Antifa-Magazin »der rechte rand« Ausgabe 208 – Mai | Juni 2024
Teilnehmende des Potsdamer Treffens vergangenen Jahres sind seit langem eng mit dem »Institut für Staatspolitik« verbunden – nicht nur als Teilnehmende der jährlichen Akademie in Schnellroda sondern auch als Autor*innen in deren Thinktanks, Interviewpartner*innen oder Arbeitgeber*innen.
Vom 16. bis 18. Februar 2024 fand in Schnellroda die 24. Winterakademie des »Instituts für Staatspolitik« (IfS) statt. Eingeladen war die Zielgruppe bis zu einem Alter von 35 Jahren zum Thema »Russland«. Die diesjährigen Teilnehmenden, die vorwiegend aus den Zusammenhängen der »Alternative für Deutschland« (AfD) beziehungsweise »Junge Alternative« (JA), »Identitärer Bewegung« (IB) und Burschenschaften stammen, reisten aus dem gesamten Bundesgebiet und Österreich an. Auch aus der Schweiz nahmen mehrere Aktivist*innen der »Jungen Tat« teil. Neben den ständigen Referenten Erik Lehnert, Götz Kubitschek und Martin Semlitsch (alias Lichtmesz) hielten Filipp Fomitschew, Jörg Seidel, Dusan Dostanic und Ivor Claire Vorträge zu verschiedenen politischen, kulturellen und geostrategischen Aspekten im Zusammenhang mit Russland. Ebenfalls vor Ort war Ulrich Fröschle, Professor an der TU Dresden. An einer Podiumsdiskussion am Samstag zur »Lage 24« nahmen die beiden AfD-Spitzenkandidaten der bevorstehenden Landtagswahlen Björn Höcke aus Thüringen und Christoph Berndt aus Brandenburg teil. Die Akademien finden mit wechselnden Themen zweimal jährlich mit jeweils bis zu 150 Teilnehmenden statt und sind seit Jahren ausgebucht. Sie dienen der extremen Rechten als Kaderschmiede. Mit der Vermittlung von politischer Bildung und Strategie sowie über Auslese werden hier wichtige Grundlagen für Karrieren in der AfD, aber auch bei sogenannten alternativen Medien und anderen privatwirtschaftlichen extrem rechten Projekten gelegt. Wichtige Bestandteile der Treffen sind die Vermittlung einer gemeinsamen Identität und der Ausbau extrem rechter Netzwerke.
Seit 2016 hat sich eine Variante dieser Akademien auch in Österreich etabliert. Diese finden in Zusammenarbeit mit dem FPÖ-nahen »Freiheitlichen Akademikerverband« (FAV) Steiermark an wechselnden Orten statt, zuletzt vom 12. bis 14. April in Kärnten.
Während der Corona-Pandemie im Juli 2021 veranstaltete das IfS erstmalig ein Sommerfest in Schnellroda. Seitdem kommen jedes Jahr in dem Ort mit 145 Einwohner*innen zu diesem Anlass mehrere Hundert Gäste zusammen. An zwei Tagen finden im Gasthaus »Zum Schäfchen« Podiumsdiskussionen, Vorträge und Buchbesprechungen statt, während auf dem Privatgrundstück der Kubitscheks und im dazugehörigen Verlagsgebäude Bücher, Getränke und Imbisse angeboten werden. Die Gäste sind Leser*innen der »Sezession«, AfD-Parteigänger*innen, JA-Aktivist*innen und Burschenschafter ebenso wie die Anhänger*innen des neueren antidemokratischen Protestmilieus. Das mittlerweile vierte Sommerfest ist für den 13. und 14. Juli 2024 angekündigt.
Von Schnellroda nach Potsdam und zurück
Der bekannteste Kader des IfS ist der österreichische Aktivist und Autor Martin Sellner. Dieser veröffentlichte bereits mehrere Bücher im von Kubitschek betriebenen »Verlag Antaios«, zuletzt »Regime Change von rechts« und »Remigration. Ein Vorschlag« und ist auch sonst ein häufiger Gast in Schnellroda. Unter dem Schlagwort der »Remigration« forderte bereits die IB unter Sellner mit ihren Aktionen die rücksichtslose Abschiebung von Geflüchteten sowie migrantischen und postmigrantischen Bevölkerungsteilen. Am 25. November 2023, kurz vor der Veröffentlichung seines Buchs, stellte Sellner seine Überlegungen dazu bei einem nicht öffentlichen Treffen von mehr als 20 extremen Rechten in Potsdam vor. Der ehemalige HDJ-Funktionär (»Heimattreue Deutsche Jugend e. V.«) Gernot Mörig hatte dazu Mitglieder und Anhänger*innen von AfD, »WerteUnion«, CDU, IB sowie Einzelpersonen in die Villa Adlon (auch: Gästehaus am Lehnitzsee) eingeladen. Das Treffen diente einer exklusiven Vernetzung innerhalb des Milieus sowie der Beschaffung von größeren Geldbeträgen für politische Projekte. Nachdem das Treffen öffentlich bekannt und medienwirksam skandalisiert wurde, verloren mehrere Teilnehmende ihre politischen Posten. Beim Potsdamer Treffen war Martin Sellner nicht der Einzige mit Schnellroda-Bezug. Der Gründer des identitären Projekts »Gegenuni« Erik Ahrens, 2022 und 2023 zweimaliger Referent auf den Akademien, war ebenso vor Ort wie der gewaltbereite Neonazi Mario Müller. Als führender IB-Aktivist war er mehrfacher Akademieteilnehmer, Verfasser des Buchs »Kontrakultur« beim »Verlag Antaios« sowie Aktivist des von Kubitschek gestützten identitären Hausprojekts in Halle. Jüngst trat Müller als Autor des »Compact«-Magazins sowie als Mitarbeiter des AfD-Bundestagsabgeordneten Jan Wenzel Schmidt in Erscheinung. Der Teilnehmer Roland Hartwig, zum Zeitpunkt des Potsdamer Treffens Referent der AfD-Bundesvorsitzenden Alice Weidel, hielt 2019 und 2023 ebenfalls Vorträge für das IfS. Silke Schröder, damals noch Vorstandsmitglied des »Vereins Deutsche Sprache«, war im Monat zuvor zu Gast im Literatur-Podcast der »Sezession«-Redakteurin Ellen Kositza. Weitere Teilnehmer des Treffens wie der AfD-Abgeordnete aus Sachsen-Anhalt Ulrich Siegmund und der Fraktionsgeschäftsführer Patrick Harr waren ebenfalls in der Vergangenheit bereits bei Veranstaltungen in Schnellroda.
Generell ist Schnellroda auf mehreren Ebenen gut mit der AfD vernetzt. IfS-Protagonisten wie Institutsleiter Erik Lehnert und Autor Benedikt Kaiser sind bei Parlamentsabgeordneten als Mitarbeiter angestellt. Einer der Schwiegersöhne von Kubitschek arbeitet ebenfalls für die Bundesvorsitzende Weidel. Die regelmäßig auf Veranstaltungen in Schnellroda anwesenden Natalie und Christian von H. unterstützen den AfD-Abgeordneten Maximilian Krah im Europa-Parlament. Krah selbst, der kürzlich aufgrund eines Spionagevorfalls eines seiner Mitarbeiter in der Öffentlichkeit stand, verfasste zuletzt für den »Verlag Antaios« das Buch »Politik von rechts«. Er gehört neben den Landes- und Bundespolitikern Björn Höcke, Christoph Berndt, Andreas Lichert, Hans-Thomas Tillschneider sowie Marc Jongen und Matthias Helferich zu den mehr oder weniger regelmäßigen Gästen und Referenten des IfS. Auch Bundes- und Landesgrößen der JA wie der Bundesvorsitzende Hannes Gnauck oder die Landesvorsitzenden Anna Leisten und Tomasz Froelich machen Werbung für Schnellroda.
Vortragsreisen, Neonazis und Verfassungsschutz
Benedikt Kaiser, der lange zum Kernteam des IfS gehörte, hat seine Redaktionstätigkeit für die »Sezession« Ende 2022 niedergelegt. Mittlerweile steht er dem »Jungeuropa Verlag« von Philip Stein nahe und betätigt sich als freier Autor und Referent mit zahlreichen Auftritten unter anderem bei JA-Gruppen und Burschenschaften. Auch Kubitschek ist in den vergangenen Monaten zunehmend als Vortragreisender unterwegs. Im November 2023 trat er im Rahmen der »Aktion 451« in Wien auf, am 19. Januar 2024 referierte er auf Einladung von Matthias Helferich in Dortmund, am 24. Januar 2024 im »Castell Aurora« im österreichischen Steyregg, am 26. Januar 2024 in Wien bei der »Österreichischen Landsmannschaft«, am 27. Januar 2024 gemeinsam mit Maximilian Krah in Budapest am »Institut Imre Kertesz« und auf Einladung der JA Mecklenburg-Vorpommern am 16. März 2024 in Schwerin.
Seit 2020 wird das IfS im Verfassungsschutzbericht des Landes Sachsen-Anhalt aufgeführt. Im April 2023 stufte das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) nach dreijähriger Beobachtung als »Verdachtsfall« das Institut als »gesichert rechtsextremistische Bestrebung« ein. Auch der »Verlag Antaios« steht unter Beobachtung. In Schnellroda geht man offensiv mit der Beobachtung um. Eine Jutebeutel-Kollektion bewirbt die »gesichert extrem guten Bücher« des »Verlags Antaios« und IfS-Besucher*innen schützen sich vor unliebsamen Fotograf*innen mit Pappmasken von Thomas Haldenwang, derzeitiger Präsident des BfV, und von Nancy Faeser, aktuell Bundesministerin des Innern und für Heimat und Sport. Die Protagonist*innen des IfS sprechen sich seit langem gegen eine strategische Mäßigung im Fall von politischen Vorwürfen aus, ebenso wie gegen Distanzierungen innerhalb des eigenen Milieus. Trotzdem hat man es bislang vermieden, öffentlich mit Neonazis in Verbindung gebracht zu werden. Eine Wende: Im Dezember 2023 sprach Kubitschek auf dem Internetblog der »Sezession« mit Frank Franz, dem Vorsitzenden der sich jüngst in »Die Heimat« umbenannten vormaligen NPD. Anlässlich der aktuellen AfD-Verbotsdebatte befragte Kubitschek Franz zu den Erfahrungen aus den NPD-Verbotsverfahren. Dieses Interview ist nicht das einzige Beispiel dafür, dass das IfS die Verbindungen zur neonazistischen extremen Rechten nicht länger scheut. Bereits im Juli 2023 war Erik Lehnert neben Martin Kohlmann von den »Freien Sachsen« als Referent bei einem Seminar in Guthmannshausen angekündigt, zu der die neonazistische Plattform »Metapol« eingeladen hatte.
Vom Verein zur Unternehmergesellschaft
Bisher stand hinter den Aktivitäten des IfS und der Zeitschrift »Sezession« der im Mai 2000 gegründete »Verein für Staatspolitik«. Zwei Mitgliederversammlungen im Februar und im März 2024 haben nun die Auflösung des Vereins beschlossen. Bereits zwei Monate vor der offiziellen Vereinsauflösung hatten die beiden ehemaligen Vorstände Kubitschek und Lehnert zwei Unternehmergesellschaften zur Übernahme des IfS-Geschäfts gegründet. Die von Kubitschek geführte »Menschenpark Veranstaltungs UG« ist zuständig für »die Durchführung von Seminaren, Tagungen und Vortrags- und Messeveranstaltungen«. Für »die Herausgabe von Printmedien, insbesondere einer Zeitschrift«, gemeint ist die »Sezession«, ist nun die »Metapolitik Verlags UG« mit Lehnert als Geschäftsführer verantwortlich.
Dieser Artikel stammt vom antifaschistischen Magazin der rechte rand. Wir können euch nur wärmstens ans Herz legen dort einmal zu stöbern! „der rechte rand“ veröffentlicht tiefgreifende Recherchen und Analysen sowohl über historische Ereignisse als auch über aktuelle Themen. Alle zwei Monate erscheint das Magazin, einzelne Artikel daraus werden auf der Website veröffentlicht.