„Ich will einen Richter“ – Auftakt im 2.Mai-Prozess

Mahnwache der Initiative 2. Mai – Straßenkreide vor dem Landgericht

Am Donnerstag hatte der Prozess nach dem tödlichen Polizeieinsatz am 2. Mai 2022 begonnen, am Sonntag veranstaltete die “Initiative 2. Mai” eine Mahnwache mit dem Titel “Gerechtigkeit für Ante P.”

Ante P. war nach einem Polizeieinsatz am Mannheimer Marktplatz am 2. Mai 2022 gestorben (KIM berichtete). Ein Polizist ist nun wegen Verdacht auf Körperverletzung im Amt mit Todesfolge am Landgericht angeklagt. Er soll den psychisch kranken Ante P. mehrfach ins Gesicht geschlagen und anschließend auf den Boden gedrückt haben, bis er an seinem Blut erstickte. Ein weiterer Polizist ist wegen unterlassener Hilfeleistung angeklagt. Ein Arzt hatte die beiden Polizisten gebeten, den Patienten ins nahe gelegene ZI zurück zu bringen. Mit einem Urteil wird fühestens im März gerechnet.

Straßenkreide vor dem Landgericht
Straßenkreide vor dem Landgericht
Kreideinschrift vor dem Landgericht Mannheim
Kreideinschrift vor dem Landgericht Mannheim

Nach dem Vorfall hatte sich die Initiative 2. Mai gegründet, die Gerichtigkeit für Ante P. fordert und Kritik am polizeilichem Umgang mit psychisch kranken Menschen äußert. Ein weiterer schockierender Vorfall vom 23. Dezember 2023 heizt die Diskussion an. Am Sonntag nach dem Prozessauftakt hatte die “Initiative 2. Mai” zur Mahnwache “Gerechtigkeit für Ante P.” in die Nähe des Tatorts am Marktplatz eingeladen.

Es gab eine Rede von Claudia von der Initiative, einen Bericht vom ersten Prozesstag am Landgericht und Emrah Durkal berichtete von der Situation in Schönau und dem Vorfall am 23. Dezember. Die Veranstalter*innen zählten 70 Personen, die um 13:44 Uhr bei einer Schweigeminute dem Toten gedachten. Eine Ausstellung zeigte Einblicke ins Leben des Mannes, der mit 47 Jahren gestorben ist. Eine Tafel stellte die Frage: Wie gefährlich ist es, in einer psyschichen Ausnahmesituation zu sein?

Zum Abschluss zogen die Teilnehmer*innen der Mahnwache zum Landgericht und schrieben mit Kreide Botschaften vor dem Eingang auf die Straße: “Gerechtigkeit für Ante”, “Gewalt ist keine Lösung”, “No Justice No Peace”, “Polizisten töten” und weitere. (cki)

Die Redebeiträge zur Veranstaltung können auf der Webseite der Initiative 2. Mai nachgehört werden: https://www.initiative-2mai.de

 

 


Rede der Initiative 2. Mai

Rede von Mannheim sagt Ja

Verleseung der Ausstellungstafel – „Am liebsten hörte er Queen“

Bericht vom 1. Prozesstag

Verlesung der Ausstellungstafel – „Wie gefährlich ist es in einer psychischen Ausnahmesituation zu sein?“


Auftakt im 2.Mai- Prozess – Gerechtigkeit für Ante P.?

Am 12.01.2024 wurde am Mannheimer Landgericht der Gerichtsprozess gegen die beiden Polizeibeamten eröffnet, die am tödlichen Einsatz gegen Ante P. beteiligt waren. Der Andrang der Öffentlichkeit war enorm groß, sodass auch trotz verspäteten Beginns um 09:15 Uhr noch viele Interessierte vor dem Eingang zum Saal warten mussten. Am ersten Prozesstag befasste sich das Gericht um den vorsitzenden Richter am Landgericht Rackwitz mit der Anklageverlesung, den Einlassungen der Angeklagten und deren Anwältinnen sowie der Anhörung erster Zeug:innen.

Noch während der Anklageverlesung kommen immer wieder Besucher:innen in den Gerichtssaal, bis gegen 09:30 Uhr schließlich alle Plätze belegt sind. Die für die Presse vorgesehenen Reihen waren mit Vertreter:innen großer und überregionaler Zeitungen sowie der regionalen Presse besetzt. Den beiden Polizeibeamten wird laut Anklage vorgeworfen für den Tod des 47- jährigen Ante P. am 02.05.2022 im Marktplatz in Mannheim verantwortlich zu sein. Polizeioberkommissar J. ist wegen Körperverletzung im Amt mit Todesfolge und Polizeihauptmeister Z. wegen fahrlässiger Tötung durch Unterlassung angeklagt. Laut den Ausführungen durch Staatsanwalt Hager wird POK J. vorgeworfen Ante P. in der Nähe der H4-Wache zunächst mit Pfefferspray besprüht und ihn nach einer kurzen Verfolgung am Marktplatz gemeinsam mit PHM Z. zu Boden gerungen zu haben. Während Ante P. auf dem Boden lag, haben beide Polizeibeamte auf ihm gekniet. Dabei habe POK J. ihm mehrere Faustschläge verpasst, die schließlich zu blutenden Verletzungen im Gesicht bei Ante P. geführt haben sollen. Weiterhin auf dem Bauch liegend, wurden Ante P. Handschellen angelegt. Ante P. habe nach kurzer Zeit das Bewusstsein verloren und sei erst viel zu spät von den Polizeibeamten auf Atmung und Bewusstsein überprüft worden sein und damit eine Wiederbelebung verzögert zu haben. PHM Z. werde deswegen fahrlässige Tötung vorgeworfen. Trotz der dann eingeleiteten Reanimationsmaßnahmen durch einen Arzt vom ZI, verstarb Ante P. kurz darauf im Krankenhaus.

Großer Andrang vor dem Landgericht Mannheim am 12.01.24.

Polizeioberkommissar J. äußerte sich in einem vorgelesenen Statement zu dem Vorwurf. Zunächst gab er jedoch an, dass ihm das Geschehen dieses Tages immer wieder durch den Kopf gehe und er deshalb zur Klärung des Falles beitragen möchte. Dabei fällt auf, dass seine Ausführungen in einem Stil verfasst sind, die man als sachbearbeiterisch beschreiben könnte. Sie klingendeshalb nicht nacht der Beschreibung eines Erlebnisses, das starke psychische Belastungen verursacht, sondern nach einer Rechtfertigung bzw. Legitimation für das gewaltvolle Einschreiten eines Polizeibeamten gegenüber einer Person, die lediglich auf die gegenüber ihm geäußerten Befehle nicht entsprechend reagiert habe. Seine Gewalt gegenüber Ante P. führt POK J. auf dessen Widerstand zurück, den er anhand mehrerer versuchter Schläge in die Richtung des Polizeibeamten und der zeitweisen “Boxerhaltung” von Ante P. ausmachte. Die Richtung scheint demnach klar: Polizeioberkommissar J. habe sich gegen die Angriffe auf sich und sein Amt gewehrt, denen er während seines Einsatzes ausgesetzt war. Warum es aber überhaupt notwendig gewesen sein soll Ante P. gegen seinen Willen mit dieser Brutalität festzuhalten und schließlich niederzuringen, bleibt offen. Dass Ante P. das Bewusstsein verloren habe, sei POK J. erst deswegen so spät aufgefallen, da Festgenommene nach einem “kräftezehrenden Widerstand” häufig erschöpft und ruhig würden. Polizeihauptmeister Z. äußerte sich nicht zu den Vorwürfen.

Im Anschluss daran folgten die Anträge der Verteidigung. Rechtsanwältin Combé beantragte die Einladung einer sachverständigen Medizinerin, die ein Gutachten gefertigt habe, nach dem die Verletzungen durch die Schläge nicht zum Tod von Ante P. geführt haben und kein lagebedingter Erstickungstod vorliege. Damit widerspricht sie den Ergebnissen der Gutachterin der Rechtsmedizin Heidelberg, das der Anklage zu Grunde liegt. Auch die PHM Z. vertretende Rechtsanwältin Haas zititert aus dem Bericht eines Sachverständigen der Rechtsmedizin Erlangen, der massive Kreislauferkrankungen von Ante P. als Todesursache ansieht. Ein Ziel der Verteidigung ist es somit, die These vom lagebedingten Erstickungstod in Zweifel zu ziehen, was zumindest PHM Z. einigermaßen entlasten könnte. Dann könnte schließlich in Frage gestellt werden, ob Ante P. auch trotz rechtzeitiger Umlagerung und Wiederbelebung gestorben wäre. Kommt das Gericht den Anträgen der Verteidigung nach, dürfte der betreffende Prozesstag vor allem durch die Auseinandersetzung der beteiligten Mediziner:innen bestimmt sein, an dessen Ende mutmaßlich keine Sicherheit über die Todesursache herrschen dürfte, was den Angeklagten zu Gute kommt.

Kreideinschrift vor dem Landgericht Mannheim

Ein zweiter Antrag von Rechtsanwältin Haas benennt zudem schwerwiegende Verfahrensfehler durch den Vorsitzenden Richter Rackwitz und Staatsanwalt Hager, da sie einer Akteneinsicht durch die Nebenklage zugestimmt haben, ohne dass ihr Mandant die Möglichkeit gehabt habe, sich dazu zu äußern. Damit seien sein Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung verletzt sowie seine Verteidigungsfähgkeit stark eingeschränkt gewesen. Demnach setzt die Verteidigung also auf zwei Angriffspunkte. Auf der einen Seite Zweifel an der Todesursache zu erheben und auf der anderen Seite schwerwiegende rechtliche Fehler von Seiten des Richters und des Staatsanwaltes festzustellen. Dies könnte, vor allem in einem möglichen Revisionsverfahren von Bedeutung sein.

Die ersten beiden Zeug:innen in dem Prozess, eine Pflegekraft des ZI sowie der Dienstgruppenleiter der diensthabenden Schicht im Polizeirevier Mannheim- Innenstadt, konnten weniger zu dem Vorfall an sich, als zu den Umständen aussagen, die dazu geführt haben. Die Zeugin habe Ante P. am 02.05.2022 von seiner Wohung in das ZI begleitet und ihn dort der zuständigen Station übergeben, da er auf sie einen psychisch instabilen Eindruck gemacht habe. Danach habe Sie ihn nicht mehr gesehen. Der Polizeibeamte sei zum Geschehen am Marktplatz hinzugekommen, als bereits Wiederbelebungsversuche bei Ante P. durchgeführt wurden, die er auch kurzzeitig übernommen habe. Danach habe er die beiden Angeklagten kurz gefragt, was passiert sei und sie dann aufs Revier geschickt, um sie aus der “aggressiven und aufgeheizten Grundstimmung” am Marktplatz zu bringen, die er sich selbst nicht erklären könne. Ob aus Kollegialität oder des nur unvollständigen Überblicks über die Geschehnisse zu diesem Zeitpunkt, werden PHM Z. und POK J. von ihm damit als Opfer gedeutet.

Nachdem weitere Zeug:innen nicht erschienen sind, wurde der Prozess bis zum Nachmittag pausiert. Bei der Fortführung an diesem Tag konnte ich leider nicht teilnehmen. Über die kommenden Prozesstage wird jedoch weiterhin in Kommunalinfo berichtet. Zum heutigen Abschluss der Beobachtung des Prozessauftaktes, fällt es noch schwer den weiteren Verlauf des Prozesses abzusehen, vor allem weil noch viele Beweisaufnahmen anstehen. Schließlich haben sich sehr viele Zeug:innen des Geschehens bei den ermittelnden Behörden gemeldet und mehrere Videos wurden gefertigt.

Es deutete sich jedoch an, dass die rechtsmedizinische Auseinandersetzung um die Todesursache eine große Rolle spielen wird. Auf einer anderen Ebene dürfte zu beobachten sein, ob das Gericht in der Lage ist am Ende ein Gerechtigkeitsempfinden herzustellen. Der getötete Ante P. steht stellvertretend für viele psychisch erkrankte Menschen, die einem hohen Risiko ausgesetzt sind Opfer polizeilicher Übergriffe zu werden, wie es in seiner tödlichen Form auch am 23.12. in Mannheim erneut der Fall gewesen ist. Demgegenüber sind die Angeklagten nicht nur Repräsentanten einer bewaffneten Staats- und Verwaltungsmacht, sondern stehen auch für das Normale in der Gesellschaft, wenn sie für sich selbst beanspruchen in “üblichen Familienverhältnissen” und “wohlbehütet aufgewachsen” zu sein. Die Konfrontation zwischen gesunder Norm und kranker Abweichung, zwischen schutzbedürftigen Bürger:inenn und gewaltsamer Staatsmacht wird von der Frage durchzogen, inwiefern die bestehenden gesellschaftlichen Institutionen überhaupt in der Lage sein können, diejenigen, die als abweichend markiert werden, vor denjenigen zu schützen, die als Vertreter des Normalen und Üblichen die herrschenden Verhältnisse bewahren und ihre Ungleichheiten und Ungerechtigkeiten reproduzieren.

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