AfD hetzt – Ampel schiebt ab: Die Rechte Welle brechen

Im Zuge einer Reihe von veröffentlichten Presseartikeln und Statements einiger Parteien in Folge unserer Bündnisdemonstration am 21. Juni 2024 sehen wir uns genötigt, Position zu getätigten Aussagen zu beziehen und einzelne Vorwürfe zurückzuweisen.

Zum Kontext: Unter dem Motto „Gestern wie heute: Konsequent gegen rechte Hetze!“ demonstrierten wir gemeinsam mit feministischen & migrantischen Organisationen, Gewerkschaften und den Parteien „Die Linke“ und „Die Partei“ durch die Koblenzer Alt- und Innenstadt. Anlass und Kontext war der massive Rechtsruck rund um die Europa- und Kommunalwahlen, aber auch die Auswirkungen dieser Verschiebung abseits der AfD und anderer Rechtsparteien.

Wie angekündigt nahm die Demonstration dabei auch die rassistische Politik der Ampel-Regierung in den Blick, genauso ihre Rolle der Begünstigung des Aufstieges der AfD. Dem verliehen wir mit einem Transparent Ausdruck, welches den Schriftzug: „Rassistischer Hetze von AfD und Ampel konsequent entgegentreten! – Die Rechte Welle brechen“ trug. Diese Positionierung, aber auch eine Protestaktion am 1.Mai gegen Aufrüstung, Rechtsruck und Abschottung bei den Grünen, der SPD und der CDU, sorgten nun für Aufsehen bei den Parteien.

In einem ersten Statement, veröffentlicht von der Koblenzer SPD und den Grünen in der Zeitschrift „Blick Aktuell“, distanzieren sich besagte Parteien von uns, darüber hinaus auch von der Linkspartei. Bleibt die Frage: Wovon distanziert ihr euch?

Der wesentliche Vorwurf bei alledem: Unsere Bezeichnung der aktuellen Regierungspolitik als „rassistisch“ sei eine illegitime Gleichsetzung zur AfD, würde dieser angeblich nützen und bedeute in der Praxis die Schuldaufladung einer Diskursverschiebung zugunsten der Ultrarechten. Beinahe amüsant kommen diese Vorwürfe daher, kann man diesen Ball doch klar zurückspielen. Wer lokalen antifaschistischen Gruppen vorwirft, mit der Benennung von rassistischen Kampagnen wie der Kanzler-Äußerung „Wir müssen endlich im großen Stil abschieben!“ auf dem Spiegel-Cover im Oktober 2023 eine Diskursverschiebung zugunsten der AfD hervorzurufen, begibt sich auf ein wahrlich realitätsverweigerndes Niveau und kehrt Tatsachen völlig um. Denn es ist vor allem die Politik der Ampel, primär der hartnäckige Sparkurs, der nach aktuellster Studienlage erdrutschartige Erfolge von rechten bis faschistischen Parteien in Deutschland hervorruft. Ebenso scheuklappenartig ausgeblendet wird hier die aktuelle Verschärfung der Asylpolitik in Form von massiven Abschiebungswellen durch die Bundesregierung. Davon wollen die Koblenzer Vertreter*innen der zwei größten Regierungsparteien allerdings nichts wissen.

Ein zweiter Vorwurf wird im Rhein-Zeitungsartikel vom 27.06.1Rhein-Zeitung // Wegen Zusammenarbeit mit Antifa: Koblenzer Grüne und SPD gehen auf Distanz zu Linke (pdf) ausgeführt. Der Bericht greift das zuvor erschienene Statement auf und erweitert es um weitere Stimmen von politischen Vertretern der Parteien. Detlev Pilger, Vorsitzender der Koblenzer SPD, spricht hier von der Äußerung und Duldung antisemitischer Positionen, die auf der Demonstration geäußert worden sein sollen. Für diese schweren Vorwürfe werden keine weiteren Beispiele oder Belege angeführt. Diese Aussage disqualifiziert sich in Ermangelung jeglicher Beweise nicht nur als haltlos sondern ist darüber offen verleumdend. Hier wird der Vorwurf des Antisemitismus als moralisches Totschlagargument missbraucht und zu diesem Zweck glatt gelogen. Auf der gesamten Demonstrationsstrecke war bis auf die Benennung der Rechtfertigung der aktuellen Migrationspolitik des Bundes durch antiarabischen Rassismus in Verbindung mit einem pauschalen Antisemitismusvorwurf und die Rolle der deutschen Außenpolitik im israelischen Krieg in Gaza kein einziges Mal die Rede vom Nah-Ost-Konflikt, geschweige denn anderen Komplexen, an denen sich die Möglichkeit zu antisemitischen Äußerungen überhaupt hätte eröffnen können. Diese Vorwürfe weisen wir somit in aller Entschiedenheit von uns!

Als dritten Vorwurf führt Pilger gewalttätiges Verhalten in der Vergangenheit und auf Veranstaltungen an. Auch hier mangelt es in Gänze an Beweisen, geschweige denn der Benennung angeblicher Vorfälle. Auch diesen Vorwurf weisen wir als Versuch der Delegitimierung unserer Politik klar zurück!

Christopher Bündgen, Vorsitzender der Grünen Koblenz, spricht in diesem Kontext weiter von der Angst vor etwas „Linksradikalem oder noch Schlimmerem“ in der Stadt. Diese Aussage irritiert nicht nur durch einen erneuten inhaltsleeren Vorwurf, sondern entlarvt eine erschreckende Perspektive auf die Dinge: Denn wer in Zeiten des Rechtsruckes nach der Wahl wie auch über sie hinaus von einer angeblich linksradikalen Gefahr für was auch immer spricht, hat in unserem Sinne gar nichts begriffen, außer die Tatsache, dass wir uns in der Tat unversöhnlich gegen die AfD und diejenigen stellen, die verantwortlich für die gesellschaftlichen und ökonomischen Rahmenbedingungen sind, die eine solche reaktionäre Formierung hervorbringen. Hier, wie an den zuvor benannten „Argumenten“ äußert sich unserer Auffassung nach eine Weltsicht, die in bester Manier der Hufeisen-Theorie links und rechts gleichsetzt, damit reaktionäre Ideologien und Bewegungen relativiert und sich somit, gewollt oder nicht, zum Helfershelfer der Ultrarechten macht.

Der letzte inhaltliche Vorwurf an unsere Demonstration wurde seitens der Verfasser*innen unter dem Begriff „ukrainekritische Haltung“ gefasst: Eine völlig absurde Wortneuschöpfung, die im Kontext der Tatsache, dass die Ukraine und der Krieg mit Russland kein einziges Mal zur Sprache kamen, umso mehr über die Anliegen der Koblenzer Grünen und SPD aussagt. Denn wer die Benennung der massiven Aufrüstung der BRD, die Militarisierung der gesamten Gesellschaft im Kontext der sogenannten „Zeitenwende“ und die Kritik an ihr als „ukrainekritisch“ bezeichnet, entlarvt sich in seinem instrumentellen Verhältnis zum schrecklichen Leid der ukrainischen Bevölkerung und auch jener Russen, die im besagten Krieg täglich ihr Leben für Kapital- und Nationalinteressen lassen müssen.

In einem letzten Rhein-Zeitungsartikel am 28.06. griff dann auch nochmal die FDP die Möglichkeit auf, sich offen vom OAT zu distanzieren: Ein Statement2Rhein-Zeitung am 28.06. // Auch FDP kritisiert Koblenzer Linke (pdf) , auf das mit Sicherheit niemand gewartet hat.

Dass SPD und Grüne kurz nach der Kommunalwahl mit Blick auf den Verlust ihrer Mehrheit und der folgend anstehenden Fraktionsbildung in den kommenden Wochen versuchen, mit FDP, CDU und Co. auf Tuchfühlung zu gehen, verwundert uns in keiner Weise. Dass wir dabei jedoch als Mittel zum Zweck in der Abgrenzung zur Linkspartei mit völlig konstruierten und teils schwersten Vorwürfen Teil dieser wahltaktischen Manöver werden, verurteilen wir klar.

Des Weiteren sehen wir in den Äußerungen den eindeutigen Versuch, einen Korridor des Sagbaren durchzusetzen, der abweichende Positionen, die über eine Kritik an der AfD hinausreichen, moralisch delegitimieren will. Hier bestätigt sich letztlich unsere These des zunehmend autoritären Auftritts liberaler Parteien und Akteur*innen im Zuge der aktuellen Krisen. Sie sind damit zugleich Teil des Rechtsrucks und Reaktion auf ihn. Das Dominanzverhalten der Koblenzer Grünen bei der Organisation der Großproteste gegen die Pläne des Potsdamer Treffens Anfang diesen Jahres war ein erster Versuch, den Kampf gegen Rechts möglichst unkritisch gegenüber der aktuellen Bundesregierung zu beeinflussen. Ein Versuch, der durch die aktuellen Abwertungen unserer Perspektivenerweiterung in Sachen Rechtsruck fortgesetzt wird.

Bei alledem muss gesagt in aller Deutlichkeit gesagt werden, dass wir uns von niemandem vorschreiben lassen, ob und wie wir zu demonstrieren haben, geschweige denn unsere legitime Kritik an den Verhältnissen den gesteckten moralischen Grenzen der aktuellen politischen Diskurse von oben anpassen.

Wir möchten zum Schluss ergänzen, dass wir uns der Notwendigkeit breiter Bündnisse in der Abwehr von ultrarechten bis faschistischen Akteur*innen bewusst sind, diese in der Praxis nach wie vor bereit sind einzugehen, wo sie nötig werden und auf unseren Demonstrationen und Veranstaltungen Wähler*innen oder die Basis besprochener Parteien willkommen heißen. Aber klar ist für uns auch, dass wir klare Grenzen zu Jenen ziehen, die nach unserer Analyse Teil des Problems sind. Denn die besagten Bündnisse können nur bis zu dem Punkt effektiv sein, wo wir nicht gezwungen werden, grundlegende Linien zwischen uns und den Verantwortlichen für die Misere aufzuweichen. Der Kampf gegen die AfD und andere Rechte endet nicht auf Demonstrationen oder bei moralischen Lippenbekenntnissen von Politiker*innen, er beginnt vielmehr in der Adressierung und Bekämpfung eben der Politik, die Menschen aktuell in die Armut treibt und sie massenhaft abschieben lässt.

Koblenz 02. Juli 2024


Seit Anfang 2024 organisieren sich Antifaschist:innen im Offenen Antifaschistischen Treffen Koblenz um in der Univeristätsstadt an der Mosel AfD und Co entgegenzutreten. In den wenigen Monaten des Bestehens wurde schon einiges auf die Beine gestellt. Dieses Statement veröffentlichen wir gerne nach Zusendung hier auf der Plattform, da SocialMedia-Plattformen eben nicht immer das geeignete Mittel sind zur tiefergehenden politischen Auseinandersetzung. Schaut gerne trotzdem auch mal auf ihrem Instagram-Profil vorbei, oder geht direkt zum regelmäßigen Treffen immer am zweiten Montag im Monat. Mehr Infos findet ihr in der Gruppenbeschreibung.