Atzinger, Oskar: Das A und O des Passauer Neonazismus

Oskar Atzinger (* 30.07.1963 in Passau) ist seit Jahrzehnten in der extremen Rechten vernetzt und politisch aktiv. Seit Februar 2022 ist er Abgeordneter für die AfD im Bayerischen Landtag.

Was scheinbar bis heute kaum öffentliche Aufmerksamkeit findet: Oskar Azinger ist Teil eines ca. 15-köpfigen Männerbundes, in welchem das who-is-who aus IB, AfD und NPD sich die Hand gibt. Organisiert ist der rechtsextreme bis neonazistische Bund offiziell als Burschenschaft für Schüler, als Schülerschaft bzw. pennale Burschenschaft. Obwohl die Mitglieder allesamt das Schulalter schon seit mindestens einem Jahrzehnt hinter sich haben, zeigt die Organisationsform auf, worauf die Verbindung abzielt: Die Einbindung junger Männer in die extreme Rechte. Umso weniger überrascht es, dass der gelernte Zahnarzt Atzinger seinen Schwerpunkt in der Landtagsarbeit im Bereich „Bildung und Kultus“ setzt. Dort bringt er seine Vorstellungen von Erziehung und sein massiv rassistisches und autoritäres Weltbild in die Realpolitik ein. Trotz seiner seit Jahrzehnten bekannten Einbindung in die extreme Rechte, seiner offenen zur Schau getragenen ideologische Nähe zu Neonazis und anderen Rechtsextremen und seinem nicht unbedeutenden Amt als Abgeordneter des Bayerischen Landtags, wird Oskar Atzinger auf lokaler Ebene immer noch bagatellisierend als der leicht trottelige rassistische Onkel dargestellt. Dessen Ausfälle erträgt man irgendwie während des Weihnachtsessens, weil er halt zur Familie gehört, hinter seinem Rücken rollen zwar alle mit den Augen, aber niemand weist ihn je in seine Schranken, will man doch den mühsam zusammengehaltenen Frieden am Esstisch nicht riskieren. Das Ergebnis liegt auf der Hand: Wie an so vielen anderen Stellen auch, können Rechtsextreme wie Oskar Atzinger schalten und walten, wie ihnen beliebt und damit ihre Programmatik letztlich doch ungestört Stück für Stück umsetzten.

Lebenslauf

Oskar Atzinger, Zahnarzt aus Passau, geschieden, drei Kinder, 61 Jahre alt

  • 1969-1973 Grundschule Tittling, Lkr. Passau
  • 1973-1982 Gymnasium Grafenau & Abitur am Landgraf-Leuchtenberg-Gymnasium, dann: Wehrdienst in Murnau am Staffelsee und Freyung
  • 1983 – 1989: Studium der Zahnmedizin in München und Würzburg (Staatsexamen: 1990-1992)
  • Bis 1992: Stabsarzt in Bogen, Braunschweig und Regensburg – bis heute: Reserve – Stabsoffizier im Rang eines Oberstleutnants (Dienstgrad Oberfeldarzt)
  • 1992-2018 Eröffnung einer Zahnarztpraxis in Passau & über 25 Jahre selbständige Tätigkeit in eigener Einzelpraxis
  • 2019-2022: Arbeit als angestellter Zahnarzt, bis ihm im Zuge der COVID-19-Pandemie gekündigt wurde, weil er eine Impfung gegen das Virus verweigerte.

Politischer Werdegang & Netzwerke

Oskar Atzinger ist seit Jahrzehnten in diversen rechtsextremen Parteien und Organisationen auf Funktionärsebene aktiv. Das heutige Vorstandsmitglied der Niederbayerischen AfD stand bereits in den 1990er Jahren wegen seiner guten Vernetzung in der extremen Rechten im Fokus des bayerischen VS – geschadet hat ihm dies jedoch nie. Ab 1993 war Atzinger Mitglied der rechtsextremen Partei „Die Republikaner“, die ihn im Mai 2008 nach einem Urteil des Bundesschiedsgerichtes der Republikaner aus der Partei ausschlossen. Der Ausschluss wurde dadurch begründet, dass Atzinger in eklatanter Weise gegen die strikten Abgrenzungsbeschlüsse hinsichtlich der NPD verstoßen habe; unter anderem habe er beispielsweise Wahlabsprachen mit der NPD getroffen und eine Gedenkfeier unter Beteiligung von NPD-Mitgliedern veranstaltet. Zudem habe Atzinger das Bundespräsidiumsmitglied der Republikaner Dieter Hübing tätlich angegriffen.

Von 1998 bis 2003 hatte Atzinger für die REP immerhin im Bezirksrat von Niederbayern gesessen. Zehn Jahre später gründete Atzinger gemeinsam mit dem heutigen AfD-Stadtrat aus Passau, Robert Schregle, die Bürgerliste „Alternative für Passau“, die wenig später wegen namensrechtlichen Streitigkeiten mit der „Alternative für Deutschland,“ in Pro Passau umbenannt wurde.

Pro Passau (ehemals Alternative für Passau, kurz: AfP)
war eine von 2013 bis 2018 bestehende Passauer Wählervereinigung. Im November 2013 gründeten einige Passauer AfD-Mitglieder zusammen mit Angehörigen anderer Parteien sowie Parteifreien die Wählervereinigung „Alternative für Passau“. Als „patriotisches und soziales Wahlbündnis“ wolle man zu den Kommunalwahlen 2014 in Stadt und Landkreis Passau antreten. Hintergrund war, dass die AfD selbst in Passau nicht zur Kommunalwahl antreten wollte. Zum ersten Vorsitzenden der AfP wurde Kreisrat Oskar Atzinger gewählt, so wie auch er gehörten der Führungsriege mehrere frühere und aktuelle Funktionäre der Republikaner an. Zur Vorstandschaft des Vereins gehörte unter anderem auch der örtliche Vorsitzende der AfD, Robert Schregle. Die Gründung der AfP sorgte im AfD-Kreisverband Passau-Freyung-Grafenau für Unmut, unter anderem wegen des ähnlich lautenden Namens. Deshalb wurden neben einem Parteiausschlussverfahren gegen Robert Schregle auch rechtliche Schritte gegen die AfP erwogen. In der Folge schied Schregle aus der AfP aus, woraufhin sich die Wählervereinigung in „Pro Passau“ umbenannte. Anfang 2018 beschloss die Wählervereinigung in einer Mitgliederversammlung ihre Auflösung.Letzter Vorstand: Vorsitzender: Oskar Atzinger | Stellvertreter: Kurt Haimerl | Schriftführer: N.N. | Schatzmeister: Herbert Seitz (alle ex-REP, heute AfD)

Trotz der anfänglichen Streitereien zwischen AfP und AfD machten fast alle Mitglieder der AfD später in der lokalen AfD karriere: Robert Schregle & Kurt Haimerl, seit 2020 beide für die AfD im Stadtrat in Passau | Oskar Atzinger, MdL & Kreisrat (AfD) | Herbert Seitz, Kreistag Passau seit 2020 | Karl-Heinz Zauner kandidierte 2020 für die AfD für den Stadtrat Passau | Josef Angerer bekleidet derzeit den Vorstand des 2024 neu gegründeten AfD-Vereins „Initiative Kleinbäuerlicher Landwirtschaft“ und kandidierte ebenfalls 2020 für die AfD Passau bei den Kreistagswahlen.

2008-2014 vertrat Oskar Atzinger die ultrarechte Bürgerbewegung „PRO Bayern“ im Passauer Kreistag, dem er seit 2008 angehörte. Er fungierte zudem als Schatzmeister des von NPD- und DVU-Kadern geprägten gleichnamigen Vereins. Die Pro-Bewegung mobilisierte damals als neuere Erscheinungsform der extremen Rechten gegen Migrant*innen und Geflüchtete. Der bayerische Ableger soll nach Vorbild der ersten, 1996 in Köln gegründeten fremdenfeindlichen „Pro“-Bewegung entstanden sein stellt den Versuch da, auf der Welle des antimuslimischen Rassismus zu reiten. Dort formierte sich das rassistische Bündnis um Markus Wiener, der aus dem bayerischen Wörth an der Donau stammt und in Regensburg in der extrem rechten Prager Burschenschaft Teutonia korporiert gewesen sein soll. (Nicht zu verwechseln ist Markus Wiener mit seinem Bruder Willi Wiener, ehemaliger Chef der NPD in Regensburg und der Oberpfalz).

Über die Pro Passau-Liste zog Atzinger im Jahr 2014 immerhin als fraktionsloser Abgeordneter in den Passauer Stadtrat ein – von 2018 bis 2020 nahm er dieses Mandat für die AfD wahr, der er allerdings schon 2013 beigetreten sein will. Zur Kommunalwahl 2020 ließ sich Oskar Atzinger, ebenso wie weitere ehemalige Funktionäre der „Die Republikaner“ (z. B. Kurt Haimerl), für die AfD Passau aufstellen und erlangte schließlich ein Mandat im Passauer Kreistag bis 2026. Dort sitzt er der AfD Fraktion vor.

Im Februar 2022 starb der bayerische Landtagsabgeordnete Josef Seidl. Der war 2018 für die AfD in den Landtag eingezogen, hatte später jedoch die Partei und die Fraktion verlassen. Nach seinem Tod rückte Oskar Atzinger aus Passau in den Bayerischen Landtag nach. Im Herbst 2023 wurde Atzinger nach einer verkürzten ersten Amtszeit schließlich wiedergewählt – und zwar mit 22,8 % im Stimmkreis Regen und Freyung-Grafenau mit dem prozentual stärksten AfD-Ergebnis in Niederbayern.

Atzinger wurde nach seiner Wiederwahl von der AfD-Fraktion für mehrere Funktionen gewählt. Schon wie bisher fungiert er als bildungspolitischer Sprecher der AfD-Landtagsfraktion und vertritt seine Partei im Landesbeirat für Erwachsenenbildung. Außerdem leitet er den Arbeitskreis Bildung und Kultus und wacht nun zusätzlich noch als Rechnungsprüfer über die Fraktionsgelder der AfD im Bayerischen Landtag. (PNP, 20.12.2023). Im Landtag ist er Mitglied des Ausschusses für Bildung und Kultus und Mitglied im Beirat beim Haus der Bayerischen Geschichte.

In seinem Abgeordnetenprofil des Almanach des Rathauses Passau 2014-2020 (Blickpunkt Rathaus) gibt Atzinger an, in der pennalen Burschenschaft Normannia Winterberg zu Passau (p. B! Normannia Winterberg) korporiert und als deren Sprecher tätig zu sein. Auch auf der Website des Landtags und in verschiedenen Vorstellungsreden im Landtag betonte Atzinger immer wieder seine Mitgliedschaft in der rechtsextremen Burschenschaft bzw. pflichtschlagenden neonazistischen NPD-Schülerschaft.

Auf der Startseite der neonazistischen Normannia Winterberg zu Passau wird Atzinger mit den Worten „Wir beglückwünschen unseren Bundesbruder Oskar Atzinger zum Wiedereinzug in den bayerischen Landtag. Einer von uns für Bayern!“ zur Wiederwahl gratuliert. Dieser bedankt sich im Gästebuch der Verbindung wenige Tage später artig:

Oskar Atzinger | 16.10.2023 | 11:29:02 Vielen herzlichen Dank für die Glückwünsche zu meiner Wiederwahl als Abgeordneter des Bayerischen Landtags. Ad multos annos!Oskar Atzinger v/o Wallenstein

Im Dezember desselben Jahres findet die Julfeier der rechtsextremen Burschenschaft statt. Einträchtig sieht man hier ein halbes Dutzend Burschenschafter in Verbindungs-Klamotte am Tisch miteinander feiern. Darunter Oskar Atzinger (AfD), neben ihm sein Bundesbruder Kurt Haimerl (AfD) und gegenüber den beiden Stephan Mühlberger (NPD).

Interessant ist, wer es an dem Abend aufgrund konkurrierender Termine nicht zur Weihnachtsfeier der Schülerschaft schaffte: Da wären beispielsweise der Normanne und ehem. NPD Bundesvorstand Ulrich Pätzold (Schöllnach). Außerdem der ehemalige Markomanne und jetzt sowohl Mitglied bei der Normannia Winterberg, wie auch bei der Münchner B! Danubia, Tobias Benecke (geboren: Lipski). Als Tobias Lipski (Passau / Schardenberg) war er noch vor einigen Jahren für die IB in Bayern aktiv und ist es inzwischen bei der JA. Ähnlich sein B! Danubia Verbandsbruder und das frühere Gesicht der rechtsextremen IB Bayern, Paul Zeddies (München / Feldkirchen-Westerham), der inzwischen Vollmitglied der Normannia Winterberg zu Passau ist. Zuletzt fehlte aus den Reihen der jüngeren Normannia Winterberg Burschenschafter Alexander Salomon. Der (ehemalige) Markomanne mit Vergangenheit bei der NPD, AfD und JA baut jedoch seit einem Umzug von Passau nach Sachsen die neue Dresdner Schülerschaft Saxonia Dresden auf.

Zusammen kamen u.a. Paul Zeddies (IB, Danubia München), Tobias Lipski bzw. Benecke (IB, Danubia München), Andreas Resch (NPD), Kurt Haimerl (AfD), Stephan Mühlberger (NPD), Oskar Atzinger (AfD) jedoch zur „Ostara-Kneipe“ (Osterkneipe) in Passau Ende März dieses Jahres.

Normannia Winterberg zu Passau

Die als „NPD-Burschenschaft“ bekannte Passauer Schülerverbindung „Normannia Winterberg“ wurde im Jahr 1906 im damaligen Winterberg im Böhmerwald (heute: Vimperk, Tschechische Republik) gegründet und reaktivierte sich 1962 mit dem neuen, selbst gewählten Motto „bieder –treu – beständig“ unter der Dachorganisation des „Passauer-Senioren-Convents“ in Passau. Nach Jahren der Inaktivität wurde die Schülerschaft 2007 durch lokale NPD-Politiker und -Mitglieder wiedergegründet. Die Normannia begreift sich als „pflichtschlagende“, also Mensuren fechtende Burschenschaft für ausschließlich männliche Schüler mit Studienabsichten – und „Alte Herren“ der Korporation. Zweck der Verbindung ist nach eigener Angabe „die aktive Unterstützung der Volkstumsarbeit, Zusammenschluss der studierenden Jugend, körperliche und geistige Ertüchtigung der Bundesbrüder und gesellschaftliche Betätigung.“. Die meist bereits im fortgeschrittenen Alter befindlichen Mitglieder der als Schülerverbindung konzipierten Korporation sind fast ausschließlich (ehem.) Funktionäre und Mitglieder der NPD, AfD und der (österreichischen) FPÖ. Aus ihrer völkisch-nationalistischen und teils neonazistischen Ausrichtung machte die Verbindung auf ihren Internetauftritten lange Zeit keinen Hehl. Da die Schülerverbindung es offenbar nicht schaffte in Passau relevante Mengen als Schülern/Nachwuchs zu akquirieren, ist sie derzeit weitestgehend inaktiv. >> Mit der politischen Ausrichtung bzw. Verortung der Verbindung hat sich VVK in folgendem Reader ausführlich beschäftigt.

Mitglieder
Auszug aus der Liste der rund fünfzehn Mitglieder:

  • Oskar Atzinger (Passau, ex-REP, ex-PRO Bayern, AfD)
  • Thomas Girzick (auch: Sudetendeutsche Landsmannschaft in Österreich (SLÖ))
  • Kurt Haimerl (Passau, ex-REP, AFD)– Stephan Mühlberger (NPD)
  • Günther Resch (NPD)
  • Andreas Resch (Sohn von NPD-Passau Anführer Günther Resch)
  • Ulrich Pätzold (NPD)
  • Christian Rössner (FPÖ, Bruna Sudetia)
  • Harald Schröter (NPD)
  • Paul Zeddies (B! Danubia, IB Bayern)
  • Tobias Benecke (geb: Lipski, ehem. B! Markomannia Wien, IB. Heute: B! Danubia, JA)
  • Alexander Salomon (B! Markomannia Wien, pB! Saxonia Dresden, ehem. NPD, AfD, JA)

NS-nähe und Geschichtsverständnis der „Normannia Winterberg zu Passau“

Der 8. Mai 1945 – Veröffentlicht am 11. Mai 2011
„Der 8. Mai 45 ist nicht isoliert zu betrachten. Vielmehr muss der 22. Juni 1941 – der Präventivschlag Deutschlands gegen die Sowjetunion, als Beginn eines Kampfes gegen die Sowjetisierung Europas gesehen werden. Es standen im Gebiet Lemberg mehrere sowjetische Divisionen als Sperrspitze eines unmittelbar bevorstehenden Angriffes bereit. Dieser Angriff sollte die Besetzung Deutschlands und der Vorstoss bis Paris in 60 Tagen zum Ziel haben. Der Angriff der Wehrmacht warf diese sowjetischen Armeen zurück. Alle weiteren Kriegsereignisse sind in diesem Zusammenhang zu sehen. Ein Gulagsystem mit Millionen von Toten wäre die Konsequenz aus der Eroberung Westeuropas durch die Rote Armee gewesen. Der 6. Juni 1944 (Landung in der Normandie) war keineswegs der Befreiung Europas angedacht. Die Alliierten sahen die bevorstehende Niederlage Deutschlands und versuchten ihrerseits nunmehr die sowjetischen Truppen zu stoppen. Deutschland verblutete im Kampf gegen den Stalinismus und erhielt am 8.Mai 1945 den Todesstoss. Der Dank war die Zerstückelung des Reiches und Ermordung von Millionen deutschen Zivilisten. Die p.B! Normannia Winterberg gedenkt in dankbarem Stolz seiner Wehrmacht und seiner Bundesbrüder die im Kampf gegen die Tyrannei ihr Leben ließen.“
Website der Normannia Winterberg zu Passau, 2011

In seinem Profil auf der Website des Landtags führt Atzinger außerdem folgende Mitgliedschaften auf: Stellvertretender Kreisvorsitzender des Soldatenbunds Passau (BKV), Vorsitzender des Krieger- und Soldatenvereins Passau-Ilzstadt, Mitglied des Reservistenverbandes (VdRBw). Ferner ist er Mitglied der Lebenshilfe Passau, Mitglied der Deutsch-Französischen Gesellschaft Passau (Freundeskreis Passau – Cagnes-sur-Mer) sowie Mitglied der Freiwilligen Feuerwehr Passau, Löschzug Ilzstadt (FÖ).

Besonders die Mitgliedschaft in Soldatenvereinen sollte angesichts Atzingers rechtsextremer Historie und Verbindungen sowie dem NS-relativierenden Geschichtsbild seiner Korporation mindestens Sorge bereiten!

Noch im Januar 2024 berichtete die PNP: „Der Krieger- und Soldatenverein Passau-Ilzstadt, gegründet vor 95 Jahren, hat in der Jahreshauptversammlung verdienten Mitgliedern für ihre Treue gedankt. Vorsitzender Oskar Atzinger berichtete, dass der Verein wie in jedem Jahr das Gedenken zum Volkstrauertag abhielt. (…) Oskar Atzinger und sein Stellvertreter Kurt Haimerl (AfD Stadtrat und Mitglied der neonazistischen Normannia Winterberg zu Passau, Anm.) verliehen Schatzmeister Nikolaus Schröpf das BKV-Ehrenkreuz in Bronze und Fahnenträger Andrej Bitzer das BKV-Ehrenkreuz in Gold.“

Kommunalpolitisches Engagement & Einbindung

Oskar Atzinger zeigt sich sozial und kommunalpolitisch gut eingebunden. Alte Verbindungen helfen ihm, neue zu erschließen, Atzinger kann sich auf ein jahrzehntelanges, stabil gebautes Netzwerk an Vertrauten in der extremen Rechten verlassen. Während er mit der NPD und seinen Verbandsbrüdern aus AfD und IB scheinbar über Organisations- und Generationsgrenzen hinweg hervorragend zurecht zu kommen scheint, hat er in seinem Kreistags- und Landtagskollegen Ralf Stadler (AfD) einen missgünstigen Widersacher gefunden. Dabei haben die beiden als extrem rechte Tittlinger (Lkr. Passau) mit soldatischer Vergangenheit durchaus ähnliche historische und inhaltliche Bezugspunkte. Nichtsdestotrotz gelten beide als Köpfe konkurrierender Lager innerhalb des Bezirksverbands.

Im März 2020 gab Oskar Atzinger sein Passauer Stadtratsmandat an seinen Verbindungsbruder Kurt Haimerl (ex-REP und Mitglied der neonazistischen Normannia Winterberg zu Passau) ab und zog in den Kreistag Passau ein, wo er Vorsitzender der AfD-Fraktion und Kollege des KV Vorsitzenden Ralf Stadler, MdL wurde. Ein halbes Jahr später spaltete sich nach Jahren des Streits und entgegen des Willens des Vorsitzenden Stadler der AfD Kreisverband Passau- Freyung-Grafenau in die Verbände Passau und Freyung-Grafenau auf. „Ralf Stadler hat sich bei drei Abstimmungen – 2018, 2019 und 2020 – mit Zähnen und Klauen gegen die Kreisteilung gewehrt und 2018 und 2019 die Abstimmungen mit seinen mitgebrachten Neu-Mitgliedern auch gewonnen. Auch in der diesjährigen Mitgliederversammlung versuchte er wieder, die Kreisteilung zu verhindern, unterlag aber dann mit 13 zu 7 Stimmen, denn die Freyunger AfD-Mitglieder hatten es endgültig satt, einen Vorsitzenden zu haben, der nichts Anderes tut als Unfrieden in den eigenen Reihen zu säen“, hieß es damals vom Initiator der Auftrennung.

Oskar Atzinger, MdL (rechts) und sein missgünstiger Widersacher Ralf Stadler, MdL (links) – beide AfD

Die Stadler-Vertrauten blieben dem KV Passau und ihrem Vorsitzenden treu. Die Mehrheit jedoch schloss sich dem Stadler-kritischen Lager und dem neuen KV Freyung-Grafenau an. Darunter auch Oskar Atzinger, der drei Jahre später auch für den Stimmkreis Freyung-Grafenau für den Landtag kandidierte. „Ralf Stadler hat schon viele Parteimitglieder vergrault: Etliche sind seinetwegen ausgetreten, mehr als zehn sind ins Exil zum Kreisverband Freyung-Grafenau geflüchtet.“, kommentierte der stellv. Vorsitzende des KV Freyung-Grafenau Atzinger noch Jahre später das angespannte Verhältnis zu Ralf Stadler.

Im März 2024 verkündete Atzinger überraschend seine Rückkehr in den Kreisverband Passau – eine offene Kampfansage an Stadler? „Zwar bin ich Landtagsabgeordneter für ganz Niederbayern, doch kommunalpolitisch will ich mich weiterhin vor allem in der Region Passau engagieren, wo ich ja auch Kreisrat bin“, schrieb er in einer Mail an die Mitglieder des Freyunger Kreisverbands, der zu der Zeit rund 90 Mitglieder hat. Wie sich die territoriale Rivalität der beiden Parteikameraden noch auswirken wird, bleibt spannend.

Aktuell bespielt Atzinger ein Abgeordnetenbüro in Pocking (Lkr. Passau, Stadtplatz 1) und eines in Waldkirchen (Lkr. Freyung-Grafenau, Büchl 34). Zur Eröffnung des Letzten reisten Johann Müller, MdL aus Straubing und Katrin Ebner-Steiner, MdL aus Deggendorf an und posierten in vertrauter Eintracht an der Seite ihres Passauer Kollegen. Noch im selben Monat wurden außerdem die Bayerischen Regierungsbezirke unter den AfD-Landtagsabgeordneten verteilt und für jede Region sogenannte „Stimmkreisbetreuer“ bestimmt. Beim Blick auf die Aufteilung Niederbayerns unter den AfD-Abgeordneten kommt man nicht umhin zu vermuten, dass auch diese Verhandlungen nicht reibungsfrei verlaufen sein dürften. Atzinger scheint dabei seinem ewigen Widersacher Stadler unterlegen zu sein. Interessant ist dies vor allem deshalb, weil Atzinger innerhalb der Fraktion und des Bezirksverbands sowohl dem unauffälligen Johann Müller (Straubing) als auch der ultrarechten Höcke-Vertrauten und Fraktionsvorsitzenden Katrin Ebner-Steiner nahesteht, wohingegen das Verhältnis Stadlers zu letzterer mindestens unterkühlt wirkt.

Inhaltliche Positionierungen & Verortung

Bis zu seinem Einzug in den Landtag im März 2022 nutzte Oskar Atzinger gar kein Social Media. Eine ideologische Verortung von gelegentlichen Wortmeldungen im Stadtrat oder rassistischen Bemerkungen in medialen Einlassungen abgesehen, konnte also abseits seiner Organisationszugehörigkeiten und Netzwerke kaum vorgenommen werden. Inzwischen verfügt Atzinger über eine Facebookseite und einen (offenen) Telegramkanal über welche er gelegentlich Einblicke in sein Wirken im Landtag gewährt. Während man auch bei Atzinger nicht den Eindruck gewinnt, er würde sich als Abgeordneter überarbeiten, sind die wenigen Wortmeldungen, die von ihm überliefert sind, jedoch hinsichtlich seiner inhaltlichen Positionen extrem erkenntnisreich.

In seiner Kandidatenrede bei der Wahl zum Vizepräsident im Bayerischen Landtag am 14. Juni 2023 definierte sich Atzinger als „Sozialpatriot“ (die Begriffliche Nähe zum Nationalsozialisten drängt sich auf) und Verteidigter des christlichen Glaubens gegen die Islamisierung des Abendlandes. Er ergänzte: „Wer nicht sieht, dass der Bevölkerungsaustausch in vollem Gange ist, der ist entweder blind oder blöd oder Erfüllungspolitiker der Besatzungsmacht“ (14.06.2023). Fast wortgleich bewarb er sich knapp ein Jahr später erneut auf den Posten.

In dem auf seinen Social Media verlinkten Rede zur Wahl zum Vizepräsident im 13. März 2024 im Landtag Bayern führte er seine politische Position etwas breiter aus:

„Ich vertrete unter anderem folgende faktenbasierte Wahrheiten: Es gibt nur zwei Geschlechter, CO2 ist nicht kausal für Klimaveränderungen verantwortlich, der Ukraine-Krieg ist Folge der aggressiven imperialistischen Politik der Nato und wir haben keinen Friedensvertrag. Ich bin Sozialpatriot. Und ich sehe mich als Verteidiger des christlichen Abendlandes gegen die Islamisierung, denn es gibt nur einen Islam, und der ist politisch. (…) Wer nicht sieht, dass der Bevölkerungsaustausch in vollem Gange ist, ist entweder blind oder blöd oder Erfüllungspolitiker der Besatzungsmacht. (…)

Landtagspolitik & Programmatik

In der Vorstellungsrede führt Atzinger die Kernpunkte seiner Ideologie und Politik auf. Darin finden sich Schlagworte und Kampagnenbegriffe der rechtsextremen Identitären Bewegung sowie rassistische und migrationsfeindliche Verschwörungserzählungen („Bevölkerungsaustausch“, „Islamisierung des Abendlandes“) sowie Geschichtsklitterung und Reichsbürgernarrative („Friedensvertrag“, „Besatzungsmacht“), sowie Kampfansagen gegen verschiedene, von der extremen Rechten als linksgrünversiffte zeitgeistige Ideologie-Irrungen verschriene Themen wie den menschengemachten Klimawandel oder die Vielfalt der Geschlechter.

Entsprechend dieser Selbstverortung gestaltet sich folgerichtig auch Oskar Atzingers inhaltliche und programmatische Arbeit im Landtag. Sein Steckenpferd ist dabei die Bildungspolitik, vor allem die (Aus-)bildung und die schulische Erziehung. Neben rassistischen und geschichtsrevisionistischen Positionen vertritt Atzinger in seiner Ausschussarbeit weiterhin verschiedene antifeministische Positionen und besteht immer wieder auf die Durchsetzung (vermeintlich) Deutscher Tugenden wie Disziplin, Härte und Ordnung, welche den Schulalltag prägen sollen.

Sowohl die Themensetzung Atzingers als auch deren Ausgestaltung verwundert nicht und dürfte direkte Fortführung der Werte seines rechtsextremen, männerbündischen Korporationshintergrunds sein:

Vaterlandsverständnis & Volksbegriff: Wie alle Vertreter völkischer Verbindungen und Lager beziehen sich auch die Normannia Winterberg und ihr Sprecher auf einen Volksbegriff, der von einer biologisch begründeten Einheitlichkeit einer Volks- und Abstammungsgemeinschaft (Homogenität) ausgeht und die kulturelle „Reinhaltung“ der Gesellschaft von äußeren Einflüssen, die als „fremd“ oder gar „feindlich“ definiert werden, anstrebt. Es wird von einer geschlossenen, ethnisch homogenen „europäischen Kultur“ und/oder Deutschen Volkskörper ausgegangen, dessen „Identität“ vor allem von einer „Islamisierung“ aber auch durch Migration, Ideologien und Werte des „linksgrünen Zeitgeistes“ bedroht sei. Zum Deutschen „Volk“ gehören aus dieser Sicht die Menschen “von der Maas bis an die Memel“, die sich vom sogenannten Blut her als Deutsche verstehen. Basierend auf jenem völkischen Vaterlands- und Volksbegriff erkennt die Normannia Winterberg Deutschland in seinen heutigen Grenzen nicht an und sehnt das Staatsgebiet des Großdeutsches Reiches von 1938 zurück.

Auftrag & Mission: Burschenschaftlicher Auftrag & Mission, so steht es in der Gründungserklärung und Historie des speziellen Korporationstypus festgeschrieben, ist die Verteidigung von Volk und Vaterland gegen jedwede Bedrohung von außen („Migration“, „Islamisierung“, „Besatzungsmächte“, …) sowie gegen Bedrohung von innen, welche geeignet sind die völkische Identität zu zersetzen (gemeint sind beispielsweise vermeintliche ideologische Irrungen des „linksgrünversifften Zeitgeistiges“ wie der Feminismus, Liberalismus, Multikulturalismus, …).

Normen & Werte: Der burschenschaftliche Auftrag liegt in der Verteidigung, folgerichtig ist eine der gewichtigsten Tugenden burschenschaftlicher Erziehung die Wehrhaftigkeit und die Sozialisation der Mitglieder in ein soldatisches Männlichkeitsideal. Härte, Gehorsam und Disziplin sind besonders bei den pflichtschlagenden Burschenschaften Tugenden der Charakterstärke. Davon abweichende Männlichkeitsbilder oder -entwürfe werden als weibisch und verweichlicht verachtet und ausgegrenzt und als Bedrohungen für den starken, gesunden Volkskörper, der durch klare Geschlechterrollenbilder Stabilität erlangt, verstanden.

Die ausgeführten ideologischen und normativen Eckpfeiler burschenschaftlicher Erziehung, die Atzinger in seiner deutschtümelnden, pflichtschlagen und von Neonazis durchsetzten Schülerschaft für Gymnasiasten vermittelt, finden sich ebenso in seinen Beiträgen im Landtag wieder.

Geschichtsklitterung & Vaterlandsverständnis

Einen Antrag der Abgeordneten der BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN an die Staatsregierung ein wissenschaftliches Gesamtkonzept für die Erinnerungsarbeit in Bayern vorzulegen (Drs. 18/22700) lehnte Atzinger ab. Er begründete dies damit, dass mit Erinnerungsarbeit bestimmte zwölf Jahre der deutschen Geschichte gemeint seien und unter diesen Teil der Geschichte endlich ein Schlussstrich gezogen werden solle. Den Kindern der heutigen Generation werde permanent ein schlechtes Gewissen eingeredet. Damit müsse endlich Schluss sein (Ausschussprotokoll 61. BI, 23.06.2022 | Bayerischer Landtag | 18. Wahlperiode | S. 25)

Auch den Antrag der Grünen, ehrenamtliches Engagement im Bereich der Erinnerungskultur und der Aufarbeitung der NS-Geschichte zu unterstützen und zu fördern (Drs. 18/25281) lehnte Atzinger mit dem Verweis „auf seine hinlänglich bekannte Ansicht zur Erinnerungskultur“, also der NS-relativierenden Schlussstrichforderung ab (Ausschussprotokoll 68. BI, 08.12.2022 | Bayerischer Landtag | 18. Wahlperiode | S. 12).

Ethnopluralistische, migrationsfeindliche & rassistische Positionen

Mit dem Begriff Ethnopluralismus wird ein Weltbild der Neuen Rechten bezeichnet, deren Vertreter eine kulturelle Homogenität von Staaten und Gesellschaften nach „Ethnien“ anstreben. Zu den Schlüsselkomponenten der Doktrin gehören ein angebliches „Recht auf Differenz“ und die angebliche Bewahrung einer „Völkervielfalt“. Befürworter des Ethnopluralismus lehnen eine „Durchmischung“ verschiedener Völker ab, weil sie darin eine Bedrohung sehen. Nach dem Weltbild von Ethnopluralisten sollen Gesellschaften innerhalb von Staatsgrenzen homogen sein. Mitglieder einer Ethnie teilen nach Auffassung von Ethnopluralisten eine manifeste, kollektive Identität, die vor allem aus deren Geschichte herrührt. Fremde bzw. ausländische Einflüsse werden mitunter als Gefährdung der „eigenen Identität“ der Gesellschaft wahrgenommen. Auf internationaler Ebene sollen die verschiedenen Ethnien möglichst voneinander ferngehalten werden und abgegrenzt in ihren „angestammten Territorien“ leben.

Gegen eine solche „Durchmischung“ von Gesellschaften, Sprachen, Kulturen oder Ethnien spricht sich auch Atzinger immer wieder energisch aus. Dies betrifft in seinem Fall sogar Bestrebungen die der Annäherung oder interkulturellen Kompetenz dienen sollen.

Einen Antrag der Abgeordneten der SPD im Ausschuss für Bildung und Kultus zum Thema Förderung von Mehrsprachigkeit und herkunftssprachlichen Schulunterrichtsangeboten lehnte Atzinger mit einer besonders wirren Begründung ab. Man müsse von den Dänen lernen, die nach dem Zweiten Weltkrieg den Deutschen verboten hätten, Dänisch zu lernen. Statt fremdsprachlichen Unterricht wahrzunehmen, müssten Kinder in Deutschland Deutsch lernen. Anders sei es bei den Schüler:innen, die keine Bleibeperspektive in Deutschland hätten, diesen sollte ausschließlich fremdsprachlicher Unterricht erteilt werden (Ausschussprotokoll 67. BI, 24.11.2022 | Bayerischer Landtag | 18. Wahlperiode | S. 10). Überhaupt, so führt Atzinger zu mehreren Gelegenheiten aus, behindern Kinder ohne oder mit nur geringen Deutschkenntnissen den Lernerfolg der einheimischen Schüler. Die Krise im Bildungssektor könne deshalb nur mit Remigration von Flüchtlingen und Migranten gelöst werden, erläutert er in der 136. Sitzung des Bayerischen Landtags vom 15.02.2023.

Hinter einem Antrag von den Freien Wählern und der CSU die Auslandsmobilität und interkulturelle Kompetenzen von Lehramtsstudierenden in Bayern zu fördern (Drs. 18/25292), vermutet Atzinger einen perfiden Plan. Interkulturelle Kompetenz werde für die Lehrer in Deutschland aufgrund des in vollem Gange befindlichen Bevölkerungsaustauschs erforderlich, erklärt er im Ausschuss für Bildung und Kultus. Anstatt, dass sich Lehrer mit anderen Kulturen zu beschäftigen, sollten die Menschen, die nach Deutschland kämen, sich an die Leitkultur anpassen (Ausschussprotokoll 68. BI, 08.12.2022 | Bayerischer Landtag | 18. Wahlperiode | S. 15). Eine Arbeits- und Lebenswelt, die über nationalstaatliche Grenzen hinausgeht, scheint Oskar Atzinger selbst im Jahr 2022 noch lebensfern zu sein.

Überhaupt nicht lebensfern scheint Atzinger die Verschwörungserzählung, wonach sinistere geheime Mächte einen Bevölkerungsaustausch planen, um das Deutsche Volk zu zersetzen oder auszulöschen. Und so schreibt er weiterhin allen Maßnahmen zur Integration und Völkerverständigung zu, Instrumente des Plans zu sein. Im Zuge eines Antrags der SPD zur Anerkennung von Ukrainisch als zweite Fremdsprache am Gymnasium (Drs. 18/23119) warnt Atzinger im Ausschuss für Bildung und Kultus davor, einen Präzedenzfall zu schaffen. „Dann könnten angesichts des Bevölkerungsaustauschs demnächst noch sehr viele weitere Sprachen wie Kisuaheli einführt werden“, prognostiziert er (Ausschussprotokoll 63. BI, 14.07.2022 | Bayerischer Landtag | 18. Wahlperiode | S. 10).

Stattdessen beharrt auch Atzinger darauf, dass das Völkische bzw. das Identitätsprägende geschützt werden müsse vor ebenjener Bedrohung. Im Angesicht von Bevölkerungsaustausch, Islamisierung und Multikulti wähnt Atzinger, wie so viele andere extreme Rechte, die „Volksdeutschen“ als diskriminierte Gruppe. Im Antrag der Abgeordneten der AfD zur Pflege und Schutz der bayerischen Dialekte nach Vorbild des Norwegischem Sprachschutzgesetz (Drs. 18/21592) erklärt Atzinger, dass Dialekt ein Teil der bayerischen Identität sei und vor diesem Hintergrund Dialekt nicht nur geschützt, sondern gefördert werden solle. Keinesfalls dürften Dialektsprecher diskriminiert werden. Hierfür bedürfe es einer gesetzlichen Regelung (Ausschussprotokoll 59. BI, 12.05.2022 | Bayerischer Landtag | 18. Wahlperiode | S. 8).

„Andere Länder, andere Sitten – bzw. Qualifikationsniveaus“, dachte sich Oskar Atzinger scheinbar auch, bei folgendem Misstrauensvotum gegen im Ausland ausgebildete Lehrkräfte. Im Ausschuss für Kultus und Bildung warnte er, dass „nicht überall dort, wo Lehrer draufstehe, sei auch Lehrer drin (sei)“. Er wolle nicht, dass seine Kinder von Lehrern unterrichtet würden, die beispielsweise in der Türkei ausgebildet worden seien. (Ausschussprotokoll 65. BI, 13.10.2022 | Bayerischer Landtag | 18. Wahlperiode | S. 17). Bedenkt man, dass im Ausland ausgebildete Lehrkräfte, um in Deutschland arbeiten zu dürfen, ausgiebige und umfangreiche Qualifikationsnachweise erbringen und Überprüfungen bestehen müssen, um zu belegen, dass ihre Ausbildung dem Deutschen Standard ebenbürtig ist, entlarvt sich Atzingers Bedenken als blanker Rassismus.

Keine diverse Truppe: Das Gruselkabinett der AfD Landtagsfraktion (2023) – Oskar Atzinger als 5. v. links.

Kollektivismus, Antiliberalismus und Autorität

Vielfalt und Diversität, das Abweichen von der Norm, ist es, was den extremen Rechten Angst bereitet. So sind Gesellschaften, Traditionen, Wertesysteme, Normen und Rollen in ihrer Idealvorstellung in Zement gegossene, statische Konstrukte, deren Pflege und Aufrechterhaltung die Pflicht beinhaltet, alles abzuwehren, was nicht in die Struktur passt, was sich außerhalb der Struktur bewegt und nicht eingepasst werden kann und will – denn diese Abweichungen zeigen einen Gegenentwurf auf, der die Legitimation des bestehenden Monopols in Frage stellt.

Aktuell stärkster Ausdruck von Vielfalt und dem Aufbrechen klassischer Konstrukte ist das Thema der Geschlechtervielfalt sowie Diversitäts- und Gleichstellungspolitik.

Zu einem Antrag der Grünen (Drs. 18/24240: Familien- und Sexualerziehung in den bayerischen Schulen in Einklang mit den Richtlinien bringen!) äußerte Oskar Atzinger (AfD) er lehne den Antrag ab, „da uneingeschränkte Akzeptanz gegenüber lsbtiq* Personen abzulehnen sei. Toleranz, ja, aber uneingeschränkte Akzeptanz, nein.“ (Ausschussprotokoll 65. BI, 13.10.2022 | Bayerischer Landtag | 18. Wahlperiode | S. 23).

Atzingers „großzügig“ angebotene Toleranz endet jedoch bereits bei der potentiellen Sichtbarmachung und Einbindung diverser Geschlechteridentitäten. In einem Dringlichkeitsantrag einiger AfD-Abgeordneter fordert u.a. Atzinger im März 2024: „Man spricht Deutsch: Gendersprache verbieten!“

Religion und Quasireligion: Wo fängt Ideologie an, wo endet Wissenschaft?

Für die AfD sind die Grenzen zwischen Ideologie, Religion, Wissenschaft und Diplomatie irgendwie mindestens fließend. So wird alles, was den extrem Rechten nicht gefällt, als „Ideologie“ diffamiert, alles was – so unsachlich und unterkomplex es sein mag – in ihre Agenda passt, als „vernunftbasiert“, „gesunder Menschenverstand“ oder „Sachpolitik“ gebrandet. Als Deutschland in Folge des völkerrechtswidrigen Angriffs Russlands auf die Ukraine und verschiedenen Wirtschaftssanktionen gegenüber Russland im Winter 2021/2022 einer Energiekrise entgegenzusteuern drohte, stellte sich die AfD immer wieder offen an die Seite Russlands – oder wie sie selber meinten – die, deutscher Interessen. In einer Ausschusssitzung im Bayerischen Landtag tönte Atzinger in einer Diskussion zur möglichen Absenkung der Heiztemperatur auch in öffentlichen Einrichtungen, dass AfD „unsinniges Frieren für den Frieden verhindern (wolle). Stattdessen sollten Nord Stream 1 und 2 repariert und aufgemacht werden. Es existierten durchaus einfache Möglichkeiten, den Freistaat mit billiger Energie zu versorgen.“ (Ausschussprotokoll 66. BI, 10.11.2022 | Bayerischer Landtag | 18. Wahlperiode | S. 44)

Bereits in seiner Jungfernrede im Bayerischen Landtag am 15.03.2022 provozierte Oskar Atzinger (damals noch fraktionslos) mit seinem Russlandverständnis: „Die kriegerische Auseinandersetzung in der Ukraine ist meiner Meinung nach die Folge einer expansiven Politik der NATO, die die berechtigten Sicherheitsinteressen Russlands ignoriert. Ich bin kein Ukrainer, sondern Deutscher, genauer gesagt Bayer. Daher sind unsere Sanktionen nichts anderes als ein Schuss ins eigene Knie.“. Außerdem werde „der Konflikt absichtlich geschürt, um von innenpolitischen Schwierigkeiten abzulenken.“ (Protokoll 18/108 der Plenarsitzung des Bayerischen Landtags vom 15.03.2022 | Bayerischer Landtag |18. Wahlperiode 14749)

In einer anderen Diskussion, in welcher es darum ging die Schulen während der Pandemie für den Herbst fit zu machen und dafür geeignete Technik und Material zur Verfügung zu stellen (Drs. 18/23002), lehnte Atzinger sämtliche Maßnahmen ab. Seine Begründung: Das Tragen von Masken sei gesundheitsschädlich und die Durchführung von Tests unnötig (Ausschussprotokoll 62. BI, 07.07.2022 | Bayerischer Landtag | 18. Wahlperiode| S. 26). Seine Haltung zu Corona und den Corona-Maßnahmen hatte Atzinger ebenfalls bereits in seiner Jungferndrede im Bayerischen Landtag ausgeführt: „Ich bin nicht bereit, mich am größten medizinischen Experiment der Menschheitsgeschichte, auch Corona-Impfung genannt, zu beteiligen. Daher werde ich seit einem Jahr diskriminiert. (….) ich darf immer noch nicht ins Schwimmbad. (….) nach mehr als vier Monaten ohne Schwimmbad bekomme ich inzwischen Krampfadern.“. Die Corona-Maßnahmen, so sein Fazit, seien für die Menschen gesundheitsschädlicher als das vermeintlich existierende Virus. (Protokoll 18/108 der Plenarsitzung des Bayerischen Landtags vom 15.03.2022 | Bayerischer Landtag |18. Wahlperiode 14749)

Genau so wenig wie an internationale Solidarität, Corona-Viren oder eine Pandemie glaubt Atzinger scheinbar an den menschengemachten Klimawandel. Das betonte er nicht nur einmal öffentlich. In der Diskussion um die Klimakrise sehen er und seine Parteikollegen einmal wieder das Instrument sinisterer Mächte Gelder einzustreichen und Schüler:innen gefügig zu machen. Einen Änderungsantrag zur Mittelstreichung für „Klimaschutzpreis für Klimaschulen in Bayern“ begründen Atzinger und die AfD damit, dass „anstatt bereits Schülern Angst vor der „Klimakatstrophe“ zu machen und naiv zu suggerieren, dass das multikomplexe System Klima überhaupt durch den Menschen geschützt werden kann, mögen die Ausgaben an anderer Stelle für die nötigen naturwissenschaftlichen Unterweisungen der Schüler verwendet werden. Einer quasi-religiösen Ideologie auch an bayerischen Schulen zu folgen, ist verheerend und schädigt die Zukunft unserer Kinder.

Und während der „quasi-religiösen Ideologie“ der wissenschaftlich hinreichend belegten Problematik der Erderwärmung der Kampf angesagt wird, spielen sich Atzinger und Parteikollegen zur Verfechtern real-religiöser Ideologie an Schulen auf. In einem Antrag fordern die Abgeordneten Ramona Storm, Oskar Atzinger, Markus Walbrunn und Fraktion (AfD) den Anti-Abtreibungs „Aktionstag für das Leben“ an allen weiterführenden Schulen in Bayern verbindlich festzulegen.

Vermeintlich rein ideologisch begründete Quatschprojekte „Frieren für den Frieden“ statt Russlandsolidarität, Klimapanik und zu viel Rücksicht auf Geschlechtsidentitäten üben aus Sicht der AfD also einen unzumutbaren Druck auf Schüler:innen aus. Dabei ist aus Sicht Atzingers, der immerhin Sprecher einer pflichtschlagenden, streng hierarchisch organisierten Burschenschaft mit beinahe lächerlich ausdifferenziertem Regelwerk (Linzer Paukordnung!) ist/war, Druck an sich doch wichtiges Mittel der Erziehung!

Erziehungswerte: Härte, Gehorsam, Disziplin…

In der Ausschussdiskussion zu einem Antrag der SPD, die sogenannten Extemporalen, also Überraschungstests an allen Schularten abzuschaffen (Drs. 18/25829) erläutert Atzinger sein pädagogisches Verständnis: Es sei „nur nachhaltig, „semper paratus“, also allzeit bereit zu sein. Die Schülerinnen und Schüler sollten ständig zu einer Prüfung bereit sein. Des Weiteren müssten die Schülerinnen und Schüler lernen, mit Druck zurechtzukommen, sonst würden sie einmal „in der Lebenswirklichkeit aufschlagen und dann psychische Probleme bekommen, wenn sie unangekündigt etwas tun müssen.“ (Ausschussprotokoll | 69. BI, 26.01.2023 | Bayerischer Landtag | 18. Wahlperiode | S. 25).

Konstanter Leistungs- und Prüfungsdruck, Angst und Autoritarismus sollen aus Sicht des Bildungspolitischen Sprechers der AfD Fraktion jedoch nicht nur zwischen den Zeilen, sondern ganz explizit den Schulalltag bestimmen. So forderte er in einem Antrag im Landtag: „Fleiß, Disziplin und Leistungsbereitschaft an Schulen endlich wieder durchsetzen!“. Konkret hieß es darin, die Staatsregierung solle ein umfassendes Maßnahmenpaket erarbeiten – mit dem Ziel Fleiß, Disziplin und Leistungsbereitschaft wieder in den Fokus schulischer Erziehung und Bildung zu rücken sowie das Absenken der Prüfungsanforderungen sowie des allgemeinen Leistungsniveaus aufzuhalten und umzukehren“.

Da überrascht es nicht, dass Atzinger und die AfD weiterhin auf die Umsetzung von Maßnahmen drängen, die eher an den militärischen Drill einer Kaserne denn an eine Schule erinnern. Aus Liebe zur bayerischen Heimat und zum deutschen Volk, so ein Antrag der Partei, solle morgendliches Singen des Bayernliedes und der Nationalhymne an bayerischen Schulen verpflichtend werden.

Im Mai 2024 gab der „Arbeitskreis Bildung und Kultus“ der AfD im Bayerischen Landtag, dem neben Oskar Atzinger auch Ramona Storm und Markus Walbrunn angehören, ein inhaltliches Programm heraus. Darin positionieren sich die AfD-Abgeordneten mehr oder minder schwammig zu Digitalisierung und Medienkompetenz, sprechen sich für den Erhalt des mehrgliedrigen Schulsystems aus, sowie für Sicherheit an Schulen und die Rückkehr zu den Primaten von Fleiß und Disziplin aus. „Leistung folgt aus Fleiß und Disziplin“, wird dort als Kernforderung formuliert und weiter: „Wir stehen für das konsequente Einfordern von Fleiß, Disziplin und Anstrengung sowie die Vermittlung eines soliden Grundstocks an Wissen, statt einer bloßen Vermittlung von „Kompetenzen“. Hervorragend ausgebildete junge Menschen aller Berufs- und Fachrichtungen sind und bleiben das höchste Gut einer Leistungsgesellschaft.“.

Gefährdet sieht die AfD jene Tugenden offensichtlich vor allem durch Schüler:innen mit Migrationsgeschichte. „Migration gefährdet Sicherheit an Schulen“, heißt es in der nächsten Forderung deshalb. „Die AfD setzt sich für eine Stärkung der Sicherheit an Schulen und auf den Schulwegen ein – wenn nötig, auch mit Wachpersonal an Brennpunkten.“, denn, so wird im Folgenden vermeintlich logisch argumentiert: „In den letzten Jahren häufen sich Gewaltdelikte an deutschen Schulen. Während sich die Medien mit vagen Schuldzuweisungen herausreden, spricht die AfD Klartext: Es ist vor allem die massenhafte Zuwanderung aus von Gewalt geprägten Regionen und Gesellschaften, die zu einem Anstieg der Kriminalität in den Klassenzimmern, auf dem Pausenhof und den Schulwegen führt. Für die AfD ist jedoch klar: Messerdelikte, Droh- und Pornographievideos, sexuelle Belästigung und Schlägereien haben an Bayerns Schulen nichts zu suchen“. Der Klartext, den die AfD hier vermeintlich ausspricht, strotzt zwar vor Ressentiments, Buzzwords und Angstszenarien, inwiefern jedoch Schüler:innen mit Migrationsgeschichte die Hauptverantwortlichen für Schulhofraufereien und Pornovideos sein sollen, bleibt völlig offen – und vermutlich einfach nur rassistische Propaganda.

Angesichts Oskar Azingers hier ausführlich dargestellten ideologischen Verortung in der extremen Rechten, seinem Geschichts- und Politikverständnis sowie dem Anhängen an deutschtümelnden und sexistischen Werten burschenschaftlicher Erziehung und nicht zuletzt sein Menschenbild und die darauf basierende pädagogische Haltung des Arzt, Soldaten und waffenstudentischen Burschenschafters, werfen durchaus zu Frage auf, wie geeignet Oskar Atzinger als Mitglied im Ausschuss für Kultur und Bildung im Bayerischen Landtag ist – oder wie gefährlich. Mit Blick auf die politischen Kreise in welchen Atzinger organisiert ist, deren Geschichtsverständnis sowie Atzingers aktuelle pro-russische Haltung und sein reichsbürgernahes Verständnis von Deutschland als besetztes Gebiet ohne Friedensvertrag kann außerdem daran gezweifelt werden, welche dieser Haltungen in den von Oskar Atzinger teils geleiteten Soldaten- und Reservistenvereinen verbreitet ist.