Die Burschenschaft Sigambria

Unter dem Credo „Ehre, Freiheit, Vaterland“ versammeln sich in Siegen auf dem Haardter Berg die Burschenschafter der Sigambria er Alemannia. Nach außen gibt sich die Verbindung gerne nationalkonservativ-liberal und demokratisch verfasst, meint sich von faschistischer Bewegung abgegrenzt zu haben.

Dass sie damit ihrem eigenen fehlenden Geschichts- und Politikverständnis auf den Leim geht, dürfte nur den wenigsten Sigambren selbst bewusst sein. In der Öffentlichkeit sollte dieser Irrtum nicht reproduziert werden, waren und sind es doch genau jene „Liberalen“ und „Konservativen“ Gesellschaftsteile, die sich angesichts von Krisen in Richtung Faschismus begaben und erneut begeben.

Die Burschenschaft der Sigambria stellt ein Milieu dar, in dem sich Konservatismus, „Radikalisierter Konservatismus“ (Natascha Strobl) und faschistische Ideome und Bewegungsteile die Hand reichen, sich verzahnen können.

Dies geschieht je nach personeller Besetzung mal deutlicher, mal unterschwelliger. Neben einzelnen (ehemaligen) Mitgliedern der „Jungen Alternative“ oder der AfD reichen sich Mitglieder der CDU und deren Jugendorganisationen sowie Liberale der FDP und deren Jugendorganisation die Hand.

Unabhängig von den personellen Zyklen sind hierarchischer Männerbund, patriotischer Nationalismus und diskriminierendes Verhalten ständige Begleiter der Burschenschaft.

Ein Blick auf die Aktivitäten und einzelne Personalien der Sigambria, die in der Allgemeinen Deutschen Burschenschaft organisiert ist verdeutlicht dies. Um eine erneute Auseinandersetzung mit der Burschenschaft zu ermöglichen, sieht das Autor*innenkollektiv die Notwendigkeit, Informationen der letzten Jahre zusammenzutragen.

Je nach Zeit werden diese um weitere Recherchen erweitert.

Andere Autor*innen seien ermutigt, sich daran zu beteiligen.

Die Sigambren und die AfD

Der prominenteste Alte Herr der Sigambria er Alemannia, der es in der AfD zu etwas brachte, ist Dr. Jens Dietrich.

Neben seinem Vorsitz in der AfD-assoziierten „Carl-Joseph-Meyer-Stiftung“ (CJMS) (https://www.der-rechte-rand.de/archive/4319/afd-steuergeld-fuer-fluegel/) bekleidet Dietrich seit 2023 einen Sitz im Landtag in Thüringen. Er gilt gegenüber dem Höcke-Flügel als loyal. Zeitweise war Dietrich Alt-Herren-Präsident der Sigambria. (https://wirsiegen.de/2012/11/siegener-burschenschaft-feiert-ihr-60-stiftungsfest/53088/)

Zwei weitere zentrale Figuren der Burschenschaft Mitte/Ende der 2010er Jahre sind Daniel Schwach und Tim Opatzki: beide waren beteiligt an der Gründung der Jungen Altermative im Kreis Siegen-Wittgensteinam 12. Juli 2016 (https://lotta-magazin.de/ausgabe/66/heimat-bewahren/)

Während ersterer der AfD-Fraktion im Stadtrat in Wiehl angehört, mit dem Propagandisten Eugen Schmidt zusammenarbeitet und für die AfD-Fraktion im Landtag NRW Besucher*innengrulpen organisiert, versuchte sich Opatzki von seiner Vergangenheit im AfD-Milieu zu distanzieren.

Prominent treten die beiden im Januar 2017 als Fahnenschwenker und Sicherheitsbeauftragte der AfD während des Kongresses der extremen Rechten ENG-Fraktion in Koblenz auf. (https://www.spiegel.de/video/das-gipfeltreffen-der-rechtspopulisten-in-koblenz-video-1737178.html )

Bereits am 30.7.2016 war Opatzki als Koordinator an einem rassistischen Flashmob der JA NRW auf der Domplatte in Köln aufgetreten (https://m.facebook.com/photo.php?fbid=870574099754265&vanity=298509536960727 )

Im September 2016 reiste Opatzki auf ein Festival der faschistischen Lega Nord nach Italien, traf dort faschistische Gesinnungsgenossen u.a. aus Frankreich und den Niederlanden. (https://www.google.com/search?q=jungealternativesiegenletanord&ie=utf-8&oe=utf-8&client=firefox-b-m#vhid=XXuepWyyBySpSM&vssid=l)

Opatzki und Schwach provozierten im Rahmen von linken Demonstrationen in ihren Aktiven-Jahren in der Burschenschaft am Rande u.a. mit Anti-Antifa Symbolik auf Shirts. Im Wahlkampf waren die beiden mit weiteren Burschen für die AfD in Siegen unterwegs, plakatierten, verteilten Flyer.(https://x.com/cafesiegen/status/1656036232441352192?s=46)

Am 29.11.2017 besuchte die Sigambria offiziell  Sven Tritschler im Landtag NRW. (siehe Foto)

Burschenschaft und CDU/JU

Ein Untersuchungsausschuss über die JungeUnion im Jahr 2018 und personelle Kontinuitäten

Dass Mitglieder der JungenUnion bzw. des RCDS gleichzeitig Mitglied in der Sigambria sind, ist nichts Neues. Christian Voigt als Stellvertretender Vorsitzender der JU Stadtverband Siegen und ehemaliger Vorsitzender der JU sowie des RCDS ist ein Beispiel hierfür. Ihn verbindet unter anderem gemeinsame Aktivas-Zeit mit Tim Opatzki und Daniel Schwach.

Auch lokale CDU-Politiker sind regelmäßig zu Gast auf dem Haus.

Neu war für viele allerdings Folgendes:

Unter dem Arbeitstitel „Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit innerhalb der  Junge Union Hochschulgruppe Siegen“ veröffentlichte der Untersuchungsausschuss 2018 seinen Bericht über rassistische, sexistische und queerfeindliche Äußerungen sowie Gewalt von Mitgliedern der damaligen Jungen Union Hochschulgruppe in Siegen. (https://www.asta.uni-siegen.de/wp-content/uploads/2018/06/Abschlussbericht-UA-14.-Mai-2018-inkl.-SV.pdf)

Zwei Mandatstragende der JU hatten mit sofortiger Wirkung ihren Austritt mitgeteilt, erhoben in einem Statement Anklage gegen die Zustände in der Liste.

Der Zusammenhang zwischen JungerUnion und Burschenschaft sowie der JungenAlternative kommt deutlich zur Sprache, rassistische Bezeichnungen wie „Schlitzauge“ werden als Witz abgetan. Ein Bursche habe es laut Aussage einer Zeugin ganz klar geäußert: „Ich bin fremdenfeindlich und ich will keine Ausländer hier, die sollen alle weg.“ (3.4.6 Verbindungen zu Burschenschaften)

Der Untersuchungsausschuss fällt in die Aktiven-Zeit von u.a. Christian Voigt.

Im aktuellen CDU-assoziierten RCDS lebt die personelle Kontinuität von Burschenschaftern fort: Listenplatz 3 wird von einem Burschen der Sigambria, Matthias Collenberg, bekleidet.

Diskriminierendes Verhalten und Rassismus scheinen sich weiter großer Beliebtheit zu erfreuen: besagtes RCDS-Mitglied sprach am 1. Juni 2024 im RE9 (Abfahrt 8.10 Uhr) mit zwei weiteren Bundesbrüdern sichtlich angetrunken und von einem Schmiss gezeichnet über Linke, die Sorge anderer RCDS Mitglieder aufgrund seiner Zugehörigkeit zur Sigambria und Zitat „Karamelljugendliche“ – eine Bezeichnung, die PoC galt. Ebenfalls fiel die Formulierung „kleine mongolische Äffchen“ – damit bezeichneten die Burschen Studierende, die aus asiatischen Staaten zum Studieren nach Siegen kamen. Einige Reisende Antifaschist*innen saßen unbemerkt in unmittelbarer Nähe zu der Gruppe der Burschenschafter und konnten dem Gespräch lauschen.

Connection zu anderen Verbindungen sowie den Jungliberalen und Liberalen

…können in Siegen und darüber hinaus nachvollzogen werden.

Guido Müller, FDP-Politiker in Siegen-Wittgenstein sowie weitere FDPler sind Alte Herren der Sigambria.

Jan-Hendrik Bastian hält als Jungliberaler und Mitglied der Nibelungen-Verbindung Kontakt zur Sigambria.

Weiteres wird bei Zeiten zu diesem Punkt ausgearbeitet.

Öffentliche Veranstaltungen:

Eine unvollständige Übersicht über Vorträge der Sigambria er Alemannia verschafft einen weiteren Eindruck über die Aktivitäten der Sigambria:

11.12.2015: Vortrag „Christentum und Islam – Zwei unterschiedliche Religionen?“ mit dem Evangelikalen Pfarrer Olaf Latzel, der wegen Volksverhetzung verurteilt wurde. Im Priesterseminar „stachelte er zum Hass gegen Homosexuelle“ auf, innerhalb seines Vortrags vertrat Latzel kulturalistische, d.h. rassistische Positionen gegenüber „dem Islam“.

24.05.2016: Vortrag „Antworten auf die islamistische Bedrohung“ mit Dr. Papke (damals FDP-Abgeordneter). Der Referent ist seit 2019 Vorsitzender der deutsch-ungarischen Gesellschaft, hält Kontakte zur rechts-autoritären Orbán-Regierung, fiel u.a. in der Vergangenheit durch populistische Äußerungen bzgl. Zitat „der Massenzuwanderung“ auf.

17.07.2017: Inaktivierungsvortrag von Daniel Schwach (damals wie heute AfD in NRW) mit dem Titel „Verlust nationaler Souveränität für eine europäische Vision“.

25.06.2019: „SchlesischerAbend“ auf dem Haus. Nostalgische Veranstaltung in Richtung ehemaliger Ostgebiete, die Deutschland nach seinem Vernichtungskrieg während des Zweiten Weltkriegs abgeben musste

11.7.2022: Vortrag mit Klaus-Gunther Maaß vom deutschtümelnden „Verein Deutsche Sprache“ zum Thema „Gendersprache auf dem Vormarsch – sind wir noch zu retten“.

15.11.2022: Vortrag: „Nomos der Erde – Carl Schmitt als Völkerrechtler“ mit Prof. Dr. Gerd Morgenthaler, Generalsekretär der Oswald-Spengler-Society und Mitglied des Netzwerkes „Wissenschaftsfreiheit“. In dem Vortrag wird der Kronjurist des Dritten Reiches de facto rehabilitiert. Einem kurzen Nebensatz zu seiner NS-Geschichte folgen 1,5 Stunden Ausführungen zu seinen Rechtsansichten. Die Frage nach einer erneuten Deutschen Großmachtstellung im 21. Jahrhundert wird gestellt und wird beantwortet mit den Worten: „Das haben wir zwei Mal versucht. Das sollten wir vielleicht nicht nochmal machen.“

17.01.2023: Vortrag „Wissenschaftsfreiheit und akademische Verbannung“ mit Prof. Dr. Schönefeld vom „Netzwerk Wissenschaftsfreiheit“. In dem Vortrag schwadronieren Referent sowie Burschen über eine vermeintliche „links-grüne cancel Culture“, die die Wissenschaftsfreiheit einschränke. Der Begriff der Wissenschaftsfreiheit wird ausgedehnt auf jede regressive Meinung, die die Leute vertreten wollen. Fazit des Abends: „Das wird man wohl noch sagen dürfen!!“

10.01.2024: Literarischer Abend zum Thema „Ernst Jüngers Werke“.

Jünger war in der Weimarer Republik ein Antidemokrat, wird der rechten Bewegung rund um die „Konservative Revolution“ zugerechnet und gilt als einer der intellektuellen Wegbereiter des NS. Auch nach 1945 war er kein Anhänger der parlamentarischen Demokratie.

31.05.2023: Vortrag „Moderne Untergangsprediger. Moralisierung in der Klimabewegung“ mit Prof. Dr. Kutzner

(Quelle: Facebook Auftritt der Sigambria)

Social Media:

Der Auftritt der Sigambria in den sozialen Medien verweist ebenso wie die oben aufgeführten Vorträge je nach Jahreszahl auf die Zyklen konservativer, konservativ-radikaler bzw. faschistischer Akteure: so sind über die Jahre Posts anlässlich des  140sten Geburtstages von Oswald Spengler, einem Philosophen der Rechten antidemokratischen „Konservativen Revolution“, dem Reichsgründer des Zweiten Reiches Bismarck, dem nationalistisch-antisemitischen und als Widerstandskämpfer inszenierten Stauffenberg oder auch Erinnerungen an die sogenannten „Vertriebenen“ der ehemaligen deutschen Ostgebiete zu beobachten.

Verzahnt werden diese Beiträge mit jenen über beispielsweise die Weiße Rose, Beiträgen zum Grundgesetz oder dem Alltagsbetrieb der Burschenschaft: Trinkgelagen, diversen kulinarischen Tastings, Partys, Fechtduellen.

Ein erstes Fazit

Das Antifa Info Café Siegen formuliert treffend:

Der Vorsitz des RCDS wurde  jahrelang durch einen Burschenschafter der Sigambria bekleidet, die Burschenschaft der Sigambren war in der Vergangenheit dafür bekannt, die Schnittstelle zwischen nationalkonservativem und extrem rechten Milieu zu sein. Nach den Vorträgen von Profs des reaktionären „Netzwerks Wissenschaftsfreiheit“ auf dem Siegener Haus zu C. Schmitt und einer vermeintlich links-grünen „Cancel culture“ darf getrost nicht nur z.T. von personeller sondern auch gedanklicher Kontinuität ausgegangen werden.

https://x.com/cafesiegen/status/1656036230511951872?s=46

Die Sigambria ist ideologisch und personell  sicherlich nicht auf eine Stufe zu stellen mit Burschenschaften, die große personelle Schnittmengen mit der sog. Neuen Rechten rund um die Identitäre Bewegung oder dem neonazistischen Milieu aufweisen.

Gleichzeitig besteht die Gefahr genau hierin:

Unter der Selbstbezeichnung „Liberal“ und „Konservativ“ lässt sich Politik in Universität und Stadt vorantreiben, die Burschenschaft ist hervorragend in der Stadt vernetzt, dient anderen erneut als Vernetzungsplattform.

Nationalismus und Maskulinismus eingeschlossen. Die Sigambria dürfte zudem einer der ersten Orientierungspunkte sein für Studierende aus rechter Bewegung, die nach Siegen ziehen.