Einige Zeit ist vergangen seit dem „AfD“-Landesparteitag in Offenburg 2023. Zeit, in der die Proteste medial von verschiedenen Seiten beleuchtet und heiß diskutiert wurden. Auch wir, die Antifaschistische Aktion Süd, die Gruppe Gemeinsam Kämpfen – Kommunistische Gruppe Freiburg (ehemals Antifaschistische Linke Freiburg) und Solidarity Ortenau – haben die Zeit genutzt, die Proteste intern zu diskutieren und nachzubereiten. Wir wollen uns dabei nicht lange mit einer detaillierten Erzählung des Tages aufhalten. Vielmehr wollen wir aus Perspektive der lokalen und überregionalen Strukturen, die an der Organisation der Proteste beteiligt waren, eine gemeinsame politische Bewertung ziehen und Erkenntnisse für die antifaschistische Bewegung festhalten und weitergeben.
Ausgangslage
Wichtig dafür ist ein kurzer Abriss der Ausgangssituation: Der „AfD“-Landesparteitag 2023 und dessen Austragungsort in Offenburg wurden erst ca. 6 Wochen vorher bekannt gegeben. Offenburg ist eine kleinere Stadt, die keine große Bewegung aber zumindest eigenständige linke Gruppen vorweisen kann. Das Stadtklima ist vor allem bürgerlich geprägt, gleichzeitig gibt es genug Publikum für groß angelegten antifaschistischen Widerstand. Die Ausgangslage der Proteste wurde durch einen für uns schlecht gelegenen Veranstaltungsort erschwert. Das Offenburger Messegelände ist abgelegen am Rand der Stadt und gut zu schützen. Die im Nachgang der Proteste geleakten Einsatzpapiere der Polizei zeigen sehr deutlich den enormen Aufwand, den sie mal wieder betrieben hat, um jeglichen Protest zu erschweren. Effektive Blockaden oder Störungen des Parteitages waren deshalb nicht möglich.
Wir befinden uns in einer gesellschaftlichen Situation, in der eine breite und konsequente antifaschistische Bewegung dringend erforderlich ist. Die „AfD“ schafft es sich zunehmend zu normalisieren, der Widerstand dagegen nimmt ab. Die Rechten können auf neuen Aufwind hoffen: Ein erneutes Aufflammen von Anti-Geflüchteten-Protesten, der Ukraine-Krieg und die immer noch aktive „Querdenken“-Bewegung liefern genügend Anknüpfungspunkte und Brandherde. In der „AfD“ selbst müssen wir seit Jahren eine zunehmende Kräfteverschiebung zugunsten des faschistischen Lagers beobachten.
Das alles zwingt uns – als Antifaschist:innen – zu handeln und war Grundlage unserer Protestplanung in Offenburg.
Vorbereitung und Mobilisierung
Um dem Trend der immer kleiner werdenden Proteste bei rechten Großveranstaltungen etwas entgegenzusetzen, brauchte es eine große überregionale Mobilisierung. Dafür hat sich ein antifaschistisches Bündnis zusammen gefunden, in dem linke Gruppen aus Offenburg gemeinsam mit Strukturen von außerhalb die Proteste vorbereiteten. Gemeinsam wurde unter dem Motto „Den Widerstand nicht abreißen lassen“ in kürzester Zeit aus ganz Baden-Württemberg intensiv auf den 04.03. nach Offenburg mobilisiert. Rechte Großveranstaltungen wie ein „AfD“-Landesparteitag sind nicht alleiniges Problem der Menschen vor Ort. Die Aufgabe von überregional agierenden Strukturen ist es nach Möglichkeit zu unterstützen. Dabei ist eine enge Zusammenarbeit auf Augenhöhe mit den lokalen Gruppen wichtig. Die Proteste müssen gemeinsam gestaltet und vorbereitet werden. In Offenburg ist das gut gelungen. Von allen Beteiligten wurde viel Zeit und Arbeit investiert um großen, wirksamen und antifaschistischen Widerstand gegen die Großveranstaltung der „AfD“ zu organisieren. Wir halten es für richtig und wichtig alle antifaschistischen Kräfte in der weiteren Umgebung für einen Tag wie den Landesparteitag zu mobilisieren. Dafür müssen aber die Umstände stimmen: Es braucht eine Öffentlichkeit vor Ort und eigenständige lokale Gruppen, sowie überregional organisierte Strukturen, um erfolgreiche Proteste in dieser Größenordnung möglich zu machen.
Wenn wir reale Wirkmacht entfalten wollen, ist es falsch sich mit ritualisierter Radikalität selbst zu isolieren. Es ist wichtig eine kämpferische Praxis in eine breite Bewegung einzubetten und möglichst anschlussfähig zu gestalten. Daher haben wir uns dazu entschieden uns gemeinsam mit Gewerkschaften, zivilgesellschaftlichen Initiativen und Parteien an einer Demonstration und Kundgebung vor der Messehalle zu beteiligen. Eine direkte Zusammenarbeit und gemeinsame Vorbereitung mit den bürgerlichen Kräften in einem breiten Bündnis wurde von uns gesucht, kam aber leider nicht zustande.
Um unsere Standpunkte – allem voran die unversöhnliche Kritik an den bestehenden Verhältnissen und eine klare Positionierung gegen Krieg, Aufrüstung und kapitalistischer Ausbeutung noch deutlicher selbstbestimmt auf der Straße zu vertreten, haben wir uns dazu entschieden, nach der gemeinsamen Kundgebung an der Messe, eine eigene, antifaschistische Demonstration in die Stadt zurück zu organisieren.
Durch die breite Mobilisierung in ganz Süddeutschland kamen insgesamt 1200 Menschen aus verschiedenen politischen Strömungen zu den Protesten. Etwa die Hälfte der Demonstrant:innen gehörte dem kämpferischen Teil der Antifa-Bewegung an, und kann auf die Mobilisierung des Antifa-Bündnisses zurückgeführt werden. Die gemeinsame Vorbereitung in Form der Antifa-Kampagne und die angestoßene Mobilisierung nach Offenburg bewerten wir als sehr positiv, und wollen in Zukunft daran anknüpfen.
Demonstration zur Messe und Kundgebung
Durch die Teilnahme an der Demo zur Halle und der Kundgebung vor der Halle, haben wir einer Isolation entgegengewirkt. Der kämpferische Teil der antifaschistischen Bewegung war Teil einer breit aufgestellten Demonstration – zusammen mit Gewerkschaften, Aktivist:innen verschiedener Strömungen und Bürger:innen aus Offenburg. Diese Einbettung in breiten Massenproteste und die Notwendigkeit einer radikalen Kritik stellt uns oft vor Herausforderungen: Natürlich gehört der kämpferische Teil der antifaschistischen Bewegung an den Ort des Geschehens, also vor die Halle, in der der Feind sitzt. Gleichzeitig ist es notwendig mit eigenen Inhalten und Praxis in einen breiten Teil der Bevölkerung zu wirken, möglichst viele Menschen mit einzubeziehen und sich nicht weiter als Szene abzuschotten. Allerdings konfrontiert uns das oft mit einem Widerspruch zu unserem Anspruch auch radikale und grundsätzliche Kritik zu äußern. Für einen kämpferischen Antifaschismus ist es unerlässlich die Kritik an Rechts mit einer unversöhnlichen Kritik an den herrschenden Verhältnissen und klaren linken Positionen zu verknüpfen. Auch in Offenburg sollten Vertreter:innen von bürgerlichen Parteien wie SPD und Grüne sprechen, die aktuell als Teil der Ampel-Regierung maßgeblich für kapitalistische Ausbeutung, Krieg und die Klima-Katastrophe verantwortlich sind. Darüber hinaus hat die verfehlte bürgerliche Politik und der konstante Sozialabbau der letzten Jahrzehnte überhaupt erst den Nährboden für den Aufstieg der „AfD“ bereitet.
Mit diesem Widerspruch mussten wir einen Umgang finden. Wir haben uns entschieden uns an der Kundgebung zu beteiligen, aber gleichzeitig unsere Kritikpunkte an der „SPD“ und den „Grünen“ deutlich zu machen. Mit Flugblättern und Hochbannern wurde diese Kritik transportiert. Außerdem wurde eine eigene Rede im Namen des Antifa-Bündnisses gehalten, die zwar die Notwendigkeit gemeinsamer Proteste gegen Rechts betonte, aber auch die Regierungsparteien selbst, und deren Mitverantwortung für das Erstarken rechter Kräfte anprangerte. Das Ziel hierbei war auf der einen Seite den Protest nicht zu spalten und den Fokus auf den gemeinsamen Feind nicht zu verlieren, auf der anderen Seite nicht die Füße still zuhalten, und sich dadurch in Zeiten von Krieg und Krise nicht unglaubwürdig zu machen.
Rückblickend sehen wir den Umgang mit den inhaltlichen Widersprüchen als richtig und erfolgreich an. Die Interaktion mit Flyern und Bannern, und insbesondere die Rede hat sichtbar Wirkung gezeigt wie auch nachhaltig Einfluss hinterlassen. Trotz der polarisierten Stimmung und auch sicht- und hörbarem Unmut aus den Reihen der bürgerlichen Teilnehmer:innen der Demo hat sich ein großer Teil der Kundgebung im Anschluss unserer Demonstration bewusst angeschlossen. Das politische Konzept der antifaschistischen Bewegung an diesem Tag ist bis hier hin aufgegangen: Wir haben unsere Praxis und unsere Inhalte sichtbar und diskutierbar gemacht, haben einen Protest auf die Beine gestellt, der in die Offenburger Bevölkerung gewirkt hat und haben uns nicht isolieren lassen. Das alles ohne über Widersprüche hinwegzusehen oder unsere eigenen Positionen zu verwässern.
Der Großteil der Proteste wurde dabei von aktiven Antifaschist:innen gestellt. Dieser Mobilisierungserfolg ist sicher nicht nur Ergebnis der Kampagne, sondern der vielen kleinteiligen Arbeit der letzten Jahre. Allerdings scheinen die Zeiten, in denen bürgerliche Bündnisse fähig und willens sind breite Proteste gegen Rechts – insbesondere gegen die „AfD“ – auf die Beine zu stellen, vorbei zu sein. Diese Tendenz beobachten wir nicht erst seit dem Landesparteitag. Sie bereitet uns zunehmend Sorge.
Die antifaschistische Demonstration in die Innenstadt
Mit über 700 Menschen formierte sich unsere Demonstration von der Halle zurück in Richtung Offenburger Innenstadt. Unmittelbar nach Abzug vom Kundgebungsort kam es bei dem Versuch der Polizei den Demozug zu stoppen zu Zusammenstößen, die in einer hektischen Situation in kürzester Zeit eskalierten. Das Resultat der Auseinandersetzungen ist bekannt: 7 Stunden Kessel, hunderte festgestellte Personalien, Festnahmen und Verletzte auf beiden Seiten. Die geplante kraftvolle Demonstration durch die Offenburger Innenstadt war geplatzt. Das abrupte Ende der Demonstration hat letztlich einen wichtigen politischen Erfolg in Offenburg verhindert. Die gemeinsame kraftvolle Demo durch die Innenstadt wäre wichtig gewesen, um die politischen Früchte der wertvollen Vorarbeit der vielen beteiligten lokalen und überregionalen Akteur:innen zu ernten. Die Demonstration sollte entschlossen und ausdrucksstark sein, jedoch auch anschlussfähig und vermittelbar nach außen. Damit wollten wir unsere Inhalte an zahlreiche Passant:innen in der Innenstadt transportieren.
Das Unterbinden unserer Demonstration und den stundenlangen Kessel müssen wir deshalb als Niederlage für unsere Seite werten – auch wenn die Polizei selbst einen hohen Preis dafür zahlen musste und für einige Momente massiv in Bedrängnis geriet. Für zukünftige Aktionen können wir daraus mitnehmen das übergeordnete Ziel des Tages – hier: Möglichst viele Menschen mit unseren Inhalten zu erreichen – bei jedem Handeln mit zu bedenken. An diesem Tag hätte das bedeuten können die Situation nicht immer weiter zu eskalieren, sondern zu überlegen ob es auch andere Möglichkeiten gegeben hätte die Demo durch die Innenstadt zu führen. Unter Umständen bedeutet das auch Kompromisse in Erwägung zu ziehen. Das ist in unübersichtlichen Situationen, wie wir sie in Offenburg erlebt haben, eine schwierige Aufgabe, die eine gute Koordination und Kommunikation erfordert. Denn grundsätzlich kann es richtig sein sich von der Polizei nicht aufhalten zu lassen und sich selbstbewusst die Straße zu erkämpfen. Leider ist es in Offenburg nicht gelungen die Dynamik, die sich daraus entwickelte, wieder einzufangen. Die Eskalation wurde von der Polizei wie üblich mit einer unnötigen Brutalität vorangetrieben, woraufhin aus der Demonstration heraus offensiv reagiert wurde. Die Situation hat sich in kürzester Zeit zugespitzt, wodurch es letztlich zur mutmaßlich vermeidbaren Auflösung der Demonstration und zum Kessel mit Personalienfeststellung aller Beteiligten kam.
Am Auftreten der Polizei war erkennbar, dass es sich nicht um ein geplantes Stoppen der Demo oder gar eine gestellte Falle gehandelt hat. Die Polizeikräfte waren sichtlich überrascht, unkoordiniert und hatten Mühe nach mehreren hundert Metern die Demo überhaupt aufhalten zu können. Wir können aber generell ein immer strikteres Vorgehen gegen angemeldete Versammlungen – gerade in Baden-Württemberg – beobachten. Der Hebel dabei sind kleinteilige Auflagen, deren penible Durchsetzung als Begründung für das Stoppen und Auflösen von Demonstrationen heran gezogen werden können. Dieses Mal waren verknotete und zu lange Transparente – zumindest im Nachgang die Begründung der Polizei, weshalb sich überhaupt Polizeikräfte der Demo in den Weg gestellt haben. Trotz der Erfahrungen durch vergangene Demonstrationen, haben wir uns im Vorhinein nicht ausreichend auf solche Szenarien vorbereitet und entsprechende Handlungsstrategien entwickelt.
Ausblick
An einem großen Ereignis wie einem Landesparteitag kann die antifaschistische Bewegung als Ganzes lernen und zusammenwachsen. Für uns als Bewegung ist es unerlässlich zu zentralen Ereignissen auf der Straße zusammen zu kommen – um unsere Stärke zu spüren und sichtbar zu machen, aber auch um gemeinsam zu kämpfen, gemeinsam Erfolge zu feiern oder eben auch gemeinsam Rückschläge einzustecken und damit umzugehen. Solche Großmobilisierungen werden auch in Zukunft wichtiger Bestandteil unserer Praxis bleiben und sind unerlässlich für den Aufbau und das Sichtbarmachen einer schlagkräftigen, antifaschistischen Bewegung. Wichtig ist, dass unsere Praxis nicht aus einem reinen „Event-Hopping“ und großen, überregionalen Mobilisierungen besteht, sondern eingebettet ist in eine vielschichtige lokale Praxis antifaschistischer Strukturen im Alltag.
Trotz einiger Rückschläge in Offenburg gilt es an unseren strategischen Überlegungen anzuknüpfen: Ziel muss es weiter sein, eine Bewegung zu schaffen, die nicht nur aus der „Szene“ besteht. Gesellschaftliche Wirkmacht werden wir nur dann auch anhaltend entfalten, wenn wir die Notwendigkeit des antifaschistischen Kampfes in die Breite unsere Klasse vermittelt bekommen und diese darin mit einbinden.
Auf dem Weg dorthin ist es wichtig, dass wir als Bewegung weiter zusammenwachsen, die Vernetzung und Organisierung vorantreiben. Nur wenn wir gemeinsam kämpfen und gemeinsam aus Erfolgen und Niederlagen lernen, können wir im Kampf gegen Rechts nachhaltig erfolgreich sein.
Kampagnen-Seite „Den Widerstand nicht abreißen lassen“ gegen den „AfD“-Landesparteitag im März 2023
Bericht und Bilder zu den Protesten am 3. März 2023 in Offenburg