Für Clément – Lasst uns weiter kämpfen

Antifaschistische Demonstration im Gedenken an Clément Méric

Am 5. Juni 2013, vor bald elf Jahren, wurde der damals 18-jährige1Geboren am 30. November 1994 Clément Méric in Paris bei einer körperlichen Auseinandersetzung mit Faschist:innen von diesen getötet. Nach einer spontanen Begegnung und einer verbalen Auseinandersetzung zwischen Aktivist:innen der „Action Antifasciste Paris-Banlieue“ (Antifaschistische Aktion, Pariser Vororte) und Faschist:innen der „Jungen Revolutionären Nationalisten“, hatten die Faschist:innen Verstärkung gerufen. Diesem Ruf folgte unter anderem der Faschist, der Clément mit einem Schlagring tötete. Seither ist Clément in Frankreich ein Symbol des militanten Antifaschismus und sein Todestag Erinnerung daran, dass Faschismus tötet – nicht erst an der Macht, sondern auch als Bewegung.

Aufruf von Antifa Paris-Banlieue

Bald ist es elf Jahre her, dass unser Genosse Clément Méric in Paris von militanten Neonazis ermordet wurde. Zu diesem Zeitpunkt war die Situation trotz einiger Versuche, sie zu verschleiern, bereits klar. Junge Neonazis töteten einen 19-jährigen Mann für das, was er war: Ein antifaschistischer Aktivist. Dies wurde durch den Prozess bestätigt. Damals waren die Regierungs-Linken und sogar Teile der Mitte und der Rechten bewegt, solidarisierten sich und integrierten seine Ermordung in ihre große Erzählung: Die Erzählung, die Republik sei ein antifaschistisches Bollwerk. Diese Erzählung macht den Faschismus zu einem Phänomen, das schlicht und einfach auf die organisierte extreme Rechte beschränkt ist und außerhalb des Staates und der Bourgeoisie steht. So versuchen sie, den Tod unseres Genossen wiedergutzumachen.

Seit elf Jahren sind es dieselben Leute, die rechtsextreme Gruppen verbieten, aber gleichzeitig auch Kollektive verbieten, die gegen Islamophobie kämpfen. Dieselben Leute, die behaupten, das letzte demokratische Bollwerk gegen den Rassemblement National2extrem rechte französische Partei zu verkörpern, während sie der republikanischen Polizei eine Lizenz zum Töten junger Schwarzer und Araber geben. Dieselben Leute, die sich selbst als antirassistisch bezeichnen und das Massaker an Migrant*innen im Mittelmeer organisieren. Dieselben, die die französische Armee in Afrika oder in Neukaledonien intervenieren lassen, ohne müde zu werden, „die Extreme“ anzuprangern. Um die Wahrheit zu sagen, der Wurm steckt in der Frucht. Man bedenke den 8. Mai 1945. Der Tag des Waffenstillstands und des endgültigen Sieges gegen den Nationalsozialismus war auch der Tag der Massaker von Sétif, Guelma und Kherrata, bei denen in Algerien bei antikolonialen Demonstrationen zehntausende Menschen ums Leben kamen.3Am 8. Mai 1945 erhoben sich in Sétif in Algerien tausende für ihre nationale Unabhängigkeit. Bei der Demonstration schossen Polizist:innen auf Demonstrant:innen, was mit Übergriffen auf französische Siedler:innen beantwortet wurde, bei denen es 102 Todesopfer gab. Bei der darauf folgenden Repressionswelle in Sétif, Guelma und Kherrata wurden im Verlauf des Mai laut algerischen Angaben mindestens 45.000 algerische Muslim:innen getötet. Von Anfang an diente das Narrativ des republikanischen Antifaschismus dazu, eine viel düsterere Realität zu verschleiern: Das Fortbestehen des französischen Faschismus, der mit Kriegen gegen aufbegehrende Kolonien und Antikommunismus einherging.

Die extreme Rechte, die als eine absolut außerhalb des akzeptablen politischen Spiels stehende Kraft bezeichnet wird, spielt in Wirklichkeit eine doppelte Rolle: Ihr Aufstieg rechtfertigt  als Lieferant faschistischer Ideen auch die Umsetzung rassistischer und freiheitsmörderischer Maßnahmen. Indem er der extremen Rechten den roten Teppich ausrollte und sich ständig von ihr distanzierte, trug der moralische Antifaschismus des herrschenden Blocks gleichzeitig dazu bei, den Fortschritt faschistischer Ideen zu sichern und ihnen dabei einen subversiven Anstrich zu geben. Die Wahlerfolge der extremen Rechten, die daraus folgen, geben den verschiedenen Regierungen daher die beste Ausrede, ganze Abschnitte des Programms der extremen Rechten umzusetzen. Der Völkermord in Gaza signalisiert zweifellos den politischen und moralischen Bankrott der Fabel vom republikanischen Antifaschismus. Im Namen des Kampfes gegen Antisemitismus ermöglicht der Westen die Bombardierung von Gaza, indem er den zionistischen Staat logistisch, materiell und moralisch unterstützt.

Der republikanische Antifaschismus funktioniert in diesem Zusammenhang als große Verwirrungsmaschine. Verteidiger der israelischen Vorherrschaft überhäufen ihre Kritiker mit Antisemitismusvorwürfen. Die Befürworter des Imperialismus verdächtigen ihre Gegner, dass sie alle Arten von reaktionären Regimen unterstützen. Und es gibt immer Narren in unserem Lager, die solchen Anschuldigungen einen revolutionären Anstrich geben, indem sie in böser Absicht völlig klare Positionen manipulieren oder so tun, als hätte eine reaktionäre Unterstellung, die von jeder Realität isoliert ist, das gleiche Gewicht wie eine staatliche Politik oder ein paar Tonnen Bomben und als verdiene diese Unterstellung ebenso viel Beachtung. In einer Zeit, in der der Staat Vorladungen im Namen der Terror-Bekämpfung regnen lässt, ist es notwendiger denn je, sich zu weigern, aus einem militanten Umfeld heraus zu Hilfssheriffs zu werden.

Dies ist eine inoffizielle Übersetzung des Originaltextes. Wir versuchen auch sprachlich möglichst nah am Inhalt des Originals zu bleiben. Deshalb ist der Text auch auf die gleiche Art gegendert wie im Original.

  • 1
    Geboren am 30. November 1994
  • 2
    extrem rechte französische Partei
  • 3
    Am 8. Mai 1945 erhoben sich in Sétif in Algerien tausende für ihre nationale Unabhängigkeit. Bei der Demonstration schossen Polizist:innen auf Demonstrant:innen, was mit Übergriffen auf französische Siedler:innen beantwortet wurde, bei denen es 102 Todesopfer gab. Bei der darauf folgenden Repressionswelle in Sétif, Guelma und Kherrata wurden im Verlauf des Mai laut algerischen Angaben mindestens 45.000 algerische Muslim:innen getötet.