Militanten Antifaschismus verteidigen

Aktuell gehen bundesweit wieder Hunderttausende Menschen gegen die AfD auf die Straße. Eine erfreuliche Nachricht. Aber was bedeutet es eigentlich, gegen Rechts zu kämpfen?

Effektiver Antifaschismus bedeutet mehr als reine Symbolaktionen. Er ist weder durch ein Kreuz auf dem Wahlzettel, noch durch eine jährliche Großveranstaltung abgehakt, sondern beinhaltet die direkte Konfrontation mit den Rechten. Ein Beispiel für solche antifaschistische Praxis ist Hanna aus Nürnberg, der bald in München der Prozess gemacht werden soll. Ihr und weiteren Antifaschist:innen aus verschiedenen europäischen Ländern wird eine Konfrontation mit Faschisten am sogenannten „Tag der Ehre“ im Februar 2023 in Budapest vorgeworfen.1Mehr Infos: www.basc.news

Bei diesem Event kommt jährlich die Neonazi-Szene aus ganz Europa zusammen, um sich zu vernetzen und an den „heroische Kampf“ einer SS-Division 1945 um die Stadt gegen die Befreiung durch die Rote Armee zu erinnern. Passenderweise marschieren die Rechten dort in SS-Uniformen und zeigen offen Nazi-Symboliken. Am 19.2. beginnt der Prozess gegen Hanna in München. Der Fall ist bemerkenswert, sowohl wegen der Entschlossenheit der antifaschistischen Intervention, als auch wegen der beispiellosen grenzüberschreitenden Hetzjagd der Behörden gegen die Antifaschist:innen. Es geht dabei auch um Auslieferungen nach Ungarn, wo den Angeklagten teilweise bis zu 24 Jahre Haft unter menschenunwürdigen Bedingungen drohen.

In den letzten Jahren haben die Behörden immer wieder Begründungen gefunden, um entschlossenen Antifaschismus juristisch anzugreifen. Dazu gehören die Verwendung durchgestrichener Hakenkreuze, Aufrufe zur Verhinderung von Naziaufmärschen, bis hin zu militanten Auseinandersetzungen mit Faschist:innen: All das wird genutzt, um Aktivist:innen zu kriminalisieren. Seit dem sogenannten Antifa Ost-Verfahren wird zunehmend auch der Vorwurf des Terrorismus oder sogar des versuchten Mordes konstruiert.

Damit wollen die Repressionsorgane eine Spaltung der antifaschistischen Kräfte in die „Guten“, die bei der Lichterkette gegen Rechts demonstrieren, und die „Bösen“, die sich den Nazis aktiv in den Weg stellen, herbeiführen. Doch ein „pazifistischer“ Antifaschismus wird die Faschist:innen nicht aufhalten. Terror und Gewalt sind immer Bestandteile des Faschismus, sowohl als Bewegung als auch an der Macht. Antifaschismus kann daher nie nur Aufklärung beinhalten, sondern muss in der Lage sein, die faschistische Gewalt zu brechen.

Schon vor über 100 Jahren wurde die „Antifaschistische Aktion“ gegründet als Aufruf der Kommunist:innen an alle, gemeinsam gegen die Faschisten zu kämpfen. Und zwar vor allem praktisch: Auf der Straße, im Wirtshaus, bei Versammlungen wurden die NSDAP und ihre Straßenbande, die SA, angegriffen und vertrieben. Auch in der Nachkriegs-BRD ging es im antifaschistischen Kampf darum, den rechten Hetzern die politische Arbeit und das Leben als Nazis möglichst unangenehm zu machen. Die militanten Auseinandersetzungen in den 90er Jahren waren ein Ausdruck davon:

Als rechte Banden sich nach der Annexion der DDR im Aufwind sahen und auf offener Straße Migrant:innen und andere Minderheiten terrorisierten, sah die Polizei nur zu. Es waren junge Antifa-Gruppen, die sich dem rechten Terror in den Weg stellten. Aus dieser Zeit wissen wir von vielen Aussteigern des rechten Milieus: Was ihnen das Leben als Nazis besonders schwer gemacht hat, war die handfeste Bedrohung durch gut organisierte Antifaschist:innen.

Staat und Nazis, Hand in Hand…

Dass wir uns im Kampf gegen Rechts nicht auf den Staat verlassen können, ist der antifaschistischen Bewegung schon lange bekannt. Dafür brauchen wir nur einmal auf die zahlreichen Skandale bei den Behörden zu schauen: Verstrickungen des Verfassungsschutzes in den NSU, alltägliche rassistische Polizeipraxis, rechte Chatgruppen bei Polizei und Bundeswehr. Rechte Ideologien sind dabei nicht der „Gegensatz“ zur bürgerlichen Demokratie oder ein „Fehler im System“. Auch wenn man sich gerne bunt und weltoffen gibt, so lange es wirtschaftlich profitabel ist: In der Krise werden auch von den „demokratischen“ Parteien altbekannte Spaltungsmechanismen wie Rassismus und Fremdenfeindlichkeit aus der Mottenkiste geholt, um von den realen Ursachen der sozialen Probleme abzulenken.

Zum historischen Faschismus sowie zum heutigen Rechtsruck gehört ein autoritärer Staatsumbau. Schon heute, unter einer sozialdemokratisch geführten Regierung, bekommen wir die Einschränkung der Meinungsfreiheit, politisch motivierte Berufsverbote und weitere Repressalien zu spüren. Das wird aktuell deutlich anhand der besonders harten Repression gegen die Palästinabewegung sichtbar. Mit dem Ausbau von Überwachung, der Befugniserweiterung der Polizei und der Verfolgung linker Strukturen soll jeder unbequeme Widerspruch zur herrschenden Politik im Keim erstickt werden. Die autoritäre Verschärfung ist eine Reaktion auf die kapitalistische Krise: Wenn die Politik den Menschen politisch und ökonomisch nichts anzubieten hat, muss sie sich darauf einstellen, die Unzufriedenen mit Gewalt zum Schweigen zu bringen.

Im Bundestagswahlkampf haben fast alle bürgerlichen Parteien – von der Union über SPD, FDP und Grüne bis zum BSW – in die Rufe gegen Einwanderung und nach mehr Abschiebungen eingestimmt. Eine Zusammenarbeit mit der AfD, wie sie Friedrich Merz zuletzt für seinen Entschließungsantrag und das rassistische „Zustrombegrenzungsgesetz“ in Kauf nahm, erzeugt zwar noch breite Empörung. Am Inhalt des Gesetzes, das eine Schließung der Grenzen und eine faktische Abschaffung des Asylrechts bedeutet, stört sich jedoch kaum jemand im Bundestag. Den Rechtsruck werden wir nicht allein durch Wahlen aufhalten. Es braucht antifaschistische Organisierung von unten und eine eigene Praxis auf der Straße.

…unsere Antwort: Widerstand!

Wenn wir gegen den Rechtsruck kämpfen, wenn wir uns und unsere Mitmenschen gegen rechte Angriffe verteidigen wollen, werden wir uns also selber die Hände schmutzig machen müssen. Das heißt: nicht nur in Worten und Symbolik, sondern durch handfeste antifaschistische Praxis. Das kann bedeuten, dass Nazis nicht öffentlich aufmarschieren können, ohne mit Widerstand zu rechnen; dass der rechte Wahlkampf sabotiert wird; dass rechte Funktionär:innen sich nicht ohne Angst auf die Straße trauen; dass rechte Angriffe zurückgeschlagen werden. Diese Formen des Kampfes sind genauso wichtig wie andere Formen des Widerstands, etwa Diskussionen, Aufklärung oder Recherche. Der Kampf gegen den Rechtsruck muss auf allen Ebenen stattfinden. Sowohl organisierte als auch unorganisierte Menschen mit unterschiedlichem Hintergrund können Teil einer antifaschistischen Front sein. Wichtig ist dabei, sich nicht spalten zu lassen und auch jene zu verteidigen, die notwendige militante Aktionsformen ausführen.

Dass das alles dem Staat nicht gefällt, ist klar. Er wird immer versuchen, konsequente Antifaschist:innen zu verfolgen, so wie es jetzt Hanna und die anderen Beschuldigten im Budapest-Komplex getroffen hat. Es geht ihm dabei nicht um die Verfolgung einzelner Straftaten, sondern um die Schwächung einer Bewegung, die das staatliche Gewaltmonopol aus praktischer Notwendigkeit in Frage stellt. Wenn Polizeigewalt und Strafverfahren vermehrt Antifaschist:innen treffen, dann liegt das in erster Linie an der realen Gegenmacht, die in diesem Bereich durch die direkte Konfrontation entsteht.

Es ist unsere kollektive Aufgabe als antifaschistische und revolutionäre Bewegung, uns nicht abschrecken zu lassen, sondern die Faschisten weiterhin nicht in Ruhe zu lassen. Alles andere würde bedeuten, tatenlos dabei zuzuschauen, wie sich die Gesellschaft immer weiter nach rechts bewegt. Die Widersprüche im kapitalistischen System sind unübersehbar und die Zukunftsaussichten düster für alle, die keine Millionen auf dem Konto haben. Umso wichtiger ist, dass wir aus dem antifaschistischen Kampf heraus auch eine antikapitalistische Perspektive entwickeln und ihn als Teil eines revolutionären Aufbauprozesses verstehen.

Im Rahmen der aktuellen Repression bedeutet das, die Betroffene nicht alleine zu lassen, die Repression politisch einzuordnen und die Legitimität antifaschistischer Aktionen zu verteidigen. So können wir versuchen, an dem anstehenden Prozess als Bewegung zu wachsen und unseren Kampf umso entschlossener fortzuführen. Zeigen wir uns solidarisch mit Hanna und machen wir deutlich: Wir stehen zusammen! Freiheit für Hanna und Solidarität mit allen Antifas in Untergrund und Haft!


Mehr Infos zur Free Hanna-Kampagne findet ihr unter alleantifa.noblogs.org.

Perspektive Kommunnismus ist eine Plattform in der sich verschiedene kommunistische Strukturen bundesweit zusammengeschlossen haben, um die gemeinsame Praxis und politische Debatte voranzubringen. Mit klarem Klassenstandpunkt sind sie in verschiedenen politischen Widerstandsfeldern aktiv; mehr über die Plattform findet ihr hier.

Spannend für die aktuelle Auseinandersetzung mit der zunehmenden Repression – nicht nur gegen die antifaschistische Bewegung – sind auch die Broschüren von Perspektive Kommunismus dazu, die ihr unter folgenden Links findet: Repression im revolutionären Aufbau & Repression gegen militanten Antifaschismus