Asylpolitik von Bund und Ländern – Zufriedenes Unterhaken

Berlin: Bund und Länder ziehen Bilanz zu Verschärfungen der Asylpolitik. Laut Studie kaum bis gar keine Auswirkung auf Bereitschaft zur Flucht in EU

Neue Grausamkeiten gegenüber Geflüchteten in der BRD bleiben vorerst aus. Im Anschluss an die Ministerpräsidentenkonferenz am Mittwoch in Berlin haben Boris Rhein, Sprecher der CDU-regierten Länder, und Stephan Weil, Sprecher der SPD-regierten Länder, sowie Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) vor allem ihre bisherige Arbeit gelobt. »Ein bisschen Bestandsaufnahme machen« und »uns unterhaken«, sei das Ziel gewesen, sagte Scholz gegenüber Journalisten in der hessischen Landesvertretung. Der Bund habe Vereinbarungen vergangener Gesprächsrunden umgesetzt, jetzt seien die Länder am Zug.

Weil zufolge seien keine »absolut konkreten Ergebnisse« beschlossen worden, man arbeite »nicht stumpf irgendeinen Katalog ab«. Entsprechend hatten vor Beginn des Treffens einige Länderchefs darauf gedrängt, Beschlüsse zur Reduzierung der Zahl unerwünschter Migranten vom November zuerst umzusetzen, bevor man neue Maßnahmen vereinbart. Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) hatte im ZDF-»Morgenmagazin« von einem »weltweiten Migrationsdruck« gesprochen, den man nicht »wegverwalten« könne.

Tatsächlich seien die Kommunen nach wie vor »an der Belastungsgrenze, was Unterbringung, Versorgung und Integration angeht«, warnte der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes, André Berghegger, in der Augsburger Allgemeinen vom Mittwoch. Doch die Antwort der Mehrheit der politisch Verantwortlichen in Bund und Ländern bleibt: Asylsuchende gängeln – aktuell durch Entmündigung per Bezahlkarte –, mehr und schneller abschieben sowie möglichst verhindern, dass viele weitere Flüchtlinge es in die BRD schaffen. »Wir müssen die Zahlen begrenzen. Das haben wir verabredet. Und da ist der Bund jetzt in der Pflicht«, zitierte der NDR am Mittwoch Schleswig-Holsteins Regierungschef Daniel Günther (CDU).

Im vergangenen Jahr hatten rund 329.000 Menschen in der BRD einen Erstantrag auf Asyl gestellt, wie dpa am Mittwoch berichtete, 50 Prozent mehr als 2022. Die mehr als eine Million Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine sind dabei nicht erfasst, da sie kein Asyl beantragen müssen. Im Januar dieses Jahres wurden demnach fast 26.400 Asylerstanträge gezählt. Sollte sich dieser Trend fortsetzen, ergäbe dies eine ähnliche Zahl wie 2023. Hierzu hatte Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU), der im September vor allem gegen die AfD in einer Landtagswahl bestehen muss, gegenüber Bild vom Dienstag eine »Obergrenze« von »50.000 oder 60.000« Flüchtlingen pro Jahr ins Gespräch gebracht. »Weil wir so eine große Integrationsanstrengung haben«, behauptete er.

Einen Hinweis darauf, dass sich Menschen durch die Verschlechterung der materiellen Situation von Geflüchteten in der BRD nicht von einer teils lebensgefährlichen Reise abschrecken lassen, lieferte das Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung in Essen am Mittwoch. Auf die Frage, wohin sie am ehesten in Europa gehen würden und weshalb, gaben demnach nur elf Prozent von 1.000 befragten Senegalesen an, dass staatliche Leistungen ein Faktor seien, »weit nach Gründen wie Arbeitsmöglichkeiten und der Anzahl der Senegalesen oder anderer Migranten, die sich bereits in einem bestimmten Zielland befinden«. Die geplante Einführung einer Bezahlkarte habe »keinen Einfluss auf die gemessenen Migrationsabsichten«. Ebensowenig verkürzte Bearbeitungszeiten von Asylanträgen.

Was künftig vermutlich auch Mangelware wird, ist die Bereitschaft, Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine bevorzugt zu behandeln. Wer jetzt noch nicht aus dem Kriegsgebiet in die BRD geflohen ist, soll künftig nicht mehr das sogenannte Bürgergeld bekommen, forderte Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) gegenüber dem Redaktionsnetzwerk Deutschland vom Mittwoch. Jene Menschen müssten dann einen Asylantrag stellen und hätten nur einen Anspruch auf die deutlich geringeren Leistungen für Asylsuchende. Saarlands Ministerpräsidentin Anke Rehlinger gutierte den Vorstoß als »diskussionswürdigen Vorschlag für die Zukunft«. Auch aus der FDP kam Zuspruch, könnte der Bund so schließlich bei den Sozialausgaben kürzen.

 

 

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