Nazis in Nadelstreifen
Roland Hartwig, AfD-Politiker und Teilnehmer des Potsdamer Treffens, bekleidete jahrzehntelang hohe Posten beim Bayer-Konzern
Von Jan Pehrke (junge Welt)
Der AfDler Roland Hartwig, der dem österreichischen Faschisten Martin Sellner in der Potsdamer Villa Adlon bescheinigte, er lese dessen Buch zum Thema »Remigration« »gerade mit großer Freude«, nahm über viele Jahre hinweg Spitzenpositionen beim Leverkusener Pharmariesen Bayer ein. Der Jurist, der über »Vorteilsgewährung und Bestechung als Wirtschaftsstraftaten« promovierte, begann 1984 in der Rechtsabteilung des Konzerns. 1997 übernahm er dann die Leitung der Patentabteilung. Zwei Jahre später stieg Hartwig zum obersten Juristen des Global Players auf, mit nach eigener Aussage »weltweiter Verantwortung für die Bereiche Recht, Patente/Lizenzen, Versicherungen, Compliance (ab 2004) und Datenschutz«. Überdies bekleidete er Aufsichtsratsposten bei verschiedenen Tochtergesellschaften. 2016, drei Jahre nach seinem Eintritt in die AfD kurz nach deren Gründung, schied er altersbedingt aus. Auch der gesamten Branche stand Roland Hartwig in seinem Berufsleben zu Diensten. Er saß einst dem Rechtsausschuss des »Verbandes der Chemischen Industrie« vor.
Noch heute betrachtet der im Jahr 1954 geborene Roland Hartwig es als seine größte Leistung, einen »internationalen Großkonzern juristisch durch alle Untiefen geführt zu haben«. Diese »Untiefen« betrafen vor allem Kartellklagen wegen Preisabsprachen sowie Verfahren, die Geschädigte von Bayer-Erzeugnissen anstrengten. Schon vor Glyphosat sah sich die Aktiengesellschaft nämlich immer wieder mit Produkthaftungsangelegenheiten konfrontiert.
Für die Rechtsabteilung galt es dabei, die finanziellen Belastungen für den Multi möglichst gering zu halten. Besonders gut gelang Hartwig & Co. das im Fall des Cholesterinsenkers Lipobay, den Bayer nach mehr als 100 Todesfällen vom Markt nehmen musste. Dazu nahmen sich die Konzernjuristen jeden Kläger einzeln vor, verlangten exakte Nachweise für Lipobay als Ursache der Gesundheitsstörungen und entkräfteten die Belege dann mit eigenen Gutachtern.
Zur Güte bot das Unternehmen anschließend Kleckerbeträge um die 3.000 Euro an. »Fleddern« hieß diese Strategie, die half, fünf Sammelklagen abzuwenden und mehr als 9.000 Betroffene leer ausgehen zu lassen. Als »deutsche Lösung« stieß das auch bei anderen Firmen auf Interesse. Die Wirtschaftswoche äußerte sich anerkennend. »Auch nach Ansicht von Branchenkollegen befriedete Hartwig die Klagen professionell und gut«, schrieb die Zeitschrift 2019 und wünschte sich mehr Leute wie ihn im Bundestag. Er sei einer »der wenigen früheren Topmanager im Parlament«, lobte das Blatt.
Vor US-Gerichten verfingen die juristischen Strategien des Chefsyndikus allerdings seltener. Wegen Kartellabsprachen und Medikamentennebenwirkungen musste der Pharmariese schon vor der Glyphosatära Milliardenstrafen zahlen. Allein die unerwünschten Arzneieffekte der Verhütungsmittel aus der Produktreihe »Yasmin« kosteten ihn 2,1 Milliarden Dollar. Von diesen Erfahrungen berichtete Hartwig dann später auf AfD-Veranstaltungen unter dem Titel »Deutsche Unternehmen im Fadenkreuz der US-Justiz« unter besonderer Berücksichtigung der Auseinandersetzung über den Fonds von Bayer & Konsorten zur Entschädigung ehemaliger Zwangsarbeiter.
Nach seinem Ausscheiden beim Leverkusener Multi arbeitete Roland Hartwig als Rechtsanwalt und widmete sich verstärkt seiner politischen Karriere. Von 2017 bis 2021 hatte er ein Bundestagsmandat inne, 2020 kandidierte er in Leverkusen für das Oberbürgermeisteramt. Zuletzt fungierte der Jurist als persönlicher Referent der AfD-Fraktionsvorsitzenden Alice Weidel und galt dem Recherchenetzwerk Correctiv zufolge als so etwas wie der »inoffizielle Generalsekretär« der Partei.
Berührungsängste mit Vertretern der neuen Rechten hatte der AfDler bereits vor dem November 2023 nicht. So hielt er im Juni 2019 eine Rede beim »Staatspolitischen Kongress«, einer Veranstaltung des von Götz Kubitscheck und Karlheinz Weißmann gegründeten »Instituts für Staatspolitik«.
Bei Bayer befand sich Hartwig dabei in guter Gesellschaft. So gründete Hans-Ulrich Höfs, wenigstens bis zum Jahr 2012 beim Konzern in der Forschung tätig, 1989 in Krefeld »Die Republikaner«. Später baute der Chemiker die Gruppen »Krefelder Gesprächskreis – Deutsche Politik« und das »Krefelder Forum Freies Deutschland« auf, die beide enge Kontakte zu Neonazis wie Horst Mahler und Herbert Schweiger unterhielten. Nach der öffentlichen Aufforderung der Coordination gegen Bayer-Gefahren (CBG), Höfs zu entlassen, reagierte das Unternehmen lediglich mit einer Abmahnung.
»Faschismus ist ein politisches Konzept der Konzerne. Das wird nicht nur, aber eben immer wieder bei Bayer deutlich. In Person des Bayer-Chefs und Hitler-Förderers Carl Duisberg in den 1920er und 1930er Jahren bis zum Bayer-Chefjuristen Roland Hartwig heute«, hielt Axel Köhler-Schnura, Gründer und Ehrenvorstand der »Coordination gegen Bayer-Gefahren« in deren öffentlicher Erklärung zum Fall »Hartwig« fest.
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