Widerständig bleiben – Prozessbericht vom 15.12.2022

Diese Woche fand die vorerst letzte Verhandlung bezüglich der AfD-Veranstaltung in Karlsruhe-Durlach vor dem dortigen Amtsgericht statt. Der Angeklagte wurde beschuldigt aus dem hinteren Bereich der Demonstration Polizeibeamte mit einer Plastikflasche beworfen zu haben und anschließend im vorderen Bereich selbige mit einer Fahnenstange zu stupsen und zu schlagen. Dieser Gerichtsverhandlung ging diesen Sommer schon eine Hausdurchsuchung voraus.

Wie gewohnt stellte sich die Exekutive vor Gericht als Opfer dar. Opfer, welche regelmäßig Demonstranten mit Stöcken verprügeln. Opfer, welche literweise Pfefferspray in Menschenmassen sprühen ohne Rücksicht was mit ihnen passieren könnte. Opfer, die verantwortlich für zahlreiche Morde sind und mit Sicherheit noch weiter morden werden. Opfer, bei denen nicht die Frage ist, ob sondern nur, wann die nächste rassistische Chatgruppe öffentlich wird.

Sich in dieser Weise zu inszenieren, als Schützer der guten Ordnung, Freund und Helfer, welcher immer nur von Gewalt betroffen ist, verhöhnt alle wirklichen Opfer, welche von Polizeigewalt betroffen sind.

Wen die sogenannte Ordnung schützt, ist auch allen klar:

Die Polizei schützt das ausbeuterische kapitalistische System, sie schützt Rassisten wie die AfD und vor allem schützt sie sich selbst.

Wer sich gegen dieses System wehrt, sich gegen Rassismus wehrt und sich gegen Polizeigewalt wehrt wird zum Feind. Antifaschist*in zu sein bedeutet für den Herrn Staatsanwalt in Durlach Mitglied einer „Vereinigung zur Begehung von Straftaten“ zu sein. Der Einsatz für eine lebenswerte Zukunft für alle wird kriminalisiert während Rechte sich bewaffnen und sogenannte Reichsbürger tun und lassen können was sie wollen.

Während der Verhandlung schienen die Karten jedoch von vornherein verteilt gewesen zu sein

Unter Fadenscheiniger Auslegung der Motive des Angeklagten und einer völlig realitätsfernen zusätzlichen Geldstrafe als Forderung des Staatsanwaltes wurde der Genosse dann zu vom Richter zu einer Bewährungsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten Haft verurteilt

Hier noch die sinngemäße Prozesserklärung des Angeklagten:

Genoss:innen, Freunde und Kollegen.

Ich will heute zunächst etwas darüber erzählen, warum ich mich überhaupt gegen die AFD und gegen Aufmärsche von Neo-Nazis engagiere.

Zum Ersten:

Entscheidend in meiner politisierungs-Zeit vor Jahrzehnten war die Teilnahme am Leben meines Onkels Gerrit. Er war hirnorganisch beeinträchtigt (seine Entwicklung hörte ab dem Alter eines 6-Jahrigen auf). Er wuchs in der Zeit während des 2.Weltkrieges bei meinen Großeltern auf.

Mehr als ein dutzend Mal bekam meine Großmutter Besuch von “Gemeindeschwestern”, sogenannte „braune Schwestern”, die alle darauf drängten, dass er doch in „ein Heim“ kommen sollte.

Meine Großmutter, eher christlich-konservativ geprägt, hatte damals schon etwas vom sogenannten „Gnadentod“ für körperlich und geistig beeinträchtigte Menschen gehört und den Begriff Euthanasie war ihr bekannt. All das machte sie misstrauisch

Vor allem aus Liebe wollte sie ihr Kind, meinen Onkel, damals nicht weggeben und rette ihm damit das Leben. Ohne das Eingreifen meiner Großmutter wäre er getötet worden.

Später erzählte sie mir auch, dass mein Onkel immer Angst gehabt hat, alleine zu bleiben.

Mein Onkel muss wohl eher intuitiv etwas geahnt haben.

Ihre Verfolgung nannten die Nazis damals den „Gnadentod” Dieser sogenannten Euthanasie fielen bis zur Befreiung von der Nazi-Herrschaft über 200.000 Menschen zum Opfer.

Zum Zweiten:

Mich und viele andere haben die Mordanschläge Anfang der 1990er Jahre auf von Migrant:innen bewohnten Häuser geprägt.

Verbrechen, begangen von Faschisten.

Die Bilder der ausgebrannten Häuser in Malin und Solingen 1992 und 1993 und die Tatsache, dass dies damals von Politik und weiten Teilen dieser deutschen Gesellschaft verharmlost wurde, macht mich auch heute noch fassungslos.

„BIZI YAKIYORLAR‘

-das ist türkisch und heißt: „Sie verbrennen uns” Dieser Satz wurde damals oft von Migrant:innen und Geflüchteten gesprochen. Die Botschaft der Brandanschläge und Morde war eindeutig: „Ihr gehört hier nicht her, es kann jeden von euch treffen“

Damals wurde ich von einem zurückhaltenden Anti-Rassisten zu einem konsequent handelnden Antifaschisten.

Was soviel heißt wie, mein Denken und Handeln so einzurichten, dass sich Brandanschläge und Morde nicht wiederholen. Also kein Fußbreit den Rassisten, kein Fußbreit den Faschisten!

Nun bin zwar heute nur ich angeklagt, wegen einer “angeblich besonders schweren tätlichen Angriffs auf Polizisten, aber für mich gilt: Angeklagt bin ich, gemeint sind wir alle! Wie auch immer dieser Prozess ausgeht, wir machen natürlich weiter! Wo auch immer sich alte und neue Nazis zusammenrotten, wo auch immer sie sind, sind auch wir da!

Keine Frage: Kampfansage!

Wir werden auch in Zukunft: Protestieren, Demonstrieren und ganz gewiss auch Blockieren!

Auch in Zukunft gilt: Antifa ist notwendig, bleibt notwendig! Ganz im Sinne von Rosa Luxemburg: Wir waren, wir sind, wir werden sein!

Daher: Empört euch! Erinnert und engagiert euch! Organisiert euch!

Allahopp Antifa