Warum wir nicht mit in das Horn des AfD-Verbots stoßen

Über die Fallstricke das AfD-Verbot zu unterstützen und warum wir uns auf alte antifaschistische Weisheiten berufen.

Gibt es ihn etwa doch den antifaschistischen Staat? Beim Lesen der Nachrichten im Laufe dieses Jahres könnte man bei dem ein oder anderen Artikel fast den Eindruck gewinnen: Eingeleitetes Verbotsverfahren gegen das COMPACT-Magazin, Festnahmen der rechten Terrorzelle „Sächsische Separatisten“ (unter ihnen Mitglieder der Jungen Alternative) und jetzt wollen Bundestagsabgeordnete von CDU bis Linkspartei ein AfD-Verbot auf den Weg bringen. Mehr als 113 Abgeordnete haben den Antrag für ein AfD-Verbotsverfahren im Bundestag eingereicht.

Unterschiedliche Einschätzungen über die Erfolgsaussichten des AfD-Verbotsverfahrens laufen in den deutschen Medien hoch und runter: Kommt ein Verbotsantrag beim Bundesverfassungsgericht durch? Auf welcher Grundlage kann ein Verbot durchgesetzt werden? Kann das Parteiverbot überhaupt vor den Neuwahlen angegangen werden oder verstößt es gegen den „Gleichbehandlungsgleichsatz“ der Parteien? Ist jetzt der richtige Moment für ein Parteiverbot?

Viele Fragen und heiße Diskussionen.

Warum ein (unrealistisches) AfD-Verbot der Rechtsentwicklung nichts nachhaltig entgegensetzen wird und wir als Antifaschist:innen guttun, nicht auf den Staat im Kampf gegen Rechts zu hoffen und deshalb nicht mit in das Horn des AfD-Verbotes stoßen, wollen wir im Folgenden darlegen.

Woher kommt die Forderung nach dem AfD-Verbot?

Die AfD steht gut da. Die Wahlerfolge in Thüringen, Sachsen und Brandenburg beflügeln die Partei und es ist dort schon jetzt kaum möglich eine stabile Landesregierung ohne die AfD zu bilden. Dass sich gerade Landesregierungen (für wer weis wie lange) aus Parteien bilden, die eigentlich nicht so richtig zusammenpassen und nicht in der Lage sein werden, die Problemen der Menschen zu verbessern, lässt die AfD dort entspannt in die Zukunft blicken. Die Grünen, CDU und SPD verlieren dagegen stark an Einfluss und Posten.

Auch auf Bundesebene geraten die etablierten bürgerlichen Parteien unter Druck. Die Ampel, aber auch Regierungen davor, haben mit ihrer Sparpolitik im Sozialem, der Elendsverwaltung in der kapitalistischen Krise, eine gesellschaftliche Stimmung erzeugt, welche die Rechten – allen voran die AfD als Anti-Establishment Partei nutzen konnten. Es gelingt ihnen zunehmend weniger, die Lasten der Krise für Lohnabhängige abzufedern. Vor allem die massiven Investitionen in die Bundeswehr tragen dazu bei, dass es mittlerweile bundesweit an allen Ecken und Enden an Geld fehlt. Durch den Bruch der Bundesregierung und die anstehenden Neuwahlen droht den etablierten bürgerlichen Parteien, insbesondere der SPD und den Grünen ein beschleunigter Machtverlust.

War die AfD in den letzten Jahre für SPD, Grüne & Co. noch nützlich als Eisbrecher, um in ihrem Windschatten „heimlich“ nach rechts zu rücken und die fürs Kapital notwendige Politik durchzusetzen, ist sie diesen Parteien nun zu stark geworden. Gleichzeitig ist die gesellschaftliche Rechtsentwicklung mittlerweile so weit vorangeschritten, dass kein Hahn mehr danach kräht, wenn es z.B. um Abschiebungen nach Syrien oder die Umsetzung anderer rechter Realpolitik geht.

Die Idee sich des parlamentarischen Konkurrenten zu entledigen liegt aus Perspektive der Parteien natürlich auf der Hand und würde zumindest für kurze Zeit dazu dazuführen, dass ihre Wahlergebnisse in Relation zunächst wieder steigen. Darüber hinaus eignet sich der aktuelle Vorstoß gut, um sich im anstehenden Wahlkampf Sympathien bei all denjenigen zu sichern, die den Aufstieg der AfD mit Sorge betrachten.

Der Kapitalismus steckt in der Krise. Soweit nichts neues..

Dass der Kapitalismus in der Krise steckt, ist keine besonders neue oder bahnbrechende Erkenntnis. Trotzdem bleibt es wichtig diesen Aspekt zu beachten, wenn über die Ursachen der Rechtsentwicklung und ein wirksames Vorgehen dagegen diskutiert wird. Denn die AfD ist reaktionäres Symptom auf die sich verschärfenden kapitalistischen Krisen, die auch im imperialistischen Zentrum zunehmend auf die Arbeiter:innenklasse abgewälzt werden. Das Versprechen von relativem Wohlstand für zumindest einen Teil der lohnabhängigen Klasse erfüllt sich für immer weniger Menschen und auch das Gefühl des bevorstehenden Wohlstandverlustes macht sich in immer breiteren gesellschaftlichen Schichten breit. Die Rechten, allen voran die AfD schafft es momentan, den Unmut vieler Menschen mit den aktuellen Verhältnissen aufzufangen und zu kanalisieren.

Wir rufen nicht nach dem starken Staat!

Natürlich wäre es realitätsfern zu behaupten, dass ein AfD-Verbot gar nichts ändern würde. Tatsächlich würde es den wichtigsten Akteur im Zentrum des rechten Mosaiks erheblich schwächen und die extreme Rechte um einige Jahre zurückwerfen. Als Antifaschist:innen würden wir uns darüber erst mal nicht beklagen. Dennoch ist es in „Zeiten wie diesen“ besonders wichtig, wie wir uns gegenüber dem Staat und einem möglichen AfD-Verbot positionieren. Denn wie sich antifaschistische Zusammenhänge öffentlich zu dieser Frage verhalten hat durchaus einen Einfluss auf das Bewusstsein von Antifaschist:innen und deren Einstellung dazu, ob der Staat Teil der Lösung im Kampf gegen die Rechtsentwicklung ist oder Teil des Problems. Wenn Linke sich also dem Ruf nach dem AfD-Verbot anschließen ist das vielmehr Ausdruck der Hilflosigkeit und Überforderung im Angesicht der voranschreitenden Rechtsentwicklung als eine inhaltlich richtige Position.

Es ist der Staat, der die Ausbeutungsverhältnisse gewaltsam schützt und vor allem mit seiner neoliberalen Politik den Nährboden für die Rechten geschaffen hat, in den jetzt Hoffnungen gesetzt werden. Es ist der Staat, der bereits jetzt rechte Realpolitik macht, sei es, wenn die „europäischen Außengrenzen verteidigt werden“, oder wenn es mal wieder eine rassistische Polizeikontrolle gibt, in den jetzt Hoffnungen gesetzt werden. Es ist der Staat, der Nazidemo um Nazidemo ohne Rücksicht auf Verluste durch prügelt, AfD Veranstaltungen mit lächerlich großen Polizeiaufgeboten schützt und die Repression gegen Antifaschist:innen immer weiter hochschraubt, in den jetzt Hoffnungen gesetzt werden. Es ist der Staat, der die dreistesten Faschisten (v.a. die, die sich bewaffnen und aktiv den Umsturz planen) nur solange einigermaßen im Zaum halten wird, wie der Faschismus an der Macht noch nicht im Interesse der Mehrheit des Kapitals ist, in den jetzt die Hoffnungen gesetzt werden. Es sind vergebliche Hoffnungen, die in den Staat gesetzt werden.

Der Staat will und wird es nicht richten, das müssen wir schon selbst tun.

Auf was wir uns besinnen sollten:

Selbst wenn es zu einem Verbotsverfahren gegen die AfD kommen sollte, wird sich das über Jahre hinweg mit ungewissem Ausgang ziehen, wie man gut am NPD-Verbotsverfahren sehen konnte. Zeit für die Partei, sich weiter in der Breite der Gesellschaft zu verankern und auch ihren Einfluss in den staatlichen Behörden weiter auszubauen.

Ein AfD-Verbot würde der Rechtsentwicklung nicht nachhaltig entgegenwirken. Die Meinung hinter Millionen von Stimmen für die AfD würden sich dadurch nicht ändern. Der hinter der AfD stehende Rechtsruck würde sich andere Bahnen suchen, wenn die AfD nicht mehr ist, die Freude über das AfD-Verbot wäre nur von kurzer Dauer.

Stattdessen müssen die Ursachen der Rechtsentwicklung an ihrer Wurzel bekämpft werden, nicht nur am Symptom.

Als Antifaschist:innen mit Klassenstandpunkt ist es unsere Aufgabe, die Ärmel hochzukrempeln und uns dem Rechtsruck entgegenzustellen. In der Öffentlichkeit, in den Betrieben, privat und auf der Straße. Dabei tun wir gut daran, nicht zu moralisieren, sondern aufzuzeigen, was die neoliberale, rassistische und sexistische Agenda der AfD für den allergrößten Teil der Lohnabhängigen für fatale Folgen hat.

Dazu ist es notwendig, dass wir uns selbst organisieren und den langen Atem im Kampf gegen Rechts, den wir in den letzten Jahren immer wieder betont haben, jetzt auch wirklich haben, statt auf die Rettung durch ein AfD-Verbot zu hoffen. Denn auch das wäre keine Lösung des Problems.

Für uns bleibt der antifaschistische Kampf kein Accessoire im Wahlkampf, sondern notwendig!

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