Ein NachTrauerspiel
Im November jährt sich das „Potsdamer Geheimtreffen“ von Rechtsextremen und Neonazis rundum den Organisator Gernot Mörig zum zweiten Mal. Diese hatten sich im Herbst 2023 im Haus Adlon, basierend auf Martin Sellners Buch „Remigration – ein Vorschlag“, zu menschenverachtenden Massenvertreibungsvisionen ausgetauscht. Die Plattform „Correctiv“ berichtete im Januar 2024 in der Recherche „Geheimplan für Deutschland“ über das Treffen und das Konzept der „Remigration“. In Folge fanden über Wochen hinweg die größten Demonstrationen gegen Rechts statt, die in der BRD jemals gezählt wurden. Gefordert wurde darin vor allem die konsequente Verteidigung der liberalen Demokratie, außerdem starke Brandmauern nach Rechts sowie ein AfD-Parteiverbotsverfahren und zuletzt, Rechtsextreme endlich als gefährliche und gut vernetzte Akteur:innen ernst nehmen und entsprechend zu behandeln.
Was ist seitdem geschehen? Welche Folgen hatte der Skandal, der personell so eng an Bayern und die Region angebunden war?
2 Monate nach der Correctiv-Recherche: Gernot Mörigs Co-Organisator von völkischen Jugendlagern bleibt Gymnasiallehrer in Bayern
Nach den Correctiv-Recherchen zu Gernot Mörigs geheimen Treffen von Rechtsextremen und der Diskussion von „Remigrations“-Plänen bei einer dieser Zusammenkünfte, schien man sich allerorts in „nie wieder“-Aufrufen überbieten zu wollen. Ein Jahr später fanden, ausgelöst durch eine gemeinsame Abstimmung der CDU und AfD im Bundestag zu Migrationsfragen, erneut Massenproteste mit Forderungen nach stabilen Brandmauern gegen Rechts statt. Doch auch diesmal blieb es häufig, wenn überhaupt, bei Lippenbekenntnissen.
So, wohl auch im Fall des Rechtsextremisten Michael Zeilinger. Der darf trotz gut zwei Jahrzehnten und anhaltendem Aktivismus in der extremen Rechten seit 2021 völlig unbehelligt als Gymnasiallehrer in Franken arbeiten. Noch einige Jahre zuvor hatte Michael Zeilinger gemeinsam mit Gernot Mörig „Geheimtreffen“ für Jugendliche inkl. völkischer Schulungen organisiert. Mitte März 2024 veröffentlichte „Völkische Verbindungen kappen!“ eine umfangreiche Recherche unter dem Titel: „Mörigs rechtsextreme Kaderschmiede: Kostenpflichtige Kamingespräche und völkische Feriencamps„. Diese beleuchtet das seit Jahrzehnten gesponnene und aktive rechtsextreme Netzwerk der Mörigs und ihrer „Geheimtreffen“ sowie die Rolle des (heutigen) bayerischen Gymnasiallehrers Michael Zeilinger, darin (Michael Zeilinger ist der Bruder von Gernot Mörig Schwiegersohn Sebastian Zeilinger. Der Leiter der IB ist mit Gernots ältester Tochter, Inka Mörig, verheiratet). Michael Zeilinger verbrachte bereits seine Jugend im Umfeld von NPD und Rechtsrock in Oberbayern, seine Studienzeit bis (mindestens) zum Eintritt in den Staatsdienst im Milieu rechtsextremer Burschenschaften und der IB, sowie als Bundesführer völkischer Jugendbünde bzw. des „Sturmvogel“-Bundes. Im TAZ-Artikel „Debatte um Berufsverbot in Bayern. Rechts außen klappt’s mit der Schule“ räumt ein Ministeriumssprecher wenig später ein, dass Zeilingers „Aktivitäten in rechtsextremistischen Gruppierungen in der Jugend- und Studienzeit“ bekannt seien. Eine einfache mündliche Distanzierung Zeilingers von seiner rechtsextremen Historie habe aber für die Aufnahme in den Staatsdienst gereicht. Seine gegenwärtige Mitgliedschaft in rechtsextremen Organisationen und Netzwerken scheint offensichtlich keine Rolle gespielt zu haben.
Aber wieso nach Franken schauen, wenn im lapidaren Umgang von Rechtsextremen in der Kinder- und Jugendarbeit, Passau selber Beispiele bietet?
Nach der Correctiv-Recherche: Brandmauer nach Rechts? Ja bitte – aber nicht hier!
Seit Jahren engagiert sich ein rechtsextremer Hooligan in Passau als Fussballjugendtrainer – mit Wissen des Vereins um dessen politischen Hintergrund. Paul Oehme und seine Freunde sorgten im März 2018 für ordentlich Wirbel in Passau, als diese anlässlich Oehmes Geburtstags mit Bengalos, Fantransparent und Hooligangesängen die Innstadt und später einer Schlägerei, die Altstadt unsicher machten. Bereits in den Vorjahren hatten Oehme und seine Hooliganfreunde zweifelhaften Ruhm erlangt. Im September 2017 zeigen Bilder eines Freundschaftsspiels der Deutschen Nationalmannschaft in Prag Oehme in einem Block aus rund 200 Hitlergruß zeigenden Nazis. Auch ist er auf einem Foto, entstanden bei der EM 2016 in Frankreich, zusammen mit Mitgliedern von „Dresden Ost“ und „Faust des Ostens“, zu sehen, das mehr als 30 Personen mit (Reichskriegs-)Flagge zeigt. Mindestens einer der Männer hat sich vermummt, ein anderer hebt den Arm zum Hitlergruß. Am gleichen Tag, an dem auch das erwähnte Bild entstand, sollen etwa 50 deutsche Hooligans ukrainische Fußballfans mit Flaschen, Dosen, Stühlen und Rauchbomben angegriffen und mehrere Personen verletzt haben. Im Jahr 2009 hatte Paul Oehme selber vor Gericht gestanden und wurde wegen der Beteiligung an einem gewalttätigen rassistischen Übergriff auf eine Party internationaler Studierende verurteilt. In Passau tritt Oehme weniger öffentlich aus Hooligan auf, wobei der SG Dynamo Dresden und auch dessen Fanumfeld hier nur marginal vertreten sind. Doch Oehme fiel in Passau bereits durch Kontakte in verschiedene andere extrem rechte Kontexte auf. Ungeachtet dessen engagiert sich der zweifache Vater und Händler von Solarstromsystemen (EnergyExpress24 GmbH in Pfarrkirchen) seit Jahren als Kinder- und Jugendfussballtrainer in Passau.
Erst vor wenigen Monaten bejubelte der SC Batavia ‘72 Passau (Haibach, Passau) die Leistung der Trainer Paul (Oehme) & Hanse, deren „großartiges Engagement und die tolle Arbeit mit dem Team“ der C-Jugend der JFG Passau Donautal.
Man könnte nun annehmen, dass es keiner großen Ausführungen bedarf, weshalb es hochproblematisch ist, wenn ein rechtsextremer Hooligan, der bereits durch rassistische Ausschreitungen auffiel, Kinder und Jugendliche trainiert. Ganz anders sieht das hingegen der Fussballverein SC Batavia ‘72 Passau, der trotz des Wissens um Paul Oehmes Historie an dem Trainer festhält. Die Forderungen nach einer Brandmauer gegen Rechts scheinen ganz schnell zu verstummen, wenn sie von einem selbst Haltung erfordern.
10 Monate nach der Correctiv-Recherche: Gernot Mörigs Schwiegersohn wird Jurist in Passau
Nicht einmal 10 Monate nachdem über eine Million Menschen in Deutschland und gut 8000 Menschen in Passau ihren Protest gegen die extreme Rechte auf die Straße getragen hatten, wird Arndt Novak als Rechtsreferendar am LG Passau angestellt. Bei dem, sein weit über einem Jahrzehnt aktiven Rechtsextremisten und Neonazi, handelt es sich ironischer Weise um den Schwiegersohn des Potsdam-Organisators Gernot Mörig. War Arndt Novak eigentlich so wie seine Schwiegereltern, sein Schwager und diverse Personen aus seinem nahen Umfeld selber auch in Potsdam dabei? Vielleicht. Wobei dies eigentlich irrelevant sein dürfte angesichts dessen, dass jedes Familientreffen des rechtsextremen Mörig-Novak-Clans vermutlich politisch brisanter und hochkarätiger besetzt sein dürfte, als das Potsdamer Geheimtreffen. Sellners „Remigrations“-Forderungen bewarb Novak mit der „Identitären Bewegung Bayern“ schon lange zuvor. Immerhin schaffte es Arndt aber per Erwähnung auf das Potsdamer Geheimtreffen. Sein Schwiegervater und Organisator des Treffens, Gernot Mörig, prahlte vor den erlesenen Teilnehmenden, dass in seiner Familie alle, also seine Geschwister, seine Frau und seine vier erwachsenen Kinder, „genauso ticken“ wie er. Auch die Schwiegerkinder (Arndt Novak (IB Bayern, B! Danubia), Sebastian Zeilinger (IB Bayern, IB Deutschland) und Thore Stein (AfD MdL in MV und Alte Breslauer B! der Raczeks) seien „alle aktiv“. Mörig zeigte ein Bild von jungen Frauen – vermutlich seiner Töchter Inka (vier Kinder), Svenja (vier Kinder) und Wiebke (inzwischen ein Kind) und erwähnte, dass diese Frauen viele Kinder hätten. „Das sind alles unsere“, erklärte Mörig. Trotz Arndt Novaks gut belegter Historie und Aktivitäten in zahlreichen Organisationen und Projekten der extremen Rechten und nach diversen Versicherungen der Bayerischen Behörden, keine „Extremisten“ im Staatsdienst zu tolerieren, scheint man in Bezug auf Novaks Verfassungstreue keinerlei Zweifel erkennen zu können.
11 Monate nach der Correctiv-Recherche: AfD Bayern beschließt einstimmig „Remigrations-Resolution“
Am 24. November 2024, ziemlich genau ein Jahr nach dem „Potsdamer Geheimtreffen“, verabschiedete die AfD Bayern auf ihrem Landesparteitag in Greding eine „Bayerische Resolution für Remigration“. Darin beschloß die Partei ein massiv rassistisches Programm und Massenausweisungen von u.a. „Personengruppen mit schwach ausgeprägter Integrationsfähigkeit und -willigkeit“ (sic!). Die Resolution wurde ohne Gegenstimmen verabschiedet – sie vereint einen kompletten Landesverband mit knapp 10.000 Mitgliedern hinter sich.
13 Monate nach der Correctiv-Recherche: AfD Bayern will millionenfach „Abschieben, bis die Startbahnen glühen“
Forderungen nach „millionenfacher Remigration“ gehörten schon kurze Zeit nach der Correctiv-Recherche zum Standard in den AfD-Reden im Landtag. Dass hinlänglich berechnet worden ist, dass bei der Forderung von „millionenfacher Remigration“ rein zahlentechnisch auch die Vertreibung deutscher Staatsangehöriger mitgefordert wird, erscheint nebensächlich. Bei rechtsextremen Massenveranstaltungen, wie z.B. dem Aschermittwoch der AfD in Osterhofen im März 2025, plärrt die Fraktionsvorsitzende Katrin Ebner-Steiner unter tosendem Applaus ins Mikrofon, die AfD werde „Abschieben, abschieben, abschieben, bis die Startbahnen am Münchner Flughafen glühen“ – stehts mit dem Ziel vor Augen: Die millionenfache Remigration. Zur „Fastnacht in Franken“ bzw. der vom BR am 21. Februar übertragenen Prunksitzung aus Veitshöchheim, an der traditionell Promis und Politiker:innen aus dem ganzen Bundesland teilnehmen, verkleidete sich Katrin Ebner-Steiner als „Abschiebe-Pilotin“. Feixend hielt sie „Abschiebetickets“ in die Kamera des BR und drückte mit ihrer Häme bezüglich des realen menschlichen Leids, welches erzwungene Abschiebungen bedeuten, ihre ganze rassistische Menschenverachtung aus.
Während Ebner-Steiner und viele weitere Parteikolleg:innen keine Skrupel haben, sich an der Verzweiflung und Angst von potentiellen Abschiebekandidat:innen zu weiden und gewaltvolle Zwangsmaßnahmen gegen diese himmelschreiend witzig und als schmissige Partyparolen im Ballermannstil geeignet halten, versucht man an anderer Stelle mehr schlecht als recht ebendiese Skrupellosigkeit zu verbergen. Mit treuherzigem Augenaufschlag und teils gespielter Entrüstung wird da bekräftigt, dass man selbstverständlich überhaupt nicht daran denke auch Deutsche Staatsbürger:innen zum Ziel der „Remigrations“-Agenda zu machen. Dies gebiete ja schon das Grundgesetz, als dessen einzige und wahre Verfechterin sich die AfD zu gerne inszeniert. Ehrliche und klare Worte findet in der Frage hingegen die (einzige) „remigrationspolitische Sprecherin“ der AfD, die brandenburgische Landtagsabgeordnete Lena Kotré. Diese tingelt derzeit durch Europa um sich, entsprechend ihres speziellen Amtes, das Konzept der „Remigration“ zu bewerben und voran zu bringen. Nachdem sie vor wenigen Wochen noch als deutsche Vertreterin und AfD-Politikerin beim „Remigration Summit“ der IB in Mailand referierte, lud sie am 12. September zu einem „AfD-Spaziergang mit Elena Roon und Lena Kotré“ mit anschließendem Vortrag nach Nürnberg. Dort führte sie aus, dass die Behauptung, die AfD wolle in ihrem „Remigrations-Konzept“ aus Deutsche Staatsbürger adressieren, „nur in Teilen“ zutreffe. Denn Deutsche Staatsbürger können per Gesetz nicht ausgewiesen werden. Stattdessen müsse man den entsprechenden Personen zunächst die Staatsbürgerschaft entziehen – und sie danach ausweisen. Daran, dass dies in großem Stil möglich sein werde, hat Kotré keine Zweifel. Die Staatsbürgerschaft werde doch seit Jahren wahllos an jede:n, der sie wolle, verschleudert. Da müsse man nur genau hinschauen, dann ergäben sich schon Gründe diese wieder zurück zu nehmen bzw. Argumente, warum diese illegitimer Weise erworben worden sei und den Betroffenen gar nicht zustehe. Gesetze, die einem solchen Vorgehen entgegen stünden, halte sie für irrelevant, erklärte Kotré in Nürnberg: Gesetze kann man ändern, auch das Grundgesetz kann man ändern. Eine unpassende Gesetzeslage könne jederzeit passend gemacht werden. Und dazu sei die AfD mehr als bereit.
14 Monate nach der Correctiv-Recherche: AfD räumt mit „Remigrations-Programm“ bei der Bundestagswahl ab
Bei der vorgezogenen Bundestagswahl im März 2025, knapp 15 Monate nach der Correctiv-Recherche, fuhr die AfD bundesweit historisch hohe Wahlergebnisse ein. Im Wahlprogramm für die Bundestagswahl 2025 „Zeit für Deutschland“ warb die Partei mit dem Konzept der „Remigration“. In Ostbayern erhielt die rechtsextreme Partei gerade in ländlichen Wahlkreisen nicht selten um die 30% der Zweitstimmen. Für Passau zog mit Erhard Brucker ein rechtsextremer AfD Abgeordneter in den Bundestag ein, dessen rassistische Hasstiraden und extrem rechte Historie legendär ist und ohne dessen Beiträge das Verfassungsschutz-Gutachten zur AfD wohl um ein gutes Duzend Seiten schlanker wäre. Bereits im Wahlkampf hatte Brucker angekündigt im Falle seines Einzugs in den Bundestag den rechtsextremen „Islamgegner“ Michael Stürzenberger (BPE) als Mitarbeiter beschäftigten zu wollen. Im September wurde bekannt, dass Stürzenberger als einem von drei AfD-Bundestagsmitarbeitern der der Hausausweis entzogen worden sei, da sicherheitskritische Erkenntnissen im Rahmen der notwendigen Zuverlässigkeitsüberprüfung ergeben hätten, dass diese das Betretungsrecht der Bundestagsgebäude zu verfassungsfeindlichen Zwecken missbrauchen könnten. Dass es ausgerechnet Erhard Bruckers Mitarbeiter traf, ist wenig überraschend – immerhin bewegt sich Brucker ständig in extrem rechten Netzwerken, die selbst aus AfD-Perspektive als zwielichtig gelten.
Bereits wenige Wochen nach seinem Einzug in den Bundestag besuchte Erhard Brucker, neben anderen Abgeordneten und Mitgliedern der AfD, ein „Patriotentreffen“ im mittelsächsischen Niederbobritzsch. Die Treffen geben AfD-Bundestagsabgeordneten und Kommunalpolitiker:innen die Möglichkeit, sich unter dem Radar der Öffentlichkeit mit dem, von der Partei geschassten, ehemaligen brandenburgischen Landesvorsitzenden Andreas Kalbitz (Mitglied der neonazistischen pennalen Burschenschaft Saxonia Czernowitz in München) und anderen Rechtsextremen und Neonazis auszutauschen. Schon zwei Monate später, Ende Juni 2025, besuchte Erhard Brucker erneut einen „Patriotentreff“, ausgerichtet von der „Deutschsprachige Gemeinschaft Ungarn“ bei den „Erdinger Patrioten“. Mit dabei waren aus diesmal der Neonazi Andreas Kalbitz, der Fake-AfD-Adelige Wolfgang Freiherr von Krauss (die beiden waren auch im April anwesend) sowie der Leiter des österreichischen IB-Hausprojekts „Castell Aurora“, Steve Henschke. Die „Deutschsprachige Gemeinschaft Ungarn“ wird vom, seit September 2021 in Ungarn lebenden, rechtsextremen Schweizer Politiker und Aktivisten Ignaz Bearth geleitet. Am Balaton unterstützt er den Aufbau von „Stützpunkten“ für die deutschsprachige Gemeinschaft. Er selber ist „Stützpunktleiter“ in Zalabér. Dort organisierte er Veranstaltungen, zu denen er schon öfter unter anderem Martin Sellner und Andreas Kalbitz einlud.
Nicht zu solchen geheimen Vernetzungstreffen von Rechtsextremen und Neonazis eingeladen wird hingegen Erhard Bruckers Passauer Förderer Ralf Stadler. Der Landtagsabgeordnete und Vorsitzende des AfD Kreisverbands Passau wird inzwischen wohl nicht einmal mehr zuverlässig zu offiziellen Parteiveranstaltungen eingeladen. Und genau das führte jetzt zu diversen parteiinternen Schiedsgerichtsverfahren und Rechtsstreits. Dabei zeigt sich Stadler – gewohnt wenig subtil – als Akteur im Zentrum von Intrigen mit dem Ziel, sich gegenseitig parteipolitisch durch Parteiausschlussverfahren und Ämtersperren abzusägen. Wie sich Stadlers parallele Bemühungen, flächendeckend AfD Kreis- und Ortsverbände zu gründen, in Kommunalwahl Kampf belohnt machen werden, bleibt offen. Die Annahme, dass der Passauer in irgendeiner Art und Weise im Stande sei, sich als Teil eines belastbaren rechtsextrem Netzwerks zu halten, würde jedoch die sozialen und politisch strategischen Kompetenzen des despotischen Querulanten völlig überhöhen.
Dem massiv rassistischen Landtagsabgeordneten Stadler wurde im Jahr 2025 immerhin wegen mindestens fünf schwebenden Strafverfahren die Immunität entzogen. Dessen Reaktion? Sich als blau-brauner Anzeigenhauptmeister inszenieren und Parteifreunde sowie -feinde, die Kritik an ihm oder der Partei wagen, mit sinnlosen Strafanzeigen überziehen. So auch einen Leserbriefschreiber, der sich getraut hatte in der PNP die „Remigrations-Resolution“ der Bayerischen AfD als „rassistisch“ zu bewerten.
15 Monate nach der Correctiv-Recherche: „Junge Alternative“ wird aufgelöst und geht in „Identitärer Bewegung“ auf
Im Frühjahr 2025 wurde die rechtsextreme Jugendorganisation der AfD, die „Junge Alternative“ formal aufgelöst – scheinbar wollte man einem Verbot zuvorkommen. Was zunächst als der Versuch einer Distanzierung der Mutterpartei zur völlig radikalisierten und von Neonazis durchsetzten Jugend- und Vorfeldbewegung inszeniert wurde, hielt kaum an. In Bayern waren die vormalig JA-Aktiven nur Monate später endgültig mit der „Identitären Bewegung“ verschmolzen. Die fusionierte Struktur stellt inzwischen völlig offen auf allen Ebenen den Nachwuchs, die Mitarbeitenden und teilweise sogar die jüngeren Funktionäre der AfD. Auf den Versuch einer Verschleierung der Beziehungen wird frei nach dem Motto „wer sich distanziert, verliert“ bewusst verzichtet. Stattdessen setzt die AfD in Bayern auf Provokation und Machtdemonstrationen.

Bereits im Mai 2025 lud die AfD-Fraktion den rechtsextremen Verleger und Publizisten Götz Kubitschek in den Landtag Bayern ein. Dort sollte der Leiter des Antaios Verlags, der auch Martin Sellners Buch über „Remigration“ vertreibt, ausgerechnet als Experte in einer Anhörung zur Demokratiebildung auftreten. Kurzfristig gelang es den Ausschüssen den Auftritt zu verhindern.
Martin Sellner war in den vergangenen zwei Jahren bereits mehrfach höchstpersönlich mit einer Lesereise zur Bewerbung seines Buch über „Remigration“ durch die BRD getourt. Vor einem solchen angekündigten Promo-Termin in Augsburg im August 2025, erteilte ihm die oberbayerische Stadt ein Betretungsverbot. Kurzerhand hielt Sellner hält seine Lesung im AfD Büro von Rene Dierkes, MdL und Tobias Teich, MdB im Münchner Osten ab.
Bereits einen Monat später geht die AfD-IB-Kooperation weiter: Am 27. September 2025 fand im IB-Hausprojekt „Castell Aurora“ in Steyregg bei Linz zum dritten Mal das „Avanti! Neo! Cultura“-Fest statt. Anlässlich dessen kamen rechtsextreme Aussteller und Projekte aus dem ganzen deutschsprachigen Raum ins oberösterreichische Mühlviertel. Der Projektgründer Steven Henschke versprach eine Vielzahl an Ständen und ein breites Spektrum an hochkarätigen Rednern. Mit dem bayerischen Landtagsabgeordneten Benjamin Nolte (AfD) wurde erstmalig ein AfD-Abgeordneter beim Vernetzungstreffen der „Identitären Bewegung“ im „Castell Aurora“ angekündigt. Dabei sind IBler und andere Aktivisten des rechtsextremen Vorfelds schon lange Mitarbeiter von Landtagsabgeordneten der AfD – auch das ist bekannt. Kurz vor dem Event teilte das „Castell Aurora“ außerdem mit, dass ein nicht-genannter Bundestagsabgeordneter der AfD als Überraschungsgast teilnehmen werde.
22 Monate nach der Correctiv-Recherche: Neugründung der „Jungen Alternative“ erleichtert Passauer Jungnazis den Weg in den Staatsdienst
Im November 2025, ziemlich genau zwei Jahre nach dem „Potsdamer Geheimtreffen“, soll die offizielle Jugendorganisation der AfD bei einem bundesweiten Gründungstreffen in Gießen neu aufgestellt werden. Was treiben die bis dato aktiven Passauer Jung-AfDler zwischenzeitlich so?
Für die bis dahin aktiven Passauer JAler dürfte sich die temporäre Auflösung der als rechtsextrem und verfassungsfeindlich eingestuften Organisation als vorteilhafte Fügung erwiesen haben. Alle drei bekannten JA-Aktiven streben nämlich eine Karriere im Staatsdienst an – ebenjenem Bereich, wo Zweifel an der Verfassungstreue als Aufnahmehindernis gelten. Die Mitgliedschaft in einer entsprechenden Organisation könnte sich also für die drei Jungnazis als Problem erweisen – doch wo formal keine solche Organisation (mehr) besteht, kann einem keine Mitgliedschaft zur Last gelegt werden.
- Der Neonazi und Passauer Jurastudent Tobias Lipski legte im Frühjahr das mündliche Staatsexamen ab und plant ab Herbst 2025 ins Rechtsrefendariat zu gehen. Noch 2020 gehörte er dem Vorstand der JA Ostbayern an. Nur eine seiner zahlreichen Mitgliedschaften in rechtsextremen Organisationen.
- Sein Frau und ebenfalls in der „Jungen Alternative“ aktive Sophie Benecke legt im Herbst 2025 an der Uni Passau das erste Staatsexamen im Lehramt ab und plant vermutlich anschließend das Lehramtsreferendariat (Grundschule) zu beginnen. Auf den Social Media Seiten der JA und in einem Imagefilm der Bundes-JA ist Benecke wegen ihres sorgfältig gewählten biederen Hausfrau-der-1930er-Jahre-Looks ein gern gesehenes Motiv.
- Der dritte Passauer Jurastudent und Rechtsextremist im Bunde, Max Hülsenbeck, dürfte sich ebenfalls demnächst seinen Kameraden im Rechtsreferendariat anschließen – sollte er das juristische Staatsexamen meistern. Zwischenzeitlich bewirbt sich der rechtsextreme Jungkarrierist mit einem flammenden Plädoyer für die „Remigration“ auf einen Nebenjob als Richter im bayerischen AfD Landesschiedsgericht, ließ sich nach einem AfD-Parteitag in einer Gredinger Disko mit einer Gruppe JA- und IB Aktivisten mit „White Power“-Handzeichen ablichten oder engagiert sich selbst als Fotograf bei Aktionen des IB-Führers und Entwicklers des „Remigrations“-Konzepts“, Martin Sellner. So beispielsweise im Kontext von Martin Sellners „Lesereise“-Stopp in Passau im Sommer 2024.

Verbunden sind die Passauer Jungfaschos nicht nur über ihr Engagement für die JA, sondern auch über ihr Korporiertendasein. Arndt Novak ist Münchner Danube in dritter Generation und Max Hülsenbeck blickt auf eine Fuchsenzeit bei der Markomannia Wien zu Passau zurück, liebäugelte zuletzt allerdings auch mit einem Beitritt zur Danubia. Ehemaliger Passauer Markomanne und jetzt Münchner Danube ist auch Tobias Lipksi. In Passau ist er außerdem noch immer Mitglied der Nazischülerschaft pB! Normannia Winterberg zu Passau. Dort ist auch seine Frau Sophie als „Couleurdame“ korporiert.
19 Monate nach der Correctiv-Recherche: NS-Bekenntnisse bayerischer Politiker gelten als „Privatsache“
Ende Juli 2025 publizierte VVK mit „Heil Normannia! Heil Deutsches Reich!“ eine Recherche über die Bekenntnisse zum NS durch die Passauer Schülerschaft Normania Winterberg. Darin wird erstmals aufgedeckt, dass die Mitglieder der Burschenschaft bei ihren Treffen aus einem verbindungsinternen bzw. verbindungseigenen Liederbuch mit verbotenen NS-Liedgut der HJ singen. Bilder solcher Treffen zeigen unter dem jeweils nicht einmal einem Dutzend teilnehmender Normannen den Passauer AfD Stadtrat Kurt Haimerl und den Passauer AfD Landtagsabgeordneten Oskar Atzinger. Letzterer sitzt ironischer Weise im Ausschuss für Bildung und Kultus im Bayerischen Landtag. AfD-Politiker, NPDler und andere Rechtsextreme singen in ihrer rund 15-Personen umfassenden Neonazi Kaderschmiede verbotenes NS-Liedgut und bekennen sich zu Deutschland in seinen Grenzen von 1941. Die Reaktionen: Ohrenbetäubendes Schweigen. Niemand reagiert. Nicht die Stadtpolitik, nicht die Justiz, nicht die Presse, nicht der Landtag, nicht einmal der „Runde Tisch gegen Rechts“ Passau. Das seien ja organisationsinterne, geschlossene Treffen, wird hinter vorgehaltener Hand lamentiert. Wenn sie nun bei einer öffentlichen Versammlung aus dem Liederbuch mit den NS-Texten sängen – das wäre etwas anderes. Aber so könne man da halt auch nichts machen.

Ähnlich argumentiert wird, als ein Gründungsmitglied der Normannia Winterberg, der ehemalige NPDler Stephan Mühlberger unter neuem Namen (Stephan Wanetschek) im Januar 2025 im Bayerischer Blinden- und Sehbehindertenbund (BBSB) das Amt des Regionalleiters Niederbayern übernimmt. Diverse Aktive des BBSB versuchen die Personalie zu skandalisieren. Auch verschiedene Medienhäuser überlegen den Skandal um die vermeintliche Rehabilitierung des weiterhin aktiven Neonazis zu thematisieren. Als der Rechtsextreme davon Wind bekommt, lässt er u.a. den Redaktionen über die einschlägige Szene- und Medienrechtskanzlei Kanzlei Höcker mit rechtlichen Schritten drohen. Die Argumentationsstrategie: Die NS-Bekenntnisse der Normannen bei ihren internen Feiern fallen unter den Schutz der Privatsphäre und dürfen damit nicht Gegenstand von Berichterstattung sein. Privatsache eben. Es ist übrigens auch die AfD-Kanzlei Höcker, die sämtliche Klagen von Rechtsextremen gegen die Correctiv-Recherche vertritt.
Wer die Hoffnung hatte, dass die Correctiv-Recherche und die darauffolgenden historisch starken Proteste gegen Rechts und für starke Brandmauern und die entschlossene Verteidigung der liberalen Demokratie und ihrer Werte, endlich Bewegung und Dynamik in den dahinsiechenden „Kampf gegen Rechts“ bringen würden, ist zurecht enttäuscht. Nicht der große gesellschaftliche Aufschrei, sondern die Normalisierung des „Remigrations“-Begriffs und des dahinterstehenden Konzepts im politischen und öffentlichen Diskurs, setzten sich durch. Inzwischen hat man sich in einer Weise an die „Remigrations“-Forderungen gewöhnt, wie man es sich vor 18 Monaten nicht hätte ausmalen können.
13 Monate nach der Correctiv-Recherche: Die AfD sollte durch Verbotsprüfung …gute Sachpolitik …inhaltlich argumentativ …durch Zivilgesellschaft gar nicht bekämpft werden.
Die, aus den gesellschaftlichen Massenprotesten gegen Rechts entstandenen, neuen Initiativen erwiesen sich oft als Eintagsfliegen. Einige wenige Ausnahmen, darunter die „Omas gegen Rechts“, führen das Engagement hingegen erfolgreich weiter. Und sind dabei inzwischen immer öfter mit Gegenwind von unerwarteter Seite konfrontiert. Für die AfD, die das Konzept der „Remigration“ Anfang 2025 zum offiziellen Wahlversprechen erhob und damit bundesweit zehntausende Menschen hinter den rassistischen Vertreibungsphantasien vereinte, erwiesen sich die Konsequenzen aus den bundesweiten Anti-Rechts-Protesten ebenso als Eintagsfliegen. Nicht einmal zwei Jahre nach dem „Potsdamer Geheimtreffen“ sitzt das Spitzenpersonal der rechtsextremen Partei in jedem zweiten „ZDF Sommerinterview“. Nicht etwa das, sondern die Proteste der „Omas gegen Rechts“ in Hör- und Sichtweite der Interviewaufnahmen, wurden anschließend als Skandal und demokratiefeindliches Gebaren inszeniert.
Immerhin: Die AfD wurde zwischenzeitlich – knapp anderthalb Jahre nach der Correctiv-Recherche – von den Sicherheitsbehörden als „geschlossen rechtsextrem“ und mutmaßlich verfassungsfeindlich eingestuft. Doch die Diskussion um ein, Anfang 2024 und 2025 noch x-tausenfach in Protesten, gefordertes AfD-Verbotsverfahren scheint so weit weg und still, wie kaum je zuvor.
Es waren vor allem konservative Politiker, die im Verlauf der zwei Jahre seit dem „Remigrations“-Skandal erklärt hatten, dass man die AfD (also jenes verfassungsfeindliches, rechtsextremes Netzwerk mit zehntausenden Anhänger:innen, Funktionär:innen in parlamentarischen Machtpositionen und Millionenbudgets sowie hegemonialer Macht in Social Media) mit „guter Sachpolitik“ und „auf inhaltlicher Ebene“ stellen müsse, statt mit rechtsstaatlichen Maßnahmen. Und es waren genau diese Politiker, die dazu in den letzten 20 Monaten exakt GAR NICHTS beigetrugen. Weder auf Ebene überzeugender Sachpolitik, noch diskursiv. Im Gegenteil.
19 Monate nach der Correctiv-Recherche: Das große Ringen um Deutungshoheit in der Frage, wer die eigentlichen Demokratiefeinde sind
Die CSU bedient sich rechtsaußen Narrativen, die der AfD teils in wenig nachstehen. Vom CDU-Kanzler Merz, der noch vollmundig verkündet hatte, „die AfD halbieren“ zu werden, und dessen Politik sowie Popularitätswerte, wollen wir gar nicht erst anfangen. Und es dürften die Politiker gewesen sein, die herumposaunt hatten, man müsse rechtsextreme und demokratiefeindliche Ideologien und Programme auf inhaltlicher Ebene stellen, die ganz vorne mit dabei waren, als eine rechte Kampagne Anfang 2025 schließlich forderte, Demokratieförderprojekten und zivilgesellschaftlichen Initiativen im Engagement gegen Rechts sämtliche Förderungen zu streichen und Unterstützung zu verwehren. Rund um die Bundestagswahl hatte eine Mischung aus konservativen, rechtskonservativen und rechtsextremen Kräften jene NGOs, Projekte und Initiativen, die sich teils in Folge der „Correctiv“-Recherchen im Kampf gegen Rechts engagierten, zum neuen Feindbild erklärt. In einer beispielloses Diffamierungs- und Delegitimierungskampagne wurde dem vermeintlichen „Netzwerk linker NGOs“ der Krieg erklärt. Wochen zuvor hatten diverse Demokratieförderprogramme sowie bundesweite Strukturen von Opferberatungsstellen und Beratungen gegen Rechtsextremismus und Rassismus noch um ihre Existenz gerungen, da sie den anhaltenden Haushaltsdebatten im Bundestag zum Opfer zu fallen drohten. Kaum durch eine neue Förderperiode gesichert, standen diese wieder im Fokus rechter Angriffe. Konservative Politiker und rechte „Alternativmedien“ profilierten sich allerorts mit medialen Ankündigungen, den „linken NGO-Sumpf“, der sich vermeintlich illegitimer Weise mit seinen Anti-Rechts-Haltungen in den politischen Diskurs und die öffentliche Meinungsbildung einmische, „austrocknen“ zu wollen. Die AfD jubelt. Die liberale Demokratie dekonstruiert sich selber schneller und engagierter zum zahnlosen Tiger als ein rechtsextremer Düsseldorfer Zahnarzt mit seinen Nazi-Geheimtreffen1Jener Zahnarzt genießt inzwischen seine Rente am Vachendorf am Chiemsee und die Entwicklung seiner inzwischen 10 Enkelkinder, die ganz in der Tradition des Clans mit völkischer Ideologie zur neuen Elite rechtsextremer Nachwuchskader erzogen werden dürften. Manchmal kann man den stolzen Opa mit seiner Enkelin Eis-essend durch die Passauer Altstadt schlendern sehen. es sich je träumen ließe.
20 Monate nach der Correctiv-Recherche: Wer die AfD und Rechtsextreme bekämpft, gehört verboten!
Im Correctiv-Theaterstück im „Berliner Ensemble“, welches die Recherchen zum Potsdamer Geheimtreffen Anfang 2024 szenisch inszenierte, wurde noch dargelegt, inwiefern der Organisator des Treffens, ebenjener Zahnarzt, Gernot Mörig, die Teilnehmenden vor „der Antifa“ warnte. Es seien deren Recherchen und Beobachtungen der extremen Rechten, die er und seine Mitstreiter:innen am meisten zu fürchten hätten. Nicht der Staat, die Justiz oder irgendwelche politischen Einrichtungen und Autoritären, sondern „die Antifa“ sei es, die den rechtsextremen Verschwörern und Strategen „Probleme“ mache. Unter deren Radar gelte es zu fliegen, wird sie doch als wirkmächtigste Gegnerin des Neonazi-Netzwerks und seiner Pläne verstanden. Die Antifa, also ebenjene Bandbreite unterschiedlich organisierter, ausgerichteter, spezialisierter und aktiver antifaschistischer Gruppierungen und Personen, die sich dem Engagement gegen die extreme Rechte und Faschist:innen aller Couleur verschrieben haben. Der Teil der Zivilgesellschaft, der – weltweit – aus tiefer verankerter antifaschistischer Überzeugung heraus, wertvolle Recherchen und Analysen zur extremen Rechten erarbeitet, Proteste und Kampagnen organisiert und Faschos, wo es nur geht, „Probleme“ bereitet – damit diese nicht ungestört tun können, was Faschisten eben tun oder zu tun gedenken. Im konkreten Fall: Die millionenfache Vertreibung von Menschen aus Deutschland durch Entrechtung, Zwang, Gewalt und Druck zu planen und konzipieren. Eine gute Sache – möchte man meinen.
Am 10. September 2025 wurde der rechtsextreme US-Politaktivist Charlie Kirk auf dem Campus der Utah Valley University in Orem durch einen Gewehrschuss getötet. Zwei Tage später wurde ein Tatverdächtiger festgenommen. Über dessen Beweggründe, Motive und politische Hintergründe kursieren so viele widersprüchliche Thesen, dass diese auch Wochen später als völlig unklar bzw. ungeklärt beschrieben werden müssen. Jede Diskussion darum ist vor allem Spekulation. Doch mit Einordnungen wird sich in der Causa Kirk allerorts schwergetan. Da wird der rechtextreme Influencer und Aktivist, der unter dem US-amerikanischen Recht der „Redefreiheit“ massiv rassistische, sexistische und andere verachtende Hassreden äußerte und brutale Hetzkampagnen, „book-bans“ an Universitäten und den Rückzug liberaler Wissenschaftler:innen zu verantworten hatte, mit Verweis auf seine Berufung auf Jesus und Gott als „lediglich konservativ“ verharmlost. Die millionenschweren Öffentlichkeitsarbeitskampagnen des engen Verbündeten Donald Trumps und mit wichtigsten Vertreter der MAGA-Bewegung, werden als Beitrag zum demokratischen Dialog und Austausch verharmlost. Seine perfiden, aber unter US-Recht eben legalen, politischen Ansichten und Beiträge immer wieder als legitimer Teil eines demokratischen Meinungsspektrums verklärt. Und immer wieder auch als vorbildlicher Beitrag am demokratischen Diskurs verherrlicht. Charly Kirk war zweifelsohne ein rechtsextremer Brandstifter, dessen politische Meinungsbeiträge Hass anstachelten, das Klima der öffentlichen Debatte vergifteten und dessen Kampagnen das Potential hatten, Leben und Karrieren von Menschen zu zerstören. Das legitimiert keinen Mord an seiner Person. Wohl aber Kritik an der Verklärung seines politischen Wirkens.
Ironischer Weise waren es ausgerechnet jene Stimmen, die öffentlich dazu aufriefen auf Häme in der Debatte und der politischen und medialen Aufarbeitung des Todes Kirks zu verzichten und die dazu appellierten dessen Ermordung nicht zu instrumentalisieren, die schließlich abgestraft und gecancelt wurden. Darunter das sicher prominenteste Beispiel, der US-amerikanische Latenightshow-Moderator Jimmy Kimmel oder die Deutsche Politische Kommentatorin Dunja Hayali.
Doch damit nicht genug der „verkehrte Welt“-Eindrücke. Rund zwei Wochen nach Kirks Tod kündigte der extrem rechte US-Präsident Trump an, „die Antifa“ als „terroristische Organisation“ einstufen zu wollen – und setzte dies wenige Tage später auch um. Obwohl es keinerlei direkt Bezüge zwischen der Antifa und Kirks Tod gibt und auch keine solchen in der Argumentation für diese Einstufung angeführt wurden, gilt dieser Vorstoß als Reaktion auf das Kirk-Attentat. Trotz des offensichtlich fehlenden Kausalzusammenhangs, fand Trumps Ankündigung auch in anderen Ländern Nachahmer. Der extrem rechte Populist Geert Wilders brachte am Freitag im Holländischen Parlament einen Antrag ein mit der Forderung nach der Einstufung der Antifa als Terrororganisation nach US-Vorbild. Eine Mehrheit der Abgeordneten stimmte dem Antrag zu – die Gründe verbleiben nebulös. Auch Ungarns Ministerpräsident Viktor Orbán erklärte in Ungarn sei es an der Zeit, dass Organisationen wie die Antifa nach amerikanischem Vorbild als terroristische Vereinigungen eingestuft würden. Und selbstverständlich schloss sich die AfD, Land auf, Land ab, den absurden Forderungen an. Auf ihrer Herbstklausur (23-25.09.2025) beschloss die AfD-Fraktion im Bayerischen Landtag in ihrem Konzeptpapier „Aufbruch für unser Land – Die AfD macht Bayern sicher und zukunftsfähig!“ unter „Inneres und Sicherheit“ das „Landesweite Verbot der „Antifa““ zu fordern. Deren rechtspolitischer Sprecher, Rene Dierkes, ergänzt Tage später in einer Pressemitteilung:
„Regierung, Justiz und Behörden sind auch in Bayern häufig auf dem linken Auge blind. (…) Linke NGOs und sogar Organisationen der Antifa werden mit Steuermitteln alimentiert. Ich fordere, dass dieser Sumpf ausgetrocknet wird! Die staatliche Finanzierung des Linksextremismus ist unverzüglich einzustellen. Sämtliche Organisationen der gewaltbereiten Antifa und deren Unterstützer müssen nach dem Vorbild der USA als terroristische Vereinigungen eingestuft werden. Nur die AfD bekämpft extremistische Gewalt in jeder Form.“ (27. September 2025)
Faschisten kriminalisieren und verbieten Antifaschismus. Das ist nicht überraschend. Überraschend und verstörend ist, wenn sich immer wieder konservative Milieus diesen Vorstößen anschließen. Und das in Regionen, wo „die Antifa“ das schärfste oder zumindest einzige noch verbleibende Schwert im Kampf gegen die extreme Rechte ist.
21 Monate nach der Correctiv-Recherche: Wo der zivilgesellschaftliche Kampf gegen den Faschismus verboten wird, haben die Faschisten gewonnen. Wo die Faschisten übernehmen, setzen sie ihre tausendfach angekündigten Programme um. Und dennoch werden ihre konservativen Ermöglicher überrascht rufen, dass das niemand habe kommen sehen können. Und, dass doch irgendjemand etwas dagegen tun müsse. Wo denn die antifaschistische Zivilgesellschaft bleibe?
Die Kampagne „Völkische Verbindungen Kappen“ richtet sich, ihrem Namen entsprechend, „Gegen Faschismus jeder Couleur“ und hat es sich zum Auftrag gemacht, völkischen Nationalist:innen und ihren Strukturen in Passau und Niederbayern keine Ruhe zu lassen. Entsprechend widmet sich „Völkische Verbindungen Kappen“ inzwischen besonders auf Ebene der Recherche und der Publikationen allen möglichen Passauer Akteur:innen, Strukturen und Netzwerken, welche sich als Teil der extrem rechten sogenannten „Neuen Rechten“ oder anderer völkisch-nationalistischer Netzwerke verstehen und/oder betätigen und deren Kreise, wie dieser Beitrag zeigt, sich weit über die Region hinaus erstrecken. Schaut mal auf der Seite vorbei unter verbindungenkappen.wordpress.com.
- 1Jener Zahnarzt genießt inzwischen seine Rente am Vachendorf am Chiemsee und die Entwicklung seiner inzwischen 10 Enkelkinder, die ganz in der Tradition des Clans mit völkischer Ideologie zur neuen Elite rechtsextremer Nachwuchskader erzogen werden dürften. Manchmal kann man den stolzen Opa mit seiner Enkelin Eis-essend durch die Passauer Altstadt schlendern sehen.










