Kommentar zum Freispruch im Prozess gegen Fabian: Ist das Urteil wirklich ein Sieg für die Pressefreiheit?
Auch wenn Fabian von Radio Dreyeckland am 06. Juni 2024 vom Landgericht Karlsruhe freigesprochen wurde, halte ich es für problematisch hier von einem „Sieg des Rechtsstaates“ zu sprechen. Das Verfahren selbst hätte es garnicht erst geben dürfen! Zudem ist es noch längst nicht rechtskräftig.
Endlich ist es soweit, das Landgericht Karlsruhe sprach RDL-Redakteur Fabian frei! Seit einer Razzia in den Räumen von RDL, aber auch bei Fabian im Januar 2023, schwebte das Damoklesschwert eine Verurteilung über Fabian. Was war geschehen? Der RDL Redakteur hatte einige Monate zuvor, wie es sein Job als Journalist ist, über die Einstellung eines Ermittlungsverfahrens berichtet.
Die Vorgeschichte
Im Zusammenhang mit dem 2017 verbotenen sogenannten „Verein“, der die Plattform linksunten.indymedia.org betrieben haben soll, wurde 2022 ein Ermittlungsverfahren wegen „Bildung einer kriminellen Vereinigung“ eingestellt. Fabian berichtete über eben diese Verfahrenseinstellung. Dazu ein Foto. Aufgesprayt auf einer Häuserwand zu sehen: „Wir sind alle linksunten indymedia“. Im Beitrag ein Link zur Archivseite von linksunten.
Damit, so die Vorstellung des Staatsschutzstaatsanwalts Graulich aus Karlsruhe, habe sich Fabian strafbar gemacht. Er soll die weitere Betätigung einer verbotenen Vereinigung unterstützt haben.
Der Prozess
Acht lange Prozesstage wurde nun verhandelt. Am neunten Tag dann der Freispruch! Mit einer recht offensichtlichen Verbissenheit versuchte der Staatsanwalt nicht nur eine Fortexistenz des Betreiber*innen-Vereins von linksunten-indymedia zu konstruieren. Sondern er bemühte sich mit einer Ausdauer und Blindheit für die Wirklichkeit, die ihresgleichen sucht, eine Verbindung von Fabian mit Menschen, die diesem Betreiber*innen-Kreis zugerechnet werden, herzustellen. Dafür musste ein Interview von 2010 dienen. Vor 14 Jahren soll Fabian, wieder im Rahmen seiner Arbeit als Journalist, zwei Mitglieder des Kollektivs interviewt haben. Ach ja, und er soll verschiedentlich bei Demonstrationen oder Veranstaltungen in „räumlicher Nähe“ zu eben diesen Personen gesehen worden sein. Aus dem Umstand, dass Fabian dabei weder Mikro noch Kamera in Händen hielt, könne man schließen, dass er dort nicht als Journalist, sondern als Aktivist gewesen sei. Wahrscheinlich hält es ein Staatsanwalt nicht für denkbar, dass Journalist*innen auch dann journalistisch arbeiten, wenn sie mal gerade nicht Mikro oder Kamera in den Hand haben.
Der Freispruch
Der Freispruch ist gut begründet: weder ist die Fortexistenz des verbotenen Vereins nachgewiesen, noch stellt der Beitrag eine Unterstützung des Vereins dar, selbst wenn es diesen Verein noch geben sollte. Ein Sieg für Fabian. Ein Sieg für RDL. Ein kleiner Sieg auch für die Pressefreiheit. Aber ein echter Sieg für die Pressefreiheit wäre es gewesen wenn erst garkeine Anklage erhoben worden wäre. Wenn es die Razzien nicht gegeben hätte. Wenn es die staatlichen Versuche der Einschüchterung nicht gegeben hätte. Wenn nicht zahlreiche Datenträger mit dem Redaktionsgeheimnis unterliegenden Inhalten beschlagnahmt worden wären. Das Gericht ordnete in seinem Urteil zwar auch an, dass die Staatskasse die Koste des Verfahrens und Fabians notwendige Auslagen zu erstatten habe. Für die Razzia und die Beschlagnahme der Datenträger sei er zu entschädigen. Aber eine echte Kompensation kann und wird das nicht sein.
Das Gericht hob in deutlichen Worten hervor, wie essentiell Meinungs- und Pressefreiheit für diesen Staat seien und es gehe nicht an wenn jemand kritisch über ein Verbot berichtet, diese Person dafür verfolgt werde. Auch das Setzen eines Links sei als solches nicht strafbar, in Fabians Fall sei der Link zu linksunten.indymedia gewissermaßen eine Fußnote gewesen, die seinen Eilmeldung abgerundet habe.
Mehr als schöne Worte?
Schöne Worte, richtige Worte, wichtige Worte. Aber es darf sehr bezweifelt werden, dass ein so ideologisierter Staatsanwalt wie Herr Graulich sich diese zu Herzen nehmen wird. Er dürfte eher den Kopf schütteln, schmunzeln- so wie es immer wieder getan hat, als der Vorsitzende Richter das Urteil der Kammer begründete. Und ein Herr Staatsanwalt Graulich ist auch nicht alleine! Es gibt so viele Staatsanwältinnen und Staatsanwälte wie ihn- und nicht zu vergessen auch Richter*innen. Schließlich war es das Oberlandesgericht Stuttgart, das diesen Prozess erstmal erzwungen hatte!
Wie wird es erst aussehen, wenn neofaschistische Kräfte in Amt und Würden kommen, wenn schon jetzt jeder Staatsanwalt, mit dem ganzen Polizeiapparat im Rücken, gewissermaßen Jagd auf linke Journalist*innen machen darf. Denn wenn am Ende der Bundesgerichtshof das Urteil bestätigen sollte, ich unterstelle mal, dass ein überaus engagierter Staatsanwalt wie Herr Graulich die heutige Niederlage nicht auf sich sitzen lassen wird, ist da niemand der Herr Graulich belangen wird. Er wird weiter Karriere machen: Er wird irgendwann Oberstaatsanwalt werden, vielleicht wechselt er auch in den Richterdienst. Und seine Haltung, seine Agenda, wird er aller Voraussicht nach mitnehmen.
Bitterer Nachgeschmack
Es bleibt ein bitterer Nachgeschmack. So erleichternd der Freispruch auch ist, so klar die Ausführungen des Landgerichts zu den Fallgestaltungen unter welchen das Setzen von Links straflos ist, erst recht im journalistischen Kontext, so wenig dürfte dies an dem Verfolgungseifer der Polizei und der Staatsanwaltschaften ändern.
Es bleibt nur ein Teilsieg für die Presse- und Meinungsfreiheit- trotz der Eindeutigkeit der Begründung für den Freispruch!
Für Radio Dreyeckland habe ich über den Prozess berichtet.