Haftantritt von Nico

Krawallnacht bleibt legitim

Der heutige Haftantritt von Nico wurde von rund 200 Genoss:innen kollektiv und mit vielfältigen Aktionen begleitet. Der Genosse sitzt nun in der JVA Ulm eine 37-monatige Haftstrafe ab. Verurteilt wurde er für die Beteiligung an den sozialen Auseinandersetzung im Rahmen der sogenannten „Stuttgarter Krawallnacht“ im Juli 2020. Nico ist erst einmal weg und daran gibt es nichts schön zu reden. Dennoch ist es uns gelungen, ein starkes Zeichen zu setzen, ihn kollektiv zu begleiten und zu zeigen, dass wir uns nicht spalten lassen, auch nicht von Mauern und Gittern.

Zum Tagesauftakt wurde erst einmal gefrühstückt. Mehr als 100 Genoss:innen fanden sich ab 9 Uhr im Linken Zentrum Lilo Herrmann ein. Im persönlichen Rahmen bei uns im Zentrum wurden Grußbotschaften von Perspektive Kommunismus, der Antifaschistischen Aktion Stuttgart und einem inhaftierten Genossen verlesen. Anschließend fuhren die Teilnehmer:innen mit einem Reisebus und vielen Autos gemeinsam nach Ulm.

Die JVA Ulm in der Talfinger Straße ist ein vergleichsweise unauffälliger Gebäudekomplex. Bereits im Vorfeld hatte sich die Stadt Ulm schwer getan, einen geeigneten Kundgebungsort auszuweisen. Letztlich fand der Großteil der Versammlung schräg gegenüber der JVA statt. Hier wurden in mehreren Redebeiträgen die Hintergründe des Falls erläutert, persönliche Bezüge zu Nico und seinem Engagement gezogen und in die allgemeine Entwicklung der Repression eingeordnet. Es sprachen die Rote Hilfe Ortsgruppe Stuttgart, der Solikreis, der Nico begleitet und das Antifaschistische Aktionsbündnis Stuttgart & Region. Außerdem gab es einen Redebeitrag des Solikreises rund um das Frankfurter §129a Verfahren, sowie ein Grußwort des Bundesvorstands der Roten Hilfe. Erfreulich war die mit über 200 Anwesenden hohe Anzahl an Teilnehmer:innen. Aus mehreren Süddeutschen Städten waren Genoss:innen nach Ulm angereist. Außerdem nahmen Familienangehörige und Arbeitskolleg:innen an der Kundgebung teil.

Die bewusst gesetzten Programmpausen nutzten viele, um schon vor Ort Briefe an Nico zu schreiben. Diese sollen einen Nachhall der Solidarität über die Knastmauern hinweg tragen.

Die politisch-offensive Begleitung eines Haftantritts stellt immer ein Spürbarwerden größerer Widersprüche dar. So hat es einerseits etwas Demütigendes, die Gewaltherrschaft zu akzeptieren und mitzuerleben, wie ein Genosse sich der von der Klassenjustiz auferlegten Strafe fügen muss. Andererseits hat es eine stärkende Kraft zu erleben, wie es gelingen kann, Ohnmacht zu durchbrechen, Solidarität zu leben und einen nach vorne gerichteten Umgang mit der Repression zu entwickeln.

Um 14 Uhr war es Zeit vorerst Abschied zu nehmen. Gemeinsam zogen die Kundgebungsteil-nehmer:innen vor das Portal der JVA. Mit lautstarken Parolen wie „Solidarität ist unsere Waffe, wir kämpfen Klasse gegen Klasse“ begleiteten die Teilnehmenden Nico beim Betreteten der Haftanstalt.

Am Abend kam es auf dem Stuttgarter Schlossplatz, einem zentralen Ort der Stuttgarter Krawallnacht, zu einem Solidaritätsflashmob. Auf der Freitreppe wurden Fahnen unterschiedlicher Bewegungen geschwenkt, denen Nico sich zugehörig fühlt. Parallel wurde die Fassade des Glaskubus mit einer großen Klebefolie verschönert. Die Abbildung zeigt eine Stilisierung einer Auseinandersetzung zwischen Rebellierenden und Cops an gleichem Ort in der sogenannten „Krawallnacht“, in Kombination mit einem Zitat aus Nicos Prozesserklärung.

Sicherlich wirft die Inhaftierung von Nico die politische Bewegung in Stuttgart ein Stück zurück. Nun gilt es praktische und politische Solidarität für den Genossen zu organisieren und die Lücken, die er in den Strukturen hinterlässt, auszufüllen. Vergangene Repressionsfälle zeigen aber auch, dass es gelingen kann, an diesen Auseinandersetzungen zu wachsen: inhaltlich und organisatorisch zu wachsen und Fertigkeiten für die bevorstehenden Kämpfe zu entwickeln.

Voraussetzung, um die Destruktivkraft der Repression durchbrechen zu können, ist gelebte Solidarität. Das Anwenden der Prinzipien von gegenseitiger Unterstützung und Zusammenhalt. Im Kleinen kann das in Form von Briefe schreiben, Spenden, Organisieren von Soliabenden, usw. stattfinden. Im Großen muss es darum gehen, diese Prinzipien als Grundpfeiler einer kommenden Gesellschaft, einer Perspektive jenseits des Kapitalismus, jenseits von Ausbeutung und Unterdrückung durchzusetzen.

Organisiert Solidarität! Organisiert den revolutionären Aufbauprozess!