Vor 45 Jahren: faschistischer Mordanschlag in Hamburg-Billbrook

Vor 45 Jahren im August 1980 starben bei einem rassistischen Brandanschlag der sogenannten Deutschen Aktionsgruppen die vietnamesischen Geflüchteten Nguyễn Ngọc Châu und Đỗ Anh Lân. Der Anschlag ist ein Beleg für die Kontinuität von faschistischem Terror in Westdeutschland und verdeutlicht, dass das Gedenken an die Opfer eine drängende Aufgabe bleibt.

In der Nacht auf den 22. August 1980 beschmierten zwei Mitglieder der sogenannten Deutschen Aktionsgruppen – Sibylle Vorderbrügge und Raimund Hörnle – die damalige Geflüchtetenunterkunft in der Halskestraße in Hamburg-Billbrook mit einer rassistischen Parole. Anschließend warfen sie drei Brandsätze durch ein Fenster.

Durch das Feuer starben die beiden vietnamesischen Geflüchteten Nguyễn Ngọc Châu und Đỗ Anh Lân. Nachdem das Gebäude durch den Brand kaum beschädigt wurde, blieb es vorerst weiter im Betrieb und über die Jahre geriet die Tat und die beiden Opfer Nguyễn Ngọc Châu und Đỗ Anh Lân in Vergessenheit.

Erst 2014, nachdem durch die Selbstenttarnung des NSU faschistischer Terror wieder stärker ins Bewusstsein der Menschen trat, gründete sich eine Initiative, um ein würdiges Gedenken zu organisieren. 2024 folgt dann die Umbenennung eines Teiles der ehemaligen Halskestraße und seit 2020 erinnert ein Gedenkstein an den Mord. Ohne das erneute Erinnern und die zehnjährige Arbeit der Initiative, wäre diese Tat, einer der ersten Morde durch Faschist:innen in der BRD, in Vergessenheit geraten.

Die deutschen Aktionsgruppen

1971 gründete das damalige CDU-Mitglied Manfred Roeder die Bürgerinitiative gegen moralische und politische Anarchie, die im November 1971 in Deutsche Bürgerinitiative (DBI) umbenannt wurde. Weiterer zentraler Akteur in der DBI wurde Dr. Heinz Colditz, der 1940 Teil der NSDAP-Kinderorganisation „Jungvolk“ war und zu Kriegsende Hauptscharführer der Hitlerjugend wurde.

Zudem bestand enger Kontakt zu weiteren ehemaligen Faschist:innen und entsprechenden Kreisen.

Innerhalb der DBI fand in den Folgejahren eine weitere Etablierung statt. Gründer Manfred Roeder entzog sich 1978 einer sechsmonatigen Haftstrafe und knüpfte dabei unter anderem in den USA Kontakte zum Ku-Klux-Klan, der selbst für unzählige Morde verantwortlich ist und in dieser Zeit die faschistische Gewalt gegen die afroamerikanische Bevölkerung in den USA organisierte.

In der Zwischenzeit entstanden in diesem Dunstkreis die deutschen Aktionsgruppen, die seit 1980 mit mehreren Bombenanschlägen gegen eine Auseinandersetzung mit der NS-Geschichte in Erscheinung traten. Es folgte ein Bombenanschlag auf ein Flüchtlingssammellager in Zirndorf (Bayern) und ebenfalls ein Brandanschlag mit Molotowcocktails in Stuttgart am 7. August 1980, wobei bei den verschiedenen Anschlägen dutzende Menschen teils schwer verletzt wurden.

Der tödliche Anschlag in Hamburg-Billbrook stellt dann den Höhepunkt dieser Serie dar, bevor die Deutschen Aktionsgruppen durch diverse Festnahmen, unter anderem von Roeder und Colditz, im September 1980 auf dem Papier aufhörten zu existieren.

Faschistische Kontinuität

Mit der Deutschen Bürgerinitiative und den späteren Deutschen Aktionsgruppen besteht eine mehr oder weniger direkte Kontinuität vom historischen deutschen Faschismus bis zu faschistischen Gruppen der jüngeren Zeit.

Mehrere ihrer zentralen Persönlichkeiten, wie beispielsweise Heinz Coditz oder Manfred Roeder, haben eine persönliche Vergangenheit im historischen Faschismus. Nach seiner vorzeitigen Haftentlastung 1990 engagierte Roeder sich weiter in faschistischen Kreisen und hielt sogar Vorträge an der Führungsakademie der Bundeswehr in Hamburg. Später wurde er Kandidat der NPD.

Bei einer späteren Gerichtsverhandlung gegen Manfred Roeder 1996 in Erfurt sitzen die NSU-Mitglieder Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos sowie die (vermeintlichen) NSU-Unterstützer Ralf Wohlleben und André Kapke. 1999 soll der NSU sich dabei auch um Kontakt zu Roeder wegen dessen guter Auslandsverbindungen bemüht haben.


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