Am 12. September 2000 wird in der BRD die faschistische Gruppierung „Blood & Honour“ verboten. Der Schritt hätte schon viel früher passieren können und ist rein symbolisch und taktisch: Die Repression gegen die Nazis fällt mager aus und ihre Arbeit wird durch das Verbot kaum beeinträchtigt – ausgerechnet „Combat 18“ als militanter Arm der Bewegung wird erst 2020 verboten.
Wir wissen, dass der Staat politisch kein großes Interesse an der Verfolgung von Faschist:innen hat – weil Faschist:innen keine Feinde des bürgerlichen Staates sind, aber umgekehrt für die Herrschenden, insbesondere in Zeiten der kapitalistischen Krise, nützlich sein können. Es kann aber dennoch aus taktischen Gründen für den Staat Sinn ergeben, einzelne Nazis und deren Strukturen anzugreifen – um sein Gesicht und den Schein der „neutralen Mitte zwischen den Extremen“ zu waren, oder weil er droht die Kontrolle über die Faschist:inne zu verlieren. Der Großteil des Kapitals hat im Moment kein Interesse an einer Machtübertragung an Faschist:innen. Denn die Interessen des Kapitals lassen sich hier in der aktuellen gesellschaftlichen Situation besser durch eine repräsentative Demokratie durchsetzen. Deshalb geht der Staat auch immer wieder oberflächlich gegen faschistische Strukturen vor.
Der Fall „Blood & Honour“ zeigt beide Seiten dieser Medaille eindrücklich, besonders anhand der folgenden Analyse-Texte des „Antifaschistischen Info-Blatts“.
Da uns hier interessiert, wie (nicht) effektiv das Verbot ist, sowie die Strategien der Nazis und des Staates im Kontext des Verbotes, haben wir uns erlaubt, einige Recherche-Details herauszukürzen. Wenn diese euch dennoch interessieren, finden ihr sie natürlich in den Original-Texten des AIB.
NS-Szene | AIB 51 / 2.2000 | 16.10.2000
Anstandshalber Starker Staat. Schily verbietet Blood & Honour
Keine Waffen, ein paar hundert CDs und T-Shirts, 73.000 Mark und Adressen: Die Ausbeute von rund 30 Durchsuchungen bundesweit im Zusammenhang mit dem Blood & Honour- und WhiteYouth-Verbot fiel mager aus. Erstaunlich ist das Verbot nicht. Blood & Honour (B&H) war neben der NPD die einzige Neonazigruppierung, die aufgrund antifaschistischer Initiativen in den letzten Monaten von den bürgerlichen Medien häufiger genannt und analysiert wurde. Außerdem war B&H leichter zu verbieten als eine Partei wie die NPD.
Auch wenn B&H nach dem Vereinsgesetz verboten wurde: De facto handelt es sich um ein Netzwerk, das seit Jahren in der Halblegalität operiert und dessen Existenz nur zu geringen Teilen von einer öffentlichen Struktur abhängt. Das Verbot ist kaum mehr als Kosmetik im staatlichen »Kampf gegen Rechts« und wird – wenn überhaupt – die Strukturen von B&H nur kurzfristig behindern. Noch im Oktober wurde das aktuelle B&H-Hochglanzmagazin mit einem Brief verschickt, in dem lediglich vor einer Kontaktaufnahme über die bisher bekannten B&H-Postfächer gewarnt wird.
Trotz Repression: Business und Propaganda wie immer
Bundesweit zählten die Sicherheitsbehörden in der ersten Jahreshälfte nur zehn B&H-Konzerte. Zum Vergleich: 1999 rechnete der Verfassungsschutz ein Drittel der 109 registrierten Konzerte den B&H-Strukturen zu. In den Jahren davor fehlen offizielle Angaben zu B&H. Nicht registriert wurden hingegen viele kleinere Konzerte mit regionaler Mobilisierung, die oft – z.B. getarnt als »Geburtstagsparties« oder »Bandwettbewerbe« – z.B. in rechten Jugendclubs stattfanden. (…)
Häppchenweise zum Verbot
Die Strukturen von B&H reagierten auf die erhöhte polizeiliche Aufmerksamkeit mit einer Doppelstrategie: Einerseits wurden weiter Konzerte organisiert. B&H-Blöcke nahmen an Nazi- Aufmärschen teil und veröffentlichten Drohungen gegen Staatsvertreter und Aufrufe zum bewaffneten Kampf. (…)
Als Reaktion auf den Repressionsdruck behauptete »die Divisionsleitung« Ende Juli in einem Rundbrief, die Berliner B&H-Sektion sei aufgelöst, und es werde »auch vorläufigkeine neuen B&H Aktivitäten in der Hauptstadt geben«. Die Berliner Sektion zählt(e) ca. 50 Mitglieder und war nach eigenen Angaben 1994 Gründungssektion von B&H Deutschland. 1Als Gründungsmitglieder der „Sektion“ Berlin, aus welcher die „Blood & Honour Division Deutschland“ hervorgegangen ist, galten laut B&H-Verbotsverfügung Dorothee B., Heiko Lappat, Martin R. und Olaf H.. Stephan Thomas Lange wurde später zum deutschen Divisionsleiter. Ihre Aktivisten sind zentral innerhalb des Netzwerkes; über Jahre hinweg wurden viele der Konzerte in Brandenburg, Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern von der Berliner Sektion (mit)organisiert. (…)
Ein Alibi-Verbot
Die Sommerloch-Debatte, der Besuch von Joschka Fischer in den USA und vor der UNO sowie die Publikation einer Opferchronik von Frankfurter Rundschau und Tagesspiegel trugen dazu bei, dass Otto Schily am 14. September das Verbot von B&H und »White Youth« verkündete. 2Die Verbotsverfügung für Blood & Honour Division Deutschland erhielten Stephan Thomas Lange alias „Pinocchio“ (Berlin-Lichtenberg), Marcel Degner alias „Riese“ (Gera), Uwe Albrecht (Kassel), Achim Pfeifer (Ludwigshafen), Dieter Riefling (Bad Gandersheim-Helmscherode), Bernd Peruch (Gundelsheim), Sven Schneider (Borkwalde), Torben Klebe (Hamburg) und Mike Bär (Gera). Offenbar hatte es bei den B&H Sektionen vorher, ähnlich wie momentan bei der NPD, Anweisungen gegeben, die Wohnungen von belastendem Material zu säubern und dann in aller Ruhe abzuwarten. Insgesamt soll es bundesweit 45 Hausdurchsuchungen gegen fast 40 Personen gegeben haben. (…)
In Brandenburg3Hervorhebungen der Bundesländer und Städte durch Antifa-Info.net durch besuchte die Polizei drei White Youth (s.u.) und drei Blood & Honour Kader. (…)
In Niedersachsen suchte die Polizei in Hildesheim, Lingen, Minden und Bad Gandersheim vier B&H-Kader auf. (…)
In Hessen fanden Durchsuchungen bei dem 29jährigen Naziskinhead Uwe A. in Kassel statt sowie in Maintal bei Andreas Re., einem seit GdNF-Zeiten -bekannten Neonazi. Auch Alexander H. aus Mühlheim soll betroffen gewesen sein. Überrascht waren örtliche AntifaschistInnen, dass der Maintaler Claus Zur-L. verschont blieb. Dem ebenfals seit GdNF-Zeiten aktiven Neonazi wird seit längerem in antifaschistischen Medien eine Führungsrolle in lokalen B&H Strukturenzugeschrieben.
In Baden-Württemberg fand eine Durchsuchung bei dem 27jährigen Hartwin K. (Karlsruhe) der B&H Sektion Baden statt, der 1999 mit anderen nach Northampton zu einem Konzert mit der schwedischen Band »White Law« (die später in Karlsruhe auftrat) reiste.4Rhein-Neckar Zeitung, 15.9.00 In Bayern wurden in Gundelsheim, in Bamberg, in Baunach, in Schwandorf und in Mindelheim fünf Objekte durchsucht. Betroffen war u.a. Bernd Peruch alias „Pernod“ aus Gundelsheim.
In Sachsen-Anhalt sollen u.a. die Magdeburger Sascha Braumann, Christoph Herpich und Holger M. von Polizeimaßnahmen betroffen gewesen sein. In Wernigerode wurden demnach gleich fünf Durchsuchungen durchgeführt. (…)
In Mecklenburg-Vorpommern gab es in Rostock Durchsuchungen bei Anke Z. und bei Sven F. aus Stralsund/Lingen.
In Sachsen sollen Madlen W. (Hoyerswerda) und Rico B. aus Oschatz Polizeibesuch wegen dem B&H-Verbot bekommen haben.
In Saarland informierte die Polizei Petra M. (Saarlois) und Oliver N. (Saarbrücken) über das B&H-Verbot.
Angesichts der Behauptung des Bundesinnenministeriums, B&H habe bundesweit rund 240 Mitglieder und White Youth noch einmal 100, ist die geringe Zahl der Durchsuchungen – und deren Auswahl – erstaunlich. So kamen die norddeutschen B&H-Strukturen bis auf eine Durchsuchung in Hamburg trotz ihres organisatorisch und politisch extrem offensiven Auftretens unbehelligt davon. Noch am Tag des Verbots war Sascha Bothe, Tostedter B&H-Aktivist und Leiter der B&H-Sektion Nordmark, eifrig dabei, Material aus seiner Wohnung zu schaffen.
Noch zurückhaltender verfuhren die Behörden mit »White Youth«. Die hatte sich im Dezember 1997 mit dem Ziel gegründet, »junge Leute zu organisieren und sie an die ‚älteren Kameraden’ zu binden«,5VS Bericht Thüringen, 1999 sprich für B&H zu rekrutieren. (…) Gemeinsam mit der Thüringer B&H Sektion um Marcel Degner wurden Konzerte organisiert und Aufmärsche besucht. Ein eigenes Fanzine »White Youth« – das auch als Mitteilungsblatt der B&H Sektion Südbrandenburg diente.6Für ein »White Youth« Postfach in Hoyerswerda waren Madlen W. und Sebatian R. verantwortlich.
War da was? B&H nach dem Verbot
Fast zehn Tage nach dem Verbot veranstalteten die norddeutschen Strukturen von »Blood & Honour« zusammen mit der Sektion »Hammerskins Nordmark« und deren Anführer Sven Grewe aus Lüneburg ein Ian-Stuart-Memorial Konzert in einer Gaststätte in Laave (Lüneburg) mit internationaler Beteiligung und mit den »Proissenheads« aus Potsdam. Letztere konnten dank des Potsdamer Staatsschutzes drei Jahre lang in einem öffentlichen Jugendclub proben.7Hinter den Kulissen – Faschistische Aktivitäten in Brandenburg – Update 99, S. 64ff Die Polizei schritt erst beim Auftritt der letzten Band ein und wurde von 500 bewaffneten Nazis angegriffen. Erst nach der Ankunft von ca. 500 weiteren Polizisten wurde der Saal gestürmt. Die Bilanz des Abends: 46 verletzte Polizisten und 32 vorübergehend festgenommene Neonazis. Am nächsten Tag wurde erklärt: »Auch ohne Blood & Honour wird der Kampf weitergehen! Aufgrund der Tatsache, daß es in der Vergangenheit immer wieder zu gewalttätigen Übergriffen der Systempolizei bei Musikveranstaltungen kam, waren die Besucher dieses mal etwas besser vorbereitet. (….) Dieser Staat muß merken, daß zukünftig einige tausend Bullen aufgeboten werden müssen, um unsere Konzerte zu verhindern (…).«
Auch das »Aktionsbüro Norddeutschland«, hinter dem sich der Anführer der »Freien Kameradschaften« Christian Worch verbirgt, reagierte in einer Pressemitteilung ähnlich: »Die Zahl der verletzten Polizisten (…) war letztlich drei mal so hoch wie die Zahl der verletzten Konzertbesucher. Und darüber braucht sich wirklich niemand mehr zu wundern oder gar entsetzen (…).« Die Reaktionen der B&H-Strukturen und ihrer engsten Verbündeten in der Neonaziszene auf das Verbot sind gelassen.
In Berlin nutzen Neonazis kürzlich das alte B&H-Clubhaus für ein Konzert. Die B&H-Division Skandinavien und der in Schweden lebende norwegische Neonazi Erik Blücher alias »Max Hammer«, der ansonsten jede B&H betreffende staatliche Maßnahme ausführlich kommentiert, halten das deutsche Verbot noch nicht einmal für erwähnenswert. Möglicherweise wird die deutsche B&H-Sektion zunächst ihre Propaganda über Postfächer im Ausland verschicken. Allerdings wird das deutsche B&H-Magazin auch weiterhin aus Deutschland versandt.
Die internationalen Aktivitäten laufen unvermindert weiter. Zu einem am 16. September geplanten Ian-Stuart Memorial Konzert u.a. mit der Naziband »Might of Rage« aus Dresden in der ungarischen Stadt Szekszárd8Das Konzert wurde nach Intervention der ungarischen Sicherheitsbehörden verboten; ein B&H Sportfestival mit rund 100 Teilnehmern konnte stattfinden. reisten deutsche Neonazis und Bands ebenso an wie zum Ian Stuart Memorial Konzert im schwedischen Klippan am 23. September. Hier trafen sich Neonazis aus »verschiedenen unabhängigen, aber pro »Combat 18« Kreisen«9B&H Scandinavia aus Schweden, Dänemark,Deutschland, Norwegen, Finland und Polen. Seitdem Marcel Schilf sich im vergangenen Jahr in Ljungbyhed, Klippan, niedergelassen hat, sind sein Anwesen und die Konzerte zum regelmäßigen Treffpunkt für internationale Neonazikader geworden. (…)
Die Verbotsbegründung: Eine Bankrotterklärung
Begründet wurde das Verbot nach dem Vereinsgesetz vor allem mit den folgenden Punkten: B&H richte sich gegen die »verfassungsmäßige Ordnung«, bekenne sich »zu Hitler und führenden Nationalsozialisten«, verwende »Symbole und Begriffe des Nationalsozialismus«, erinnere positiv an »Teilorganisationen der NSDAP und staatliche Einrichtungen des Dritten Reiches«, habe eine »rassistische und antisemitische Ausrichtung«, propagiere die »Abschaffung der parlamentarischen Demokratie zugunsten eines Führerstaates« und richte sich in einer »kämpferisch-aggressiven Haltung« gegen die Verfassung und »den Gedanken der Völkerverständigung«.10Verbotsverfügung des BMI vom 12.9.00 Zur Begründung des Verbots wurden ausschließlich ab 1994 beschlagnahmte Materialien von B&H Deutschland und England ausgewertet. Das Ergebnis – nämlich militanter Antisemitismus, Rassismus, Mordaufrufe gegen alle, die nicht ins rechte Weltbild passen, Ausrichtung an der Waffen-SS und Aufrufe zum bewaffneten Kampf für die Teilnahme »am Endkampf der weißen Rasse in Europa«11Gründungsmitteilung der B&H Section Saar – kann niemanden überraschen.12s. u.a. White Noise und AIB Nr. 49 | Nr. 50
Die Verbotsbegründung ist eine Bankrotterklärung staatlichen Umgangs mit militanten Rechtsextremismus. Der harte Kern der militanten Nazis konnte seit 1991 – als die ersten Konzerte mit britischen B&H Bands wie »Skrewdriver« und »No Remorse« in Deutschland mit mehreren hundert Besuchern stattfanden – ungehindert agieren. Das Ergebnis: Die schon 1991 von Ian Stuart Donaldson, dem Gründungsvater von B&H, propagierte Strategie, Musik als Mittel zur Politisierung und Rekrutierung jugendlicher Sympathisanten für den Nationalsozialismus einzusetzen, konnte von führenden deutschen Neonazis ungestört umgesetzt werden. Inzwischen existiert eine rechtsextreme Erlebniswelt, in der das rechte Musikbusiness mit Konzerten, Internetseiten und Vertrieben eine zentrale Stellung hat. Und daran wird sich weder durch das Verbot noch durch sogenannte »Konzert-Erlasse« kaum etwas ändern. Trotz eines solchen Erlasses fand z.B. in dem mecklenburgischen Dorf Priborn an der Müritz am 10. Juni ein internationales Konzert mit rund 350 Neonazis statt. Die Polizei griff nicht ein. Bei Umsetzung, Begründung und Zeitpunkt des B&H Verbots ging es in erster Linie um die Rettung des deutschen Images im Ausland und um einen »Befreiungsschlag« in der »Sommerlochdebatte«. Mit der gleichen Begründung hätte die B&H Division Deutschland schon 1994 nach ihrer offiziellen Gründung verboten werden können.
B&H und Terror
Der einzige spannende Satz der Verbotsverfügung steht auf Seite 31: »B&H und White Youth haben in Teilen bewußt konspirative Strukturen gebildet (…)«, stellt das Bundesinnenministerium (BMI) fest. Jedoch kein Wort über die Arbeitsweise oder die zentralen Kader dieser Strukturen. Und daher bei diesen auch keine Durchsuchung (…). Die konspirativen Strukturen dienen nicht nur zur Organisierung von Konzerten und dem Versand von CDs und Videos, sondern auch zum Aufbau militanter Terrorzellen.
Im Herbst 1999 veröffentlichte der Hamburger Sturm – Mitherausgeber Torben Klebe – ein Interview mit einer »Nationalrevolutionären Zelle«, die den bewaffneten Kampf propagierte. Seit Anfang diesen Jahres verbreitete B&H Scandinavia dann auf seiner Website ein mehrseitiges Strategiepapier zum bewaffneten Kampf, das mit der Aufforderung endet: »Die Zeit des Geredes ist wirklich vorbei. Wir haben ein Stadium erreicht, in dem jegliche Form der Aktion der Inaktivität vorzuziehen ist. (…) Laßt uns unsere Schreibtische verlassen und das multikulti, multikriminelle Inferno von ZOG zerstören.« Autor des Strategiepapiers mit dem Pseudonym »Max Hammer« ist Erik Blücher (auch unter dem Namen Tor Erik Nilsen bekannt). Er betreibt gemeinsam mit Marcel Schilf den Versand von B&H Skandinavien, über den neben anderem Propagandamaterial die »Kriegsberichter«-Videos vertrieben werden. Zweidrittel aller Kunden sind deutsche Neonazis, die das hier indizierte Material in Schweden ordern.
Blücher/Nilsen verfügt über enge Kontakte zur norddeutschen Neonaziszene, u.a. zum Hamburger Christian Worch und zur britischen Terrorgruppe »Combat 18«. So schreibt Blücher/Nilsen dann auch: »Combat 18 muß als bewaffneter Arm der Blood & Honour Bewegung agieren« und »C 18« wird als »Armee von Blood & Honour« bezeichnet; Vorbild sei die Waffen-SS: »Das Konzept der Waffen-SS enthält alle Prinzipien (…), von (denen) wir unsere Inspiration zur Organisierung einer neuen Legion arischer Gladiatoren beziehen müssen.«13Alle Zitate aus »The Way Forward«, Übersetzung: AIB Auch die Angriffsziele werden benannt: In der antisemitischen Verschwörungstheorie stehen staatliche RepräsentantInnen und JournalistInnen im Dienst einer »jüdischen Weltverschwörung«, die sogenannte »ZOG – Zionistische Besatzungsregierung«. Niemand sollte sich von der vermeintlich antistaatlichen Haltung von B&H täuschen lassen: Herzstück ihrer Ideologie ist ein eliminatorischer Antisemitismus. Dass die Botschaft von B&H bei den jugendlichen KonsumentInnen angekommen ist, zeigen die steigenden Zahlen antisemitischer Grabschändungen und Anschläge auf Synagogen.
Die Spinne im braunen Terror-Netz: Der Verfassungsschutz
Führende deutsche Neonazis mit engen Kontakten zu B&H und der britischen Terrorgruppe »Combat 18« dienten und dienen den Sicherheitsbehörden als Informanten: Einer von ihnen, der 29-jährige Carsten Szczepanski – Deckname »Piato« – aus Königs Wusterhausen (KW), wurde zwischen 1994 und Juli 2000 als V-Mann des brandenburgischen Verfassungsschutzes geführt. Er spielte schon bei der Konsolidierung von B&H in Berlin-Brandenburg eine wichtige Rolle und gehörte dann zu den wichtigsten Propagandisten der eng mit der B&H-Struktur verwobenen»Combat 18«. Im Juli 2000 wurde er medienwirksam durch eine Veröffentlichung im »Spiegel« abgeschaltet.14Der Spiegel, 28|00, S. 37f Szczepanski organisierte ab 1992 Neonazikonzerte, war Herausgeber des ältesten und militanten deutschen Naziskinzines »United Skins«. Hier veröffentlichte die deutsche B&H-Division eines ihrer ersten Interviews.15s. United Skins Nr. 10, AIB Nr. 50, Hinter den Kulissen – Update 99 Dieses Zine galt von 1992 bis zum Juli 2000 als kontinuierliches Mitteilungsblatt der rechtsextremen Szene.
Verwunderlich – jedenfalls für AntifaschistInnen – war, dass Szczepanski, der 1995 wegen versuchten Mordes an einem Nigerianer zu acht Jahren Haft verurteilt worden war, das Zine aus der Haft heraus produzieren und gemeinsam mit seiner Freundin vertreiben konnte und dabei für »Combat 18« warb. Im Nachhinein ist klar, dass Szczepanski dies machen konnte, weil der VS ihn deckte. Kurz nach seiner Haftentlassung reiste Szczepanski mit mehreren Neonazis nach Schweden und besuchte Mitglieder der Anti-Antifa-Terrorgruppe »Nationalsozialistische Front« (NSF).16AIB Nr. 50, S. 31 Außerdem eröffnete er einen Neonazi-Laden. Anfang 2000 stieg er zum NPD-Ortsvorsitzenden in KW und mit dem Berliner Neonazi Reinhard Golibersuch in die Organisationsleitung des Berlin-Brandenburger NPD- Landesverbandes auf.17Zündstoff Nr. 1|00 Unter Szczepanskis tatkräftiger Beteiligung entwickelte sich der Nachwuchs von »United Skins« zu einer bekannten Schlägergruppe. Szczepanskis letzter öffentlicher Auftritt fand am 17. Juni in KW statt, wo er mit »C 18«-T-Shirt für die NPD einen Aufmarsch mit 600 Teilnehmern, u.a. auch Worch, mit organisierte. Nach seiner Enttarnung konnte er trotz einiger Drohungen seiner »Kameraden« – etwa der HNG und diverser Nationaler Infotelefone – nur mühsam vom Verfassungsschutz dazu gebracht werden, KW zu verlassen.
Szczepanski, in dessen Westberliner Zweit-Wohnung schon 1992 vier Rohrbombenkörper, chemische Substanzen und Zündvorrichtungen gefunden wurden, gehörte laut Informationen aus Sicherheitskreisen zusammen mit seinem alten Bekannten aus NF-Zeiten (…) zum Kreis der »Nationalrevolutionären Zellen«. Interessanterweise wurden die o.g. Neonazikader trotz diverser Waffenfunde und Anschlagspläne jeweils nur kurzzeitig in Gewahrsam genommen. Der einzige aus dem Kreis, der inzwischen in Strafhaft sitzt, ist der 22jährige Nick Greger aus Wunsiedel (…). Am Rand eines NPD-Treffens in KW entstand der Kontakt zum Kreis um Szczepanski, dem er von seinen Bombenbaukünsten berichtete. Dieser und Ralf L. 18Ralf L. aus Königs Wusterhausen war neben dem späteren V-Mann Carsten Szczepanski ein Beschuldigter in einem Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts einer Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung nach § 129a Abs. 1 StGB. Das Verfahren galt der Gründung oder des Versuchs der Gründung einer Teilorganisation des amerikanischen Ku-Klux-Klan auf deutschem Boden.waren von Gregers Fähigkeiten begeistert. Sie wollten die Rohrbomben gegen das »linke Spektrum« einsetzen. In den Folgemonaten drängte Szczepanski mehrfach zur Übergabe der Bombe, und drohte Greger, der aber nicht lieferte. Im Juni 2000 durchsuchte die Polizei Gregers Wohnung und fand eine fertige Rohrbombe und einen Bombenrohling. Das Ergebnis: Zwei Jahre Haft für Greger.19Der Tagesspiegel, 9.8.00
Der Fall Szczepanski wirft u.a. die Frage auf, inwieweit Szczepanski doppeltes Spiel trieb und nur mit Neonazis abgesprochene Informationen weitergab – wie es bei der NF gängige Praxis war. Dies liegt zumindest nahe: Zum einen wurde Szczepanski offenbar aus Kreisen der Sicherheitsbehörden »verbrannt«, die wohl Angst hatten, dass er ihnen aus dem Ruder läuft. Zum anderen hat sich die NPD nach seiner Enttarnung auffallend zurückhaltend geäußert. Ungeklärt ist auch, wer neben Szczepanski als weiterer Zuträger der Sicherheitsbehörden in der Terror-Connection Hamburger, Berliner und Brandenburger Nazis sitzt. Eine alte Geheimdienstregel lautet, dass »Top-Quellen« niemals unüberwacht agieren sollen. Die Biografien einiger Neonazis – vor allem derjenigen mit längeren Knastaufenthalten – liefern dafür zumindest Anhaltspunkte. »Verrat« wird ohnehin innerhalb der deutschen Neonaziszene in den seltensten Fällen als gravierend bewertet und oft genug einfach taktisch eingesetzt – um die eigene Haut, die eigenen Strukturen oder Organisationen zu retten.
Bei Bernd Peruch, Sänger der B&H-Band »Hate Society« aus Bamberg, spekulieren einige seiner »Kameraden« öffentlich, dass er seit einigen Jahren Informationen an die bayrischen Sicherheitsbehörden weiterreicht: »(…) Dazu paßt dann auch ganz gut, daß eben der genannte Bamberger Nasenbär früher einen regen Kontakt zu einem VS-Mitarbeiter hatte, den er mir gegenüber mal als seinen ‚Freund Böhm vom Verfassungsschutz’ bezeichnet hat (…)«, so Großmann.20DIM Records Versand, Liste April|Mai 00 Mit Szczepanski zählt Bernd Peruch zu den bekanntesten Protagonisten der Terrorstrategien von »Combat 18« in Deutschland und ist in der Vergangenheit mehrfach als Besteller von NS-88-Versandmaterialien aufgefallen. Am 27. Juni 1999 besuchte eine 14-köpfige »Combat 18«- Delegation unter Führung von Will Browning ein B&H-Organisationstreffen bei Bamberg. Das Treffen begann mit einem Konzert.21White Noise; S. 81 Trotz umfangreicher Polizeikontrollen bei der Anfahrt der Konzertbesucher und des Spielens des indizierten Liedes »Zigger, Zigger – Shoot those fucking Niggers« von »No Remorse« in Anwesenheit eines starken Polizeiaufgebots, wurde das Konzert nicht beendet.
Eine interessante Frage ist, warum Bands und Einzelpersonen, die in Deutschland offen zum Mord aufrufen, ein- und ausreisen können. (…) Die drei Razzien am 14. September in Bamberg – darunter auch bei Bernd Peruch – sind da nicht einmal ein Tropfen auf den heißen Stein. Das Beispiel Szczepanski zeigt, wie staatliche Sicherheitsbehörden über Jahre hinweg neonazistische Propaganda und Strukturaufbau mitfinanzieren – Szczepanski erhielt bis zu 1.000,–DM monatlich vom VS. Trotz des fragwürdigen Informationsgehalts derartiger Quellen ist die Wirkung der Propaganda bei tausenden von jugendlichen Rechtsextremen, die durch Szczepanskis Skinzine radikalisiert und zu militanten Aktivitäten, Rassismus und Antisemitismus agitiert wurden und werden, unstrittig.
Und nun?
Dem harten Kern des B&H-Netzwerks ist ein über Jahre etabliertes Label verloren gegangen, das bei den rund 12.000 militanten Neonaziskins in Deutschland für »Kompromißlosigkeit« und»Nationalsozialismus pur« stand. Spannend ist vor allem, ob der Verlust des identitätsstiftenden Labels mit der Bildung eines »Untergrund-Mythos kompensiert wird. Folgende Entwicklungen sind möglich: Der harte NS-Kern, der schon länger auf Terror und Militanz setzt, radikalisiert sich weiter und tritt mit geplanten Aktionen an die Öffentlichkeit – um das Sympathisantenumfeld mitzuziehen und den Ruf als Avantgarde zu festigen. Durch die Angst vor staatlicher Repression findet allenfalls ein Ausleseprozess statt. Wenn Waffen und Hetzpropaganda einmal über einen längeren Zeitraum und in einem derartigen Umfang wie in den B&H-Strukturen im Umlauf sind, ist dies von Staatsseite nicht mehr kontrollierbar.
Organisatorisch stellt das Verbot lediglich eine Behinderung dar. Ein großer Teil der B&H-Aktivisten kommt aus vorher verbotenen Organisationen und hat dementsprechende Erfahrungen. D.h. sie werden die vom Verbot nicht betroffene informelle Struktur schnell der neuen Situation anpassen und weiterentwickeln. Zum einen, weil sie ihre politischen Ziele bisher unbeschadet von allen Verboten weiterverfolgt haben; zum anderen, weil der Profit und die Wirkung im Musikbereich viel zu verlockend sind, um auszusteigen. Eine Chance, etwas zu bewirken, gibt es nur, wenn antifaschistische Initiativen es schaffen, die rechtsextreme Erlebniswelt, die die B&H-Strukturen einerseits aufgebaut haben und andererseits zum eigenen Überleben brauchen, ins Zentrum öffentlichen Interesses zu rücken. Erst wenn die »kahlköpfigen Jugendlichen« weder in der Dorfkneipe, noch im Jugendclub ihre »Geburtstagsparties« feiern können, wenn beim Abspielen ihrer Lieder eingegriffen würde, wenn Neonazi-Läden keine Gewerbekonzessionen bekämen, dann würde es kein ruhiges, braunes Hinterland für B&H und andere Neonazikader mehr geben.
NS-Szene | AIB 126 / 1.2020 | 03.04.2020
Zum Verbot von „Combat 18 Deutschland“
Der Vollzug des Verbotes von „Combat 18 Deutschland“ am 23. Januar 2020 und die Verbotsverfügung vom 6. Dezember 2019 bilden den Höhepunkt der Groteske, die sich seit Jahren im staatlichen Umgang mit dieser Struktur zeigt.
Durch die 71-seitige Verbotsverfügung zieht sich die konsequente Verweigerung, die Gruppe so zu benennen wie sie sich selbst nennt, wie sie im internationalen Netzwerk aufgestellt ist und dort anerkannt wird: „Blood & Honour / Combat 18“ (B&H/C18). Lediglich im deutschen Rahmen tritt sie, um allzu offene Bezüge auf das verbotene B&H zu vermeiden, zumeist als „Combat 18 Deutschland“ auf. Ebenso deutlich zieht sich die Verleugnung der tatsächlichen Größe und Dimension der Organisation durch die Verfügung.
Sieben von Hundert
In der Verbotsverfügung werden der Gruppe „mindestens 20 Mitglieder“ zugerechnet. Tatsächlich ist „Blood & Honour / Combat 18“ bzw. „Combat 18 Deutschland“ eine Organisation, die aus mehreren Untergruppen und Sektionen besteht und der insgesamt an die 100 Personen angehören dürften. Das Bundesministerium reduziert „Combat 18 Deutschland“ auf einen eng gesteckten Kreis um den Eisenacher Stanley Röske (ehemals Hessen), der nur eine von mehreren Führungspersonen der Organisation ist. Andere Gruppen und Sektionen von „Combat 18 Deutschland“ werden komplett ignoriert. Weder wurde bei deren Mitgliedern durchsucht, noch wurden diese Gruppen in der Verbotsverfügung als Teil von „Blood & Honour / Combat 18“ bzw. „Combat 18 Deutschland“ erwähnt.
(…)
B&H / C18 Divided
In der Verbotsverfügung wird nicht ein einziges Mal auf das Selbstverständnis von „Combat 18 Deutschland“ eingegangen, Teil des internationalen Netzwerks von „Blood & Honour“ zu sein bzw. das authentische und „anerkannte“ deutsche „Blood & Honour“ darzustellen. Dabei lässt die Organisation fast keine Gelegenheit aus, dies zu betonen. Die Organisation „Blood & Honour“ ist in Deutschland seit dem Jahr 2000 verboten. In der „Combat 18“-Verbotsverfügung wird lediglich angemerkt, dass ein 2018 erschienener Musiksampler von „Combat 18 Deutschland“ auf dem Cover das Kürzel von „Blood & Honour“ abbildet und dass „im Rahmen ihrer Aufnahmeprüfung Fragen zur Historie von ‚Combat 18‘ als auch zur verbotenen Organisation ‚Blood & Honour‘ gestellt werden“.
Es ist absurd. Im Dezember 2018 ging die Staatsanwaltschaft München mit Razzien gegen Röske und mehrere Mitglieder der bayerischen Sektion von „Combat 18 Deutschland“ vor. Dabei ging es unter anderem um die Produktion des schon erwähnten Musiksamplers, die bayerische B&H/C18-Neonazis zusammen mit Stanley Röske über Ungarn abgewickelt haben sollen. Die bayerischen Behörden ermittelten explizit wegen der Weiterführung von „Blood & Honour“ und vermieden es in ihren Verlautbarungen, diese Gruppe als „Blood & Honour / Combat 18“ bzw. als „Combat 18 Deutschland“ zu benennen. Ein Jahr später wird „Combat 18 Deutschland“ verboten, die bayerische Sektion bleibt dabei unangetastet, der Aspekt der Weiterführung von „Blood & Honour“ spielt auf einmal keine Rolle mehr und „Blood & Honour“ wird in der Verbotsverfügung nur am Rande gestreift.
Die Chefs
In der Verbotsverfügung wird aufgeführt, dass der Engländer William Browning, ein Mitbegründer von „Combat 18“ in den frühen 1990er Jahren, heute der Europachef ist und in ständigem Kontakt zu den Mitgliedern in Deutschland steht. Auch erhält er Mitgliedsbeiträge von „Combat 18 Deutschland“. Durch die Veröffentlichung der Kontoauszüge von Röske durch die Recherche-Plattform Exif, gerieten Röske und „Blood & Honour / Combat 18“ in Deutschland in Bedrängnis und Röske suchte eilig Rat bei Browning. Noch am Tag der Exif-Veröffentlichung am 16. Juli 2018, versuchte sich Röske über Brownings Lebensgefährtin mit dem Europa-Chef zu verabreden: „Würde Freitag gern zu euch kommen oder Samstag. Muss den weiteren Weg bereden….Was sagt W?“
(…)
Wer alles nicht betroffen war
Schmiemann gilt als die rechte Hand von Browning und trat am 26. Juli 2019 in einem Videoclip als Sprecher von „Combat 18 Deutschland“ auf. Schmiemann ist zugleich ein führender Vertreter der „Brothers of Honour“. Die blieben in der Verbotsverfügung unerwähnt. Es dürfte den Verfasser:innen im Innen- und Heimatministerium des Horst Seehofer einiges an Kopfzerbrechen bereitet haben, eine 71-seitige Verbotsverfügung zu verfassen und dabei nicht ein einziges Mal auf die „Brothers of Honour“ einzugehen.
Die „Brothers of Honour“ stellen sich mittlerweile als ein Verein auf, deren Präsident der Dortmunder Marko Gottschalk ist. Er ist Frontmann der Musikgruppe „Oidoxie“, die viele Jahre als eine Art Sprachrohr von „Combat 18“ auftrat und in den Neonaziszenen international Ansehen als eine Vertreterin der deutschen „Combat 18“ Szene genoß.
Die Recherche-Plattform Exif ging in einem Artikel „Never change a running System – Warum der Staat sich so schwer tut, gegen „Blood & Honour / Combat 18 vorzugehen“ vom August 2019 ausführlich auf die „Brothers of Honour“ ein und zeigte auf, wie unmissverständlich sich diese zu „Combat 18“ bekennen. So traten Mitglieder der „Brothers of Honour“ auch mit dem Organisationsabzeichen von „Combat 18 / Blood & Honour“ auf und auf den Lederwesten der im Rocker-Style gekleideten „Brothers of Honour“ prangt ein Aufnäher mit dem Spruch „Whatever it takes“ („was immer auch nötig ist“ / „mit allen Mitteln“). Dies ist seit den 1990er Jahren ein Leitspruch und eine Kampfparole von „Combat 18“.
Mit C18 und mit „Blood & Honour“ will Gottschalk nichts (mehr) zu tun haben, so lässt er über seinen Anwalt bestreiten, dass die Grußformel 28FF28 („28 Forever Forever 28“) einen Bezug zu „Blood & Honour“ herstellen würde. Die 28 etablierte sich nach dem Verbot des deutschen B&H im Jahr 2000 als chiffriertes und legales Bekenntnis zu „Blood & Honour“. Laut Gottschalk steht die 28 für „Brothers of Honour“, die sich natürlich nur rein zufällig mit den Initialen 28 abkürzen.
Zwischen 2012 und 2016 wohnte Gottschalk in Schweden und trat dort in der Mitgliedskleidung der „Sektion Scandinavia“ von „Blood & Honour“ auf.
Auch waren keine Mitglieder der Gruppe „Brigade 8“ vom Verbot betroffen. Die Gruppe, die über drei bis vier dutzend Mitglieder in mehreren Bundesländern verfügt, war im März 2019 als Bruderschaft in das „Combat 18 Deutschland“ Netzwerk aufgenommen worden. Die Neonazis der „Brigade 8“ präsentieren sich seither in Shirts mit Aufschrift „Bruderschaft“, die das Organisationskennzeichen der „Brigade 8“ als auch das von „Combat 18 Deutschland“ zeigen. Auch die Treffpunkte der Gruppe, ein Haus bei Mücka in Sachsen und ein Gartengelände in Weißwasser, blieben unangetastet. Lediglich ein einziges Mal wird die „Brigade 8“ in der Verbotsverfügung erwähnt, da „das Jahresabschlusstreffen von ‚Combat 18 Deutschland‘ am 1. Dezember 2018 im Rahmen einer gemeinsamen Konzertveranstaltung mit der rechtsextremistischen Gruppierung ‚Brigade 8‘ (B8) in Mücka (Sachsen)“ stattfand.
Unangetastet blieben ganze Sektionen und Untergruppen von „Combat 18 Deutschland“, neben der bayerischen Sektion beispielsweise auch eine mehrköpfige Gruppe aus Frankfurt an der Oder (Brandenburg), die in den vergangenen Jahren bei kaum einem wichtigen „Combat 18“-Event im In- und Ausland fehlte und sich dabei mit C18-Symbolik in den Vordergrund drängte. Das Innenministerium Brandenburg geht in seinen Antworten auf eine kleine Anfrage der Linkspartei zu „Combat 18 in Brandenburg“ nicht einmal auf die Gruppe aus Frankfurt an der Oder ein – wenig verwunderlich, denn diese pflegt ein enge Beziehung zum Kreis der „Brothers of Honour“.
NS-Szene | AIB 136 / 3.2022 | 04.12.2022
„Blood & Honour“-Prozess in München: Nicht-Aufklärung mit Ansage
Nach nur acht Prozesstagen kam es am 3. August 2022 im Münchener Landesgericht zur Urteilsverkündung. Um die verhängten Bewährungs- bzw. Geldstrafen wurde vorher eifrig gefeilscht. Ein kurzer Prozess, der erneut zeigt, warum die Zerschlagung extrem rechter Netzwerke nicht dem Staat überlassen werden darf und warum der Umgang der Justiz Teil des Problems ist.
Mahriah Zimmermann (Prozess.Report, NSU-Watch)
Wovor Antifaschist*innen schon lange warnten, war spätestens seit den Razzien im Dezember 2018 kein Geheimnis mehr. Das im Jahr 2000 verhängte Verbot gegen die neonazistische „Blood & Honour Division Deutschland“ hatte kaum Auswirkungen auf deren Aktivitäten. Vorangegangen waren Abhörmaßnahmen vom Bundesamt für Verfassungsschutz gegen die Angeklagten Sven Büschen und Ringo N., welche zu Hausdurchsuchungen in fünf Bundesländern bei insgesamt zwölf Verdächtigten führten, die unter anderem die verbotene Organisation fortgeführt oder dies unterstützt haben sollen. Ab spätestens Oktober 2016 soll demnach die „Blood & Honour Division Deutschland“ unter Leitung von Sven Büschen mit Sektionen in Baden-Württemberg, Bayern, Thüringen und Mitteldeutschland fortgeführt worden sein.
Neun Angeklagte von zwölf Verdächtigen
Erst dreieinhalb Jahren nach den Hausdurchsuchungen begann der Prozess gegen die verbliebenen Angeklagten. Die Strategie der letzten neun Angeklagten22Anmerkung AIB: B&H-Chef Sven Büschen aus Suhl, C18 Führungsfigur Stanley Röske aus Erfurt, B&H-Sektionsleiter Alexander Scholl aus Fellbach/Rems-Murr, B&H-Sektionsleiter Markus Rathgeb aus Bamberg, Ringo N. aus Geiselhöring, Ron H. aus Bad Reichenhall, Janosch P. aus Oberaudorf/Rosenheim, Sven M. aus Eisleben, Fabian F. aus Bingen/Sigmaringen und ihrer Verteidigung war geprägt von allerlei denkbaren Verharmlosungen, bis hin zum Lächerlichmachen der Strafverfolgung an sich, dem vom Gericht nichts entgegensetzt wurde. Dies war auch nicht nötig, schon am ersten Prozesstag zeichnete sich ab, dass alle Beteiligten einen Weg suchten das Ganze abzukürzen, um sich eine mühsame und zeitaufwändige Beweisaufnahme zu ersparen. Der Vorsatz des Oberstaatsanwalts am ersten Tag zumindest die länderübergreifend organisierte CD-Produktion aufzuklären, war sehr schnell vergessen.
Mit der Befragung eines einziges Zeugen, ein paar wenigen Verlesungen und knappen Geständnissen wurde die Beweisaufnahme auf das Minimum reduziert, vom Aufklärungswillen war keine Spur. Am deutlichsten wurde dies am dritten Prozesstag, als der Vorsitzende Richter seine Erwartungen sehr deutlich äußerte: „Grundsätzlich reicht eine geständige Einlassung im Sinne der Anklage. Also ich würde jetzt nicht den ganzen Background hier aufklären wollen.“
Keine (internationalen) Hintergründe aufgeklärt
In den wenigen Worten der Angeklagten war man sehr darauf bedacht bloß nicht mehr zuzugeben als nötig. Die personellen Überschneidungen zu „Combat 18“-Kreisen wurden im Prozess eifrig übergangen, obwohl sich der neue B&H-Chef Sven Büschen mit der deutschen „Combat 18“ Führungsfigur Stanley Röske telefonisch absprach. Auch die offensichtliche internationale Dimension dieses Netzwerkes blieb unaufgeklärt. Offen blieb bis zuletzt, warum der in Ungarn lebende Daniel Reinheimer (geplanter Redner beim neonazistischen „Fest der Völker“ 2006) oder der ebenfalls mehrfach erwähnte angeblich frühere „B&H-Divisionsleiter“ Dawid („Dave“) M. nicht mit auf der Anklagebank saßen oder warum eine u.a. von Reinheimer produzierte RechtsRock-CDs ausgerechnet von Wien aus verschickt wurde. Diese CD war eine Art Gemeinschaftsprojekt von „Blood & Honour“ und „Combat 18“ und enthielt einen Song der RechtsRock-Band „KS3“ von Sven Büschen.
Sven Büschen unterhielt laut Anklage auch Kontakte zu international vernetzten Neonazis wie Andre S. in Österreich und Erika P. (mittlerweile Erika B.) in der Schweiz. Warum ausgerechnet der führende B&H-Aktivist Uwe Veljaca aus Österreich, entgegen den vorgesehenen Hierarchien, Alexander Scholl zum Sektionsleiter von „Blood & Honour Baden-Württemberg“ ernannte, bleibt eine weitere Frage die es zu beantworten gilt.
Milde Urteile für Deals
So kam es wie es kommen musste: Dank diverser „Deals“ zwischen Gericht und Rechtsanwälten folgten Bewährungs- bzw. Geldstrafen wegen Verstößen gegen das Vereinigungsverbot, teilweise wegen Volksverhetzung, dem Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen, sowie unerlaubtem Besitz von Munition bzw. Sprengstoff. Mittlerweile legten zwei der Verurteilten Rechtsmittel gegen das Urteil ein. Am Ende verließen erneut organisierte Neonazis gut gelaunt den Saal A101, jener Gerichtssaal, in dem auch schon ein Teil des NSU verurteilt wurde. Man fühlte sich teilweise in diese Zeit zurückversetzt, doch während wir Antifaschist*innen versuchen aus unseren eigenen Fehlern beim Nicht-Erkennen der Zusammenhänge der Taten des NSU zu lernen, zeigte die zweite Strafkammer am Münchner Landesgericht keine wirklichen Fortschritte.
Man war zu sehr darauf bedacht die Arbeit der Ermittlungsbehörden und dem vermeintlichen Erfolg der zahnlosen Verbotsverfügung zu honorieren, anstatt anzuerkennen, dass die Trennung von „Blood & Honour“ und „Combat 18“ längst überholt ist. Der Prozess in München kann nur als Fortsetzung der jahrzehntelangen Nichtverfolgung rechter Untergrundnetzwerke begriffen werden.
- 1Als Gründungsmitglieder der „Sektion“ Berlin, aus welcher die „Blood & Honour Division Deutschland“ hervorgegangen ist, galten laut B&H-Verbotsverfügung Dorothee B., Heiko Lappat, Martin R. und Olaf H.. Stephan Thomas Lange wurde später zum deutschen Divisionsleiter.
- 2Die Verbotsverfügung für Blood & Honour Division Deutschland erhielten Stephan Thomas Lange alias „Pinocchio“ (Berlin-Lichtenberg), Marcel Degner alias „Riese“ (Gera), Uwe Albrecht (Kassel), Achim Pfeifer (Ludwigshafen), Dieter Riefling (Bad Gandersheim-Helmscherode), Bernd Peruch (Gundelsheim), Sven Schneider (Borkwalde), Torben Klebe (Hamburg) und Mike Bär (Gera).
- 3Hervorhebungen der Bundesländer und Städte durch Antifa-Info.net
- 4Rhein-Neckar Zeitung, 15.9.00
- 5VS Bericht Thüringen, 1999
- 6Für ein »White Youth« Postfach in Hoyerswerda waren Madlen W. und Sebatian R. verantwortlich.
- 7Hinter den Kulissen – Faschistische Aktivitäten in Brandenburg – Update 99, S. 64ff
- 8Das Konzert wurde nach Intervention der ungarischen Sicherheitsbehörden verboten; ein B&H Sportfestival mit rund 100 Teilnehmern konnte stattfinden.
- 9B&H Scandinavia
- 10Verbotsverfügung des BMI vom 12.9.00
- 11Gründungsmitteilung der B&H Section Saar
- 12s. u.a. White Noise und AIB Nr. 49 | Nr. 50
- 13Alle Zitate aus »The Way Forward«, Übersetzung: AIB
- 14Der Spiegel, 28|00, S. 37f
- 15s. United Skins Nr. 10, AIB Nr. 50, Hinter den Kulissen – Update 99
- 16AIB Nr. 50, S. 31
- 17Zündstoff Nr. 1|00
- 18Ralf L. aus Königs Wusterhausen war neben dem späteren V-Mann Carsten Szczepanski ein Beschuldigter in einem Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts einer Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung nach § 129a Abs. 1 StGB. Das Verfahren galt der Gründung oder des Versuchs der Gründung einer Teilorganisation des amerikanischen Ku-Klux-Klan auf deutschem Boden.
- 19Der Tagesspiegel, 9.8.00
- 20DIM Records Versand, Liste April|Mai 00
- 21White Noise; S. 81
- 22Anmerkung AIB: B&H-Chef Sven Büschen aus Suhl, C18 Führungsfigur Stanley Röske aus Erfurt, B&H-Sektionsleiter Alexander Scholl aus Fellbach/Rems-Murr, B&H-Sektionsleiter Markus Rathgeb aus Bamberg, Ringo N. aus Geiselhöring, Ron H. aus Bad Reichenhall, Janosch P. aus Oberaudorf/Rosenheim, Sven M. aus Eisleben, Fabian F. aus Bingen/Sigmaringen