Rund 200 Menschen beteiligten sich am Silvesterabend an einer Solidaritätsdemonstration in Bruchsal. In der dortigen JVA sitzt unter anderem der Antifaschist Jo eine vierjährige Haftstrafe ab. In Redebeiträgen wurde die Zuspitzung staatlicher Repression vor dem Hintergrund der kapitalistischen Krisenentwicklung thematisiert. Mit einer Feuerwerksaktion vor dem Knast wurden im späteren Verlauf die politischen und sozialen Gefangenen gegrüßt.
Die Tradition der Silvesterspaziergänge zu den Knästen geht auf die Solidarität mit den Gefangenen aus RAF und militantem Widerstand in den 80er Jahren zurück. Bereits am 29. Dezember zogen 100 Genoss:innen vor die JVA im Stuttgarter Stadtteil Stammheim, um die dort inhaftierten kurdischen Aktivisten Merdan, Mazlum Ali und die anderen Insassen zu grüßen. Zeitgleich wurde das Gefängnis aus drei Himmelsrichtungen mit Reden und Feuerwerk bespielt.
Die Kundgebung am Bahnhosvorplatz in Bruchsal begann mit einem Grußwort von Jo, der in seinem Beitrag klarstellte, dass für ihn der Knast nicht das Ende des politischen Kampfes darstellt. Vielmehr muss es darum gehen das Engagement unter den veränderten Bedingungen fortzusetzen. Als ein Beispiel hierfür nannte er die Kämpfe in der JVA Ravensburg, wegen derer er nach Bruchsal strafversetzt wurde, und die Verzahnung mit den Bewegungen draußen.
Die Rote Hilfe Ortsgruppen Heidelberg, Heilbronn, Karlsruhe und Stuttgart benannten in einer gemeinsamen Rede die Breite der Repression, aber auch wie es gelingen kann diese mittels Solidarität ins Leere laufen zu lassen. Nicht unerwähnt blieb, dass die Roten Hilfen als Solidaritäsorganisationen, die sich genau dieser Aufgabe verschrieben haben, im kommenden Jahr ihr 100-jähriges Jubiläum begehen.
Einen Schwerpunkt der aktuellen Repressionsentwicklung stellen Antifa-Aktivitäten dar. Hierauf ging die Antifaschistische Aktion Süd in einem Redebeitrag ein. Gerade vor dem Hintergrund der derzeitigen Rechtsenwicklung muss es dennoch gelingen eine durchsetzungsstarke antifaschistische Praxis zu entfalten.
Nach der Auftaktkundgebung zog die Demonstration durch das Stadtzentrum zur JVA. Mit Parolen und Transparenten wurde vielfach darauf aufmerksam gemacht, dass die Solidarität auch allen Genoss:innen gilt, die gezwungen sind im Untergrund zu leben. Außerdem wurde die Verbundenheit mit den linken Kräften in Palästina zum Ausdruck gebracht. Das Verbot der linken Gefangenensolidaritäsorganisation Samidoum stellt eine besondere Zuspitzung der Repression in der BRD dar.
Am Knast angekommen wurde aus der Demonstration heraus ein großes Feuerwerk gezündet. Durch eine zeitgleich auf der entgegengesetzten Seite des Knastareals stattfindende Aktion mit einem Redebeitrag und Pyrotechnik, konnten alle Gefangenen die Solidaritätsaktivitäten wahrnehmen. Die Polizei reagierte gereizt auf die Initiative, beließ es aber beim Abflimen der Demo und behelmter Begleitung des weiteren Verlaufs. Die Stimmung der Demonstrant:innen konnte das nicht trüben. Lautstark zog die Demo zurück zum Bahnhof.
Insgesamt war die Demonstration in Bruchsal, genauso wie die Aktionen in Stammheim, ein Erfolg. So konnte zum Jahresabschluss nochmal ein offensives und selbstbestimmtes Zeichen der Solidarität gesetzt werden.
Für 2024 ist bereits jetzt absehbar, dass sich die gesellschaftlichen Widersprüche weiter zuspitzen werden. Zunehmende kriegerische Auseinandersetzungen, ökologische Katastrophen und aufbrechende soziale Konflikte: An allen Ecken und Enden wird sichtbar, dass der Kapitalismus als Gesellschaftssystem abgewirtschaftet hat und nicht mehr in der Lage ist die bestehenden Menschheitsprobleme in befriedender Weise zu lösen. Eine Überwindung des Kapitalismus ist daher überfällig. Die Herrschenden werden auch weiterhin – und noch massiver – entsprechende Organisierung und Initiative mit Repression beantworten. Für uns heisst das, dass wir einen Umgang mit dieser finden müssen. Denn die Segel zu streichen, ist keine Option. Ganz konkret bedeutet das: Solidarität, Organisierung und Weitermachen!