Warum wir das für falsch halten und unsere Kritik an „Widersetzen“
Seit den Correctiv-Enthüllungen haben sich zwar keine dauerhaften Massenproteste gegen die AfD gehalten, doch die Empörung lässt sich zumindest zeitweise wiederbeleben – etwa rund um die AfD-Parteitage in Essen oder Riesa. Beliebt sind dabei möglichst breite Bündnisproteste, bei denen politische Unterschiede zugunsten des „gemeinsamen Feindes“ zurückgestellt werden.
Wir begrüßen es, wenn Tausende gegen die AfD demonstrieren und wollen uns dem nicht entziehen. Dennoch halten wir das „taktische Schmieden möglichst breiter Bündnisse“ in der aktuellen Lage nicht für den richtigen Ansatz.
Die Klasse im Mittelpunkt
Zur Verhinderung faschistischer Macht-übernahme erklärt Dimitroff:
Das Erste, was gemacht werden muss, womit man beginnen muss, ist die Schaffung der Einheitsfront, die Herstellung der Aktions-einheit der Arbeiter (…). Die Aktionseinheit des Proletariats im nationalen und internationalem Maßstab ist die mächtigste Waffe, die die Arbeiterklasse nicht nur zur erfolgreichen Verteidigung sondern auch zur erfolgreichen Gegenoffensive gegen den Faschismus, gegen den Klassenfeind fähig macht.1In: Georgi Dimitroff, Arbeiterklasse gegen Faschismus, Kap. 2: Die Einheitsfront der Arbeiterklasse gegen den Faschismus
Heißt: Nur wenn wir lernen, die Arbeiter:innenklasse gegen Faschismus zu organisieren, können wir ihn verhindern.
Einheitsfront – kein Weg führt dran vorbei!
Davon sind wir gefühlt (und faktisch) weit entfernt, schon klar. In Zeiten, in denen rund 40% der wählenden Arbeiter:innen die AfD wählen würden, gibt es sicher einfachere Aufgaben.
Unser Fokus als klassenbewusste Antifas ist und bleibt trotzdem die Arbeiter:innenklasse. Dimitroff lehrt uns, dass Einheitsfront nicht Antifa-Gruppe XY mit Linkspartei und Jusos bedeutet, sondern kommunistische und sozialdemokratische Arbeiter:innen in Aktionseinheit vereint.
Wollen wir diese Strategie auf “später” verschieben und rein “taktisch” andere Schritte gehen, haben wir ein Problem…
Grund I: Es funktioniert nicht mehr
Leider müssen wir als antifaschistische Bewegung ehrlich sein: Blockaden werden das weitere Erstarken der AfD nicht verhindern. Die großen Mobilisierungen rund um Essen und Riesa konnten auch die AfD-Parteitage nicht verhindern, nur ihren Beginn verzögern. Der bürgerliche Staat ermöglicht durch zunehmende Repression gegen unsere Proteste und weitere Abschottung, dass solche Parteitage trotzdem stattfinden.
Auch die Neugründung der AfD-Jugendorganisation wird sich so kaum dauerhaft verhindern lassen. Zudem verschieben sich die Mehrheitsverhältnisse zunehmend zugunsten der Gegenseite – bei kleineren lokalen Protesten ist das teilweise schon passiert.
Grund II: Falsche Taktik blockiert richtige Strategie
Vor allem, weil wir auf der Straße die AfD faktisch nicht einschränken, ist es umso wichtiger, folgende Frage als Richtschnur für unser Handeln zu stellen: Wie kommt das, was wir tun, bei unserer Klasse an?
Achtung: Im Folgenden unterscheiden wir zwischen drei vereinfachten Kategorien. Diese Einteilung ist weder vollständig noch trennscharf; Überschneidungen sind selbstverständlich. Für unseren Zweck und zur Anregung der Debatte halten wir diese Darstellung jedoch für anschaulich.
A) AfD-Wähler:innen & Sympathisierende
B) Die Unentschiedenen
C) Die nicht allzu weit von uns weg sind
A) AfD-Wähler:innen & Sympathisierende
Man könnte denken, diese Gruppe sei zu vernachlässigen, doch sie ist inzwischen zu groß, um sie zu ignorieren. Ein Teil ist gefestigt rechtsradikal, die meisten jedoch nicht. Viele von ihnen sind auf die Erzählungen der AfD hereingefallen, weil sie ihre realen Sorgen – Zukunftsängste durch Krieg, Verlagerungen und drohende Jobverluste, Wohnungsnot, ein kaputtgespartes Sozialsystem – auf Sündenböcke umlenkt. Die AfD erscheint ihnen so als vermeintliche Alternative. Zugleich sehen sie uns – zugespitzt – als diejenigen, die bei Blockaden Schulter an Schulter mit genau den Parteien und Gruppen stehen, von denen sie sich enttäuscht und verraten fühlen oder die sie für die aktuellen Missstände verantwortlich machen.
B) Die Unentschiedenen
Machen sicher einen großen Teil der Arbeiter:innenklasse aus und sind oft wenig politisiert. Wir werden sie nicht überzeugen, womöglich sogar verlieren, wenn wir das Agitieren innerhalb unserer Klasse weiterhin den Rechten überlassen.
Ebenso wenig erreichen wir sie, wenn wir die Kritik an der AfD auf moralische Kategorien reduzieren, so wie es etwa „widersetzen“ macht – also auf das Bild von „Antidemokrat:innen, die unsere Freiheit und Gleichheit abschaffen wollen“. Viele der Unentschiedenen spüren, auch wenn sie es nicht bewusst einordnen können und ihnen eine Perspektive fehlt: Der Kapitalismus ist kein freies und gleiches System, und der Status quo ist nicht erhaltenswert.
C) Die nicht allzu weit von uns weg sind
Es gibt sie durchaus: Arbeiter:innen, die Nazis ablehnen, das ein oder andere Fünkchen Klassenbewusstsein in sich tragen oder vielleicht sogar gegen die AfD demonstrieren.
Bei ihnen stellt sich jedoch ein anderes Problem: Machen wir uns zu sehr mit reformistischen Parteien gemein, tragen wir letztlich dazu bei, Illusionen in der Arbeiter:innenklasse zu schüren, dass der kapitalistische Staat durch Reformen veränderbar sei. Stattdessen müssen wir unsere Differenzen zu ihnen offenlegen. Um Faschismus nachhaltig zu bekämpfen, müssen wir auf eine revolutionäre Veränderung der Eigentums- und Produktionsverhältnisse setzen – nicht auf sozialdemokratische Reformen, egal ob sie von der Linkspartei oder den Jusos gefordert werden.
Also: was tun?
Die Kosten breiter Bündnisse sind für uns als klassenbewusste Antifas potentiell hoch. Der Weg mag lang sein, aber wir müssen schon jetzt daran arbeiten, die Aktionseinheit der Arbeiter:innen herzustellen. Ausgangspunkt für unsere Politik, für taktische und strategische Entscheidungen, ist unsere Klasse – nicht die Interessen anderer linker Akteur:innen.
Es geht nicht darum, einzelne Beteiligungen an widersetzen-Anreisen pauschal zu verteufeln. Wir dürfen uns jedoch nicht von „widersetzen“ und ähnlichen Strukturen vereinnahmen lassen, nur um später womöglich Distanzierung zu erfahren, weil unsere klassenkämpferische Perspektive oder konsequente Praxis stört.
Wir müssen die Themen unserer Klasse in den Mittelpunkt stellen – klar mit antikapitalistischer Perspektive verknüpft. Gegen die Kriegstreiberei der Herrschenden, gegen horrende Mieten, Lohndrückerei, Verlagerungen und Angriffe des Kapitals auf uns – für ein besseres System! Und nicht für bessere Wahlergebnisse von SPD, Grünen oder Linkspartei.
In Gießen werden wir diese Themen auf Transparenten und in Parolen sichtbar machen – und freuen uns über alle, die dasselbe tun.
Auf kämpferische, antikapitalistische Proteste!
Du willst am 29.11. mit uns nach giessen fahren?
Infos zu unser Auto-Anreise gibt es beim OAT in Waiblingen am 18.11. oder Du schreibst uns einfach eine Instagram-Nachricht!
- 1In: Georgi Dimitroff, Arbeiterklasse gegen Faschismus, Kap. 2: Die Einheitsfront der Arbeiterklasse gegen den Faschismus












