Die „Initiative für Demokratie und Aufklärung“ (IDA) will bei der Heidelberger Gemeinderatswahl am 9. Juni 2024 mit 48 Kandidat*innen als eigenständige Liste antreten. Am 25. Februar 2024 fand dazu eine Informationsveranstaltung im Gesellschaftshaus Pfaffengrund statt, an der neben bekannten Personen aus dem Impfgegner*innenspektrum auch einige AfD-Politiker*innen und -sympathisant*innen teilnahmen, darunter der AfD-Stadtrat Timethy Bartesch.
Der rechtsoffene Verein IDA entstand während der Corona-Pandemie und ist unter anderem Sprachrohr der Heidelberger Impfgegner*innen. Aus dem Kreis der Demonstrationen gegen die Maßnahmen zur Eindämmung des Corona-Virus hat sich ein fester Organisator*innenkern gebildet, der nicht nur inhaltliche, sondern auch personelle Schnittmengen mit der AfD hat. Die Ankündigung der IDA zur Teilnahme an der Gemeinderatswahl und die Informationsveranstaltung am 25. Februar 2024 nehmen wir zum Anlass, die Struktur aus unserer Sicht vorzustellen.
Von der „Antihygienistischen Aktion“ zur IDA – ein Blick zurück
Im Verlauf der Corona-Pandemie entwickelten sich in der Rhein-Neckar-Region viele Zusammenschlüsse, die den meist reaktionären Protest gegen die Corona-Maßnahmen organisieren wollten. Nicht immer ist nachvollziehbar gewesen, welche Struktur eine andere abgelöst hat oder aus ihr hervorgegangen ist. Die bundesweit größte Bewegung, die so genannten „Querdenker“, hatte in Heidelberg zu keiner Zeit einen sichtbaren Ableger. Stattdessen gab es viele kleine Gruppierungen, die inhaltlich kaum voneinander zu unterscheiden waren. Neben der heute inaktiven Kleinstpartei „Die Basis“ tat sich 2021 die „Offene Gesellschaft Kurpfalz/Antihygienistische Aktion“ als aktivste Gruppe hervor: Unter diesem Namen organisierten zu Beginn vor allem Gianna Fox und Achim Kupferschmitt in der Rhein-Neckar-Region Kundgebungen und Demonstrationen. Schon 2022 waren auch Kay Klapproth, Gunter Frank und Siamak Bozcheloi, die heute die IDA nach außen hin prägen, Teil der Organisationsstruktur. Der Übergang und das Herauslösen der eigenständigen Heidelberger Gruppierung IDA aus der Offenen Gesellschaft Kurpfalz war fließend: Im Frühjahr 2022 startete die IDA eigene Kanäle, während einige ihrer Videos anfangs auch auf dem Youtube-Kanal der Offenen Gesellschaft Kurpfalz veröffentlicht wurden. Während die Offene Gesellschaft Kurpfalz eine überregionale Zielgruppe bediente, hatte die IDA von Anfang an einen klaren Fokus auf Heidelberg.
Im Sessel und auf der Straße
Für die IDA lässt sich eine gewisse inhaltliche Arbeitsteilung erkennen: Die vermeintlich wissenschaftliche und intellektuelle Seite wird durch Kay Klapproth und Gunter Frank vertreten, die unter anderem wöchentlich Videos als „Sprechstunden“ veröffentlichen. Der Allgemeinmediziner hat eine Praxis in Neuenheim und berät dort Patient*innen zum Thema Ernährung. Er hatte zahlreiche Auftritte in Talkshows, mitunter am häufigsten bei BILD TV. Am 11. November 2023 sprach Frank beim zweiten „Corona-Symposium“ der AfD im Bundestag1https://www.youtube.com/watch?v=qSoFpItaQhk. Ebenfalls als Redner zu Gast war an diesem Tag Sucharit Bhakdi, der hinter der Corona-Pandemie eine „dämonische, satanische Agenda“2https://www.juedische-allgemeine.de/politik/ermittlungen-gegen-sucharit-bhakdi-wegen-volksverhetzung-eingestellt/ sieht und mehrfach Vergleiche zwischen der Pandemie und dem Holocaust zog. Gunter Frank nahm am Treffen der Bundesversammlung der WerteUnion in Erfurt im Januar 2024 teil, bei der beschlossen wurde, dass der bisher an die CDU/CSU angegliederte Verein eine eigene Partei gründen wird. Direkt nach dieser Entscheidung trat Frank in die WerteUnion ein. In einem Interview mit dem rechten Autor Alexander Wallsch äußert Gunter Frank seine Bewunderung für Hans-Georg Maaßen und die AfD3https://www.alexander-wallasch.de/politik/dr-gunter-frank-geht-zu-maassens-werteunion.
Sowohl Gunter Frank als auch Kay Klapproth publizieren für den Blog „Achse des Guten“, der eine konservative bis rechte Leser*innenschaft bedient. Kay Klapproth besuchte am 11. Dezember 2023 den „Bürgerdialog“ der AfD Heidelberg, der ebenfalls im Gesellschaftshaus Pfaffengrund stattfand. Dort interviewte er den AfD-Politiker Thomas Seitz4https://www.youtube.com/watch?v=y3hK12FuFEY, der 2021 aufgrund von unter anderem rassistischen Äußerungen seinen Job als Staatsanwalt verloren hatte und kurz darauf rechtspolitischer Sprecher der AfD wurde.
Auch Siamak Bozcheloi war an diesem Abend vor Ort und filmte den Gegenprotest. Er und die Impfgegnerin Annett Haas5https://www.mannheimer-morgen.de/orte/mannheim_artikel,-mannheim-ccorona-protest-in-manneim-mit-145-autos-_arid,1758299.html treten im Gegensatz zu Klapproth und Frank eher aktivistisch auf, organisieren und prägen die Demonstrationen in Heidelberg und versuchen beispielsweise durch das Verbrennen von Demonstrationsauflagen und Masken6https://offenes.tv/w/cJj3tQbPQodnQtWyRQYVQT den widerständigen Charakter darzustellen.
Bei den Demos gegen rechts im Frühjahr 2024 in Heidelberg, Mannheim und Mainz mischte sich Siamak unter die Demonstrant*innen und versuchte Interviews zu führen7https://www.youtube.com/watch?v=LxY8qgLPIv4 und https://www.youtube.com/watch?v=m8U5-NjtObg. Da er bisher nicht unbedingt ein bekanntes Gesicht ist, gelang ihm dies in einigen wenigen Fällen. In Mainz stellte er seine Fragen offenbar so auffällig provokant, dass er nach kurzer Zeit von Antifaschist*innen abgeschirmt wurde8https://www.youtube.com/watch?v=ztFt3fjBsCE und die Veranstaltung verließ.
Hin und wieder weisen die Themen, mit denen sich die IDA beschäftigt, über die Corona-Maßnahmen hinaus. So demonstrierten im Januar 2023 Mitglieder der IDA und AfD, darunter Siamak Bozcheloi und Albert Maul, gemeinsam gegen eine Veranstaltung der Grünen in Schriesheim9https://www.youtube.com/watch?v=igRMjrXYhbo. Als Albert Maul im Oktober 2023 aus dem Stadtteilverein Neuenheim flog, weil er mit einem weiteren AfDler ein Gemeinderatsmitglied bedroht hatte10https://www.hd-in-bewegung.de/aktuelles, solidarisierte sich die IDA in mehreren Beiträgen mit ihm. Frank, Klapproth und Bozcheloi dürften einigen im Gemeinderat schon bekannt sein. Sie nutzten Fragestunden, um in langen Beiträgen die Corona-Maßnahmen zu kritisieren und die Diskriminierung von Ungeimpften zu beklagen. Dabei tat sich Siamak hervor, der so lange sprach, ohne eine Frage zu stellen, dass ihm das Mikrofon abgedreht wurde, was er im Nachhinein natürlich als Zensur bezeichnet.
Auch Beate Bahner war am 25. Februar bei der Informationsveranstaltung zur Kandidatur der IDA anwesend. Sie machte sich in der Bewegung der Maßnahmenkritiker*innen einen Namen, indem sie juristisch gegen alle Corona-Maßnahmen vorging. In Heidelberg ereignete sich im April 2020 eine ausgesprochen merkwürdige Szene, als Bahner einer polizeilichen Vorladung im Revier Mitte in der Römerstraße folgte und sich 150 Menschen vor dem Gebäude versammelten: Neben dem damaligen AfD-Politiker Stefan Räpple, der ein paar Monate später unter anderem wegen rassistischer Umsturzfantasien aus der Partei ausgeschlossen wurde, waren bekannte Gesichter wie der Nußlocher Ralph Bühler11https://kommunalinfo-mannheim.de/2023/01/05/wegen-volksverhetzung-verknackt-verschwoerungserzaehler-und-rassist-ralph-buehler/ und ein Vertreter der Radiosendung KenFM12https://www.youtube.com/watch?v=Y7K8LNMHRVI; https://www.deutschlandfunk.de/ken-jebsen-vom-jugendidol-zum-verschwoerungsmystiker-100.html vor Ort. Bahner veröffentlichte kurz darauf eine „Auferstehungsverordnung“, mit der sie alle Corona-Maßnahmen für beendet erklärte. Auch wenn es uns absolut fernliegt, dies zu einem Gegenstand unserer Kritik zu machen, muss erwähnt werden, dass Bahners psychischer Zustand zu diesem Zeitpunkt als instabil bezeichnet werden muss.
Im Januar 2023 fand in Weinheim ein Prozess gegen eine Ärztin statt, die tausendfach Atteste zur Befreiung von der Maskenpflicht ausgestellt hatte, ohne die Patient*innen je in Augenschein genommen zu haben. Beate Bahner übernahm die Verteidigung13https://www.fr.de/politik/aerztin-zu-haftstrafe-und-berufsverbot-verurteilt-tausende-falsche-maskenatteste-auf-zuruf-92007520.html, bezeichnete das Gerichtsverfahren als „Terrorprozess“ und ließ keine Gelegenheit aus, die Gefahr von Masken zu betonen. Sie verspricht als Mitglied der „Anwälte für Aufklärung“, allen „Ärzten im Widerstand“ juristisch zur Seite zu stehen. Auch sie sieht hinter der Pandemie eine Agenda, die „meisterhaft geplant und umgesetzt wurde“14https://www.youtube.com/watch?v=38UBMLS5Dr0.
Was vom Widerstand übrig ist
Die IDA veranstaltete lange Zeit wöchentlich – mittlerweile monatlich – immer kleiner werdende Demonstrationen gegen die Corona-Maßnahmen. Sie sind auf einen Kern zusammengeschrumpft, und die Demonstrationen werden medial nicht mehr aufbereitet. Die Abkehr vom wöchentlichen Rhythmus kam unmittelbar nach einer Demonstration im Februar 2023, zu der die Rassistin und AfD-Politikerin Christina Baum eingeladen war. Die Veranstaltung bestätigte erneut, dass die Impfgegner*innenbewegung in Heidelberg nicht nur theoretisch offen für rechtes Gedankengut ist, sondern kein Problem damit hat, mit Rechten auf die Straße zu gehen, und aktiv den Schulterschluss mit der AfD sucht. Die Demonstration wurde durch antifaschistische Interventionen wie Blockaden massiv eingeschränkt und konnte nur durch ein massives Polizeiaufgebot und unter lautstarkem Gegenprotest stattfinden. Siamak Bozcheloi, der auch diese Demonstration angemeldet hatte, veröffentlichte im September 2023 ein Interview mit Christina Baum15https://www.youtube.com/watch?v=yK3D9w7USU4, in dem es um die „Ausländerfeindlichkeit der AfD“ gehen sollte. Das Interview hatte selbstverständlich keinen anderen Zweck, als die AfD von diesem Vorwurf freizusprechen. Siamak Bozcheloi, selbst Iraner, stellt im Video vor dem eigentlichen Interview klar, dass die AfD die einzige Partei sei, die seine Interessen vertrete. Demnach wolle er sich mit einer Vertreterin treffen. Dass Siamak schon lange vorher Kontakt zur AfD hatte, verschweigt er. Schon mindestens seit September 2021 besucht Siamak AfD-Stammtische und unterstützt Aktionen in Heidelberg und der Umgebung16https://twitter.com/MalteKaufmann/status/1433831735901446149/photo/1. Wenn es Gegendemonstrant*innen gibt, filmt und provoziert er diese oft. Als am 26. Januar 24 vor dem „Wahlkreisbüro“ der AfD in der Rudolf-Diesel-Straße 11 demonstriert wurde, trat Siamak als eine Art Türsteher für die AfD auf und bedrohte Gegendemonstrant*innen17https://www.instagram.com/reel/C2iTmYJokAT/?igsh=MWhmMmg4d251ZG13eA==. Im Juni 2023 war Siamak Bozcheloi eines der Gründungsmitglieder des AfD-Vereins „Mit Migrationshintergrund für Deutschland“18https://twitter.com/antifa_info_ks/status/1672171918315728897. Ein weiteres Gründungsmitglied war Ekaterina Gutner, die bereits den Verein „Juden in der AfD“ mitbegründet hatte und eine große Verehrerin von Björn Höcke ist. Auch Siamak scheint Höcke nicht abgeneigt zu sein, da er sich ihn im Abschlussstatement zu seinem Video mit Christina Baum als nächsten Gesprächspartner wünscht19https://www.youtube.com/watch?v=LxY8qgLPIv4. Vereine wie „Juden in der AfD“ oder „Mit Migrationshintergrund für Deutschland“ sollen das Image der AfD verbessern und ihr Wähler*innen aus genau den Gruppen bringen, gegen die die AfD täglich Stimmung macht. Gleichzeitig hoffen sie, dass unter der Betonung der diskriminierten oder marginalisierten Sprecher*innenposition dieselben rechten Argumente weniger Widerspruch erzeugen, da sie von Betroffenen kommen. Leider funktioniert das oft. Auch in der IDA finden solche Argumentationsmuster Anwendung, wie sich exemplarisch in der „Sprechstunde“ vom 14. Februar 202320https://www.youtube.com/watch?v=VEx6H5nAUqQ zeigt: Gunter Frank fordert Siamak Bozcheloi auf, die Rassismuserfahrungen seines bisherigen Lebens zu schildern. Man kann sich bereits denken, dass es nicht wirklich darum gehen wird, sich mit genau diesen Erfahrungen auseinanderzusetzen. Siamak erklärt, dass der Rassismus, den er in Deutschland erfahren habe, normal sei, wie in jeder Gesellschaft. Gunter Frank zieht salopp den Vergleich: „vor hundert Jahren hat man auf dem Dorffest, wenn man aus einem andern Dorf kam, einen Spruch abgekriegt“. Siamak nickt das ab, worauf Gunter Frank nachlegt, dass „Rassismus ja offensichtlich gar kein Alltagsproblem ist“. Auch das bejaht Siamak und kommt zu seinem eigentlichen Punkt: Viel schlimmer als Rassismus sei die Diskriminierung in der Corona-Zeit gewesen. Gunter Frank und Kay Klapproth nicken zufrieden, und alle drei sind sich einig: „Wir wissen, was es heißt, ausgegrenzt zu sein“. Rassismus wird hier als Lappalie zur Seite geschoben, um eine stärkere und allgemeinere Leidensgeschichte zu erzählen: die Ausgrenzung der Ungeimpften. Das Programm der IDA basiert maßgeblich auf diesem gemeinschaftlichen Narrativ und ist gleichzeitig offen für weitere rechte Themen, wie die Ankündigung zur Kandidatur zeigt.
„Ein bürgerlicher, liberaler Partner für die AfD“
Wenn eine Partei die Impf- und Maßnahmengegner*innen parlamentarisch vertritt, dann ist es die AfD. Die personelle und inhaltliche Schnittmenge und die Berührungspunkte von Maßnahmenkritiker*innen und rechten Politiker*innen sind absolut nichts Neues. Es kann deshalb nicht überraschen, wenn die IDA sich in ihrem Telegram-Kanal mehrfach mit der AfD solidarisiert und vor „linkem Terror“ warnt. Auch die Themensetzung für die Gemeinderatswahl, die aus dem Ankündigungsvideo hervorgeht, ist voll von Inhalten, die vor allem Rechte als politische Programmpunkte mitbringen: Neben der Corona-Aufarbeitung fallen Schlagworte wie „die Frühsexualisierung der Kinder“, der „Gender-Zirkus“ oder die „Rettung der Familie“ (21). Auch der Antikommunismus darf natürlich nicht fehlen, denn Gunter Frank kennt den wahren Ursprung der Grünen: „Die eigentlichen Kräfte, die das gegründet haben, waren Westkommunisten“.
Wenn die inhaltlichen und personellen Schnittmengen mit der AfD so groß und die Kontakte nach rechts so gut gepflegt sind – wieso überhaupt eigene Kandidat*innen ins Rennen schicken? Einen möglichen Erklärungsversuch liefert Gunter Frank selbst, wenn er sagt: „Die AfD kriegt zunehmend eine Machtoption. (…) Ich glaube schon, dass es der AfD sehr guttut, einen bürgerlichen, liberalen Partner zu haben“21https://www.youtube.com/watch?v=LxY8qgLPIv4. Die IDA hat keinerlei Probleme, wenn jemand die AfD wählt. Sie will lediglich eine weitere Wahloption darstellen, die inhaltlich einen noch engeren Fokus auf die Corona-Maßnahmen legt. Alle, die bisher gezögert haben, die AfD zu wählen, können mit der IDA ein inhaltlich ähnliches Programm unterstützen, ohne das Original mit seinem vielerorts schlechteren Image wählen zu müssen. Es steht außer Frage, dass die IDA im Falle ihres Einzugs in den Gemeinderat die Politik der AfD unterstützen würde.
Fazit
Die IDA ist mit der parlamentarischen Rechten, der AfD, bestens vernetzt und unterscheidet sich von ihr in der politischen Programmatik lediglich durch ihren stärkeren Fokus auf die Aufarbeitung der Corona-Pandemie. Die gemeinsamen Aktionen und die personellen Überschneidungen mit der AfD bedeuten für uns, dass wir sie als konkrete Unterstützer*innen einer im Kern faschistischen Partei betrachten müssen. Dass die IDA eigene Kandidat*innen zur Gemeinderatswahl aufstellt, ist insofern überraschend. Der Wahlkampf in Heidelberg wird daher weitere Aufschlüsse über ihr Verhältnis zur AfD geben.
- 1
- 2
- 3
- 4
- 5
- 6
- 7
- 8
- 9
- 10
- 11
- 12
- 13
- 14
- 15
- 16
- 17
- 18
- 19
- 20
- 21