5 Jahre Gedenken an Hanau

Im Gedenken an Ferhat Unvar, Hamza Kurtović, Said Nesar Hashemi, Vili Viorel Păun, Mercedes Kierpacz, Kaloyan Velkov, Fatih Saraçoğlu, Sedat Gürbüz und Gökhan Gültekin fanden auch dieses Jahr in vielen Städten am 19. Februar 2025 – dem 5. Jahrestag des rassistischen Terroranschlags Aktionen und Kundgebungen statt, denn: Hanau ist überall. Überall ist es wichtig, gemeinsam und entschlossen gegen Rassismus vorzugehen. Gerade in der aktuellen gesellschaftlichen Lage ist es wichtiger denn je an die Opfer von rechtem Terror zu gedenken. Hier einige Aktionen in Süddeutschland:

Landau

5 Jahre Hanau.
5 Jahre Trauer.
5 Jahre Gedenken.
5 Jahre Wut.

Heute vor fünf Jahren wurden in Hanau neun Menschen bei einem rassistischen Anschlag ermordet.
Seit diesem Tag kämpfen die Angehörigen um Aufklärung.
Um die Opfer nicht zu vergessen und ihnen würdig zu gedenken, veranstalteten wir eine Kundgebung, die von ca. 70 Personen besucht wurde.

In verschiedenen Redebeiträgen wurden der Tag und die tiefergreifenden Umstände, die zu dieser Tat führten, beleuchtet.

So ging es in unserem Redebeitrag um die Auswirkungen des staatlichen Rassismus, welcher sämtliche Ebenen deutscher Behörden durchzieht. Nicht nur am 19.02. bekommen Menschen, die keine deutsche Staatsbürgerschaft haben oder nicht weiß sind, diesen zu spüren.

Auch der Verein für Toleranz und Menschlichkeit (TOM) und die Linkspartei hielten starke Redebeiträge, in denen sie zum einen auf die steigenden Gefahren rechter Gewalt eingingen und aufriefen, eine aktive Gedenkkultur zu betreiben, bei denen wir nicht die Namen der Täter, sondern die Opfer, ihre Geschichten und ihre Leben in den Mittelpunkt stellen.

Die bewegendste Rede des Abends kam von der dritten Rednerin, in welcher sie über ihre eigenen Rassimuserfahrung berichtete und klarstellte: „Wir sind nicht die Bösen!“. Als Geflüchtete erzählte sie, wie sich viele für ihre Herkunft schämen, wenn in den Medien von einem Attentäter aus ihrem Heimatland die Rede ist. „Ich will nicht, dass sich meine Kinder schämen müssen.“ – Mit dieser Aussage wies sie noch einmal darauf hin, dass diese Scham durch den Rassismus in der Gesellschaft, welcher ihr immer wieder entgegen schlägt, ausgelöst wird. Sie wies zudem darauf hin, wie sehr die aktuelle Debatte in Schieflage geraten ist – nicht zufällig, sondern bewusst hervorgerufen von denjenigen, die es sich im Status Quo gemütlich gemacht haben und von ihm profitieren. Es stimmt, dass nahezu alle gesellschaftlich relevante Bereiche unterfinanziert sind, seien es Bildung, Soziales, Kultur oder Gesundheit. Aber das Geld fehlt nicht, es ist nur einfach ungerecht verteilt. Denn was der deutsche Staat für die Unterstützung von Geflüchteten ausgibt, ist ein Bruchteil von dem, was ihm jährlich durch Steuerhinterziehung entgeht. Ein staatliches Versagen, das auf den Rücken derjenigen ausgetragen wird, die es in dieser Gesellschaft am schwersten haben. Die vor deutschen Waffen geflüchtet sind, um Schutz für sich und ihre Familien zu suchen, nur um dann hier als Sündenbock herzuhalten. Die Spirale der rassistischen Hetze dreht sich weiter und wird befeuert durch die Parteien von AfD über CDU bis zu den Grünen. Es sind reale Menschen, reale Leben, die somit zum Spielball für parteipolitische Wahlkampftiraden werden und die reale Konsequenzen fürchten müssen. Das müssen wir uns vor Augen halten und dagegen müssen wir kämpfen.

Als letzten Redebeitrag ließen wir noch einmal die Initiative 19. Februar mit ihrer Rede aus dem Jahr 2024 zu Wort kommen lassen. In dieser schildern die Angehörigen ihre Trauer und auch ihre Wut auf das Versagen der Behörden und das im Stich gelassen werden mit all ihren Fragen.

Für die neun Opfer von Hanau kommen diese Worte leider zu spät. Wir dürfen sie jedoch nicht vergessen und müssen ihre Namen immer wieder in die Öffentlichkeit tragen.

Zum Schluss der Kundgebung gab es die Möglichkeit, sich spontan an der Schaffung einer Gedenkstätte zu beteiligen. Neben Bildern der in Hanau getöteten sammelten sich unter der Überschrift „Rassismus bekämpfen weil…“ etliche Karten mit vielen persönlichen und politischen Gründen, weshalb man diesen Kampf führen will, weshalb man in führen muss und weshalb sich dieser Kampf lohnt.

Wir danken allen, die heute mit uns Vili Viorel Păun, Sedat Gürbüz, Fatih Saraçoğlu, Ferhat Unvar, Gökhan Gültekin, Mercedes Kierpacz, Kaloyan Velkov, Hamza Kurtović, und Said Nesar Hashemi gedacht haben.

Nie wieder Hanau – Nie wieder Rassismus.


Tübingen

Wir erinnern an: Mercedes Kierpacz, Gökhan Gültekin, Sedat Gürbüz, Said Nesar Hashemi, Hamza Kurtović, Vili Viorel Păun, Fatih Saraçoğlu, Ferhat Unvar und Kaloyan Velkov.

Am 19.02. vor 5 Jahren ermordete ein Rassist neun Menschen in Hanau. Gemeinsam mit 350 Menschen haben wir am fünften Jahrestag unsere Trauer und unsere Wut in einer kämpferischen Demo und im Gedenken auf die Straßen von Tübingen getragen.

Aufgerufen haben wir als Bündnis aus dem Offenen Treffen gegen Faschismus und Rassismus für Tübingen und die Region (OTFR), der Antifaschistischen Aktion Tübingen und Gemeinsam Kämpfen Tübingen.

In einem gemeinsamen Redebeitag der organisierten antifaschistischen Bewegung in Tübingen (Antifaschistische Aktion Tübingen und OTFR) wurde die Mitverantwortung rassistischer Sicherheitsbehörden und der vollumfängliche Rechtsruck angesprochen, der sich aktuell durch die Gesellschaft zieht und die rechte Realpolitik von Ampel bis AfD kritisiert: „Mit Blick auf die Bundestagswahl am nächsten Wochenende sagen wir ganz klar: Nicht der Ganz zur Wahlurne ist antifaschistische Praxis! Antifaschismus, das heißt, die Ärmel hochzukrempeln und es selber zu machen! Das heißt, gemeinsam mit Betroffenen kontinuierlich gegen Rassismus zu kämpfen. Sich im Betrieb als Kolleg*innen zu organisieren und rechter Hetze zu widersprechen. Das heißt, Nazis zu bekämpfen, immer da, wo sie auftauchen. Mit allen Mitteln, auf allen Ebenen! 365 Tage im Jahr!“.

Der Redebeitrag von Gemeinsam Kämpfen Tübingen thematisiert die kollektive gesellschaftliche Verantwortung, sich rechtem Hass entgegen zu stellen und geht darauf ein, dass „menschenfeindliche Asylpolitik und rassistische Diskurse der Nährboden für rechtsextreme Gewalttaten sind.“.

Die Rede der Kurdischen Studierenden prangerte neben dem alltäglichen Antikurdischen Rassismus auch an, dass die Identität der ermordeten Kurd*innen unbeachtet bleibt und weist auf aktuelle rassistische Einreiseverbote an der deutsch-französischen Grenze hin.

In allen Reden wurde dazu aufgerufen, die Trauer in Wut und Widerstand zu wandeln, sich zu organisieren, zu solidarisieren und gemeinsam aktiv zu werden gegen Rassismus und Nazis.

Rassismus wurde als systemimmanent und als Instrument zur Spaltung von uns Lohnabhängigen im Kapitalismus benannt, es wurde die Kontinuität rassistischer Morde in der Bundesrepublik verdeutlicht und die Redebeiträge machten klar, dass die Cops in diesem Staat nicht nur keine Hilfe im Kampf gegen rechten Terror sind, sondern mitschuldig am Tod von neun Menschen in Hanau.

Gemeinsam sind wir dann vom Marktplatz in einer kämpferischen Demo über die Mühl- und Wilhelmstraße zur Abschlusskundgebung an der Neuen Aula gezogen. Dabei wurden wir mit Feuerwerk von der Österbergtreppe gegrüßt. Mit Parolen wie „Hanau war kein Einzelfall! – Widerstand überall!“ und „Nazis morden, der Staat macht mit – Der NSU war nicht zu dritt!“,++ beleuchteten Schildern und Doppelhaltern mit den Gesichtern der Ermordeten drauf haben wir unsere Wut auf die Straße getragen.

Auf der Abschlusskundgebung wurden Audioaufnahmen der Angehörigen abgespielt und kurze Passagen über die neun Menschen erzählt, die vor fünf Jahren in Hanau ermordet wurden. Wir haben gemeinsam getrauert, rote Nelken und Kerzen niedergelegt und die Namen der Ermordeten gerufen. Danach folgten kämpferische abschließende Worte, die nochmal betonten, dass man sich auf Staat, Justiz oder Cops nicht verlassen und migrantischen und antifaschistischen Selbstschutz selber machen muss: „Lasst uns gemeinsam für eine Welt ohne Ausbeutung, Unterdrückung und rechte Gewalt kämpfen. Schulter an Schulter – ob migrantisch oder nicht!“.

Dass in Hanau neun Menschen ermordet wurden, war kein Einzelfall. Rassismus hat System. Sie wurden wie viele andere Migrant*innen aus rassistischen Motiven ermordet.

Deshalb müssen wir Rassismus klar als das benennen, was er ist: kein bloßer Hass, sondern ein historisch gewachsener Unterdrückungsmechanismus, den wir konsequent bekämpfen müssen.

Heute wie vor fünf Jahren heißt es: Niemals vergessen! – Erinnern heißt gemeinsam kämpfen gegen Rassismus und die Politik der Rechten und Reichen!


Mannheim

Heute vor fünf Jahren, am 19. Februar 2020 erschoss ein Attentäter in Hanau neun Menschen. Das Motiv: Rassismus.

Es ist schlimm genug, dass es Personen gibt, die — Angeheizt und motiviert durch Rassistische Debatten und Stereotype — eine solche Tat ausführen. Die verblendet sind, denen das Auslöschen von Menschenleben nichts ausmacht.

Schlimm ist auch, was trotz aller Vertuschungsversuche im Rahmen der Untersuchungen aufgedeckt wurde: Überforderung und ein systematisches Versagen der Behörden. So gab es z.B. Versuche, den Notruf zu erreichen, der aber unterbesetzt und technisch so veraltet war, dass die Anrufe einfach nicht weitergeleitet worden sind. Das hat Menschenleben gekostet.

Schlimm ist auch, dass die Ermittlungen nur unter massivem Druck der Angehörigen überhaupt betrieben worden sind, nachdem der Täter tot aufgefunden worden ist. Bis heute ist ungeklärt, inwiefern eine polizeiliche, rassistisch motivierte Anordnung bestanden hat, den Fluchtweg an einem der Tatorte zu versperren, der die Getöteten vielleicht hätte retten können. Klagen der Angehörigen werden abgewiesen, nach mittlerweile fünf Jahren des Aussitzens droht Verjährung.

Schlimm ist auch, dass die Gemeinde, in der diese Menschen zu Hause waren, in der sie gelebt haben, die Hinterbliebenen und Überlebenden allein lässt. So wenig Wert messen Institutionen manchen Menschen zu, besonders wenn ihre Nachnamen nicht typisch deutsch klingen. Der Vater des Täters hingegen kann ungestört die Familien der Betroffenen terrorisieren. Die Behörden geben sich machtlos.

Wir müssen es uns nochmal mit aller Deutlichkeit vor Augen führen: Deutschland ist, wenn ein rechter Attentäter dein Kind, deine Mutter, deinen Partner erschießt. Deutschland ist, wenn du immer wieder Druck aufbauen musst, dass überhaupt ermittelt wird und Deutschland ist, wenn dir dann von denselben Behörden erzählt wird, dass sie leider nichts tun können, wenn der Vater des Mörders dich immer und immer wieder terrorisiert.

Wir stehen heute hier, weil wir die Erinnerung an die Getöteten aufrechterhalten, wo andere einen Schlussstrich ziehen wollen. Wir klagen den mangelnden Aufklärungswillen an. Wir stehen hier, weil wir nicht akzeptieren, welche unglaublichen Unterschiede gemacht werden zwischen Menschen. Wie sehr eine Tat verschwiegen wird und eine andere instrumentalisiert, weil es der eigenen Ideologie entspricht. Wo blieben die Forderungen nach Gesetzesverschärfungen und die x-Punkte-Pläne nach Hanau? Keine der bürgerlichen Parteien hat gehandelt.

So ist es wie in vielen anderen Bereichen uns überlassen, den fortgesetzten rassistischen Debatten und ihren Konsequenzen entgegenzutreten. Es ist uns überlassen mit den Betroffenen und deren Angehörigen solidarisch zu sein und entschieden dafür einzustehen, dass solche Taten sich nicht wiederholen.

Hanau und die vielen rechten Gewalttaten davor und danach zeigen uns: Wir können uns nicht auf diesen Staat verlassen und nicht auf seine Gesetze. Uns beschützt nicht seine Polizei und nicht seine Gerichte. Wir können uns nur auf uns selbst verlassen. Lasst uns also weiter Schulter an Schulter kämpfen: Für Aufklärung, für Gerechtigkeit, dafür, das Rechte und Rassist:innen sich nicht vernetzen und bewaffnen können – oder die Macht in diesem Land ergreifen.

Deshalb gilt:

Organisiert euch, tauscht Euch aus, lernt voneinander. Schließt Euch zusammen, behauptet Euch gegen diese Angriffe, bekämpft, was sie entstehen lässt und möglich macht, wehrt euch gegen den rassistischen Normalzustand in diesem Land. Erinnern heißt kämpfen!

Das bleibt – auch und erst recht 5 Jahre nach Hanau – unser aller Pflicht. Für: Gökhan Gültekin, Sedat Gürbüz, Said Nesar Hashemi, Mercedes Kierpacz, Hamza Kurtović, Vili Viorel Păun, Fatih Saraçoğlu, Ferhat Unvar und Kaloyan Velkov.

Kein Vergeben, kein Vergessen!