungen ein Wahlbündnis im Sinne einer Volksfront mit den verhassten Linken gegen die Faschist:innen rund um LePen einzugehen. Ähnliches wird in den kommenden Jahren auch in der BRD bevorstehen. Nicht umsonst finden gerade vor allem in liberalen Kreisen Diskussionen darüber statt, wie beispielsweise der Zugriff der AfD auf die Verfassungsgerichte verhindert werden kann. In der Linkspartei wird gerade die Möglichkeit einer Koalition mit der CDU in Thüringen diskutiert, um nur ein paar Beispiele zu nennen.

Schon aus Eigeninteresse sind also SPD, Gründe und Co. zum Handeln gezwungen. Um die Geister, die sie selbst riefen, in Zaum zu halten. Allerdings ist ihr Vorgehen rein repressiv. Es greift nicht die Ursachen des Aufstiegs der Rechten an, für den sie ja selbst mit ihrer Politik der neoliberalen Elendsverwaltung maßgeblichen Anteil haben. Damit dürfte es auch kein über eben dieses Eigeninteresse hinausgehendes Ziel geben. Ernst gemeinter Antifaschismus – Fehlanzeige. Solange aber der Zuspruch für die AfD weiterhin eine gesellschaftliche Grundlage hat, werden Verbote wie dieses den Rechten zwar sicherlich weh tun und die weitere Ausdehnung ihres Einflussbereiches zumindest verzögern, aber die deren Erfolg zugrundeliegenden politischen Triebkräfte werden sich am Ende einfach andere Bahnen suchen. Das COMPACT Magazin ist ja auch nur ein Teil des der AfD nahestehenden Propagandanetzwerks. Falls im Hauptverfahren entschieden werden sollte, dass das Verbot bestehen bleibt, wird der Wegfall mittelfristig durch andere Medienorgane ausgeglichen. Zumal nun genug Zeit zur Verfügung steht, um diese aufzubauen. Bis das Hauptverfahren beendet sein wird, werden wohl ein paar Jahre vergehen. Für die momentane Überbrückung der fehlenden Abodatenbanken, Gelder, Materialien, etc. wird sich das COMPACT Magazin mit Videoformaten an die Leser:innen wenden.3https://www.nd-aktuell.de/artikel/1184531.extreme-rechte-faeser-verteidigt-verbot-von-compact.html?sstr=compact

Alte antifaschistische Weisheiten, dass der Staat niemals ein verlässlicher Part im Kampf gegen den Faschismus ist, werden deshalb nicht falsch bleiben. Der Aufstieg der Rechten hatte und hat in einer Zeit, in der die kapitalistische Wirtschaftsweise immer krisenanfälliger für die Herrschenden großen nutzen. AfD und Co. treiben wie ein Eisbrecher den Diskurs nach rechts und eröffnen damit auch den bürgerlichen Parteien Handlungsspielräume, die für diese ansonsten niemals ohne Gesichtsverlust möglich gewesen wären. Und parallel lenken sie den Unmut der Bevölkerung auf „Sündenböcke“ und weg von den eigentlichen Ursachen. In Anbetracht sich weiter zuspitzenden Verhältnisse wird dieses Interesse an der Existenz einer starken Rechten weiter bestehen bleiben. Aber aktuell eben nur in den oben beschriebenen Funktionen und nicht darüber hinaus. Das haben Anfang des Jahres im Zuge der Correctiv-Recherchen sowohl alle bürgerlichen Parteien als auch alle Kapitalverbände sehr deutlich formuliert. Aus der Geschichte wissen wir aber, dass die Krise nur groß genug werden muss, bis es für den Faschismus an der Macht von den selbsternannten „Antifaschist:innen“ in Staat und Wirtschaft grünes Licht gibt.