Die Junge Alternative Baden-Württemberg

Die Junge Alternative Baden-Württemberg (JA BW) ist die Jugendorganisation der Partei Alternative für Deutschland (AfD) in dem südwestlichen Bundesland. Sie wurde 2013 in Tübingen gegründet und vertritt die politischen Positionen und Ziele der AfD auf Landesebene. Die JA BW hat nach eigenen Angaben etwa 260 Mitglieder1Thoms, Katharina – „Junge Alternative – Wer hinter dem extremen Verein steckt“ https://share.deutschlandradio.de/dlf-audiothek-audio-teilen.html?audio_id=dira_DRK_9bbf800c. Allerdings ist nur ein kleiner Teil der Mitglieder tatsächlich in der JA aktiv, sprich an Aktionen oder Veranstaltungen der Parteijugend beteiligt.

Die JA Baden-Württemberg ist in vier Bezirksverbände gegliedert, die jeweils aus mehreren Kreisverbänden bestehen. Die Bezirksverbände sind Süd-Baden, Süd-Württemberg, Nord-Württemberg und Nord-Baden. Ein Blick auf die Karte der bestehenden JA-Kreisverbände zeigt großflächige Lücken, in denen bisher kein Kreisverband existiert. Dazu gehört beispielsweise das gesamte Allgäu. Aber auch bei den eingetragenen Kreisverbänden sind zum Teil die gleichen Ansprechpartner/innen hinterlegt. Sowohl die JA-Bezirksverbände als auch die Kreisverbände waren zu verschiedenen Zeiten mehr oder weniger aktiv oder existierten teilweise sogar nur auf dem Papier.

Die Landesgeschäftsstelle der JA BW befindet sich in Göppingen in den gleichen Räumlichkeiten, in denen auch Hans-Jürgen Goßner (MdL) sein Büro hat. Darüber hinaus teilt sich der Bezirksverband Südbaden ein Büro in Singen mit Bernhard Eisenhut (MdL).

Schon zu Gründungszeiten pflegte die Junge Alternative bundesweit Verbindungen zur neuen Rechten insbesondere zur extrem rechten Identitären Bewegung (IB). Aufgrund der intensiven Kontakte, personellen Überschneidungen und inhaltlichen Ähnlichkeiten mit der IB, drohte die JA BW früh ein Fall für den Verfassungsschutz zu werden. Um einer möglichen Beobachtung durch die Sicherheitsbehörden zu entgehen, kam es 2018 zu einem Bruch. Große Teile des JA-Landesvorstandes traten zurück und insgesamt etwa 50 Mitglieder verließen daraufhin die JA BW2Marc Röhlig – „Dutzende Mitglieder verlassen „Junge Alternative“ – weil die ihnen zu rechtsextrem wird“ https://www.spiegel.de/politik/deutschland/baden-wuerttemberg-dutzende-verlassen-afd-jugend-wegen-naehe-zu-identitaerer-bewegung-a-d80c6a7c-4204-4200-bb92-d057d515675b.

Für kurze Zeit ging die JA BW auf Abstand zur Identitären Bewegung. Man vermied mit ihr öffentlich in Verbindung gebracht zu werden. Trotzdem sind die Kontakte nie ganz abgebrochen und bei genauerem Hinsehen sind immer noch Verbindungen zu erkennen. Letztlich hat der Inlandsgeheimdienst „Verfassungsschutz“ (VS) die JA BW dennoch als rechtsextremistischen Verdachtsfall eingestuft.

Spätestens seit der Einstufung der Jungen Alternative auf Bundesebene als gesichert rechtsextrem ist die Abgrenzung auch auf der Landesebene verloren gegangen: Personelle Überschneidungen, gemeinsames Auftreten bei Veranstaltungen und die ideologische Ausrichtung zwischen der JA BW und der Identitären Bewegung werden unverblümt zur Schau gestellt

Neben Verbindungen zur Identitären Bewegung sind in der JA BW seit jeher auch Verbindungen zum burschenschaftlichen Milieu zu verzeichnen. Korporierte Beispiele aus dem aktuellen Vorstand der JA BW sind Nickolas Danner von der Burschenschaft Saxo-Silesia Freiburg sowie Arthur Hammerschmidt, der nach Hinweisen Fux der Hilaritas Stuttgart sein könnte.

Ideologie und Aktionen

In Ton und Inhalt tritt die JA radikaler als die Mutterpartei auf. Dabei vertritt sie häufig menschenverachtende Positionen:

Online ist die JA BW auf allen gängigen Social-Media-Plattformen vertreten, die fast täglich bespielt werden. Die Beiträge der verschiedenen Plattformen weichen kaum voneinander ab. Ein großer Teil der Offline-Arbeit der JA BW besteht in der Unterstützung der Mutterpartei, z.B. durch die Teilnahme an Kundgebungen, Infoständen, Vorträgen oder durch das Aufhängen von Plakaten im Wahlkampf. Dabei sind einige Aktivisten sehr reisefreudig und nehmen auch an Aktionen außerhalb des eigenen Kreises teil. Neben der Unterstützungsarbeit führt die JA auch eigene Aktionen durch. Dies reicht von kleinen Aktionen wie Flyer- oder Banneraktionen bis hin zu eigenen Vortragsabenden. In der Vergangenheit wurden auch eigene Kundgebungen und Demonstrationen durchgeführt. Die größten Kundgebungen der JA in BW erreichten Teilnehmerzahlen im unteren dreistelligen Bereich beispielsweise bei einer Demonstration in Göppingen am 15. Januar 2022 unter dem Motto: „Die Jugend steht auf – für die Freiheit und gegen die Spaltung der Gesellschaft“ mit etwa 200 Demonstrierenden. Insgesamt bleibt die Zahl der eigenen Veranstaltungen aber überschaubar. Eine rege Beteiligung von einzelnen JA-BW-Aktivisten ist auch bei externen Demonstrationen zu beobachten, beispielsweise während der Corana-Pandemie bei sogenannten „Montagsspaziergängen“ oder bei Großdemonstrationen in Berlin.
Als interne Veranstaltungen werden Stammtische, gelegentliche Wanderungen und Feste wie Weihnachtsfeiern organisiert. Die bisherigen Kampagnen waren in der Regel eher lokal und im eigenen Kreis, als landesweit angelegt. Darüber hinaus waren sie in der Regel von kurzer Dauer.

Podcast-Projekt

Eine Ausnahme bildet der JA BW-eigene Podcast „Neckarwerft“. Der Podcast wurde Anfang 2023 ins Leben gerufen und liefert seitdem kontinuierlich ca. 1,5 Folgen pro Monat. Das Projekt wird von JA-Mitgliedern aus den Kreisverbänden Stuttgart und Ludwigsburg betrieben. Im Podcast selbst sind hauptsächlich Interviews mit bekannten AfD‘lern und Aktivist*innen aus dem Bundesverband der JA zu hören. Lediglich in der achten Folge wurde eine Person von außerhalb eingeladen: „Oliver Hilburger“ von der rechten Pseudogewerkschaft Zentrum .

Die Alternative zur JA scheitert

Mit der „Jugend für Demokratie und Europa e.V.“  (JugendfuerDE) wurde 2020 der Versuch gestartet eine gemäßigtere Alternative zur JA zu etablieren. Der Verein wurde in Reutlingen gegründet und war in Baden-Württemberg verankert. Zu den Gründungsmitgliedern gehörten Lukas Battenberg und Daniel Lindenschmid (MdL), die beide zuvor im Landesvorstand der JA Baden-Württemberg tätig waren. Auf dem Sommerfest der JugendfuerDE im Jahr 2020 waren Anton Baron (MdL) und Malte Kaufmann (MdB) als Unterstützer anwesend.

Der Versuch eine gemäßigte Alternative zu schaffen, kann jedoch als gescheitert betrachtet werden. Bereits ein Jahr nach der Gründung wurden sämtliche Inhalte auf der Homepage des Vereins durch Platzhaltertexte ersetzt.

International vernetzt

In einer Zeit, in der politische Strömungen zunehmend globale Dimensionen annehmen, ist die internationale Vernetzung der JA ein Thema von besonderer Relevanz. Die JA BW hat sich weit über die Landesgrenzen hinaus mit Gleichgesinnten verbunden. Im Zentrum dieser Vernetzung steht Severin Köhler, der derzeitige Vorsitzende der JA BW, dessen Rolle nicht nur die Ausrichtung der Gruppe, sondern auch ihre Beziehungen zu anderen rechtsextremen Organisationen maßgeblich prägt. Die Liste der Vernetzungen aus den vergangenen Jahren ist lang:

  • Nach Belgien zur „Vlaams Belang Jongeren“ (VBJ), der Jugendorganisation des im Parlament vertretenen extrem rechten „Vlaams Belang“ (VB) existieren intensive Kontakte. So nahmen beidseitig Delegationen an Veranstaltungen und Treffen teil.
  • Nach Frankreich zur „Génération nation“ (GN), der Jugendorganisation des ultrarechten „Rassemblement National“ (RN). Die JA BW unterstützte Marine Le Pen im Wahlkampf und beide Gruppen nahmen an gemeinsamen Aktionen und Veranstaltungen teil
  • Nach Italien zur Lega Giovani, Jugendorganisation der extrem rechten Partei Leg, die bei mindestens drei Aktionen unterstützt wurde
  • In die USA: Etwa zum Trump-Berater Steve Bannon und dem „New York Young Republican Club“
  • Nach Österreich zur „Freiheitliche Jugend“, der Jugendorganisation der extrem rechten Partei FPÖ, die von der JA BW mit einer Delegation besucht wurde
  • Als Teil des „Patriots network“, einem weltweiten Netzwerk extrem rechter Politiker*innen. Köhler wird als deutscher Koordinator des Netzwerks benannt und besuchte über die Organisation etwa die „Jongeren Forum voor Democratie“ in den Niederlanden und die Parteijugend von „Partido Panameñista“ in Panama
Die interaktive Karte mit den einzelnen Angaben zu den jeweiligen Vernetzungen findet ihr auf der adiz-Seite

Arbeitgeber AfD

Ein Blick auf die bekannten Namen und Gesichter der JA BW zeigt: Auffällig viele aktive und ehemalige JA-Funktionäre verdienen ihr Geld mit der AfD. Einteilen lässt sich dies grob in drei Kategorien:

  1. Personen, welche die JA als Sprungbrett nutzen und später selbst in die Politik gehen. Das prominenteste Beispiel aus dem Ländle ist Markus Frohnmaier. Er war einst an der Gründung der JA BW beteiligt, heute ist er Bundestagsabgeordneter und Vorsitzender des AfD-Landesverbandes Baden-Württemberg.
    Ein weiteres Beispiel wäre Daniel Lindenschmidt: er hat es aus dem JA-BW-Vorstand immerhin in den Landtag nach Stuttgart geschafft.
  2. Festangestellte Arbeitnehmer: Die AfD ist im Landtag und im Bundestag vertreten. Ihre Abgeordneten haben persönliche Mitarbeiter, es gibt parlamentarische Berater und auch die Fraktionen haben Personen, beispielsweise für die Pressearbeit, eingestellt. Eine Vielzahl dieser Angestellten sind Mitglieder der JA. Um nur einige Beispiele zu nennen:
    • Josef Walter, Vorsitzender der JA Ludwigsburg arbeitet als Pressesprecher der AfD-Fraktion im Landtag von Baden-Württemberg
    • Steffen Degler, Schriftführer der JA BW, arbeitet als persönlicher Mitarbeiter von Udo Stein
    • Eduard Kolosoff, Beisitzer im Vorstand der JA Stuttgart, arbeitet als Pressereferent der Landtagsfraktion
    • Manuel Schneider, stellvertretender Vorstand der JA BW, soll laut internen Quellen bei der Stuttgarter AfD-Stadtfraktion angestellt sein
  3. Freelancer: Neben festangestellten Mitarbeitern beschäftigt die AfD auch freie Mitarbeiter. Severin Köhler ist ein solches Beispiel: Er arbeitet projektbezogen oder temporär für Bundestagsabgeordnete und Landtagsabgeordnete sowie für verschiedene AfD-Fraktionen, z.B. die AfD-Fraktion Mecklenburg-Vorpommern oder die Stuttgarter Stadtfraktion.
    Mit der Reutlinger „Agentur Emporia“ gibt es sogar ein Unternehmen, das sich auf AfD-Aufträge spezialisiert hat. Zu den Leistungen der Agentur gehört die „Durchführung von (politischen) Werbekampagnen“. Inhaber der Agentur sind die (ehemaligen) JA’ler Lukas Battenberg und Maximilian Gerner.

Parteijugend heißt nicht unbedingt Parteifreund

Der Landesverband der AfD Baden-Württemberg ist zutiefst zerstritten. Grob lassen sich die Streitigkeiten bzw. Streitenden in zwei Lager einteilen: in das Weidel-Lager um Bundestagsfraktionschefin Alice Weidel und das Lager der „Dirkianer“ um den Bundestagsabgeordneten Dirk Spaniel.  Während sich das Weidel-Lager beim letzten AfD Landesparteitag (Februar 2024) durchsetzen konnte, scheinen in der JA die meisten Funktionäre eher Spaniel zugewendet zu sein. Daher ist es wenig verwunderlich, dass sich die Streitigkeiten der AfD auch bis in die Jugendorganisation ziehen.

Wie tief diese Gräben mittlerweile sind, lässt sich beispielhaft an zwei Fällen zeigen:

  1. Im Sommer 2023 soll angeblich drei JA-Funktionären von den zuständigen AfD-Kreisverbänden (Ludwigsburg, Backnang und Konstanz) die Mitgliedschaft in der AfD verweigert worden sein. Zwei dieser Funktionäre gehören auch dem Landesvorstand der JA Baden-Württemberg an: Arthur Hammerschmidt, damals wohnhaft in Ludwigsburg, und Steffen Degler aus Backnang. Beide zogen später nach Stuttgart und wurden in dem dortigen Spaniel-treuen Kreisverband aufgenommen.
  2. Am 22. Oktober 2023 führte die „Junge Alternative Baden-Württemberg“ eine Kundgebung unter dem Motto „Stoppt den Woke-Wahnsinn!“ gegen eine parallel in Ludwigsburg stattfindende Kinderbuchlesung der Dragqueen „Candy Licious“ durch. Obwohl die JA BW massiv für die Kundgebung mobilisierte, wurde diese von den örtlichen AfD- und JA-Kreisverbänden weitgehend boykottiert. Nicht einmal eine Handvoll Personen aus dem Kreisverband Ludwigsburg unterstützte die Aktion. Ein Grund dafür dürften die internen Streitigkeiten sein.

Wir möchten an dieser Stelle explizit Werbung für adizDas Antifaschistische Dokumentations und Informationszentrum Baden-Württemberg – machen. Es informiert über die extreme Rechte im Südwesten, dokumentiert deren Aktivitäten und trifft Einschätzungen zur Entwicklung.

Das „Antifaschistische Dokumentations- und Informationszentrum Baden-Württemberg“ (adiz) ist 2016 entstanden. Einer der Ausgangspunkte war die gemeinsame Beschäftigung mit der Terrorgruppe „Nationalsozialistischer Untergrund“ (NSU), die auch im Südwesten einen ihrer Morde beging und ihre Netzwerke pflegte. Dabei wurde deutlich, dass sich die antifaschistische Aufklärungsarbeit jenseits staatlicher Institutionen in Baden-Württemberg in den Händen weniger Einzelpersonen und kleiner Gruppen befand. Einen Ort, an dem das Wissen gesammelt, ausgetauscht, bewahrt und für andere Menschen zugänglich gemacht wird, gibt es im Gegensatz zu vielen anderen Bundesländern bisher nicht.
Mit der Gründung des adiz versuchen wir nun, einen solchen Ort zu schaffen und Stück für Stück und ohne Alleinvertretungsanspruch den vorhandenen Strukturen und Initiativen eine weitere Facette hinzuzufügen.

Wir recherchieren und publizieren eigenständig zum gesamten Spektrum der extremen Rechten im Land Baden-Württemberg und versuchen, die Aufklärung über deren Strukturen, Protagonisten und Ideologien aktiv mitzugestalten. Um die Entwicklung von Neonazigruppen, faschistischen Parteien, rechtspopulistischen Organisationen oder antifeministischen Zirkeln nachvollziehen und ihre Relevanz einschätzen zu können, sammeln und archivieren wir Material von und über diese Akteure. Dabei nehmen wir allerdings eine klare Haltung ein. Es geht uns nicht um ein reines Zusammentragen von Informationen. Gemeinsam mit anderen zivilgesellschaftlichen Initiativen wollen wir uns auch einmischen und Antworten finden auf die Frage, wie wir den zunehmend erstarkenden extrem rechten Kräften etwas entgegensetzen können. Wir sind dabei keiner bestimmten Strömung oder Tradition verpflichtet. Im Gegenteil haben wir unterschiedliche politische Hintergründe und gehören verschiedenen Generationen an. In dieser Pluralität sehen wir eine Stärke. Denn eines ist klar: Der Kampf gegen Rassismus und reaktionäres Gedankengut wird einen langen Atem brauchen. Deshalb ziehen wir gemeinsam und solidarisch an einem Strang. [https://www.adiz.info/ueber-uns/]