Zwei Prozesse, kein Urteil

Die ersten zwei Bismarckplatz-Prozesse sind gelaufen – ohne Verurteilung, dafür mit starker solidarischer Prozessbegleitung. Kontext der Prozesse sind antifaschistische Proteste gegen einen AfD-Infostand am 22. Februar 2025 auf dem Bismarckplatz, bei dem dutzende Aktivist:innen gekesselt und kontrolliert wurden. Gegen die im Nachgang verhängten Bußgelder legten die Betroffenen kollektiv Widerspruch ein, woraufhin die ersten Gerichtstermine für Anfang November angesetzt wurden.

Beim Auftakt am 3. November hatten sich vor Prozessbeginn über 30 Unterstützer:innen zu einer Solidaritätskundgebung vor dem Gericht versammelt und verfolgten die Redebeiträge des Solikreises Bismarckplatz und der Roten Hilfe Heidelberg/Mannheim. Im Anschluss fanden nur 20 Prozessbeobachter:innen Platz im viel zu kleinen Gerichtssaal. Der sichtlich unmotivierte Richter gab gleich beim Betreten des Saals bekannt, nicht verhandeln zu wollen, und vertagte den Prozess auf Januar. Er schob die Begründung vor, nicht mit so einem großen Andrang gerechnet zu haben. Mit einer abschließenden Rede des Betroffenen bei der Kundgebung vor dem Gericht konnte noch einmal ein kämpferisches politisches Zeichen gesetzt werden. Die persönlichen Vorworte des Genossen hängen wir am Ende des Berichts an.

Am 4. November kamen erneut 25 Unterstützer:innen zur Prozessbegleitung. Die zuständige Richterin erklärte zunächst unter Verweis auf das Alter der Betroffenen, ohne Öffentlichkeit zu verhandeln, lenkte aber nach dem Protest des Anwalts ein. Der geladene Polizeizeuge räumte von Anfang an ein, sich nicht an Details zu erinnern und verwies auf seine Aktennotiz, die er zwei Wochen nach dem Protest auf dem Bismarckplatz angefertigt hatte. Vor allem hob er hervor, dass die Personalien erst viel später und an anderer Stelle – nämlich am Eingang zur Hauptstraße – aufgenommen worden seien und eigentlich unklar sei, wer bereits zuvor in welcher Form am Protest beteiligt war. Das alles war sogar der Richterin zu dünn, weshalb sie noch während der Zeugenvernehmung das Verfahren einstellte und die Kosten der Staatskasse auferlegte – vor allem mit der Begründung, dass völlig unklar sei, ob die Betroffene zuvor bereits auf dem Bismarckplatz gewesen sei.

Es ist ein wichtiges Signal auch für die kommenden Prozesse, dass die Vorwürfe der Polizei selbst den Gerichten zu konstruiert sind. Vor allem aber zeigen uns die beiden ersten Prozesstermine, wie wichtig es ist, sich kollektiv gegen Repression zu wehren und gemeinsam dagegen vorzugehen. Mit solidarischer Begleitung und Kundgebungen vor Ort haben wir deutlich gemacht, dass wir uns nicht einschüchtern lassen. Dass wir an beiden Tagen mit so vielen Genoss:innen vor Ort waren, stärkt uns für kommende Prozesse und Repressionsschläge: Unsere Solidarität gegen ihre Repression!

Mit diesen persönlichen Worten begann der Genosse am Montag seine Rede:

Liebe Genoss:innen,

Ich halte es für notwendig, zuerst ein paar persönliche Worte zu sagen:

Die AfD ist durchsetzt von Nazis. Meine eigene Familie wurde von den Vorfahren der AfD verfolgt und getötet. Mein Großonkel und meine Großtante wurden in Auschwitz ermordet und meine ganze Familie ist aus Deutschland nach Palästina geflohen. Meine Familie ist jüdisch und über drei Generationen wurden sie von ihrer Heimat in Deutschland ferngehalten.

Jetzt endlich, nach 80 Jahren, sind wir nach Deutschland zurückgekehrt. Ich kann nicht nachvollziehen, wie jemand in meiner Situation, mit meiner Geschichte, anders reagieren könnte, wenn die gleiche rechte Rhetorik und Politik auf den deutschen Straßen herrscht, die meine Familie zerstört hat.

Ob auf der Straße oder vor Gericht, antifaschistische Arbeit war, ist und bleibt notwendig! Hoch die internationale Solidarität!