Erste Prozessbegleitung im Rahmen der Kampagne „Widerständig bleiben!“

Heute stand ein Genosse vorm Amtsgericht Durlach wegen dem Vorwurf „Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte“. Diese „Tat“ soll er, wie viele weitere Angeklagte, am 09.09.2021 begangen haben, als die AfD eine Saalveranstaltung mit Beatrice von Storch abhielt und dafür antifaschistischen Gegenwind erfahren hat. Heute war der erste Prozess von vielen weiteren folgenden und schon jetzt zeichnet sich mal wieder deutlich ab, wie deutsche Gerichte Strafverfahren gegen Linke führen.

Der Prozess begann mit der Verlesung der Anklageschrift in dem dem Genossen zur Last gelegt wurde für einen kurzen Zeitraum an dem „Räum- und Abdrängstock“ einer Polizisten gezogen zu haben, den er nach einem Tritt von ihr gegen sein Knie wieder los gelassen haben soll. Dafür wurden im Strafbefehl 90 Tagessätze a 40 Euro gefordert. 3660 Euro also plus Prozess- und Anwaltskosten und eine Vorstrafe für das kurzzeitige ziehen an einem Stock.

Nach dem Verlesen der Anklageschrift las der Genosse eine politische Prozesserklärung vor, für die er sich zu seinen ca. 10 Genoss:innen im Gerichtssaal wendete. Diese könnt ihr am Ende des Berichts nachlesen.

Protokoll gemäß wollte der Richter dann eigentlich mit der Beweisaufnahme beginnen. Da die Digitalisierung in den deutschen Gerichten aber offensichtlich noch nicht so weit fortgeschritten ist, konnte die CD mit den Beweismitteln nicht abgespielt werden und der Richter musste die Verhandlung für einen kurzen Zeitraum unterbrechen um seinen Laptop zu holen.

Nachdem das Video dann doch irgendwann abgespielt werden konnte sagte die Polizeibeamtin aus, die den besagten „Räum- und Abdrängstock“ gehalten hat. Außer der Tatsache dass sich der Richter und sie nicht ganz einig werden konnten wie sie den Stock gehalten hat, konnte sie nichts relevantes zum Prozess beitragen.

Als nächste und letzte Zeugin sagte Karin Henky aus, die durch ihre Tätigkeit beim Staatsschutz allseits bekannt ist. Außer der Aussage, dass sie den Genossen anhand des Videomaterials und „persönlicher Kenntnisse“ identifiziert habe, hatte auch sie nichts relevantes zu sagen.

Zur Identifikation des Genossen tat auch der Staatsanwaltschaft seinen Teil in dem er meinte den Genossen anhand seiner schwarzen Casio Uhr, welche zu dem Zeitpunkt auch fast alle anderen Genoss:innen im Gerichtssaal trugen, identifizieren zu können.

Im Plädoyer der Staatsanwaltschaft kam dann sehr deutlich heraus, in welchem Verhältnis der Staat zu uns als Antifaschist:innen steht. Anhand der politischen Prozesserklärung machte er fest, dass der Genosse dem Staat offensichtlich feindlich gegenüber steht und auch eine Geldstrafe an seiner ideologischen Gesinnung nichts ändern werde. Deshalb forderte er sechs Monate Haft auf drei Jahre Bewährung, damit er wenigstens in der Zeit kürzer Tritt um nicht im Knast zu landen.Im Urteil wurden es letztendlich dann zwar „nur“ 100 Tagessätze a zehn Euro weil er Richter meinte, man müsse erst mal probieren, ob nicht auch eine Geldstrafe zu einer „Besserung des Verhaltens“ beitragen würde – die Absicht dahinter bleibt jedoch die Selbe.Der Staat will uns durch Repressionen einschüchtern und uns als Einzelpersonen und als Bewegung brechen und handlungsunfähig machen. Umso wichtiger ist es, dass das keinen Erfolg hat. In Zeiten in denen Rechte wieder in fast allen Parlamenten sitzen, überall in der BRD rassistische Übergriffe auf der Tagesordnung stehen und Bullen Menschen ermorden dürfen wir unsere Aktionsformen nicht nach den Kriterien der Legalität auswählen, sondern nach der Notwendigkeit. Und daran werden Repressionen nichts ändern.Umso wichtiger ist, dass wir einen solidarischen Umgang mit Repressionen haben und die Folgen dessen als Bewegung zusammen tragen. Deswegen stehen wir auch solidarisch vor Gericht und lassen keine:n unserer Genoss:innen alleine. Und auch wenn Geld natürlich nur ein Faktor ist, sind Repressionen trotzdem teuer. Deswegen ist ein Teil unserer Solidaritätsarbeit im Rahmen der „Widerständig bleiben“ Kampagne Spenden für die anfallenden Prozess- und Anwaltskosten zu sammeln.

Wir lassen uns nicht unterkriegen. Antifaschismus bleibt legitim und notwendig!

Prozesserklärung:

Liebe Genoss:innen,vor knapp 9 Monaten hat die AfD hier in Durlach eine Veranstaltung unter dem Motto „Deutschland – aber normal“ durchgeführt – der Titel ihrer Kampagne zur Bundestagswahl und zur Corona-Pandemie. Schon der Titel verrät ihr falsches Verständnis, beziehungsweise ihre bewusste demagogische Verdrehung der Situation: Sie sprechen von einen „normalen“ Deutschland, als gäbe es einen stabilen, angenehmen Zustand, zu dem man zurückkehren könne. Sie übersehen, oder verleugnen, die Verschärfung der Kapitalistischen Krise. Corona war nicht nur eine Pandemie, nicht nur ein unliebsames Naturereignis, das irgendwann vorbei geht, oder auf das man so oder so reagieren kann. Corona war gleichzeitig Ausrede und Katalysator für eine globale Wirtschaftskrise, die sich als Überproduktionskrise längst angebahnt hat.

Genauso wenig fallen Klimakrise, Krieg und Inflation und allgemeine Teuerung vom Himmel. Der Kapitalismus kann nicht anders als die Zustände zu verschärfen. Sei es durch die Konkurrenz oder „umgekehrt“ durch die Monopolbildung.Und auch in der Krise der allgemeinen Teuerung, bietet die AfD wieder einfache Scheinlösungen aus verkürzter Analyse: Steuern auf Benzin senken oder gleich abschaffen, Klima-Politik stoppen, Mehrwertsteuer auf Lebensmittel aussetzen. Versprechungen, die zum einen unrealistisch sind, vor allem aber die Profiteur:innen nicht in die Verantwortung ziehen – die hätten nach kurzfristiger Entlastung der Konsument:innen aus dem verschlankten Staat nur wieder neuen Spielraum für höhere Gewinnmargen.

Genau das sehen wir jetzt beim „Sprit-Rabatt“, der von der liberalen und eben auch Marktliberalen Bundesregierung durchgesetzt wurde, den die Mineralölindustrie offenbar nutzt um die Preise vor dem Rabatt zu erhöhen und die Differenz für sich selbst einzustreichen.

Das entspricht genau der Logik der Forderungen die auch die AfD hat, und es zeigt dass diese systemkonformen Forderungen nicht funktionieren – trotzdem kritisiert auch die AfD das, als wüsste sie es besser.

Aber die AfD ist nicht nur „genau so schlimm“ wie der Status Quo, sie ist nicht nur Establishment, getarnt als Alternative.

Die AfD greift auch die schon bestehenden Errungenschaften fortschrittlicher Bewegungen an. Sie wirbt zum Beispiel mit „flexibleren Regelungen von Arbeitsverhältnissen zum Schutz von Arbeitsplätzen“. Das schützt aber nicht die Lohnabhängigen, die nicht flexible sondern sichere Arbeit brauchen, sondern die Arbeitgeber:innen, die ganz flexibel die billigste Arbeitskraft auf den flexiblen Arbeitsplatz setzen können. Der Arbeitsplatz ist geschützt – denn wo man schnell feuern kann stellt man eher jemanden an – die Angestellten aber leben gefährlicher.

Und damit der Schwindel nicht auffällt, hetzt man diese Lohnabhängigen gegen einander auf. Mit Rassismus wird gesagt „die Ausländer sollen den Platz nicht haben“, mit Sexismus wird gesagt „die Frau soll zuhause bleiben anstatt mit um den umstrittenen Platz zu streiten“, mit Klassismus wird gesagt „wer den Platz nicht gekriegt hat soll nicht aufmüpfig werden sondern ist selbst schuld, wer schlecht bezahlt wird hätte ja in der Schule besser aufpassen können“.

Und das ist ja nur ein Beispiel von vielen.

Gerade in Krisen wie dieser, in denen allen die Verrottung des überholten Systems auffallen könnte, schützt die AfD die Schuldigen und lenkt von wahren Ursachen ab. Ihre verkürzte Regierungskritik wirkt zwar rebellisch, aber sie ist geheuchelt. Sie ignoriert nicht nur, sondern versteckt aktiv das große ganze.

Die AfD ist eben nicht Systemfeindlich oder Staatsfeindlich. Sie will den Staat nur Autoritärer zum Nachteil der meisten von uns umgestalten – das aber nicht zum Nachteil des Staates an sich, seiner Exekutive und seiner Justiz. Unsere Kritik geht gegen den Staat als gesamtes, den Bürgerlichen Staat, der eben nur die Bürgerliche Kapitalist:innenklasse vertritt; gegen seine Klassenjustiz; gegen seine gewalttätige und mörderische Polizei; gegen die liberale Rechtsauffassung von „egal ob obdachlos oder gleich drei Villen – niemand darf auf einer Parkbank schlafen“; gegen den Kapitalismus, der von eben diesem Staat geschützt und vertreten wird, der ohne solch einen Staat nicht bestehen kann, der sich zur Not auch mit reaktionären Parteien wie der AfD oder gleich mit dem Faschismus gegen den Fortschritt zur Wehr setzt.

Widerstand gegen die AfD, Widerstand gegen die faschistische gefahr, Widerstand gegen den autoritären Umbau des bürgerlichen Staates, Widerstand gegen diesen Staat selbst und Widerstand gegen die kapitalistische Klasse welche sich hinter diesem Staat versteckt und von der Demagogie der AfD und den Krisen auf unserem Rücken profitiert, dieser Widerstand hängt direkt zusammen und ist die einzige Alternative die wir haben. Nicht nur die einzige Alternative zum Fortbestand der Verhältnisse, sondern die einzige Alternative zur stetigen Verschärfung unserer Ausbeutung, die einzige Alternative zur voranschreitenden Verelendung der überwältigenden Mehrheit nicht nur der Menschen in Deutschland, sondern der Menschheit.Dieser Widerstand ist nicht nur unsere eigene einzige Perspektive, er ist unsere Verantwortung vor der Geschichte, die voran schreiten muss anstatt sich zu wiederholen, vor unserer Bewegung deren Opfer und Entbehrungen nicht umsonst gewesen sein dürfen, und vor der überwältigenden Mehrheit der Menschheit, für die und mit der wir diese fortschrittlichen Kämpfe führen.

Solidarität heißt Widerstand.

Unabhängig davon welche Rechtfertigungen vorgebracht werden weswegen die Reaktion uns und mich hier im besonderen so wörtlich wie metaphorisch anscheinend mit Füßen treten „darf“: Wenn mir der oben beschriebene Widerstand vorgeworfen wird, wird mir vorgeworfen meine Pflicht erfüllt zu haben.

 

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