Erzreaktionäre im katholischen Cartellverband

Ultramontanismus im Cartellverband

Communiqué als PDF (2,3 MB)

Vom 30. Mai bis zum 2. Juni 2024 findet in Berlin die „138. Cartellversammlung“ des Cartellverbands der katholischen deutschen Studentenverbindungen (CV) statt. Doch es gibt Streit in den Reihen der Katholiken, gesät vom diesjähren „Vorort Berlin“.

Nicht nur wir finden, dass dieser Streit in die Öffentlichkeit gehört, denn schließlich ist der CV die Kaderschmiede der Unionsparteien, so wie er früher die des Zentrums war.

Wir veröffentlichen die „Vertreterunterlagen“ zur „Cartellversammlung“, die Berichte zum „Studententag“ und das „Memorandum Romanum“ – ein erzreaktionäres Traktat, das im Cartellverband zu viel Streit führte.

Wie in der Kirche auch wird über sexuellen Missbrauch im CV geschwiegen, wenn er nicht gerade verharmlost wird. Das „Memorandum Romanum“ geht noch einen Schritt weiter und denunziert die Kritik als „Missbrauch mit dem Missbrauch“.

Dabei hat der Cartellverband über Jahrzehnte den sexuellen Missbrauch von Kindern und Jugendlichen durch seinen „Bundesseelsorger“ Edmund Dillinger ermöglicht und finanziert. Neu ist, dass der CV mindestens „seit Mitte der 90er“ von Dillingers Missbrauch wusste. Der Cartellverband handelte also mit Vorsatz.

Autonome Antifa Freiburg
Communiqué vom 29. Mai 2024

Transparenzhinweis: Dieses Communiqué wurde von nicht bibelfesten Anarchistinnen und Anarchisten geschrieben. Wir bekämpfen nicht nur den CV und die Kirche, sondern Religion an sich. Seid gnädig, denn es ist unser erstes Communiqué gegen den Cartellverband.

Inhalt

Kapitel

Im Kapitel Zur Geschichte der buntbemützten Scharen schauen wir uns die Geschichte der „Katholischen Deutschen Studentenverbindungen“ im Cartellverband von 1844 bis 1920 an. Es brauchte die Anerkennung des Vaterlandsprinzips und den Ersten Weltkrieg, bis die „Cartellbrüder“ von den „Waffenstudenten“ akzeptiert wurden. Wer sich nicht für unsere Interpretation ihrer Geschichte interessiert, kann das Kapitel ignorieren.

Im Kapitel Ein Traktat gegen den Zeitgeist erblickt das „Memorandum Romanum“ des „Berliner Vororts“ das Licht der Welt und erntet vernichtende Kritik von neun „Bundesbrüdern“.

Im Kapitel Dem Vorort eine Gardinenpredigt geht es bei der Borusso-Saxonia zu wie in einem autoritären Elternhaus: Die Lausebuben werden zu Hause gezüchtigt, aber nach außen werden die Reihen geschlossen.

Im Kapitel Papst und Papisten gefällt das ergreift der Apostolische Nuntius Partei für den „Berliner Vorort“. Nicht obwohl, sondern weil in dem Papier Religionsfreiheit verteufelt, Frauen verachtet und Missbrauch relativiert wird. Die korporierten Katholiken auf Facebook gehen da mit.

Im Kapitel Der Machtkampf im Cartellverband mündet das „Memorandum Romanum“ in vielen kleinen und großen Anträgen auf der „Cartellversammlung“ in Berlin. Wir sind gespannt, wie sie sich positionieren wird.

Im Kapitel Der Verbandsseelsorger des Cartellverbands schauen wir uns an, was der Cartellverband zu dem Missbrauchsskandal um Edmund Dillinger zu sagen hat. Und zur Rolle der „CV-Afrika-Hilfe“, die Dillingers Missbrauch finanzierte. So viel sei verraten: nichts als Lügen, denn der CV will das negative Messiasgeheimnis wahren. Doch Bigotterie ist eine Sünde, die im Verborgenen ausgelebt wird. Zum Beispiel im Internet.

Vorwort

Als am 16. Januar 2021 die Christlich Demokratische Union Deutschlands (CDU) in einer Stichwahl auf ihrem Corona-bedingten Online-Parteitag einen neuen Parteivorsitzenden wählte, stand der Gewinner bereits fest: Der Cartellverband der katholischen deutschen Studentenverbindungen (CV). Armin Laschet, „Philister“ oder „Alter Herr“ der KDStV Aenania München und der KDStV Ripuaria Bonn, unterlag Friedrich Merz, „Alter Herr“ der KDStV Bavaria Bonn. CDU-Generalsekretär war Paul Ziemiak, „Alter Herr“ des AV Widukind in Osnabrück und der KDStV Winfridia in Münster. Alle Verbindungen sind im CV mit seinen rund 30.000 Mitgliedern.

Und das ist alles kein Zufall, wie es das Bonmot „Zufall wird mit CV geschrieben“ treffend umschreibt. Friedrich Merz ist ein „Bundesbruder“ von Hans Globke, dem Hauptkommentator der „Nürnberger Rassegesetze“, ein skrupelloser Antisemit und Nationalsozialist. Globke war die rechte Hand von Konrad Adenauer, „Alter Herr“ des Kartellverbands katholischer deutscher Studentenvereine (KV), einem „farbenführenden“ (im Gegensatz zu „farbentragenden“) Dachverband mit rund 15.000 Mitgliedern. Adenauer war Mitglied im KStV Brisgovia Freiburg, im KStV Saxonia München, im KStV Askania-Burgundia Berlin und im KStV Arminia Bonn.

Globke war unter Adenauer nicht nur zuständig für Kabinettsarbeit, die Einrichtung und Kontrolle von Bundesnachrichtendienst und Verfassungsschutz sowie für Fragen der CDU-Parteiführung, sondern auch für die Personalpolitik seiner Regierungen. Globke installierte bevorzugt „Cartellbrüder“ in einflussreiche Ämter: vom Bundespresseamt bis zum Minister.

Und CV-Minister gab es viele unter Adenauer. Wie den „Bundesminister für Angelegenheiten der Vertriebenen“ Hans Lukaschek von der Rheno-Palatia Breslau (heute: zu Mainz), den Landwirtschaftsminister Heinrich Lübke von der KDStV Ascania Bonn, den „Bundesminister für gesamtdeutsche Fragen“ Rainer Barzel von der KDStV Grotenburg zu Köln sowie dem KStV Alania-Breslau zu Aachen und dem KStV Unitas-Breslau Köln, beide im KV, den Familienminister Franz-Josef Wuermeling von der KDStV Wiking Hamburg und der KDStV Borusso-Westfalia Bonn sowie seinen Nachfolger Bruno Heck von der AV Cheruskia Tübingen.

Adenauers Verteidigungsminister, der über die Spiegel-Affäre stürzte, war zwar nicht in der CDU, wohl aber im CV: Franz Josef Strauß, „Alter Herr“ der KDStV Tuiskonia München. Auch heute noch sind prominente CSU-Politiker Mitglied im Cartellverband. Wie der bayerische Innenminister Joachim Herrmann, „Alter Herr“ der KDStV Frankonia (Czernowitz) Erlangen, der KDStV Aenania München und der KAV Capitolina Rom.

Wer die CDU und ihre Netzwerke verstehen will, muss den Cartellverband studieren. Wer das eine oder das andere bekämpfen will, auch.

Zur Geschichte der buntbemützten Scharen

Die direkte Zusammenarbeit zwischen CV-Mitgliedern und der extremen Rechten kommt vor, aber deutlich seltener als bei „Burschenschaften“. Ein aktuelles Beispiel ist Rüdiger Graf von Luxburg, der die Frankfurter Tafelrunde mitorganisiert hat, ein dezidiertes Nazinetzwerk. In Frankfurter CV-Kreisen ist der „Philister“ der Katholischen Deutschen Studentenverbindung Greiffenstein (Breslau) zu Frankfurt am Main bekannt unter dem Namen Rüdiger Jacobs. Den führte er, bevor er sich den Adelstitel kaufte.

In unserem Communiqué „Korporierte in der AfD gründen Akademikerverband“ von 2018 gibt es auch einen Abschnitt über „Christliche Verbindungen“. Allerdings werden dort nur vier Nazis genannt, von denen drei im CV und einer im KV ist. Zur Geschichte der katholischen Verbindungen schrieben wir darin:

Katholische Studenten wurden im Vormärz nicht nur wie alle anderen Studenten von der Repression getroffen, sie konnten zudem wegen des Vorwurfs der „Ultramontanismus“ genannten Papsthörigkeit nicht Mitglieder von Studentenverbindungen werden. Nach der Wallfahrt einer halben Million Menschen zum „Heiligen Rock“ 1844 in Trier – die Pilgerreise zu Jesus’ Unterwäsche war die größte Massenbewegung des Vormärz – gründeten sich erste katholische Studentenverbindungen. In der Folge wurden die konfessionell gebundenen Korporierten bis heute zur zahlenmäßig größten Gruppe unter den Verbindungsstudenten.

Organisierter romtreuer politischer Katholizismus

Die neugegründeten katholischen Studentenverbindungen, denen „Ultramontanismus“ (von „ultramontan“ = „jenseits der Berge“ = jenseits der Alpen = Rom = Vatikan = Papst), also romtreuer politischer Katholizismus vorgeworfen wurde, organisierten sich ab 1856 in dem, was später zum Cartellverband wurde.

Zu Beginn hatte der Verband drei Prinzipien: „religio“, „scientia“ und „amicitia“. Das vierte, „patria“, kam erst später hinzu. Verkürzt lassen sich die Prinzipien heute auf „Nur Katholiken können Mitglied sein“, „Der CV ist ein Hochschulverband“ und „Der CV hat das Lebensbundprinzip“ runterbrechen. Um die Bedeutung des „Vaterlandsprinzips“ wird im CV gerungen.

Ein Unvereinbarkeitsbeschluss mit der AfD wurde 2022 auf Verbandsebene auf der „136. Cartellversammlung des CV zu Bonn“ mit 52 Stimmen gegen 19 bei 26 Enthaltungen abgelehnt (siehe Sitzungsbericht). Einzelne Verbindungen sind da weiter. So hat beispielsweise die „KDStV Staufia zu Bonn im CV“ nach dem „Potsdamer Nazitreffen“ eine Unvereinbarkeit mit der AfD beschlossen. Andere – wie der „Vorort Berlin“ – bezeichnen die Demokratie verächtlich als „Ochlokratie“, als „Pöbelherrschaft“.

Seinen Widerpart innerhalb des politischen Katholizismus in deutschen Landen fand der „Ultramontanismus“ im „Deutschkatholizismus“ der bürgerlichen Revolutionäre. Dem radikaldemokratischen Flügel des „Deutschkatholizismus“ gehörten beispielsweise Amalie und Gustav Struve an. Gustav Struve war erst Mitglied der Alten Göttinger Burschenschaft, dann des Corps Bado-Württembergia Göttingen und schließlich der Alten Heidelberger Burschenschaft.

Politisch organisierten sich die „Ultramontanisten“ nach der Reichsgründung 1871 als Zentrumspartei. Das Zentrum war wie die katholische Kirche insgesamt Ziel von Bismarcks „Kulturkampf“ bis 1878: eine antikatholische Säkularisierung von oben. Otto von Bismarck war selbst korporiert. Aber er war Protestant und seit 1832 Mitglied des schlagenden Corps Hannovera Göttingen im Kösener Senioren-Convents-Verband (KSCV).

Anfangs wurde der „Kulturkampf“ mitgetragen von den Liberalen, insbesondere von der Deutschen Fortschrittspartei unter Rudolf Virchow. Den Pakt mit den Liberalen kündigte Bismarck 1878 mit dem „Sozialistengesetz“ auf. Mit den „Friedensgesetzen“ von 1887 wurden bis auf Schulaufsicht und Zivilehe alle Kulturkampfgesetze revidiert.

Das „Bundeslied“ des CV

Das „CV-Bundeslied“ wurde von Heinrich Gassert (1857-1928) zur Melodie von Johann Peters geschrieben : „Laßt, ihr buntbemützten Scharen“.

Das Lied rühmt die Freiheit, als wäre es ein Revolutionslied von 1848. Tatsächlich wurde es von Gassert 1885 im Kaiserreich geschrieben, 14 Jahre nach der Gründung des Deutschen Reichs. Gepriesen wird dann auch die „Deutsche Freundschaft“ und das „deutsche Vaterlande“. Ein nationalistisches Lied, lange bevor das Vaterlandsprinzip zu einem Grundsatz des Cartellverbands wurde.

1. Laßt Ihr buntbemützten Scharen schallen euren Festgesang, aus dem Liede der Scholaren töne laut der Freiheit Klang! Singet deutscher Art zum Preise drum ein rechtes Burschenlied, durch dess‘ Wort und durch dess‘ Weise frisch der Hauch der Freiheit zieht.

2. Singt zum Preise Eurer Farben, die der Schönheit Glanz verklärt! Was die Neider dran verdarben, nicht des Scheltens ist es wert. Unsre Farben, die wir tragen, schmücken unsrer Ehre Schild. Sind nach außen drum geschlagen, weil‘s ihn blank zu halten gilt.

3. Greift die Freundschaft hoch zu preisen, in die Saiten tief und voll, Freundschaft muß die Losung heißen, wenn der Bund bestehen soll. Deutsche Freundschaft sich bewähret, sie ist treu bis in den Tod, und die Liebe sie verkläret, wie den Fels das Abendrot.

4. Auf das Auge zu den Sternen, auf den Blick zum Himmelszelt, wo ein Gott in heil‘gen Fernen Eures Bundes Banner hält. Auf zum heil‘gen Fahneneide, hebt die Bruderhand und schwört, daß dem Gott im Sternenkleide ewig Euer Herz gehört!

5. Tretet her, Ihr Musensöhne, an des Wissens heil’gen Born; Schöpft das Gute, trinkt das Schöne aus der Weisheit Wunderhorn. Bringt der Schönheit Eure Liebe als ein reines Opfer dar, legt des Herzens beste Triebe auf der Wahrheit Hochaltar.

6. Reicht die Hand Euch, Ihr vom Rheine, Ihr vom Neckar, Ihr vom Main, Ihr vom schroffen Alpenstein, ihr vom grünen Eichenhain. Euer Burschenwort zum Pfande, laßt es schallen himmelwärts: Unserm deutschen Vaterlande, unsre Hand und unser Herz.

Gassert war Arzt in Freiburg und Mitglied der KDStV Hercynia Freiburg. Von 1890 bis zur Gründung der Tochterverbindung KDStV Ripuaria Freiburg war Gassert „Philistersenior“ der Hercynia. Nach der Gründung der Ripuaria war er bis 1904 ihr erster „Philistersenior“. Von 1909 bis 1911 war Gassert erneut „Philistersenior“ der Hercynia. Während des ersten Weltkriegs arbeitete Gassert als Arzt in verschiedenen Freiburger Hilfslazaretten.

Als Arzt diagnostizierte Heinrich Gassert am 16. Februar 1911 dem Priesterseminaristen Martin Heidegger Herzbeschwerden, was Heideggers weiteren Lebensweg maßgeblich beeinflusste. Heidegger war nach seinem Abitur am bischöflichen Seminar in Freiburg 1909 als Novize dem Jesuitenorden in Feldkirch im österreichischen Vorarlberg beigetreten, verließ das Kloster aber schon nach einem Monat wieder, ebenfalls wegen Herzbeschwerden. Stattdessen wurde Heidegger Priesterseminarist in Freiburg, aber nach Gasserts Diagnose für das Sommersemester 1911 beurlaubt. Heidegger wurde geraten, das Theologiestudium aufzugeben und er folgte dem Rat. Statt Theologie studierte Heidegger Philosophie, Mathematik, Geschichte und Naturwissenschaften. Wäre er doch Pfaffe geworden.

Kulturkampf gegen Katholiken

Die „Kulturkampf“-Politik von Reichskanzler Bismarck richtete sich indirekt natürlich auch gegen die Bünde des entstehenden Cartellverbands, aber diese spielten während des „Kulturkampfes“ im Vergleich zur Kirche eine untergeordnete Rolle. Was für die „Burschenschafter“ die „Karlsbader Beschlüsse“ von 1819 und für die „Turnerschafter“ die „Turnsperre“ von 1920 und der darauf folgende „Vormärz“ ist, das ist der „Kulturkampf“ für die katholischen Verbindungsstudenten: Ein Gründungsmythos der unterdrückten Altvorderen, die gegen die Obrigkeit kämpften. Bis sie selbst zur Obrigkeit wurden.

Die katholischen Verbindungsstudenten hatten ihren eigenen kleinen „Akademischen Kulturkampf“ von 1903 bis 1908. Damals wurden „farbentragende“ katholische Studentenverbindungen von so ziemlich allen anderen Verbindungsstudenten wie „Corps“, „Burschenschaften“, „Landsmannschaften“ und „Turnerschaften“ bekämpft. Der Streit entzündete sich daran, dass die KDStV Sugambria Jena (heute: zu Göttingen) anfing, in Jena Farben zu tragen. Ihr wurde – was wohl? – „Ultramontanismus“ vorgeworfen.

Franz Egon Rode von der Burschenschaft Allemannia Heidelberg, der Leiter von Archiv und Bücherei der deutschen Burschenschaften, schrieb 2018 in seiner Dissertation „Die Universitätsburschenschaften im Kaiserreich (1871-1918)“:

Der akademische Kulturkampf war in erster Linie ein Konflikt um die Deutungshoheit über die universitäre Ordnung. Die wachsende, in schlagkräftigen Korporationen sich organisierende katholische Minderheit forderte das kulturprotestantische Modell der voraussetzungsfreien Universität, als dessen Wahrer sich auch die überwiegend protestantischen Burschenschaften verstanden, heraus.

Die Aufnahme des Vaterlandsprinzips „patria“ stammt aus dieser Zeit:

Von der Forschung wird der Kampf gegen die konfessionellen Verbindungen als ein Indiz für den grundlegenden Wandel der politischen Grundeinstellung der Studentenschaft „von einem nationalen Liberalismus in einen illiberalen Nationalismus“ angesehen. Schon die damaligen Gegner wiesen auf die inneren Widersprüche der Bewegung hin, die einerseits die akademische Freiheit vehement verteidigte, andererseits aber die katholischen Verbindungen mit allen zu Gebote stehenden Mitteln unterdrücken wollte. Für die Kulturkämpfer existierte dieser Widerspruch nicht, denn auch sie nahmen für sich in Anspruch, den Liberalismus zu verteidigen. Das Vorgehen gegen die katholischen Korporationen war aus dieser Perspektive legitim, weil es sich um rasch expandierende antiliberale Kampfbünde handele, die danach strebten, die akademische Lern-, Lehr- und Lebensfreiheit auszuhöhlen.

Das war im Ganzen verzerrt und überzogen wahrgenommen. Jedoch beruhten die Vorbehalte gegenüber den katholischen Verbindungen nicht auf bloßen Vorurteilen, sondern waren durchaus handfest begründet – die Nähe der Katholiken zum Zentrum, das aus den katholischen Verbindungen seine Funktionselite rekrutierte, war greifbar, ebenso wie die Feindschaft des Katholizismus gegen die schlagenden Verbindungen. Die Aufnahme des Vaterlandsprinzips und die zunehmende Distanzierung vom politischen Katholizismus waren letztlich der Preis, den die katholischen Verbindungen für ihre Duldung im Korporationsspektrum zu entrichten hatten.

Akademischer Burgfrieden im Weltkrieg

Dann kam der Erste Weltkrieg und Kaiser Wilhelm II., Mitglied des Corps Borussia Bonn, hielt seine Burgfriedensrede:

Ich kenne keine Parteien mehr, ich kenne nur noch Deutsche! Zum Zeichen dessen, dass Sie fest entschlossen sind, ohne Parteiunterschied, ohne Stammesunterschied, ohne Konfessionsunterschied durchzuhalten mit mir durch dick und dünn, durch Not und Tod zu gehen, fordere ich die Vorstände der Parteien auf, vorzutreten und mir das in die Hand zu geloben.

Die folgende Zustimmung der SPD zu den Kriegskrediten gilt als Sündenfall der Sozialdemokratie. Und es war der Beginn des Spaltungsprozesses, an dessen Ende 1916 die USPD-Gründung stand. Der Kampf gegen die Kriegspolitik wurde in der SPD von Karl Liebknecht, Hugo Haase, Georg Ledebour und anderen geführt. Ihr zentraler innerparteilicher Gegner und Wortführer der Mehrheitsfraktion der Sozialdemokraten war Eduard David, „Alter Herr“ der Burschenschaft Arminia Gießen, heute Turnerschaft Philippina-Saxonia Marburg, und der Burschenschaft Neogermania Berlin, heute Burschenschaft Germania Bonn.

In seiner Dissertation „Waffenstudenten – Studenten im Ersten Weltkrieg“ beschäftigte sich 2007 der BILD-Journalist und ehemalige CC-Pressesprecher Frank Klauss, „Alter Herr“ der Turnerschaft Munichia Bayreuth und Landsmannschaft Gottinga Göttingen im Coburger Convent, mit Akten von Universitätsarchiven, Periodika von studentischen Verbindungen und Feldpostbriefen von Studenten. Zum Thema „Innere Feinde“ schrieb Klauss:

An dieser Stelle sollten Ausführungen zum Feindbild der Studenten gegenüber so genannten inneren Feinde, wie Sozialisten, Juden oder Katholiken, also Bevölkerungsgruppen, die im Ruch der Unloyalität zum Vaterland standen, erfolgen. Doch zu meiner Überraschung fanden sich keinerlei solche Bemerkungen in den untersuchten Briefen. Weder Sozialdemokraten, noch Juden oder Katholiken in Deutschland wurden in den Briefen Zielscheibe für Angriffe und Diffamierungen, wohl aber schon das ein oder andere Mal in anderen Ländern, wie bereits gezeigt gegenüber den Ostjuden oder katholischen Polen. Insofern funktionierte der Burgfriede innerhalb der Studentenschaft an der Front oder aber dies waren Probleme, die ihnen so fern wie die Heimat selbst waren.

Große Teile der männlichen, deutschen Verbindungsstudenten zogen freiwillig in den Krieg:

Nicht von einer Kriegsbegeisterung, sondern von einem patriotischen Enthusiasmus waren die Studierenden getragen. Unterstützt wurde dieser Eifer, für das Vaterland in den Krieg zu ziehen, durch zahlreiche Reden und Aufrufe aus dem akademischen Umfeld, den Universitäten und studentischen Vereinigungen. Die Hochschüler spürten auch durch diese Appelle einen gesellschaftlichen und moralischen Druck auf sich lasten, sich freiwillig zu melden.

Die Hochschullehrer und Alten Herren der Korporationen wurden nicht müde, die jungen angehenden Akademiker dieser Pflicht zu gemahnen. Die etablierten Mitglieder des Bildungsbürgertums wiesen dem Nachwuchs den Weg in den Krieg. Dabei gaben sie ihnen auch das nötige ideologische Rüstzeug mit auf den Weg. Vielfach dienten die Aufrufe der Alten Herren und der Professoren nämlich nicht der Ermahnung der Studierenden, sich freiwillig zu den Waffen zu melden, sondern sie nutzten ebenfalls die große Aufmerksamkeit zur patriotischen Selbstdarstellung und Wiederbeschwörung nationaler Ideale.

Die meisten Studenten bedurften dieser Aufmunterung nicht, denn sie hatten diese Lektion bereits in Schule, Universität und Korporation verinnerlicht. Sie hatten sich bereits vor den Aufrufen selbst mobilisiert und strömten in großen Scharen zu den Fahnen. Nicht aufgenommen zu werden, wurde als Schande empfunden. So blieben lediglich die kriegsuntauglichen und die weiblichen Studierenden zurück, worauf sich die Hörsäle leerten und an manchen Hochschulen sogar weniger als ein Drittel der Studentenschaft zurück blieb.

Der Krieg brachte in den Augen der Studenten eine einmalige Gelegenheit, die ritterlichen Werte des Korporationswesens ausleben zu können. So ergriffen die Studenten das Schwert, und benutzten nicht das Bild des Gewehrs, das angesichts der Technologie des Krieges angebracht gewesen wäre.

Die katholischen Verbindungsstudenten hatten nicht nur vor dem Krieg das Vaterlandsprinzip akzeptiert, sondern sich im Weltkrieg in den Augen der „Waffenstudenten“ als „Kameraden“ erwiesen, wenn sie auch nicht fechten wollten. Dies ebnete Anfang der 1920er Jahre den Weg zum „Erlanger Verbände- und Ehrenabkommen“ und der Einführung von „Schiedsgerichten“. So wurden Ehrstreitigkeiten zwischen schlagenden und nichtschlagenden Korporationen schließlich reguliert. Die katholischen Verbindungen wurden dadurch von den anderen Verbänden de facto anerkannt.

Oder wie es Tobias Kappus von der AV Guestfalia Tübingen und der KDStV Arminia Heidelberg Ende Januar 2024 in einer Diskussion zum Thema „Couleur tragen auf Demonstration“ in der „privaten“ Facebook-Gruppe „TramiZehVau“ formulierte:

Das Patria-Prinzip, das uns als Bekenntnis zum Kaiserreich aufgezwungen wurde?

Ein Traktat gegen den Zeitgeist

Am 1. August 2023 begann die Amtszeit des „Vororts Berlin“ im Cartellverband. Ein „Vorort“ ist eine Anzahl „Aktiver“ von CV-Verbindungen in einer Stadt oder einer Region. Sie repräsentieren den „aktiven“ Teil des CV, die noch nicht philistrierten Studenten und Doktoranden. Die Strukturen des Cartellverbands sind in der Verfassung des CV festgelegt.

Der „Vorort Berlin 2023/24“ besteht aus dem „Vorortpräsidenten“ Thomas Wöstmann von der KDStV Borusso-Saxonia Berlin, dem 1. Stellvertreter und „Auslandsreferenten“ Roman Zhdanov von der KDStV Moeno-Franconia Frankfurt am Main, der KDStV Bavaria Berlin und der KDStV Asgard (Düsseldorf) Köln, dem 2. Stellvertreter und „Referenten für Glaube und Kirche“ Yannick Schmitz von der KAV Suevia Berlin, dem „Referenten für Öffentlichkeitsarbeit“ Moritz Leibinger von der KAV Suevia Berlin, dem „Hochschulpolitischen Referenten“ Erik Schreiner von der KDStV Alemannia Greifswald und Münster und der KDStV Borusso-Saxonia Berlin, dem „Organisationsreferenten“ Patrick Klein von der KDStV Borusso-Saxonia Berlin und dem „Haushaltsreferenten“ Johannes Harnick von der KDStV Borusso-Saxonia Berlin.

Die Verbindung des „Vorortpräsidenten“ Thomas Wöstmann jubilierte. Der „Philistersenior“, in anderen Dachverbänden der „Altherrenvorsitzende“, der Katholische Deutsche Studentenverbindung Borusso-Saxonia im CV zu Berlin Sebastian Kießig schrieb in seinem Rundbrief am „Hochfest Mariä Himmelfahrt“ an die „lieben Bundesbrüder“:

Seit 01. August 2023 : Wir sind Vorort!

Außerdem verschickte Wöstmann „eine programmatische Denkschrift des neuen Berliner Vorortes“, die am 15. August 2023 veröffentlicht und von den angehenden Jungakademikern hochtrabend „Memorandum Romanum“ getauft wurde.

Nicht jede PR ist gute PR

Der Text ist selbst für katholische Kreise extrem reaktionär. Geprägt vom Sündenpfuhl Berlin weinen die Katholiken der guten alten Zeit hinterher:

Dies sind die Zeiten, in denen wir leben. Eine Ära des als Liberalität getarnten Relativismus, in der die grassierende Dekadenz jegliche Formen der Demut und Sittlichkeit zersetzt. Als Berliner Vorortspräsidium spüren wir jene Dekadenz in der bundesdeutschen Hauptstadt ganz besonders stark und begegnen ihren Auswüchsen Tag für Tag.

Die Reaktionen ließen nicht lange auf sich warten und sie waren vernichtend. Am 27. August 2023 schickten Raphael Jünemann, Burkhard Rausch, Philipp Schulze, Thorsten Nahrgang, Adrian Fieting, Tobias Fieting, Markus Walther, Roman Palmen und Fridolin Fiechter eine Kritik über den internen Mailverteiler der Borusso-Saxonia:

Liebe Bundesbrüder,

in der jüngsten Vergangenheit wurde innerhalb des CV die Öffnung des Verbands gegenüber nicht der Katholischen Kirche angehörigen Mitgliedern diskutiert. Obwohl diese Forderung bislang nur von einer Minderheit getragen wird und entsprechende Anträge abgelehnt wurden, fehlt es bislang an einer konkreten Stellungnahme des CV. Besonders betrifft dies Cartellbrüder, die aus der Kirche austreten. Häufig herrscht in den Verbindungen Unsicherheit ob möglicher Konsequenzen durch den Dachverband, falls diese Cartellbrüder im Bund verbleiben. Es gibt Fälle, in denen die Betreffenden aus ihrer Verbindung präventiv austreten, um mögliche Sanktionen zu verhindern, obwohl sie sich noch mit ihr verbunden fühlen. Hier möchte das „Memorandum Romanum“ unserer Lesart nach primär ansetzen.

Aus unserer Sicht ist dies ein berechtigtes Anliegen und die diesbezügliche Aussage des Memorandums unterstützenswert: „[Die] Taufe ist unwiderruflich und wird vom Austritt nicht berührt. Die CV-Verbindungen sollen selbst entscheiden, wie sie mit Kirchenaustritten verfahren wollen“.

In der Folge verfängt sich das Schreiben jedoch in Ausführungen, die neben reiner Polemik aus unserer Sicht untragbar und eines Akademikerverbandes mit Geltungsanspruch in einem aufgeklärten 21. Jahrhundert unwürdig sind.

Mit dem Memorandum Romanum hat der Berliner Vorort in epischer Länge seine Positionen zu Kirche und Glaube dargelegt, in Teilen auch mit Bezug zum Cartellverband. Bei aller Liebe zu Pathos und der Stilistik vergangener Jahrhunderte ist das Machwerk neben seinem/r etwas anmaßenden Ausmaß und Aufmachung nur schwer erträglich polemisch. Damit ist es ungewollt gleichsam Symptom und Teil der Ursache, warum der CV Nachwuchssorgen hat und haben sollte.

Es heißt darin u.a. „Sämtliche Institutionen, die auf Werte und eine tiefere Sehnsucht bauen, verlieren mit einer zu drastischen Öffnung ihre Identität und damit auch ihre Attraktivität, Sichtbarkeit und ihr Vermögen, jene Werte zum Glänzen zu bringen.“ (S. 4)

„Eine nicht-katholische Geisteshaltung bzw. Spiritualität hat im schlechtesten Sinne daher das schrittweise Entledigen von jenen tradierten Überzeugungen aus der Offenbarung des Glaubens, im Zuge des wissenschaftlichen Erkenntnisgewinns und der zunehmenden Technisierung und Säkularisierung, zur Folge. Ihr ist die Selbstauflösung inhärent und der Untergang vorbestimmt.“ (S. 6)

Die Bundes- und Cartellbrüder verkennen dabei, dass eine grundsätzliche Aufgeschlossenheit gegenüber anderen Lebens- und Gewissensrealitäten nicht zwangsläufig in völliger Selbstaufgabe münden muss. Und vielleicht sind „Werte“ (oder mit Steuerpflichten garnierte Zugehörigkeiten), die im Angesicht einer aufgeklärten Gesellschaft nicht bestehen können, ohne sich in hermetischen, romantisch verklärten Echokammern stets selbst zu erhöhen, überhaupt nicht so attraktiv und glanzvoll, wie man sich in ausufernden Festschriften gegenseitig versichert. Anderen Geisteshaltungen die Vorbestimmung zu Selbstauflösung und Untergang zu prophezeien, ist da lächerlich bis böswillig.

Vor diesem Hintergrund die Freiheit von Forschung und Lehre als von „radikal-politisch linker Seite“ bedroht zu betrachten (wohl hauptsächlich, weil sie nicht mit der Lehre der Kirche übereinstimmt), wirkt bestenfalls ironisch.

Das anschließende Allerlei an fundamentalistischen Ausführungen und Belehrungen zu einer tagesfüllenden Auslebung des Glaubens zeigt, wohin selbstreferenzielle Auslegungs-„Wissenschaften“ führen können und sollte in seiner inhaltlichen Bewertung Cartellversammlungen und Philistern mit viel Tagesfreizeit überlassen werden.

Grundsätzlich begrüßenswert ist die Erkenntnis, dass eine Mitgliedschaft im CV bzw. einer seiner Verbindungen in einer säkularen Gesellschaft nicht zwangsläufig mit der Pflicht zum Verbleib in der Katholischen Kirche verbunden sein muss.

Nach allgemeiner Stilkritik und einer möglicherweise nicht mehrheitsfähigen Perspektive darauf, wie Kirche und Glaube sind und sein sollten, ist das Erschreckendste an dem Machwerk die Relativierung des massenhaften und vertuschten Missbrauchs innerhalb der Katholischen Kirche (S. 18 ff.).

Die Einkleidung in Whataboutism (Aber die Nicht-Kleriker! Aber die Protestanten! Aber die Individuen! Aber die Gesamtgesellschaft!) ist beschönigend, irreführend und zynisch; der Umgang mit Statistiken geradezu scientia-feindlich.

Der Umgang bzw. die bestmögliche Vermeidung des Umgangs der Katholischen Kirche mit Missbrauch und sexualisierter Gewalt durch ihre Organe ist beschämend und sollte jedem Katholiken zu denken geben – so er denn aus seiner Katholizität neben der bloßen Zugehörigkeit zu einem (qua verständlicher Schrumpfung) exklusiven Kreis auch ein Wertegerüst ableitet.

Auch die ewiggestrige und den Untergang des „christlichen Abendlandes“ heraufbeschwörende Haltung zum angeblich einzig richtigen Verständnis von Ehe und Familie sowie die Herabsetzung alternativer Lebensentwürfe als nicht über einen „gemeinsame[n] Kühlschrank“ (S. 27) hinaus sinnhaft und -stiftend ist in einer aufgeklärten und halbwegs säkularen Gesellschaft hoffnungslos veraltet und schlichtweg beleidigend für einen erheblichen Teil der Bevölkerung. Hier ist von libertas und caritas wenig zu spüren.

Ebenfalls unangebracht sind die Entgleisungen zur protestantischen Kirche.

Die Wehklage angesichts einer angeblichen Dekadenz, die „jegliche Formen der Demut und Sittlichkeit zersetz[e]“, ist schlicht peinlich und könnte in Verbindung mit dem Folgenden zu „Untreue und Unkeuschheit, Ochlokratie und Korruption, Gotteslästerung und Götzendienst“ verbatim auch aus den Hasspredigten der Kleriker anderer Kulturkreise stammen, über die sich in Anbetracht des ach so zivilisierten „christlichen Abendlandes“ gern erhöht wird.

Von den weltanschaulichen Punkten des Memorandums und seiner Tonalität sollte man sich daher entschieden distanzieren und hoffen, dass diese nicht wesensbestimmend für den Berliner Vorort sein werden. Anderenfalls wäre die traurige Konsequenz, dass der CV-Vorort aus der Hauptstadt, die im Memorandum als Hort der Dekadenz diffamiert, im Rest der Welt jedoch gerade für ihre Offenheit geschätzt wird, vor allem dafür in Erinnerung bliebe, dem CV einen erzkonservativen, ewiggestrigen und frömmelnden Stempel aufzudrücken. Dies wird auch nicht zu einer heilsamen Besinnung auf das Wesentliche führen, sondern dazu, dass eine Mitgliedschaft im Cartellverband für viele junge Studenten des 21. Jahrhunderts nicht in Frage kommt.

Gänzlich unangebracht ist daher auch die Freude über die Resonanz in rechts-katholischen Presse-Erzeugnissen – Nicht jede PR ist gute PR und wir können froh sein, wenn die breitere Presse das Memorandum nicht en detail ausbreitet.

Mit bundesbrüderlichen Grüßen

Raphael Jünemann GrL! B-S!
Burkhard Rausch B-S!
Philipp Schulze Fl! Cp! B-S!
Thorsten Nahrgang B-S!
Adrian Fieting R-S! B-S!
Tobias Fieting B-S!
Markus Walther Bs! B-S!
Roman Palmen Ctr! B-S!
Fridolin Fiechter B-S!

Auch die Verbandsspitze meldete sich bereits kurz nach der Veröffentlichung des „Memorandum Romanums“ verbandsintern zu Wort. Und zwar am 24. August 2023 in Form einer gemeinsamen Stellungnahme des Vorsitzenden im CV-Rat, Claus-Michael Lommer von der KDStV Rheno-Baltia Köln, der KDStV Teutonia Freiburg im Üechtland, der KDStV Gothia Erlangen und der KAV Capitolina Rom sowie der CV-Bundesseelsorger Peter Schallenberg von der KAV Capitolina Rom, der KDStV Bergland (Freiberg) Aachen, der KDStV Guestfalo-Silesia Paderborn, der KDStV Norbertina Magdeburg und der KDStV Sauerlandia Münster. Außerdem ist Schallenberg „Philister“ in der Katholischen akademischen Verbindung Norica Wien im Österreichischen Cartellverband. Anders als bei anderen Dachverbänden wie der DB oder dem CC sind der CV und der ÖCV getrennte Organisationen. Klarer hätte eine Distanzierung kaum ausfallen können.

Koblenz, den 24. August 2023

Das Präsidium des Berliner Vorortes 2023 /2024 hat am 15. August 2023 das Memorandum Romanum, Römische Denkschrift zu den aktuellen Angelegenheiten des Glaubens und der Kirche, anlässlich der Amtsübernahme des Berliner Vorortes 2023/24 veröffentlicht.

Als Vorsitzender im CV-Rat, dem obersten Leitungsgremium des Cartellverbandes der katholischen deutschen Studentenverbindungen, und CV-Seelsorger stellen wir fest, dass dieser Text eine Ausarbeitung des Vorortes ist, und nicht ein Positionspapier der Verbandsleitung.

Der Cartellverband der katholischen deutschen Studentenverbindungen ist geprägt durch seine vier Prinzipien Religio, Scientia, Amicitia und Patria und den damit verbundenem Werten. Als nichtschlagende, farbentragende Verbindungen stehen wir fest zum katholischen Glauben und zur römisch-katholischen Kirche.

Es ist zu begrüßen, dass sich der Berliner Vorort mit dem Katholizitätsprinzip, dem Alleinstellungsmerkmal des Cartellverbandes und seiner 125 Verbindungen, befasst. Grundsätzlich ist auch der Appell zu begrüßen, dass sich die Verbindungen und ihre Mitglieder Gedanken dazu machen sollen, wie es bei ihnen um das Prinzip Religio bestellt ist. Aber die vorliegende Fassung hat bei Cartell- und Bundesbrüdern zu Irritation, Unverständnis und Sorge um das Ansehen des Cartellverbandes in der öffentlichen Wahrnehmung geführt. Es ist kein knackiges Positionspapier des Vorortes zu dem Grundprinzip Religio und zu Glaube und Kirche, sondern ein ausuferndes, pathetisch formuliertes, belehrendes und teilweise auch polemisches Schreiben aus jugendlicher Feder.

Es kann nicht Gegenstand eines Positionspapieres sein, kirchenrechtliche Aspekte zum Austritt aus der deutschen Amtskirche en détail darzustellen. Wobei hier sicher über die Einordnung in Schisma, Häresie und Apostasie zu diskutieren sein wird. Auch ist es nicht der rechte Ort, über die komplexen Auswirkungen des Vaticanum II und die daraus folgende Liturgiereform, moderne Gottesdienstformen, sowie Sinn und Zweck und Durchführung des Synodalen Weges zu urteilen.

Es ist lobenswert, für die Freiheit von Forschung und Lehre einzutreten, aber unredlich, dann eben diese Wissenschaften, und vor allen Dingen denen, die sie betreiben, vorzuwerfen, für die Dekonstruktion der Heilsbotschaft verantwortlich zu sein, weil die wissenschaftlichen Ergebnisse nicht deckungsgleich zur kirchlichen Lehrmeinung sind. Naturwissenschaftliche, biologische, medizinische Erkenntnisse sollten auch in der Kirche zur Kenntnis genommen werden, schließen aber den Glauben der Wissenschaftler nicht aus.

Die Gedanken zu den gläubigen Protestanten und zur Position der protestantischen Kirche in Staat und Politik sind herabsetzend und fehl am Platze. Für unsere Cartell- und Bundesbrüder, die in ihren Pfarreien in ökumenischen Arbeitskreisen arbeiten, wird durch diese Positionierung ihr Auftrag aus dem Vaticanum II nicht einfacher.

Die Denkschrift enthält positive und zielführende Gedanken, die in den Verbindungen, den Regionaltagen und der Cartellversammlung zu diskutieren sein werden. Diese Gedanken, sollten aber klar und deutlich in kurzer Form herausgearbeitet werden. Die derzeitige Fassung lässt den Verband und seine Verbindungen für die Außenwelt als erzkonservativen, der heutigen Zeit und ihren Herausforderungen abgewandten Verein erscheinen.
Genau das ist der Cartellverband der katholischen deutschen Studentenverbindungen nicht!

Wir empfehlen eine wesentliche Kürzung der Ausführungen auf die wesentlichen Ziele des Vorortes, das Nutzen einer guten deutschen Sprache ohne Ausflüge in die Wortwelt des 19. Jahrhunderts und pathetischer Formulierungen. Die Berücksichtigung der Tatsache, dass im Cartellverband die Bandbreite des katholischen Glaubens und seiner Ausübung wesentlich breiter ist und bleiben soll, als in diesem Memorandum Romanum dargestellt und gefordert, ist unbedingt geboten. Eine theologische Glaubenswahrheit ist nicht einfach eine mathematische Wahrheit, die kurzschlüssig abgelesen werden kann. Eine theologische Wahrheit ist immer eine Sinnwahrheit, die im Dialog und synodal unter gemeinsamen Mühen um die Gabe des Heiligen Geistes erhoben wird.

Berücksichtigen wir bei der Lektüre, dass diesen umfangreichen und komplizierten Text engagierte Studenten, die in großen Teilen der Thematik Laien sind, formuliert haben. Insofern ist der Text wohl gemeint, aber die Präsentation ihrer Gedanken, die sich auf das Wesentliche konzentrieren sollte, ist neu zu gestalten. Diskutieren sollten wir die reinen Inhalte ohne das ausufernde Beiwerk teilweiser persönlicher Kommentierungen und Bewertungen schon.

Mit cartell- und bundesbrüderlichen Grüßen

Dr. Claus-M. Lommer (R-Bl, Tt, GEl, Cp)

Prof.Dr. Peter Schallenberg (Cp, Ber, G-S, Nor, Nc, Sd)

Dem Vorort eine Gardinenpredigt

Nach der Eröffnung wurde die Debatte um das „Memorandum Romanum“ (nicht nur) innerhalb der KDStV Borusso-Saxonia Berlin kurzzeitig intensiv geführt. Zum Beispiel von Andreas Korbmacher, der zudem gerade „Philistersenior“ der KDStV Germania Leipzig und als Richter Präsident des Bundesverwaltungsgerichts in Leipzig. Korbmacher machte seinem Ärger innerhalb der Borusso-Saxonia am 18. September 2023 Luft:

Liebe Bundesbrüder,

zurückgekehrt von einem sehr gelungenen Bosa-Herbsttreffen mit vielen guten Gespräche und Begegnungen mit Bundesbrüdern fühle ich mich wieder motiviert, zu der Denkschrift des Berliner Vororts und der Replik hierauf Stellung zu nehmen. Um es kurz und bündig zu sagen: Ich bin den neun Bundesbrüdern, die sich der Mühe unterzogen haben, diese sog. Denkschrift in ganzer Länge wirklich zu lesen und hierauf inhaltlich einzugehen, unendlich dankbar dafür. Ich schließe mich vollinhaltlich ihren Ausführungen an unterschreibe jedes Wort ihrer Kritik, auch in der darin zum Ausdruck kommenden Schärfe. Ich will diese Ausführungen nur noch um einen weiteren Kritikpunkt ergänzen und darauf hinweisen, dass es von einer ungeheuren Hybris zeugt, wenn man eine Denkschrift im Stil eines päpstlichen Rundschreibens an die Weltkirche (teilweise) auch auf Latein veröffentlicht.

Was mich im Nachgang zu dem Schreiben der neun Bundesbrüder irritiert, ist die Tatsache, dass der Voror trotz dieser fundierten und auch scharfen Kritik bisher überhaupt nicht reagiert hat. Sicher, der Vorort spricht für sich und nicht für die Bosa, und veröffentlicht den Text in seinem Namen. Tatsache ist aber auch, dass es der „Berliner Vorort“ unter Leitung eines Borusso-Saxonen ist. Daher hätte es dem Vorort gut angestanden, sich vor der Veröffentlichung in der Verbindung rückzuversichern, ob man auf dem richtigen Weg ist. Dafür haben wir einen Lebensbund und ich bin mir sicher, die Denkschrift wäre so nie rausgegangen, wenn es eine Diskussion darüber gegeben hätte. Der Vorort ist meines Achtens aber auch in der Pflicht zumindest im Nachhinein Stellung zu nehmen. Es gibt im Übrigen einen schnellen und klaren Weg, wie man diesen programmatischen Gau lösen kann: Der Vorort zieht diese sog. Denkschrift ohne wenn und aber zurück und kommuniziert das im CV in gleicher Weise, wie er die Denkschrift verteilt hat.

Ich hätte zudem erwartet, dass der Altherren-Senior sich zu dieser causa positioniert und an die Bundesbrüder schreibt, was er davon hält und zu tun gedenkt. Ich kündige jedenfalls an, auf dem nächten CC einen entsprechenden Tagesordnungspunkt einzufordern und einen Antrag zu stellen, der sich klar von diesem Schreiben distanziert und den Vorort auffordert, es zurückzuziehen. Das alles ist nicht schön, und ich habe mir den Start des Berliner Vorortjahrs mit unserem 125. Stiftungsfest sicher ganz anders vorgestellt. Der völlige programmatische Fehlstart des Vororts ist aber nun in der Welt und wir müssen sehen, wie wir den Schaden für alle möglichst gering halten. Ich bin mir sicher, dass uns das gelingen kann.

Mit bundesbrüderlichen Grüßen

Andreas Korbmacher B-S ! GrL! (Phil-X)

Noch am gleichen Tag steuerte Martin Nussbaumer einen Kurzvortrag für angehende Führungskräfte bei und forderte die Borusso-Saxonia dazu auf, „die Reihen zu schließen“:

Lieber Andreas, liebe Bundesbrüder,

eigentlich wollte ich mich zur Causa nicht äußern, im Sinne eines „lessons learned“ möchte ich aber für aktuelle und künftige Führungskräfte noch folgende Punkte aufzeigen:

Wenn man neu in eine Führungsposition – in diesem Fall den Vorort – berufen wird, wird nicht unmittelbar und auf gut Glück gehandelt. Es gilt zuallererst die Lage zu evaluieren, zuzuhören, und Multiplikatoren oder Distraktoren (im Falle des Vororts im Sinne von Cartellbrüdern und deren Themen und Meinungen) zu identifizieren. Erst wenn man „angekommen“ ist, werden Aktionen gesetzt. Ich kann nur jedem Bundesbruder, der vor einer ersten oder einer weiteren Führungsaufgabe steht, das Standardwerk „Die entscheidenden 90 Tage“ von Michael Watkins wärmstens ans Herz legen. Berücksichtigt man Punkt 1 nämlich nicht, gibt man mit einem Rundschreiben „ins blaue hinein“ das Heft des Handelns aus der Hand. Konkret wird es nämlich nun so sein, dass egal zu welchem Thema man eine Veranstaltung im Cartell plant, man immer wieder auf das Thema Römisches Memorandum angesprochen wird – ob man möchte oder nicht. Man versetzt sich damit völlig unnötig in eine passive Rolle und ist permanent angreifbar.

Unabhängig vom wenig strategischen Vorgehen kommt auch noch ein unnötiges inhaltliches Vorgehen – wie von Andreas angesprochen – hinzu. Mit einer lateinischen Einleitung suggeriert man dem erstaunten Leser eine besondere intellektuelle Dimension des darauf folgenden Textes, welchem Anspruch man in der Folge dann selbst genügen muss. Die Wahrscheinlichkeit, dass dies nicht gelingt, ist enorm hoch, und aus meiner Sicht dem Verfasser auch umfassend „gelungen“. Es ist fast so, als ginge es darum, über einen Stock zu springen, und man hält diesen für alle Beobachter sichtbar auf eigene Augenhöhe, nur um dann den Sprung erwartungsgemäß nicht zu schaffen. Der einfach gestrickte, geradlinige Mensch lässt den Stock am Boden liegen, schreitet locker darüber hinweg und erzielt das bestmögliche Arbeitsergebnis.

Bei allen Anlaufschwierigkeiten ist es dennoch nicht zu spät nun die richtigen Aktionen zu setzen (das Semester hat noch nicht begonnen); jetzt gilt es aber für alle sichtbar Führungsstärke zu zeigen, die Reihen zu schließen, und eine schlüssige Erklärung für alle staunenden Beobachter in nah und fern zu liefern.

Beste bbrbbr. Grüße und viel Erfolg!

Martin Nussbaumer B-S! Alb!

Auch Markus Sarnowski war nicht begeistert, aber immerhin sendet er am 20. September 2023 geradezu prophetisch liebe Grüße „an alle, die das lesen“:

Liebe Bundesbrüder

Wie Andreas Korbmacher und viele andere Bundesbrüder, allen voran Rafael Jünemann, der sich die Mühe gemacht hat, weitreichende Bedenken gegenüber der Denkschrift des Vororts zu formulieren, kann auch ich die Denkschrift allenfalls als Anregung zur Diskussion verstehen, obwohl sie in Form und Inhalt eher einem Dogma gleicht. Einzig auf Seite 8 (von 30) kann man nachlesen, was das Ziel des Vororts sein soll: ~Nicht-Katholiken (bis auf marginale Ausnahmen) dürfen nicht aufgenommen werden und aus der katholischen Kirche ausgetretene Cartellbrüder können, sofern es die Urverbindungen erlauben, in der Verbindung und im CV bleiben.

Alles andere sind aus meiner Sicht pseudo-theologische Abhandlungen über „Gott und die Weltkirche“. Nur an einigen wenigen Stellen wird deutlich, dass es die Besonderheit der deutschen katholischen Amtskirche ist, die ihre Einnahmen aus der vom Staat eingezogenen Kirchensteuer erhält, die wiederum aus einer Erklärung gegenüber dem Finanzamt resultiert. Der Widerruf dieser Erklärung (vor einem Amtsgericht) wird als öffentlicher Austritt aus der Kirche dargestellt, der gleichzusetzen ist mit dem Verlust an Glauben und katholischem Leben. Im Umkehrschluss müssten alle Katholiken der Welt, die keine deutsche Kirchensteuer zahlen, vom Glauben und vom katholischem Leben ausgeschlossen sein? Die Taufe ist der Bund, der die Gemeinschaft der Katholische Kirche begründet, nicht die vom Staat für die Kirchen erhobene Kirchensteuer.

Ich wünschte, dass ich auch als Katholik, der keine Kirchensteuer zahlt, weiter in die Messe gehen und die Sakramente empfangen darf und der Gemeinde angehören kann, der ich mich verbunden fühle. Denn ich glaube an den einen Gott und die allein seelig machende katholische Kirche! Dies sollte das Credo unseres Vororts sein, oder?

Liebe Grüße an alle, die das lesen
Euer Bundesbruder
Markus Sarnowski B-S!

„Bundesbruder“ Martin Anders beichtete am 20. September 2023, dass er in dem „Vorort“-Text „überhaupt nicht weit gekommen“ sei:

Liebe Bundesbrüder,

ich habe schon vor 3 Wochen den Gegenschrift verfassenden BbrBbr meine Meinung zukommen lassen.
Ich habe das an diese direkt gemacht, da ich im BOSA-ORG mich nicht getraut habe es zu tun. Da fehlt es mir an Rhetorik, geschliffener Sprache … na , Ihr kennt das ja.

Eins vorweg:

Ich habe mich gewundert, dass eine offene Kritik am Memorandum völlig ausgeblieben ist, weder positiv, noch negativ. Aber dann kamst Du, lieber Bbr. Andreas, und anschließend auch die anderen, und ich wurde zusätzlich im persönlichen Gespräch dazu ermuntert, mein Schreiben auch allen kund zu tun. Ich komme dem nun nachträglich nach.

Hier das Schreiben vom 31.8.2023

Liebe unterzeichnenden Bundesbrüder,

Euch allen gilt großer Dank für die Mühe und die Zeit (31 Seiten ! das erst mal lesen, verstehen und dann auch noch zu verarbeiten) sich dieses Memorandums inhaltlich an zu nehmen.

Ich habe durch Euch aufmerksam gemacht dieses Schreiben versucht durchzulesen. Ich habe keine Gewissensbisse wenn ich sage, da bin ich überhaupt nicht weit gekommen. Wenn der Kampf gegen ein immer stärker werdendes Widerstreben größer wird als die Kraft, die man braucht, um ein solches Schreiben zu lesen, dann stimmt da inhaltlich, wie auch stilistisch nur noch herzlich wenig.

Ich kann Euch zu Eurer Gegendenkschrift nur gratulieren und beipflichten – in allen Punkten.

Ich weiss auch nicht, was dieser Schmuh mit dem geschwollenen, abgehobenen Gerede soll. 2008-2021 habe ich in der katholischen Gemeinde in Schlachtensee eine sehr erfolgreiche „Kinderkirche“ aufgebaut, neue Kathecheten rekrutiert, später begleitend in dem gebildeten Team mitgemacht. Diese Einrichtung existiert auch nach meinem Weggang aus dieser Gemeinde heute immer noch.

Seit diesem Jahr baue ich (66 Jahre alt) in St. Ansgar (Hansaplatz) wieder eine „Kinderkirche“ auf. Ich stehe also nicht nur mit den kleinen „Zwackels“ in Kontakt, sondern gerade auch mit dem Eltern. Wenn ich denen mit so einer abgehobenen Sprache wie in dem Memorandum gekommen wäre, wäre nach 1 Monat schon Schluß gewesen.

Hier war die Aussendarstellung der Verfasser durch ihre „gehobene Wortwahl“ und geschliffene Rhetorik wohl wichtiger, als der Inhalt und die Glaubwürdigkeit.

(Nur ein Beispiel, und das gleich am Anfang der Schrift.)

„Eine Aushöhlung des Katholizitätsprinzips gleich welcher Art ist auf absehbare Zeit weder erfolgsversprechend noch mehrheitsfähig und daher abzulehnen.“

Ach ja? Wer hat es denn schon mal probiert, geschweige denn ernsthaft in Erwägung gezogen?
Wer hat Buch darüber geführt, wieviel Anträge von christlichen Glaubensbrüdern bei den einzelnen Verbindungen behandelt und beschieden wurden?
Wie ist die „absehbare Zeit“ definiert?
Wer maßt sich noch vor einer sachlich fundierten Diskussion an, eine Mehrheitsfähigkeit festzulegen?

Und später noch, (sinngemäß) dass durch die Glaubensvielfalt in einer Verbindung die eigenen Werte verloren gehen.
Ich denke, genau das Gegenteil ist der Fall. Sie macht den eigenen Glauben bewußter, und setzt sich auch bewußter damit auseinander. In dem gegenseitigen Respekt den unterschiedlichen Glaubensrichtungen gegenüber, werden die Gemeinsamkeiten, wie auch die Gegensätze herausgearbeitet. Und damit steigen die eigenen gelebten Werte des Glaubens in jedem einzelnen. So meine Erfahrung aus 15 Jahren intensivem Laienapostulat.

Ich will jetzt nicht noch große Vorträge halten. Ihr seid meiner Meinung nach auf dem richtigen Weg. Geht ihn weiter.

mit bundesbrüderlichen Grüßen
Martin Anders B-S!

Richard Mertens übte sich am 21. September 2023 in Pragmatismus:

Liebe Bbr.,

der Friede sei mit euch! Meine Meinung zum MR halte ich an dieser Stelle kurz: Ich hatte einen intensiven familiären Konsultationsprozess, da ich meine Frau auch um die Lektüre gebeten hatte. Ich teile viele der Kritikpunkte meiner Vorredner (nicht alle.) Nur zum Prozess, der kommunikativ mächtig schief gelaufen ist und gerade noch weiter aus dem Ruder läuft:

Der Inhalt des MR sind m.E. einige Thesen zur Haltung des CV zu diversen Punkten: Vom Umgang mit Kirchenaustritten, über Pilgerfahrten der Aktivitates, dem Abschwören des dekadenten Lebens bis zur Aufarbeitung des Missbrauchsskandals. Das ist erst einmal ziemlich viel (vermutlich auch zu viel) aber man kann doch den Inhalt dieses Papiers entlang dieser Thesen auf 2-3 PPT Folien beispielsweise in einer Tabelle zusammenfassen.
Neben der eigentlichen These sind dann in so einer tabellarischen Darstellung noch Informationen zur „Relevanz für BoSa und CV“, „Meinungsbildung innerhalb unseres Bundes notwendig ja/nein“, „Zustimmung/Ablehnung/Agree to disagree“ nötig.

Ich finde, auf so einer Basis muss man solche global-galaktischen Fragestellungen innerhalb unseres Bundes diskutieren und dann auch knallhart aussortieren, nicht zu allen Punkten braucht es eine Meinung der Verbindung.

Eigentlich hätte ich erwartet, dass etwas in dieser Art vor Veröffentlichung von Dokumenten a la MR passiert. Nun müssten wir es im Nachgang erledigen, wenn wir uns weiter damit beschäftigen wollen. Meine Erwartung wäre, dass ein strukturierter Aufarbeitungs- und Abstimmungsprozess vorbereitet wird für einen der nächsten Convente. Es sollte zeitnah aufgezeigt werden, wie wir uns eine gemeinsame Meinung bilden und die Diskussion wieder einfangen. Eine inhaltliche Diskussion über konkrete Punkte müsste dann aber in einem separaten Termin stattfinden. Ich wäre dankbar, wenn eine Remote-Beteiligung ermöglicht werden könnte.

Ich wünsche euch noch einen segensreichen Donnerstag und sende viele bbrl. Grüße
Richard B-S!

Auch Martin Kroll reihte sich am 21. September 2023 ein, allerdings auf Seiten der Kritiker:

Liebe Bundesbrüder,

den Worten von Bbr. Korbmacher ist wenig hinzuzufügen. Auch ich schließe mich vollinhaltlich der Kritik der „Neun“ an! Und auch mich stößt die ungeheure Hybris der Denkschrift im Stile eines päpstlichen Rundschreibens ab. Der Duktus der Schrift erinnert mich stark an Streitschriften der „schlauen Jungs“ (SJ), der Jesuiten als Speerspitze und Streitmacht des Vatikans. Und das, obwohl wir als Laienorganisation innerhalb der Kirche doch besonders der Ökumene verpflichtet sein sollten!

Geradezu abgestoßen haben mich die Haltung gegenüber der protestantischen Kirche und gegenüber dem Missbrauch innerhalb der katholischen Kirche. Wie kann man nur die Zahlen des Missbrauchs nahezu rechtfertigend ins Verhältnis zum Missbrauch in der Gesamtbevölkerung setzen! Hat nicht die Kirche die Aufgabe, als Wahrer der Ethik und Moral aufzutreten?!

Interessiert hätte mich sehr, wer eigentlich der Verfasser dieses „Memorandums“ ist. Eigentlich gehört es sich, den Verfasser offenzulegen, auch wenn das Chargenkollegium des Vororts in toto unter dem Schreiben aufgelistet ist.

Interessiert bin ich auch sehr daran, warum sich unser verehrter AH Senior bislang nicht zu dem „Memorandum“ und der immer größer werdenden Kritik daran äußert! Er wird doch wohl nicht der Verfasser dieses Textes sein?

Letztlich möchte ich ganz ausdrücklich unseren AH Mertens in seiner Stellungnahme unterstützen! Zu überdenken wäre, einen außerordentlichen CC mit dem einzigen Tagesordnungspunkt der Diskussion gemäß den Vorschlägen von Bbr. Mertens einzuberufen.

Mit bundesbrüderlichen Grüßen

Martin Kroll B-S!

Diese Auswahl an Reaktionen lässt erahnen, unter welchem Druck der „Vorort Berlin“ und ganz besonders der „Vorortpräsident“ Thomas Wöstmann stand. Nach dem Motto „Jeder trage sein Kreuz“ denunzierte Wöstmann am 26. September 2023 Yannick Schmitz als Haupttäter:

Liebe Bundesbrüder,

die zahlreichen Stellungnahmen und Kritiken zur Denkschrift des Vorortes haben den Vorort erreicht. Vorab möchten ich klarstellen, dass der erste Entwurf des Memorandums vom zuständigen Vorortsmitglied, Cbr. Yannick Schmitz Sv! verfasst und auf einer gemeinsamen Klausurtagung in Rom letztmalig lektoriert und vom Vorort beschlossen wurde. Auf Bitten einiger Bundebrüder möchten ich die wesentlichen Inhalte, Vorhaben und Intentionen des Memorandum Romanum in aller Kürze darlegen.

Vorab möchte ich den Einleitungstext der Denkschrift – zu finden auf der CV-Website unter dem Reiter „CV-Vorort“ – an dieser Stelle nochmals kundzutun: „Mit dem Memorandum Romanum bzw. der Römischen Denkschrift zu den aktuellen Angelegenheiten des Glaubens und der Kirche legt das Berliner Vorortspräsidium (Amtszeit 2023/24) seine Ansichten rund um das Prinzip religio dar. Ziel des Memorandums ist es, die zahlreichen Debattenbeiträge der letzten Jahre innerhalb des Cartellverbandes zu sammeln, auf der Grundlage der Ansichten des Berliner Vorortes zu reflektieren und so eine Orientierungslinie für die Zukunft zu zeichnen. Weder ist das Memorandum Romanum ein verbandspolitischer Beschluss noch eine wissenschaftliche, theologische Arbeit – es ist ein programmatisches Papier, das die Grundlage für die Haltung des Berliner Vorortes in Glaubens- und Kirchenangelegenheiten fokussiert und jene Haltung erklärt und beleuchtet. Es enthält dabei sowohl abstrakte Überlegungen zum Katholizitätsprinzip des CV als auch konkrete verbandspolitische Zielsetzungen, auf deren Umsetzung und Konkretisierung das Vorortspräsidium über die Dauer seiner Amtszeit bis hin zur 138. Cartellversammlung in Berlin hinarbeiten wird.“

Intention der Denkschrift ist die Anregung einer Diskussion im Verband über die Frage: „Wie wollen wir als CV zu Fragen der Kirche und des Glaubens stehen?“ Konkret sind hierzu bereits einige Diskussionsveranstaltungen und Projekte in Planung. Vorab möchten ich aber betonen, dass es uns nicht darum geht, den einzelnen Cartellbrüdern und Verbindungen eine bestimmte Praxis des Glaubens aufzuzwingen: Dem Vorort geht es vielmehr darum, die Verbindungen dazu anzuregen, sich Gedanken über unser Prinzip religio zu machen.

Das Memorandum Romanum selbst kündigt zwei konkrete Vorhaben an, die auf der 138. Cartellversammlung in Berlin zur Abstimmung gestellt werden sollen. Zunächst bereitet der Vorort einen Antrag vor, der sich mit der Frage beschäftigt, wie wir als CV mit Bundes- und Cartellbrüdern umgehen, die gegenüber dem Standesamt den Austritt aus der Körperschaft des öffentlichen Rechts Katholische Kirche in Deutschland erklären. Zum anderen plant der Vorort einen Antrag zur Einführung eines besonderen Mitgliedsstatus, nämlich dem sog. Kneipkatechumen.

– zum ersten Antrag:

Der Umgang mit Cartell- und Bundesbrüdern, die vor dem Standesamt ihren Austritt aus der katholischen Kirche in Deutschland erklären, ist seit jeher umstritten. Nicht zuletzt durch das „Allgemeines Dekret der Deutschen Bischofskonferenz zum Kirchenaustritt“, in Kraft getreten am 24. September 2012, wurde die Lage weiter verschärft. Die Folgen des Kirchenaustritts sind im kanonischen Recht jedoch umstritten: Während eine Ansicht an den Kirchenaustritt – wenn auch nur temporär bis zur Wiedereintrittserklärung vor dem Standesamt – auch einen Austritt aus der katholischen Kirche knüpft, sehen Andere den Kirchenaustritt als einen rein melderechtlichen Vorgang, der keinen Einfluss auf den Status eines Katholiken in der Kirche haben könne. Den Streitentscheid lässt der Vorort – sowohl im Memorandum als auch hier – offen. Der Vorort ist vielmehr der Überzeugung, dass ein Konsens auf Ebene des Verbands hierrüber kaum zu erreichen ist; er will vielmehr einen Antrag einbringen, der den Verbindungen ermöglichen soll, die Frage des Kirchenaustritts für die eigene Verbindung nach ihrem Belieben zu regeln.

– zum Kneipkatechumen:

Ebenso dringend bewegt den CV die Frage, wie man mit Studenten umgehen sollte, die noch nicht der katholischen Kirche angehören, aber dennoch Teil des Verbindungslebens sein wollen. Während sich manche Verbindungen auf den Standpunkt stellen, dass Füxe erst zur Burschung katholisch sein müssten, gibt es aber auch solche, die auf das CV-Recht, namentlich auf die Cartellordnung (CO) verweisen. Hier heißt es unmissverständlich, dass auch Füxe ordentliche Mitglieder ihrer Verbindungen sind und dementsprechend allen Prinzipien genügen müssen. Das Kneipkatechumenat soll es den Verbindungen ermöglichen, den auf dem Weg in die Kirche Befindlichen zu begleiten und ihn am Verbindungsleben teilhaben zu lassen. Die genaue Ausgestaltung, insbesondere auch die zeitlichen und inhaltlichen Grenzen des Kneipkatechumenats wird der Vorort in den kommenden Wochen ausgearbeitet.

– zu den Diskussionsthemen:

Das Memorandum Romanum versteht der Vorort als Diskussionsgrundlage über Umstände des Glaubens und der Kirche. Die wichtigsten Thesen sollen an dieser Stelle kurz vorgestellt werden:

Die Verbindungen sollten dazu angehalten werden, religiöses Leben Teil ihres Verbindungslebens werden zu lassen bzw. zu intensivieren. (z.B. durch regelmäßige Gottesdienstbesuche, Wallfahrten, etc.)

Der Vorort bereitet derzeit ein „Religio-Fuxen-Paket“ vor, das zu einem geringen Unkostenbeitrag an interessierte Verbindungen abgegeben werden soll.

Der CV sollte seine Mitgliedsverbindungen dazu anhalten, ihr Religio-Prinzip als Alleinstellungsmerkmal des CV weiter herauszustellen.

Der CV sollte sich in kirchenpolitischen Debatten, wie beispielweise in Debatten zum sog. Synodalen Weg, stärker einbringen und Position beziehen.

Der CV sollte sich weniger zu gesellschaftspolitischen Themen äußern, sondern sich auf seine beiden Kernfelder, die Hochschulpolitik und die Katholische Kirche konzentrieren.

Gesellschaftspolitisches Engagement sollte nur durch einzelne Cartell- und Bundesbrüder, aber nicht durch den CV erfolgen.

Der CV sollte Verstöße gegen die Cartellordnung, namentlich z.B. die Aufnahme von Nicht-Katholiken, sanktionieren.

– Ausblick

Weiterhin sind vom Vorort eine Studienfahrt nach Israel, eine größere hochschulpolitische Zusammenarbeit mit den hochschulpolitischen Verbänden, eine CV-interne Job- und Praktikabörse, sowieso viele weitere Veranstaltungen und Projekte geplant. Eine Kurzform der Denkschrift wird in der kommenden Academia erscheinen, die am 01.10.2023 veröffentlicht werden wird.

Liebe Bundesbrüder,

ich hoffe durch diese Stellungnahme zu einem fruchtbaren Diskussionsprozess beitragen zu können und freuen mich über Eure Anregungen!

Mit bundesbrüderlichen Grüßen

Thomas Wöstmann B-S!

Papst und Papisten gefällt das

Aber es gab auch Zuspruch für die Romtreuen aus Berlin. Und zwar vom Apostolischen Nuntius Nikola Eterović, dem Botschafter des Papstes in Deutschland. An dieser Stelle möchten wir einen weit verbreiteten Irrglauben beenden: Die katholische Kirche ist gar nicht so zurückgeblieben, wie alle denken. Ganz offensichtlich hat Nikola das Grußwort lässig auf seinem Smartphone mit Autokorrektur getippt. Oder glaubt irgendwer, ein Apostolischer Nuntius kenne nicht den Unterschied zwischen einem Salzburger Landesheiligen („Virgil“) und einer katholischen Nachtwache („Vigil“)?

Grußwort von Nuntius Eterovict zum Empfang der KAV Suevia im CV zu Berlin

Apostolische Nuntiatur, 13. Januar 2024

Verehrte Mitglieder einer KAV Suevia im CV zu Berlin,
sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Freunde!

Obwohl die Weihnachtszeit mit dem Fest der Taufe des Herrn endet, tauchen wir heute nochmals in das tiefe Geheimnis ein, das der katholische Christ oftmals täglich -ausgenommen in der Osterzeit – im Angelus-Gebet betrachtet: „Und das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt“ (Joh 1,14).

Ich grüße Sie alle herzlich, die Sie in die Apostolische Nuntiatur gekommen sind, um mit der Virgil des 12. Nacht der Weihnachtszeit gleichzeitig das neue Jahr zu begrüßen, das wir an der Hand des Herrn Jesus und mit dem Segen des dreieinen Gottes gehen wollen. Besonders die Angehörigen einer Katholischen Akademischen Verbindung Suevia darf ich besonders der Fürsprache der seligen Jungfrau und Gottesmutter Maria anvertrauen, die Aktivitas, aber auch die Alten Herren. Sie möge Euch von Gott Kraft und Zuversicht erbitten, in diesen Zeiten in Treue zur Katholischen Kirche zu stehen und den Glauben in seiner Schönheit zu bezeugen. Ich danke denjenigen aus Eurer Verbindung, die sich in diesem Jahr der besonderen Verantwortung als Vorort des Cartellverbandes besonders für das Prinzip der Religio einsetzen. Das Memorandum Romanum, das ich eine wunderbare Arbeit zur Vertiefung dieser Säule der Religio einer katholischen Studentenverbindung nenne und wofür ich an dieser Stelle auch im Namen des Heiligen Vaters Franziskus, den ich die Ehre habe, in Deutschland zu vertreten, herzlich danken möchte.

Am Ende der Virgil erteile ich Euch gerne den Apostolischen Segen, Euch, die Ihr hier seid, aber auch allen Euren Lieben, vor allem denen, die krank sind oder sonst wie gehindert sind, heute hier zu sein.

Die Liebe beruht auf Gegenseitigkeit. Der „Berliner Vorort“ hatte geschrieben:

Wir werden zum Vatikan, zum Papst halten und einen innerverbandlichen Prozess der kirchenpolitischen Meinungsbildung anregen, den wir zur nächsten Cartellversammlung bündeln möchten.

Dann bekam auch noch der „Vorort“ „Post vom Apostolischen Nuntius in Deutschland“ und die „gibt es nicht jeden Tag“. Eterović „dankt dem Vorort“ darin für dessen „klare katholische Haltung“. Und katholisch hieß schon immer antirevolutionär zu sein, wie der „Berliner Vorort“ in seinem Text nochmal ausführte. Und zwar, indem er ein „unumstößliches Gebot“ postulierte, das „für jegliche Reform in der Kirche gelten“ müsse:

Ein Prozess der Erneuerung in der Kirche darf nie zu einer Revolution ausarten; eine Revolution verwirft, anders als eine Reform, das Alte, Gewachsene und über die Zeiten Gültige und tut das mit einer gewissen Brutalität und Radikalität. Die Reform erneuert die Kirche, während die Revolution eine neue Kirche schafft; aber es kann nur eine Kirche geben, so wie es nur einen Gott gibt, der diese Kirche vor zweitausend Jahren gestiftet hat.

Bei der Religionsfreiheit fallen die Berliner Erzreaktionäre denn auch hinter das Zweite Vatikanische Konzil zurück. Mitte der 1960er Jahre verabschiedete sich die katholische Kirche von ihrem Alleinvertretungsanspruch und erkannte die Religionsfreiheit im säkularen Staat an. Nicht so der „Vorort Berlin“:

Das Konzil entschied sich damals dazu, die Religionsfreiheit im modernen staatsphilosophischen Sinne anzuerkennen (vgl. insb. II. Vatikanum: Dignitatis humanae) – ein gewagter Schritt für die Kirche, die der Wahrheit verpflichtet ist und dem Irrtum grundsätzlich keine Freiheit geben darf. Denn bei all dem interreligiösen Dialog darf nicht vergessen werden, dass allein Jesus Christus der Weg, die Wahrheit und das Leben ist (vgl. Joh 14, 6).

Neben Nuntius und Papst gab es aber durchaus auch im Cartellverband Fans des „Memorandum Romanums“. Zum Beispiel in der „Privaten Gruppe“ auf Facebook mit dem Namen „Cartellverband der Katholischen Deutschen Studentenverbindungen (CV)“ mit über 3.000 Mitgliedern. Dort wurde der Text in mehreren Threads diskutiert und anders als bei der Borusso-Saxonia gab es hier auch Zuspruch.

Daniel Gerlich von der KDStV Norbertina Magdeburg, „Biername: Torpedo“, signalisierte beispielsweise inhaltsleere Zustimmung und ehrliche Ergriffenheit:

Ich finde es gut, dass das Thema Religio überhaupt thematisiert wird.

Will mich jetzt hier an dieser Stelle nicht inhaltlich positionieren. Die aufgerissenen Fragen sind unglaublich komplex.

Ich freue mich aber darüber, dass sich allem Anschein nach zahlreiche Cartellbrüder ernsthaft Gedanken über ihren Glauben, die Zukunft der Kirche und auch die mögliche Rolle eines katholischen Verbandes wie dem CV in diesem herausfordernden Prozess machen.

Auch Franz Siegfried Borgerding, der noch von sich reden machen wird, hielt die Fahne hoch:

Pro Vorort!

Ralf Klueber hatte Kritik, immerhin, auch wenn seine Kritikpunkte bei uns jetzt nicht unbedingt ganz oben standen:

Zitat aus dem Memorandum: „Der CV steht an einem Scheideweg. Es kommt nun darauf an, in der nötigen Einigkeit – in necessariis unitas -, weise und bedachte Entscheidungen zu treffen, die die kommenden Dekaden prägen werden.“

So ganz sachlich … vermisse nur ich den zweiten und dritten Teil unseres Wahlspruchs im Papier und in dieser Diskussion?

In necessaris unitas, in dubiis libertas, in omnibus caritas!

Im Notwendigen [herrsche] Einmütigkeit, im Zweifelhaften Freiheit, in allem [aber] Bruderliebe!

Martin Krause brach eine Lanze für die verhetzte Jugend. Gerade unter jungen Studenten soll es eine relevante Anzahl von Befürwortern des „Memorandum Romanum“ geben:

Die Stellungnahme gegen das Memorandum ist schlichtweg unverschämt. Eine Altherrenschaft die meint das die Aktivitates nur dann einen wertvollen reflektieren Beitrag liefern können wenn er mit dem ihren deckungsgleich ist, hat Verbindung nicht verstanden.

Anstatt inhaltlich darauf einzugehen werden die Verfasser, ad personam, als freche unbedarfte Kinder abgetan, die angeblich etwas ungebührliches Gesagt hätten.

Obwohl, soweit ich das als bescheidener angehender Theologe überblicken kann, das Memorandum Romanum theologisch um Welten reflektierter ist, als Alles was man bisher von Amtsträgern, oder Institutionen, des CV vernehmen könnte.

Tobias Mahlmann konnte auch nichts Anstößiges am „Memorandum Romanum“ finden:

Mir gefällt die im Kern sehr kritische Haltung des CV-Ratsvorsitzenden und des CV-Seelsorgers zur Denkschrift auch nicht. Aber herablassend, stinksauer oder arrogant finde ich die Stellungnahme nicht. Es bestehen halt insbesondere (noch) Differenzen über politische und kirchenpolitische Angelegenheiten sowie über die Frage, ob und wie der CV sich dazu (mit klarer Kante) äußern sollte oder nicht. Ich finde, dass wir nicht nur die „reinen Inhalte“, sondern auch das „Beiwerk“ diskutieren sollten – sofern diese Unterscheidung nicht ohnehin sinnlos und unzulässig ist. Jedenfalls sind die Leitsätze (I-IV) ohne das sog. Beiwerk wohl eher unverständlich.

Markus Ossberger hatte den entscheidenden Satz gefunden, jedenfalls aus der beschränkten Sicht eines bierseeligen Pragmatikers:

Grau mein Freund ist alle Theorie, grün des Lwbens güldener Baum…

Der entscheidende Satz ist für mich der:

Der CV wird daher bis auf absehbare Zeit, jedenfalls verbandsrechtlich gesehen, katholisch bleiben. Dennoch ist die Lebenswirklichkeit in den Verbindungen bei diesen Abwägungen ebenso wenig außer Acht zu lassen.

Conkneipanten ohne Studium, evangelische Ehrenmitglieder, Messen bei denen außer dem CHC keiner anwesend ist. So schaut’s in der Realität aus.

Wie gehen wir mit Wiederverheiratung um? Das ist bei 50% Scheidungsrate wohl – aus meiner Sicht – DAS wesentliche Thema, nicht irgendwelche liturgischen Feinheiten oder katholische Dünkel.

Sind wir noch Mission oder Chartaschreiber?

Wenige Monate nach der Diskussion um das „Memorandum Romanum“ wurde der betende Korpomob eines gar abscheulichen Pamphletes gewahr. Mit äußerster Zorneswut ereiferte sich Bernhard Grün am 29. Dezember 2023:

Brandstifter!

Christian Fuhrmann war völlig entgeistert:

Wie heftig ist denn dieser Text?!

Henning Lucks fluchte, wie er lange nicht mehr geflucht hatte:

Dreckspack!

Aber die Burschen haben sich nicht aufgeregt, weil im Text gegen die Öffnung „alle[r] mit der Weihe verbundenen Ämter für Trans-Personen“ argumentiert wurde. Oder weil der „Umgang mit Homosexuellen und deren Lebensweise“ verächtlich gemacht wurde. Auch Herablassung gegenüber der Proklamation einer „neue[n] kirchliche[n] Wirklichkeit“ kombiniert mit der Herabsetzung „vielleicht sogar von Frauen“ war nirgends zu finden.

Was die Herren Korporierte so empörte, war ein Link zu unserer letztjährigen Weihnachtsmeldung über die deutsche Kirchenbrandstifterszene. Da haben wir ein Mal auch eine Tradition und von den Hütern der Rituale kommt nur Kritik, aber kein Respekt. Moralin bis zum Kollar, aber keinen Humor, diese Christen.

Der Machtkampf im Cartellverband

Auch auf der kommenden „138. Cartellversammlung“ vom 30. Mai bis zum 2. Juni 2024 in Berlin wird ausgiebig über den Text und seine Konsequenzen debattiert werden. In seinem Antrag „Grundsatzdebatte: Prinzipien des CV in die Zukunft führen“ (siehe „Vertreterunterlagen“, Seite 41 ff.) verurteilt beispielsweise der „CV-Rechtspfleger“ Andreas Möhlenkamp von der VKDSt Saxonia Münster den „extrem rechter Jargon“ des „Vororts Berlin“:

Mit dem Vokabular einer extremen Neuen Rechten zum Untergang des christlichen Abendlandes polemisiert er autoritär-rückwärtsgewandt und eifernd für ein erzkatholisch-klerikales Religio-Prinzip.

Wie in den Berichten zum „97. Studententag“ im Rahmen der „138. Cartellversammlung“ im „Sonderbericht zum CV-Rechtspfleger“ genüßlich dargelegt wird, wurde Möhlenkamp im November 2023 zum Rücktritt aufgefordert. Der „CV-Rat“, das oberste leitende Organ des Cartellverbands, stellte die Machtfrage.

Doch der „CV-Rechtspfleger“ scheint nicht gewillt, der Rücktrittsforderung nachzukommen. In seinem Bericht für die „Cartellversammlung“ fasst Möhlenkamp seine Kritik zusammen. Aus Sicht des „CV-Rechtspfleger“ verwendet der „Berliner Vorort“ die Sprache der Faschisten:

Der Vorort bedient sich des Vokabulars einer extrem rechten Szene zum angeblichen Untergang des christlichen Abendlandes. Manche Inhalte sind vorkonziliar, wissenschaftsfeindlich, frauenfeindlich und undemokratisch-autoritär.

Die Sprache der kommenden Täter

Und tatsächlich finden sich haarsträubende Textpassagen in der „Römischen Denkschrift zu den aktuellen Angelegenheiten des Glaubens und der Kirche“. Neben Ungetauften, Protestanten und Frauen sind die Anhänger des „Synodalen Wegs“ die größten Feinde des „Berliner Vororts“:

Und dann ist da noch der sogenannte „synodale Weg“ in Deutschland. Alles begann mit einer MHG-Studie: „Sexueller Missbrauch an Minderjährigen durch katholische Priester, Diakone und männliche Ordensangehörige im Bereich der Deutschen Bischofskonferenz“, die am 25. September 2018 auf der Herbst-Vollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz (DBK) vorgestellt wurde.

Die Studie sei „wissenschaftlich umstritten“, „verkürzt“, „unvollständig“, einfach „spektakulär misslungen“. Die Berliner lehnen es ab, „die Machtverhältnisse in der Kirche, der Zölibat und die kirchliche Sexualmoral“ zu untersuchen und bezeichnen ein solches Ansinnen als „Missbrauch mit dem Missbrauch“. Der sexuelle Missbrauch werde instrumentalisiert „zum Versuch der Umgestaltung der katholischen Kirche nach dem Vorbild evangelischer Kirchenordnungen“. Als ob die Aufarbeitung des massenhaften Missbrauchs durch Kleriker bereits hinter der katholischen Kirche läge, konstatiert der „Vorort Berlin“:

Es scheint fast so, als wolle man den Aufarbeitungsprozess des sexuellen Missbrauchs gar nicht mehr zu einem erfolgreichen Abschluss führen und betrachte die auf diesem Prozess des ständigen Wiederhochkochens zurückbleibenden Gläubigen, die in großen Zahlen aus der Kirche austreten, als Kollateralschaden.

Die Kriminalitätsstatistik wird instrumentalisiert, um den sexuellen Missbrauch durch katholische Kleriker zu verharmlosen:

Aus der Kriminalstatistik der Bundesregierung zum Kindesmissbrauch von 2022 geht hervor, dass in Deutschland jeden Tag nach wie vor durchschnittlich 48 Kinder missbraucht werden. Der weit überwiegende Teil davon – rund drei Viertel – findet dabei im häuslichen, familiären Bereich bzw. sozialen Nahraum statt. Dort vergehen sich eben nicht zölibatär lebende Kleriker, sondern zum größten Teil verheiratete Menschen, ganz überwiegend Männer, an den eigenen Kindern oder anderen Schutzbefohlenen. Im häuslichen Bereich kommen diese Fälle zudem seltener zum Vorschein, weswegen die Dunkelziffer hier noch viel größer sein dürfte. Von den verbleibenden Fällen im institutionellen Rahmen geht nur ein relativ kleiner Teil auf kirchliche, auch protestantische Institutionen zurück. Erhebliche und belastbare Hinweise darauf, dass der sexuelle Missbrauch im Bereich der Katholischen Kirche verhältnismäßig und auffällig hoch sei, gibt es bislang nicht.

Unverschämter Höhepunkt der katholischen Lügenlitanei ist die Schuldzuweisung an „die meisten Mitbürger“ und deren „zügellose, unkontrollierte Sexualität“:

Jedoch zeigen jene Statistiken jedes Jahr aufs Neue, dass nicht die Kirche ein Missbrauchsproblem hat, sondern vielmehr unsere gesamte Gesellschaft, deren Teil die Kirche ist, so wie wir alle. Sich mit diesen Dingen auseinanderzusetzen ist für die meisten Mitbürger mitunter unbequem. Es würde bedeuten, dass wir unsere moderne Lebensweise, unser modernes Verständnis von der Familie oder auch die Liberalität im Internet, welches mit Pornografie überfüllt ist, überdenken müssten. Da ist es leichter, auf eine einzige Institution zu blicken und – paradoxerweise – ihre als „altmodisch“ betitelten Haltungen zu eben diesen Fragen und ihre äußeren Strukturen, die sich nicht so recht in jene moderne Wirklichkeiten einordnen lassen, als allein verantwortlich zu erkennen. Für individuelle Schuld oder eine gesamtgesellschaftliche Problematik gibt es bei dieser engstirnigen Sichtweise keinen Platz mehr. Alles schaut auf die Kirche. Sie ist nunmehr der alleinige Sündenbock für ein krankhaftes Leiden, das unsere gesamte Gesellschaft seit einigen Jahrzehnten befällt: Krankhafte Deformationen von Liebe auf dem Nährboden zügelloser, unkontrollierter Sexualität.

Wir interessieren uns sehr für individuelle Schuld, insbesondere bei sexuellen Missbrauchstätern. Aber die ist bei katholischen Korporierten angesichts ihres Schweigekartells CV nur schwer nachzuweisen. Und manchmal, wenn es brennt, dann hilft auch noch der Staatsanwalt.

Der Verbandsseelsorger des Cartellverbands

Für Menschen wie Dillinger und jene, die solche decken,
ist ein spezieller Platz in der Hölle reserviert.

Edmund Dillinger ist ein gutes Beispiel eines schlechten Menschen. Er hat mehr als fünf Jahrzehnte lang Kinder und Jugendliche missbraucht, sein Leben in seinen Tagebüchern detailliert dokumentiert und seine Kontakte akribisch protokolliert. Nach seinem Tod wurden seine Tagebücher und hunderte Pornofotos gefunden, auf denen auch er abgebildet war. Edmund Dillinger war nicht nur Priester und von 1966 bis 1999 Lehrer, er war auch Mitglied in acht katholischen Studentenverbindungen und zwölf Jahre lang – von 1970 bis 1982 – der „Bundesseelsorger“ des Cartellverbands.

Die juristische „Aufarbeitung“ von Dillingers Missbrauchsskandal ist ein eigener Skandal. Die Staatsanwaltschaft Saarbrücken ließ die meisten Beweise – darunter fast alle Tagebücher – vor einer Auswertung vernichten. Wie unter Katholiken üblich, wurden die Beweise auf Anordnung des zuständigen Staatsanwalts Martin Casper stilecht verbrannt. Dillingers Taten werden vermutlich nie ganz aufgeklärt werden: Aufgrund der Beweisvereitelung des Staatsanwalts, aber auch aufgrund des Schweigens des Cartellverbands.

Zur Rolle der Staatsanwaltschaft schreibt die Unabhängige Aufarbeitungskommission im Bistum Trier:

Wir wurden in unseren Recherchen stark behindert, weil die saarländischen Ermittlungsbehörden wichtige Beweismittel vernichtet haben.

Die Aufarbeitungskommission hat zum Thema „Sexueller Missbrauch an Kindern und Jugendlichen im Bistum Trier“ eine „wissenschaftliche Studie zu den Umständen des Falles Edmund Dillinger“ erstellen lassen. Am 22. August 2023 stellte die Kommission den ersten Zwischenbericht, am 23. November 2023 den zweiten Zwischenbericht und am 10. April 2024 den vorläufigen Abschlussbericht vor. Im vorläufigen Abschlussbericht heißt es:

Wir ziehen aus diesen Feststellungen den Schluss, dass D. genau das Gegenteil dessen vorlebte, was er in seinen Predigten, Vorträgen und Veröffentlichungen als ethisch, moralisch und letztlich gottgewolltes vorbildliches Verhalten eines guten Christen und Menschen zeichnete. Er selbst lebte seine von ihm nach außen scharf missbilligte (Homo-) Sexualität ungehemmt und in zum Teil strafrechtlich relevanter Weise aus und trat machtbesessen, egozentrisch, narzisstisch und geltungssüchtig auf.

Oder in Dillingers eigenen Worten aus seinem Buch „,Stärke deine Brüder‘ – Zwölf Jahre Seelsorge im Cartellverband 1970-1982“:

Wir haben immer wieder gute Vorsätze, aber dann versagen wir doch. „Das Böse ist mächtiger als ich.“

Die Kirche wusste von Dillingers Missbrauch

Die katholische Kirche wusste laut Aufarbeitungskommission schon ab 1961 von Dillingers Missbrauch. Auch sein Missbrauch von Ministranten während einer Wallfahrt nach Rom 1970 war vor seiner Ernennung zum „CV-Seelsorger“. Vor allem war sie vor der Gründung des „CV-Afrika-Hilfe e.V.“, der Dillingers Missbrauch in Afrika und Asien erst ermöglichte und finanzierte. Aber die Katholiken deckten Dillingers Taten bis zu seinem Tod am 27. November 2022. Und über den Tod hinaus:

Nach Bekanntwerden der Vorwürfe gegen D. hatte die Leitung des Cartellverbandes die CV-Mitglieder dazu aufgerufen, etwaige Erkenntnisse entweder der Pressestelle des CV oder, einer hiesigen Bitte entsprechend, dem Auswerteprojekt im Bistum Trier mitzuteilen. Es haben keine Erkenntnisse gewonnen werden können. Weder hier noch bei der Pressestelle des CV sind bis zum 01.11.2023 Mitteilungen aus Kreisen des CV eingegangen.

Edmund Dillinger wurde am 2. August 1935 in Friedrichsthal an der Saar geboren und starb 87 Jahre später nach einer Corona-Infektion. Er studierte Theologie und wurde am 14. Mai 1958 von seiner erste CV-Verbindung rezipiert, seine Philistrierung erfolgte am 4. November 1966. Dillinger sammelte Bänder von CV-Verbindungen wie andere Korporierte Freundschaftszipfel, am Ende war er Mitglied in acht Bünden: Der KDStV Vindelicia München, der KDStV Rappoltstein Straßburg zu Köln, der KDStV Staufia Bonn, der CV-Verbindung Rheno-Palatia Breslau zu Mainz, der KDStV Churtrier Trier, deren Gründer und erster „Senior“ er war, der KDStV Merowingia Kaiserslautern, der KDStV Alemannia Greifswald und Münster und der KAV Capitolina Rom.

Dillingers Engagement für den CV beschränkte sich nicht auf das übliche Bundesleben. Am 6. Januar 1972 gründete er die „CV-Afrikahilfe e.V.“. Seine „Cartellbrüder“ dankten es ihm mit zahlreichen Spenden „für die armen Kinder in Afrika“. Erst Dillingers umfangreichen Reisetätigkeiten auf Kosten des Cartellverbands ermöglichten seinen Missbrauch auf mehreren Kontinenten ein halbes Jahrhundert lang. Für seine „Arbeit“ in der „CV-Afrikahilfe“ erhielt er 1976 das Bundesverdienstkreuz – die katholische Kirche hatte wider besseren Wissens keine Einwände.

Der CV wusste von Dillingers Missbrauch

Unter katholischen Korporierten wurde Dillingers „CV Afrikahilfe e.V.“ rege beworben. Nicht zuletzt, weil „der wachsende Teil der Weltkirche im globalen Süden“ liegt, insbesondere in Afrika, wie das „Memorandum Romanum“ korrekt analysiert. In der korporierten Facebook-Gruppe „Cartellverband der Katholischen Deutschen Studentenverbindungen (CV)“ mit ihren über 3.000 Mitgliedern bewarb Phelan Andreas Neumann von der KDStV Carolus Magnus Saarbrücken das „Charity“-Projekt 2013 mit dem Foto eines weihnachtlich geschmückten afrikanischen Baumes:

Ein riesiges Dankeschön des CV Afrikahilfe e.V. für all die Spenden und persönlichen Einsätze der diversen CbrCbr, die auch in 2014 eine Vielzahl neuer Projekte (Liste auf unserer Fanpage (facebook.com/cvafrikahilfe) und auf unserer Homepage (cvafrikahilfe.de) abrufbar) ermöglichen. Wir hoffen Ihr hatte besinnlich-frohe Tage und wünschen Euch einen guten Rutsch ins neue Jahr.

Zur Information und einige Details mehr: Für die CV Afrikahilfe entscheidet sich wohl bis Juni 2014, ob wir das bislang größte Projekt, die Finanzierung des Fakultätsbaus für Tourism, Hospitality and Business Administration in Buea, werden stemmen können. Die Bauphase der kompletten Universität ist auf vier Jahre veranschlagt. Bedenkt man, dass seit 41, nun ja bald 42 Jahren, mehrere hundert Projekte nur durch die Unterstützung aus dem CV umgesetzt werden konnten, dass man jetzt über Neubau von Universitäten plant und nicht mehr „nur“ über Einzelstipedien oder den Neubaus einer Leprastation uem redet/plant und sie dann umsetzt… wow. Das hätte am Anfang wohl niemand für möglich gehalten.

Und schon bevor so ziemlich alles, was nicht bei Drei auf den Bäumen war, als „nachhaltig“ bezeichnet wurde, lag der Focus von Anfang an auf der Hilfe zur Selbsthilfe vor Ort. Zwei afrikanische Verbindungen wurden durch aktive Mitwirkung des CV Afrikahilfe mitgegründet und haben mittlerweile Freundschaftsabkommen geschlossen. Mit Cbr Pfarrer Dillinger und Cbr Diakon Grevelding haben wir zwei tolle Vorsitzenden in Folge zu verzeichnen, die auf eigene Kosten (der Verwaltungsaufwand liegt immer noch im Nullbereich!) vor Ort tätig waren resp. noch sind.

Aber dennoch bleibt festzustellen: ohne all die CbrCbr, die ihrer Afrikahilfe unter die Arme gegriffen haben, wäre letztlich nichts davon möglich gewesen. Dafür dem CV, allen beteiligten CbrCbr: Danke!

Mit cbr Gruß iA des Vorstandes

phelan

PS: Der Weihnachtsbaum steht im schönen Kamerun.

Aber der Cartellverband hat nicht nur wesentlich zur Finanzierung der „CV-Afrikahilfe“ beigetragen, er wusste auch spätestens seit den 1990er Jahren von Dillingers Missbrauch. Wie unter Korporierten üblich, diskutieren auch die „Bibelschmeißer“ ihre Leichen im Keller – wenn sie „unter sich“ sind, versteht sich.

So wie Franz Siegfried Borgerding von der KDStV Rheno-Saxonia Köthen zu Halle, Diplom-Chemiker aus Stuttgart. Im April 2023 erzählte er Philipp Lonke, KDStV Gothia Würzburg und KDStV Rheinpfalz Darmstadt, Diplom-Sozialpädagoge aus Wölfersheim in Hessen ein offenes CV-Geheimnis. Er tat dies vor den rund 900 Mitgliedern der „Privaten Gruppe“ mit dem Namen „TramiZehVau“ auf Facebook.

Und zwar jenes von der Mitwisserschaft des Cartellverbands im Fall Dillinger:

Das war auch sogar dem CV seit Mitte der 90er bekannt.

Entgeistert frage Philipp Lonke nach:

und man hat nichts unternommen?

Borgerding Antwort ließ keine Fragen offen. Außer vielleicht, wieso keine Strafanzeige erstattet wurde. Aber im Kontext des Cartellverbands ist das eine rhetorische Frage.

Der CV konnte nicht. Versucht hat man es, wurde allerdings nicht einmal beim Bistum gehört. Und weil Dillinger in einem dem CV externen e.V. Vorsitzender war, konnte auch der CV nichts unternehmen. Ich weiß, weshalb ich dem Kinderficker nie etwas an seinen Verein gespendet habe.

Im Nachhinein waren alle in der Résistance

Wie oft in katholischen Missbrauchsskandalen ist der Skandal des sexuellen Missbrauchs nicht alleine. Er wird begleitet von den Skandalen der Ermöglicher und der Spender, der Wegschauer und der Schweiger, der Vertuscher und der Aktenvernichter. Im Fall der Frömmelnden kommen noch weitere skandalträchtige Rollen hinzu: Die der Beichter und die der Vergeber. Denn „[w]er sagt uns, dass Cbr. Dillinger nicht gebeichtet hat und Absolution und Ablass erhalten hat?“

Im Mai 2023 schrieb die KDStV Sugambria (Jena) zu Göttingen einen empörten Brief an den „CV-Rat“:

An den CV-Rat, z. Hd. des Vorsitzenden

Lieber Cartellbruder Dr. Lommer, liebe Mitglieder des CV-Rats,

Mit Fassungslosigkeit und Entsetzen haben die AHAH Sugambriae die Nachrichten über das Unwesen des ehemaligen CV-Seelsorgers zur Kenntnis genommen.

Nach eingehender Diskussion hat der AHC der KDStV Sugambria mich beauftragt, Euch folgende Aufforderung zukommen zu lassen:

Die bisherige Stellungnahme des CV-Rats zu diesen abscheulichen Taten ist absolut unzureichend. Die Formulierung „sehr betroffen“ spiegelt u. E. nicht ansatzweise die Gefühlswelt der meisten Cartellbrüder wieder, zumal jeder Cartellbruder, der für die CV- Afrikahilfe gespendet hat, das Gefühl haben muss, mit der Spende sexuellen Missbrauch gefördert zu haben.

Auch die Formulierung „Unsere Gedanken sind bei den Opfern. Ihnen gilt unser tief empfundenes Mitgefühl“ ist in diesem Zusammenhang völlig unzureichend und klingt einfach nur floskelhaft und wenig empathisch. Der CV muss sich fragen, inwieweit er eine Mitverantwortung hat und muss sowohl innerhalb des CV, als auch öffentlich deutlich machen, was er für Konsequenzen aus der Missbrauchsproblematik ziehen will, um so dazu beizutragen, weiteren Missbrauch zu verhindern. Hierzu gehört u. E. insbesondere eine klare Verurteilung und Sanktionierung der Täter.

Daher muss der Cartellverband u. E. beschließen:

Ein Cartellbruder, gegen den wegen Missbrauchs oder Vertuschung von Missbrauchsfällen, die einen Tatbestand des StGB oder eines Nebengesetzes erfüllen, Anklage erhoben wird, darf seine Mitgliedsrechte nicht ausüben. Endet das Verfahren ohne Verurteilung entfällt das Verbot, erfolgt eine rechtskräftige Verurteilung, endet seine Mitgliedschaft im CV und in seinen Verbindungen.

Mit cartellbrüderlichem Gruß im Namen des AHC der KDStV Sugambria

Dr. Stephan Mönninghoff Sb! PhilX

Der Brief wurde CV-intern heftig kritisiert. So schrieb Mathias Braun von der KDStV Rheno-Saxonia Halle und der KDStV Adolphiana Fulda im Juni 2023:

Ein, in unseren Zeiten üblicher Empörungsbrief. Starkes Zeichen gesetzt, distanziert, dem Zeitgeist ein Brandopfer gebracht, Check!

Das Cbr. Dillinger strafbar handelte, scheint gesichert. Es existiert aber, auch für die Mitgliedsverbindungen, aus meiner Sicht kein Automatismus, der zum Ausschluss führt. Und selbst wenn man so etwas fordern würde, ab wann würde der denn gelten? Ab Mord, ab Steuerhinterziehung, ab Kaufhausdiebstahl? Wäre ein Mörder oder Vergewaltiger auch auszuschließen, wenn er psychisch krank wäre? Das Fass will keiner von uns aufmachen.

Aus christlicher Sicht, stellen wir uns am Ende gar über den Herrn. Wer sagt uns, dass Cbr. Dillinger nicht gebeichtet hat und Absolution und Ablass erhalten hat?

Einziger Grund für einen Ausschluss wäre, je nach Satzung, verbindungs- und verbandsschädigendes Verhalten. In der Regel wird dem Angeklagten hier aber ein Recht auf Gehör zugebilligt.

Für die Öffentlichkeit täte der CV gut daran, einfach still zu sein. Das ist ein Problem der Kirche, nicht des Verbandes. Die hat versagt. Im Übrigen müssten wir dann auch jeden Bischof ausschließen, der Missbrauch gedeckt hat. Um den ein oder anderen wäre es, meiner Meinung nach nicht schade, aber es ist halt auch hier wie immer: Im Nachhinein waren alle in der Résistance.

Der Lebensbund hält trotz alledem

Allerdings kann man jetzt nicht gerade sagen, dass die „Cartellbrüder“ in dieser Frage einen Konsens hatten. Christian Powelz von der KDStV Badenia (Straßburg) Frankfurt am Main war zum Beispiel kein Dillinger-Apologet, wie er in der „Privaten Gruppe“ mit dem Namen „Cartellverband der Katholischen Deutschen Studentenverbindungen (CV)“ mit rund 3.000 Mitgliedern schrieb:

Ich habe mir jetzt die Artikel und Kommentare hier durchgelesen und bin zu folgendem Schluß gekommen: Ich hoffe, daß diese perverse Mistsau, die unzählige Kinderseelen zerstört hat, bis zum Ende aller Tage in der Hölle brennt! Es ist bezeichnend, daß man eine pädophile Bestie sein kann, es aber für Amt und Würden in Kirche und CV allemal reicht. Ich bin einfach nur noch angeekelt!

Aber im Cartellverband offen die eigene Meinung zu sagen, birgt auch gewisse Risiken. Bernd Zinselmeyer von der Rheno-Palatia Breslau zu Mainz hat zum Beispiel eine eigene Meinung:

Ohnen den CV der dem Eddie seine Reisen finanziert hat und ohne den Einfluss den er sich in Rom auf CV Ticket erworben hat … haette er niemals soviel Leid verursacht ..

Wegen dieser Meinung wurde Zinselmeyer von seinen „Bundesbrüdern“ zum Austritt aufgefordert:

Ich sammel mittlerweile die Emails meiner BBr die mich zum Austritt aus der Verbindung auffordern weil ich mich für meinen Verstorbenen BBr Dillinger schäme und dies gesagt habe und den posthumen Ausschluss EDs auch weiterhin für schäbig billig und vor allem feige halte. Sei also vorsichtig was du hier sagst sonst wird dir auch der Verbindungsaustritt nahe gelegt.

Michael Böhler von der KDStV Bodensee zu Konstanz vermutet, dass die CV-Bischöfe in Trier weggeschaut haben:

Man kann natürlich nur darüber spekulieren, wer im CV wann von diesen Taten bzw. den Vorwürfen erfahren hat. Im Bistum scheint das zumindest ein offenes Geheimnis gewesen zu sein. Der ein oder andere Bischof von Trier in diesem Jahrhundert ist CVer. Angesichts der Bilder aus dem Beitrag liegt zudem ein großer Schatten auf der CV-Afrikahilfe.

Nach Ansicht von Walter Dreesbach von der KDStV Churtrier Trier und der KDStV Bavaria Berlin sei Franz Rudolf Bornewasser der einzige CV-Bischof in Trier gewesen. Bornewasser war „Philister“ der KDStV Ripuaria Bonn, der VKDSt Rhenania Marburg und der KDStV Franconia Aachen.

M. W. war nur Bischof Bornewasser, RBo, CVer; er gab der 1960 gegründeten Verbindung den Wahlspruch. Sollte ein weiterer ein Band getragen haben, so wäre das wie im Falle Benedikt eine Ehrenmitgliedschaft, die den meisten mangels Herzensbindung doch nicht viel bedeutet. Mein Bbr Hollerich mag da eine Ausnahme darstellen.

Tatsächlich war nicht nur Bornewasser im Cartellverband, sondern auch Reinhard Marx. Marx war von 2002 bis 2008 Bischof von Trier und ist seitdem Erzbischof von München und Freising. Bundesweit bekannt wurde Reinhard Marx von 2014 bis März 2020 als Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz. Marx ist Mitglied der KDStV Angrivaria Dortmund, der KDStV Aenania München und der KAV Capitolina Rom.

Und was sagt der Cartellverband zur „Causa Dillinger“? Am 24. Mai 2024 veröffentlichte der Cartellverband ein Statement, das vor Lügen und Heuchelei nur so strotzt:

CV-Statement nach Abschlussbericht in der Causa Dillinger

Nach der Veröffentlichung des Kommissionsberichts nimmt der Vorsitzende im CV-Rat Stellung.

„Der im Bistum Trier veröffentlichte vorläufige Abschlussbericht der wissenschaftlichen Studie zu den Umständen des Falles Edmund Dillinger hat noch einmal aufgezeigt, wie sehr Dillingers Erscheinungsbild nach außen und seine zur Schau getragene hohe moralische Integrität in einem eklatanten Widerspruch zu seinem Handeln stand.“ Das stellt der Vorsitzende im CV-Rat des Cartellverbandes der katholischen deutschen Studentenverbindungen Dr. Claus-Michael Lommer (R-Bl) fest.

Der Cartellverband hatte unmittelbar nach Bekanntwerden der Vorwürfe gegen den ehemaligen Verbandsseelsorger (1970 – 1982) am 13. April 2023 die ihm zur Last gelegten Taten und übergriffige Handlungen auf das Schärfste verurteilt und sein tief empfundenes Mitgefühl mit den vom Missbrauch Betroffenen bekundet.

Der Vorsitzende im CV-Rat hat dem Bistum Trier in einem entsprechenden Schreiben die Bereitschaft mitgeteilt, bei der Aufklärung der Missbrauchsfälle zu unterstützen. Der Aufruf des CV an Missbrauchsbetroffene aus dem Verband, sich dort zu melden, erbrachte keine Rückmeldung.

Eine ursprünglich vorgesehene Untersuchungskommission nahm ihre Tätigkeit nicht auf, weil sie keine Einsicht in die Akten der Staatsanwaltschaft erhalten hätte. Innerhalb des Verbandes und der CV-Afrika Hilfe e.V. wurden alle Unterlagen des ehemaligen CV-Seelsorgers und Vorsitzenden der CV-Afrika Hilfe e.V. auf Hinweise eines Amtsmißbrauchs sorgfältig geprüft. Entsprechende Gespräche wurden mit Zeitzeugen geführt. Wie auch der vorläufige Abschlussbericht des Bistums Trier ausweist, haben unsere Recherchen keine Hinweise darauf ergeben, dass Dillinger seine zahlreichen Mitgliedschaften dazu nutzte, Netzwerke für strafrechtlich relevanten sexuellen Missbrauch aufzubauen oder an solchen teilzuhaben.

Der Umgang mit den Missbrauchsbetroffenen und der Schutz der Täter sind ein dunkles Kapitel in der Geschichte der katholischen Kirche. „Heute ist es mehr denn je wichtig, genau hinzuschauen und sensibel auf etwaige Verdachtsmomente zu reagieren”, schließt der Vorsitzende im CV-Rat sein Statement.

Genau hinzuschauen wäre auch all die Jahrezehnte des Missbrauchs wichtig gewesen, nicht erst „unmittelbar nach Bekanntwerden der Vorwürfe gegen den ehemaligen Verbandsseelsorger (1970 – 1982) am 13. April 2023“. Aber das hat der Cartellverband ja auch getan, spätestens seit „seit Mitte der 90er“. Und er hat gehandelt. Er hat geschwiegen. Und er hat den sexuellen Missbrauch durch Edmund Dillinger rund 25 Jahre lang weiter finanziert.

Nachwort

Kein Communiqué über katholische deutsche Verbindungsstudenten wäre vollständig ohne die Erwähnung des wichtigsten Bindemittels des Korporationsmilieus und insbesondere des Cartellverbands: Bier. Von wegen „nüchterne Trunkenheit des Geistes“: Bei unseren Recherchen sind wir auf die gleichen widerlichen Saufrituale, erniedrigenden Bestrafungsmethoden und besoffene Männlichkeit gestoßen wie bei allen anderen Verbindungsarten auch. Es mag ein subjektiver Eindruck sein, aber der CV säuft noch eine Kanne mehr.

Trotz der großen Unterschiede bei den Themen und Positionen gibt es in strukturellen Fragen Ähnlichkeiten zu Vorkommnissen in anderen Dachverbänden. Wie beim Coburger Convent stinkt der Fisch vom Kopf her: Die Nazilandsmannschaft Thuringia Berlin wurde zur Präsidierenden, obwohl ihre nationalsozialistische Gesinnung bekannt war. Der „Vorort Berlin“ konnte ein Jahr dem Cartellverband vorstehen, obwohl ihr „Memorandum Romanum“ menschenverachtende Hetze ist. Und nun ist dieses Papier auch noch die Grundlage der „Cartellversammlung“ in Berlin.

Die Burschenschaftliche Gemeinschaft (BG) wollte 2011 die Deutsche Burschenschaft – wie sie es nannte – „gesundschrumpfen“. Die BG wollte die „Liberalinskis“ durch den „Arierparagraphen“ aus der DB drängen. Ganz ähnlich handelt der „Vorort Berlin“ im Cartellverband. Er will die „linksliberalen“ Bünde durch die Verbreitung des erzreaktionären und dezidiert politischen „Memorandum Romanum“ aus dem CV drängen. Nur gab es in der DB kein Konzept der „Rückendeckung durch den Papst“ und der Euphemismus im CV ist ein anderer: „Entscheidend wird es vielmehr sein, die Seele des Verbandes zu pflegen als nur seine Mitgliederkartei“.

In beiden Fällen versucht eine extrem reaktionäre Pressure Group die Diskurshoheit zu erringen, um den eigenen Dachverband weiter nach rechts zu rücken. Wer sich nicht rausdrängen lässt, der wird durch Satzungsänderungen als Feind definiert und anschließend sanktioniert. Und zur Not: ausgeschlossen. Und auch wenn der „Berliner Vorort“ von einer Machtübernahme im Cartellverband weit entfernt scheint, so ist das „Memorandum Romanum“ dennoch eine Kampfansage sogar an viele katholische Verbindungsstudenten. Der Rest der Gesellschaft sollte den Machtkampf im Cartellverband aufmerksam verfolgen, streiten sich doch hier zukünftige Richter und Kanzler.

Autonome Antifa Freiburg

 

Die Autonome Antifa Freiburg veröffentlicht immer wieder ausführliche Recherchen und Dossiers über die extrem rechte Szene und schreibt außerdem fast täglich kurze Meldungen zum politischen Zeitgeschehen.