Im folgenden spiegeln wir einen zweiteiligen (Teil 1, Teil 2) Beitrag aus dem Antifa Infoblatt. Es handelt sich um einen Gastbeitrag von Völkische Verbindungen kappen.
Das Vernetzungstreffen (extrem) rechter Akteur*innen in Potsdam im November 2023 hat bundesweit große Wellen geschlagen. Unzählige Menschen gehen gegen „Rechtsextremismus“ & AfD auf die Straße, immer mehr Netzwerke und Verbindungen werden dank neuer Recherchen bekannt. Im Zentrum des Treffens und der antifaschistischen Öffentlichkeit steht Dr. Gernot Mörig – Organisator des Treffens und Patriarch eines völkischen Familienclans, der sinnbildlich für die multiplen und weit gespannten Netzwerke der (extremen) Rechten steht. Von völkischen Bünden über die „Alternative für Deutschland“ (AfD) und „Identitäre Bewegung“ (IB), Burschenschaften und „konservative“ Unternehmer*innen ist wirklich fast alles dabei. Sehen wir es uns an:
Gernot & Astrid Mörig:
Familienoberhaupt und Multifunktionär Gernot Mörig wurde 1954 in Braunschweig geboren, zog 1979 zum Studium der Medizin und der Zahnmedizin nach Göttingen. Von 1989 bis 2018 führte er die zahnmedizinische Privatpraxis „ZahnGesundheit – Oberkassel“ in Düsseldorf. Gemeinsam mit seiner Frau Astrid Mörig hat Gernot vier Kinder, die zu großen Teilen in der (extremen) Rechten sozialisiert und bis heute auch dort fest verankert sind. Astrid Mörig agiert ganz im Sinne der Ideologie der Familie deutlich weniger im Vordergrund als ihr Mann, doch auch sie ist in der (extremen) Rechten äußerst umtriebig und übernimmt regelmäßig wichtige Aufgaben.
Obwohl Familie Mörig inzwischen ein Domizil in Vachendorf bei Prien am Chiemsee unterhält, hatten die Mörigs ihren Lebensmittelpunkt die längste Zeit in Düsseldorf. Gernot Mörig trat schon in frühen Jahren in die ideologischen Fußstapfen seines Vaters, eines SA-Truppführers und überzeugten Nationalsozialisten, und wurde 1975 im Alter von 21 Jahren für fünf Jahre „Bundesführer“ des „Bund Heimattreuer Jugend“ (BHJ). Bis kurz vor dem Verbot ihrer quasi Nachfolgeorganisation, der „Heimattreuen Deutschen Jugend“ (HDJ) 2009 blieb Mörig diesem Netzwerk verbunden.
Inhaltlich vertrat er völkisch-nationalistisches Gedankengut – so schrieb er in der neonazistischen Zeitschrift „Nation Europa“: „Jedes Lebewesen auf dieser Welt führt von Geburt an in mehr oder weniger harter Form einen Kampf ums Dasein (…) so braucht z.B. jedes Volk Raum zum Leben, dieser Raum muss jedoch erkämpft werden (…) Angehörige eines Volkes sind zumeist durch ein mehr oder weniger gemeinsames Generbe geprägt“.
Von 1977 bis mindestens 1985 engagierte sich Mörig darüber hinaus in verschiedenen (extrem) rechten Stiftungs- und Bildungsprojekten wie dem „Arbeitskreis für Politik und Kultur“ oder, zusammen mit dem geschichtsrevisionistischen Verleger Munier, in der „Rathausbuchhandlung Kiel GmbH“, welche auch zur finanziellen Unterstützung und ideologischen Schulung des ultra-rechten Netzwerks beitragen und Nachwuchskader fördern sollten.
Auch in der rechts-verschwörungsideologischen Szene spielt Mörig eine Rolle: wie „AnonLeaks“ bereits im Dezember 2021 berichtete, planten verschwörungsideologische Aktivist*innen rund um den maßgeblichen Geldgeber Erich Hambach die Gründung eines entsprechenden Medienportals. Zur Finanzierung standen Akteur:innen vom rechten Rand in den Startlöchern, darunter Persönlichkeiten aus Werteunion und AfD – und mittendrin das Ehepaar Mörig. Ebenfalls in das Projekt eingebunden war unter anderen der verschwörungsideologische Aktivist Kayvan Soufi-Siavash alias „Ken Jebsen“ (KenFM). Geplant war die Anwerbung von Investoren für die Finanzierung des Projekts, darunter auch der ehemalige Vorsitzende der WerteUnion, Max Otte. Den Kontakt zwischen Hambach und Otte hatte Gernot Mörig bereits Ende 2020 hergestellt, nachdem er bei Otte für Hambachs Medienportal „FreeDoLine“ geworben hatte.
Einer breiteren Öffentlichkeit bekannt wurde Gernot Mörig schließlich im Januar 2024. Das von „correctiv“ ausrecherchierte Treffen der „Düsseldorfer Runde” im November 2023 dürfte dabei nur eines von vielen ähnlichen und wohl auch nicht das letzte dieser Art gewesen sein. Die sog. „Düsseldorfer Runde“ (die nur selten tatsächlich in Düsseldorf stattfindet) wird vielmehr von Gernot und Astrid Mörig seit mindestens einigen Jahren scheinbar jährlich veranstaltet.
Verbindungen zur AfD
Star-Referent, und somit gewissermaßen Vorgänger von Martin Sellner (der als Headliner bei der „7. Düsseldorfer Runde“ im vergangenen Herbst in Potsdam geladen war), war bei der „5. Düsseldorfer Runde“ 2021 AfD-Bundessprecher Tino Chrupalla. Diese fand damals im Wohnhaus der Mörigs in Düsseldorf statt, Gernot Mörig bedankte sich in einer Mail im Nachhinein noch mal ausdrücklich für Chrupallas Besuch und dass dieser die weite Autoanreise von seinem Wohnort in Gera auf sich genommen habe. Belegt ist dies durch von „AnonLeaks” veröffentlichte Mailverläufe.
Diverse Verbindungen zur AfD bestehen also schon länger, die vermeintliche und teilweise Distanzierung einiger AfDler*innen (beispielsweise von Chrupalla und Weidel) von dem Potsdamer Treffen im vergangenen November wirken auch vor diesem Hintergrund äußerst unglaubwürdig. Doch die Verbindungen Mörigs zur AfD als parlamentarischer Arm der (extremen) Rechten in Deutschland gehen noch weiter. Neben der Teilnahme verschiedener Parteifunktionäre beim Treffen in Potsdam (anwesend waren unter anderem AfD-MdB Gerrit Huy, der persönliche Referent der AfD-Vorsitzenden Alice Weidel Roland Hartwig und der Vorsitzende der sachsen-anhaltinische Landtagsfraktion Ulrich Siegmund), ist auch die bereits erwähnte Teilnahme des AfD-Bundesvorsitzenden Chrupalla an der „Düsseldorfer Runde“ 2021 hervorzuheben. Mit der Einladung Chrupallas zu sich nach Hause bekräftigt Mörig seine Nähe zur AfD, auch wenn seine zahlreichen Verbindungen zur Partei keineswegs neu sind.
In einer E-Mail an eine Dermatologie-Professorin der Uni Kiel schrieb Mörig beispielsweise laut „AnonLeaks”, dass er die führenden Protagonisten der AfD konstruktiv mit wissenschaftlichen Studien zu Corona so versorgt habe, dass daraus auf dem letzten Bundesparteitag „eine sehr gute Resolution hervorgegangen ist, die ihresgleichen sucht“. Wenig überraschend mit Blick auf die zahlreichen Verbindungen von Gernot Mörig und mehrerer seinen Familienmitgliedern mit der AfD.
Die Familie Mörig – weit verstreut, eng vernetzt
Viele völkische Sippen organisierten Freizeiten in völkischen Jugendlagern für ihren Nachwuchs. Der BHJ von Mörig war hier ein wichtiger Akteur. In diesen Kontexten bildete und bildet sich weitestgehend ungehindert ein weitläufiges politisches, soziales und wirtschaftliches rechtes Milieu, in welchem die zukünftigen Kader der Szene ausgebildet und zusammengebracht werden sollen.
Mörigs Tochter S. hat den AfD-Landtagsabgeordneten Thore Stein geheiratet. Dieser ist ebenfalls seit seiner Jugend in rechten Strukturen verbandelt und Mitglied der extrem rechten „Alten Breslauer Burschenschaft der Raczeks” und der „Halle-Leobener Burschenschaft Germania”. Stein ist außerdem Reservist im Rang eines Oberleutnants und setzte sich in dieser Funktion u.a. für den Erhalt eines von der Wehrmacht errichteten Fallschirmjägerdenkmals auf Kreta ein, welches Soldaten gedenkt, die Massaker an der örtlichen Zivilbevölkerung begingen. Seit 2021 sitzt er nun für die AfD im Landtag von Mecklenburg-Vorpommern. Doch sein Engagement für die AfD endet nicht dort, darüber hinaus ist er Vorstandsmitglied und Schriftführer der AfD-nahen „Desiderius-Erasmus Stiftung“.
Auch Gernot Mörigs jüngster Sohn, Arne Friedrich Mörig, hat enge Verbindungen zur AfD-Spitze: Er war zeitweise bei der AfD-Bundessprecherin Alice Weidel angestellt und, genau wie ihr persönlicher Referent Roland Hartwig, beim „Potsdamer Treffen“ zugegen – und das laut „Der Spiegel” nicht bloß als Gast, sondern um eine eigene, (extrem) rechte Medienagentur vorzustellen. Auch Arne Friedrich Mörig verbrachte seine Jugend vermutlich in völkischen Lagern und kam durch seine Schwester W. an Kontakte zur „Identitären Bewegung“ (IB) in Norddeutschland, für die er eine Zeit lang aktivistisch tätig war. Nachdem er dieses Engagement wohl für sein zweites Studium abbrach, war er während seiner beruflichen Laufbahn dem „Der Spiegel” zufolge auch als Referent für den ehemaligen Berliner Finanzsenator Peter Kurth (CDU) tätig, der vor kurzem in der Kritik stand, da er 120.000€ für „identitäre Immobilienprojekte“ spendete. Im Zuge der Corona-Pandemie fiel Arne Friedrich Mörig auch bei verschwörungsideologischen Protesten in Wien auf.
Ebenfalls bei den Corona-Protesten engagiert, allerdings im Chiemgau in Oberbayern, ist Arnes Schwester und die studierte Zahnmedizinerin Inka Zeilinger (geb. Mörig), die gemeinsam mit ihrer Familie in Seeon am Chiemsee wohnt. Seit ihrer Hochzeit mit Sebastian Zeilinger 2012 ist sie vierfach Mutter geworden und inzwischen engagiert sie sich lokal im Elternbeirat ihres Kindergartens oder in der Pfarrgemeinde. Gut in die dörfliche Gemeinschaft eingebunden, trat sie bei Demonstrationen als Rednerin auf, die sich gegen Asylsuchende richten oder verschwörungsideologisch gegen die Coronapolitik agitierten. „Wie können Sie für diesen Bevölkerungsaustausch im eigenen Land sein?” kritisierte sie außerdem 2015 in einem Kommentar einen Versandhandel, der sich für Geflüchtete engagiert und verdeutlichte dadurch ihre politische Haltung.
Diese verwundert nicht, denn bereits als Kind war sie auf Lagern der HDJ unterwegs. Ihr Ehemann Sebastian Zeilinger ist ebenfalls Fan völkischer Organisierung und ließ seine Vergangenheit maßgeblich in die Außendarstellung der „Identitären Bewegung“ in Bayern fließen, deren Vorsitz er zeitweise inne hatte – genauso wie er unter Nils Altmieks dessen stellvertretender Chef der IB-Deutschland war. So setzte die IB Bayern während seiner Zeit immer mehr auf kreative Aktionen wie Stickern, Plakate kleben oder Bannerdrops. Die Außendarstellung blieb – entgegen des hippen Images der IB in Berlin & Co. – jedoch eher völkisch anmutend. Mit der „Alternative Help Association“ (AHA) gründeten Zeilinger und Altmieks ein als NGO getarntes „identitäres“ Projekt. Nach Eigendarstellung soll deren Ziel sein, „patriotische Hilfe vor Ort“ in Krisengebieten zu leisten. Die Annahme, das es ihnen vermutlich eher darum darum gehen dürfte, dass Geflüchtete nicht nach Deutschland kommen, liegt hierbei nahe. Auch die Vermutung, dass Fördergelder möglicherweise auch für die Kreise der IB verwendet werden könnten, liegt nicht fern. Videos der NGO aus Syrien zeigen u.a. Zeilinger zusammen mit dem Neonazi Mario Müller, der ebenfalls beim „Potsdamer Treffen“ anwesend war.
Doch Inka Zeilinger ist nicht die einzige Mörig-Tochter mit engen Verbindungen zur IB, auch ihre Schwester W. und deren Mann Arndt Novak waren dort aktiv. W. studierte nach ihrer Kindheit in „bündischen“ Jugendgruppen ab 2010 Visual- und Motiondesign, arbeitete nach ihrem Bachelor 2013 in der Branche und gestaltete bereits zu Zeiten ihres Umzugs nach Augsburg 2016 mit ihren dort erworbenen Skills die Kampagnenvideos der IB-Bayern maßgeblich mit. Auf diversen IB-Events und -Treffen unterwegs, galt sie als Teil eines kleinen, aber hochprofessionellen Kamerateams als essentiell für die Strategie der IB, die über hochkarätige Image- und Aktionsvideos ein breites Publikum ansprechen und für ihre Aktionen wie Gruppen begeistern will. Dies ging so weit, dass eine Aktion fast als nutzlos galt, wenn es keine professionellen Videoaufnahmen davon gab. Neben ihrer Hauptarbeit als Fotografin für die Werbe- und Modebranche prägte W. also maßgeblich die Standards für die Bildgestaltung der „Identitären“ mit.
Auf einer IB-Akademie in Frankreich traf W. dann den rechten Autor Arndt Novak, den sie später heiratete und der 2018 zu ihr nach Augsburg zog, bevor das Paar circa 2021 in das niederbayerische Passau umsiedelte. Arndt Novak entstammt einer Familie (extrem) rechter Publizisten – sein Vater Ulrich Novak war Chefredakteur des rechten „Freilich“-Magazins und sein Großvater Fred Duswald ist für seine verharmlosenden bis leugnenden Bemerkungen zum Holocaust in Österreich zu einiger Bekanntheit gelangt (so bezeichnete er Shoa-Überlebende als „Landplage” und “Kriminelle”, die ihm zufolge „raubend und plündernd, mordend und schändend […] das unter der ‚Befreiung‘ leidende Land [plagten]“). Genau wie sein Großvater und Vater ist auch Arndt seit Beginn seines Studiums 2014 in der ultra-rechten und pflichtschlagenden Münchner „Burschenschaft Danubia“ korporiert. Auch im Bereich der Publizistik tat er es seinem Vater gleich und schrieb für diverse rechte bis extrem rechte Medien wie das „Freilich“-Magazin, die „Burschenschaftlichen Blätter” oder die „Sezession“. Auch trat er in seiner Zeit in München bis circa 2018 öffentlich als Aktivist der IB-Bayern bei diversen Aktionen und Veranstaltungen auf – mit der Einstufung der IB als gesichert rechtsextrem durch den Verfassungsschutz endete jedoch sein öffentliches Engagement dort. 2020 hostete er zeitweise dann das Podcastprojekt „Lagebesprechung“ diverser „neurechter“ Medienportale, wobei er u.a. Björn Höcke, FPÖ-Chef Herbert Kickl sowie die „neurechten Vordenker” Benedikt Kaiser und Jonas Schick interviewte.
Der Mörig-Clan als Prototyp einer gut vernetzten, z.T. konspirativen Rechten
Am Beispiel der Familie Mörig lässt sich also ein Netzwerk nachzeichnen, das einige relevante Teile der aktuellen (extremen) Rechten in Deutschland abdeckt und fast symbolisch bei den von Gernot Mörig organisierten Treffen wie dem in Potsdam zusammenläuft.
Die Sozialisierung in der (extremen) Rechten beginnt für viele Kinder aus völkischen Familien bereits in völkischen Jugendlagern wie denen der BHJ oder später der HDJ. Auch rechte Burschenschaften spielen eine wichtige Rolle – zumindest für die Männer – wie man an Arndt Novak und Thore Stein erkennen kann. Die Überschneidungen von (extrem) rechten Burschenschaften mit anderen Organisationen wie der „Identitären Bewegung“, der AfD-Parteijugend „Junge Alternative“ (JA) oder der AfD selbst wurden an anderen Stellen schon ausführlich beleuchtet.
Bei der IB laufen in diesem Fall viele Fäden zusammen – so waren Arndt Novak und Mörigs Tochter W. zur gleichen Zeit aktiv, als Sebastian Zeilinger, W.’s Schwager, dort zentrale Führungspositionen innehatte und zum Antritt von letzterem als stellvertretender Leiter der IB Deutschland trat schon Martin Sellner – ebenfalls als Stargast des Potsdamer Treffens bekannt – als Redner auf. Über W.’s Anbindung konnte auch Arne Friedrich Mörig schnell Teil der IB Norddeutschland werden, später war er dann für Alice Weidel tätig – was die Verbindungen zur AfD in den Vordergrund rückt. Diese bestehen nicht nur über Arne Friedrich, sondern auch den Ehemann von Mörig-Tochter S., Thore Stein, der im mecklenburg-vorpommerischen Landtag sitzt. Gernot Mörig pflegt ebenfalls Verbindungen zur AfD, so sind bei den von ihm organisierten Treffen und Gesprächsrunden auch AfDler*innen wie Chrupalla oder Huy fester Teil des Netzwerks.
Im Allgemeinen laufen dort viele der Fäden zusammen – allein in Potsdam waren Vertreter*innen der AfD und ihrer Führungspersönlichkeiten, der CDU, (Ex-)IBler*innen, bekannte Neonazis und mindestens ein Aktiver der „Burschenschaft Danubia“ aus München dabei.
Hervorzuheben sind die Netzwerke, die dort gesponnen und bekräftigt werden sowie die Möglichkeiten, die sich dadurch ergeben. So bringt Mörig rechtskonservative Geldgeber*innen mit Aktiven der (extremen) Rechten zusammen, die diese Gelder für diverse Projekte nutzen – als Beispiel sei Peter Kurth genannt, der „identitäre“ Immobilienprojekte finanzierte, oder der ehemalige „WerteUnion“-Vorsitzender Max Otte, welcher das „alternative“ Medienportal „FreeDoLine“ unterstützen sollte.
Den Zweck seiner Treffen fasst Mörig selbst gut zusammen, als er in einer E-Mail schreibt: „So konnten wir unsere drei bekannten Ziele: sich schlicht und einfach im Kreise niveauvoller Patrioten wohl zu fühlen, unser Netzwerk in viele Dimensionen zu erweitern und schließlich gute Projekte zu unterstützen, wieder optimal umsetzen.“
Das zeigt: die (extreme) Rechte in Deutschland ist gut vernetzt und nutzt dies, um ihre Idee einer rechten bis neofaschistischen Ordnung weiter voranzubringen. Dabei bedient sie sich einer breiten Palette von Strategien – allerdings ohne dass sich die verschiedenen Akteur*innen dabei gegenseitig aus den Augen verlieren. „Multitasker*innen“ wie das Ehepaar Mörig führen die Stränge zusammen.
Kinder aus völkischen Familien werden in der Regel bereits von Anfang an über völkische Lager in der (extremen) Rechten sozialisiert. Während die IB öffentlichkeitswirksam inszenierte Aktionen durchführt, arbeiten Publizist*innen daran, diese theoretisch zu untermauern, Burschenschaften nutzen ihr teils konservatives Image, um junge Männer zu rekrutieren und durch ihre Vernetzung finden diese schnell Anschluss, auch in anderen ultra-rechten Organisationen. Geldgeber*innen finanzieren diverse Projekte der genannten Akteur*innen und die AfD arbeitet auf parlamentarischer Ebene daran, die völkischen Ideen umzusetzen und leitet nebenher über Arbeitsverhältnisse staatliche Gelder in andere Strukturen um.
Diese Verbindungen lassen sich an vielen Stellen beobachten und sind auch durch antifaschistische Recherchen gut dokumentiert, selten ist es jedoch so offensichtlich festzustellen wie an der Familie Mörig, die fast alle diese Akteur*innen und Verbindungen in sich vereint und fest vernetzt.
November 2023 – ein ausgewählter Kreis an Personen trifft sich im „Gästehaus Adlon“ von Mathilda Martina Huss in Potsdam, um über Visionen und Pläne der Bewegung für Deutschland zu sprechen, sich zu vernetzen und Geld für die Sache zu sammeln. Von Gernot Mörig geladen ist eine breite Auswahl an Neonazis, finanzstarken Unternehmer*innen und (extrem) rechten Aktivist*innen verschiedener Generationen, die für 5.000 Euro dem Vernetzungstreffen beiwohnen dürfen.
Im selben Zeitraum werden die vielfältigen Netzwerke der Familie des Organisators, Gernot Mörig, aufgedeckt, circa zwei Monate später löst ein Bericht über das Treffen deutschlandweit Empörung aus. Doch das Zusammenkommen in Potsdam war keineswegs das erste dieser Art, vielmehr vernetzt sich die (extreme) Rechte – u.a. unter der Federführung Mörigs – schon seit mindestens einem Vierteljahrhundert kontinuierlich untereinander, schmiedet Pläne, bildet sich gemeinsam weiter, sorgt für Finanzierung der eigenen Projekte und zieht oftmals die eigenen Kinder gezielt zu neuen Kadern heran.
Januar 2011 – für „nur“ 500 Euro könne man an einem gemeinsamen Seminarwochenende teilnehmen – diese Einladung erreicht einen handverlesenen Kreis an Gästen per E-Mail. Besagte Treffen fanden im Hause von Gernot und Astrid Mörig1Astrid Mörig ist nicht „nur“ Ehefrau, sondern auch politische Akteurin. So nahm sie während des „Geheimtreffens“ in Potsdam die Spendengelder entgegen. Im bürgerlichen Kontext wurde sie gemeinsam mit ihrem Mann als „Stifter, Spender und Zeitspender“ der „BürgerStiftung Düsseldorf“ öffentlich bekannt. in Düsseldorf statt, welche die (extrem) rechten Schulungsevents auch gemeinsam mit einigen ihrer Kinder federführend organisierten und durchführten. Auf dem Plan stand ein inhaltliches Programm mit Vorträgen und Seminaren ausgewählter Personen, aber auch Kulturprogramm wie gemeinsames Essengehen. In diesem Jahr verzeichnet Mörig laut eigener Aussage eine Rekordzahl an Gäst*innen, doch das erste dieser Treffen ist es keineswegs.
Seine Tochter Inka Mörig2Vgl. AIB Nr. 142: Inka Mörig trat öffentlich als politische Akteurin in die Öffentlichkeit. Bei Demonstrationen trat sie als eine Rednerin auf, die sich gegen Asylsuchende richten oder verschwörungsideologisch gegen die Coronapolitik agitierten. „Wie können Sie für diesen Bevölkerungsaustausch im eigenen Land sein?” kritisierte sie außerdem 2015 in einem Kommentar einen Versandhandel, der sich für Geflüchtete engagiert und verdeutlichte dadurch in der Öffentlichkeit ihre politische Haltung. gibt an, dass die sogenannten „Kaminrunden“ bereits seit knapp 10 Jahren, also den frühen 2000ern stattfinden. Über die Gäst*innen ist wenig bekannt, es ist jedoch anzunehmen, dass sie aus völkisch-nationalistischen Milieus stammen, Mitglieder des Mörig-Clans, ideologische Wegbegleiter*innne, Kamerad*innen und (extrem) rechte Akteur*innen sind. Darunter sind auch einige bekannte Personen – so war 2011 die Rechtsrapperin Mia Herm (Künstlerinnenname „Dee Ex“) mit dabei, später auch der AfDler Tino Chrupalla oder IB-Posterboy Martin Sellner.
Juni 2011 – im Haus der Mörigs findet erneut eine (extrem) rechte Bildungsveranstaltung statt – diesmal explizit an Jugendliche und junge Erwachsene gerichtet. Sie freuen sich auf ein abwechslungsreiches Programm zu den Themen „Kontroverses zum Thema AIDS“, „Heuschrecken und Wirtschaftskriese“ (Fehler im Original) oder „Freiheitskämpfer für die Einheit Tirols“. Bei der Organisation diesmal mit von der Partie ist der Bruder von Inka Mörigs damaligem Freund (jetzt Ehemann) und späterem IB-Bundesvorstand Sebastian Zeilinger, der wie sein Bruder in völkischen Lagern unterwegs war und zu dem Zeitpunkt gerade in die ultra-rechte „Alte Breslauer Burschenschaft der Raczeks“ eingetreten sein dürfte. Kaum ein Jahr nach dem Düsseldorfer Schülertreffen bei den Mörigs taucht der Bruder von Sebastian Zeilinger in Kreisen des völkischen Jugendbunds „Sturmvogel“ auf.
Juli 2023 – diesmal lädt die Fürstin Gloria von Thurn und Taxis nach Regensburg auf ihr Schloss Emmeram. Der Anlass ist eine Spendengala für Hans-Georg Maaßen, der aus der CDU ausgeschlossen werden soll und um Gelder für seine Rechtsmittel bittet. Diesmal lediglich als Gast vor Ort ist Gernot Mörig, es ist mindestens die vierte Veranstaltung Maaßens, die er besucht. In der „WerteUnion“, der Maaßen zeitweise vorsitzt gibt es Klagen über ein „Mörig-Netzwerk“ an Mitgliedern – dieses bestehe seitdem Max Otte Vorsitzender ebenjener geworden war, ein weiterer Gast mindestens einer Kaminrunde Mörigs.
Ebenfalls im Juli findet eine Party im Haus des Berliner Ex-CDU-Politikers – sowie ehemaligen Chefs von Arne Mörig3Vgl. AIB Nr. 142: Arne Mörig ist nicht „nur“ Sohn von Gernot Mörig, sondern auch politischer Akteur. Er war zeitweise bei der AfD-Bundessprecherin Alice Weidel angestellt und beim „Potsdamer Treffen“ zugegen, um Pläne für eine eigene rechte Medienagentur vorzustellen. und (Mit)Financier der IB-Hausprojekte in Chemnitz und Steyregg – Peter Kurth statt. Anwesend sind u.a. Maximilian Krah (AfD), Martin Sellner (IB) – und auch Mathilda Martina Huss, die Eigentümerin des Gasthauses Adlon – die inzwischen auch „Burg Reinsberg“ gekauft hat, an deren Erwerb ursprünglich die „Identitäre Bewegung“ gehindert wurde.
All diese Treffen, von denen nur einige hier exemplarisch genannt wurden, zeigen die Professionalisierung der Vernetzung innerhalb eines Teils der (extremen) Rechten bis hinein in (rechts-)konservative Kreise. Von Burschenschaftern, IB-Funktionär*innen, Publizist*innen, Politiker*innen, Entertainer*innen, finanzstarken Unternehmer*innen oder Figuren aus einer völkischen Szene kommt alles zusammen – um sich zu besprechen und zu bilden.
Extrem relevant ist auch die Ausbildung und Vernetzung des eigenen Nachwuchses – damit sind sowohl die eigenen Kinder gemeint, als auch die Partei- oder Organisationsfunktionär*innen von morgen. Und wenn diese dabei direkt eine*n Ehepartner*in finden, umso besser – man bleibt lieber unter sich im völkischen Milieu.
Die zahlreichen personellen und strukturellen Überschneidungen zur IB und ihren Aktivitäten legt die Vermutung nahe, dass die Mörig’schen Schulungswochenenden für die Jugendlichen eine Art Ersatz für völkisch-nationalistische und extrem rechte Organisationen wie die „Heimattreue Deutsche Jugend“ (HDJ) darstellen könnten, die 2009 verboten wurde. So waren es früher Zeltlager der BHJ/HDJ, dann Seminarwochenenden und Sturmvogellager und heute IB-Sommercamps und Schulungswochenenden in den IB-Hausprojekten in Chemnitz & Steyregg, in denen die völkische Jugend sich das Wissen und die Fähigkeiten zur Umsetzung ihrer (neo)faschistischen Visionen aneignet.
Schon in den 1970ern war Gernot Mörig „Bundesführer“ einer völkischen Jugendorganisation, dem „Bund Heimattreuer Jugend“ (BHJ). Auch mehrere Kinder der Mörigs besuchten Lager der HDJ, bis diese 2009 verboten wurde. Zeitgleich verbrachten Sebastian Zeilinger und sein Bruder einige Zeit auf Lagern des „Deutscher Jugendbund Sturmvogel“.
Der „Sturmvogel“, so berichtet das APABIZ, ist eine extrem rechte Jugendorganisation und entstand 1987 als Abspaltung von der neonazistischen »Wiking Jugend« (WJ). Sie vermittelt Jugendlichen völkische und antidemokratisch-elitäre Elemente der deutschen Jugendbewegung und anderer Organisationen aus den 1920er-Jahren. Kontakte zur später verbotenen HDJ haben Befürchtungen geweckt, die Gruppierung könne sich zumindest in Norddeutschland zu einem Sammelbecken deren (ehemaliger) Mitglieder entwickeln. Es ist zu vermuten, dass sich Inka Mörig und Sebastian Zeilinger auf der Hauptversammlung des Sturmvogel 2010 kennenlernten, was wiederum dazu führte, dass auch sein Bruder zu den Kaminrunden der Mörigs eingeladen und in die Organisation der Schüler*innen- und Studierendentreffen eingebunden wurde. Dass ebenjene ebenfalls die Lücke an Veranstaltungen für völkische Jugendliche füllen könnten, die nach dem Verbot der HDJ entstand, liegt also nahe.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Gernot Mörig und sein Umfeld schon lange vor dem „Potsdamer Vernetzungstreffen“ – und darüber hinaus – daran gearbeitet haben, verschiedene neonazistische, (extrem) rechte und rechtskonservative Kreise zusammenzuführen. Neben dem Kennenlernen, Austausch und Spendensammeln haben dabei immer Bildung und die Sozialisation in die (extreme) Rechte eine Rolle gespielt. Nicht nur für Erwachsene mit bereits gefestigtem Weltbild, sondern auch für Kinder und Jugendliche, die besonders empfänglich für die Indoktrination (extrem) rechter Komplexitätsreduktion sind.
Beispielhaft dafür stehen mehrere Mörig-Kinder und Zeilinger-Geschwister, die phasenweise in HDJ- bzw. Sturmvogel Kontexten sozialisiert wurden, größtenteils innerhalb der Szene Partner*innen fanden und auch über das völkische Lager hinaus in (extrem) rechten Organisationen aktiv wurden. Dadurch bilden sich feste professionelle, freundschaftliche und auch familiäre Netzwerke, die einige Entscheidungen – wie den Kauf von bestimmten Immobilien, die Herausbildung bestimmter politischer Positionen oder Kampagnen oder die Wahl von Führungskadern – durch Netzwerke und Verbindungen nachvollziehbarer machen und zu einem großen Bild zusammenfügen. Ein Bild einer Szene, die sich gegenseitig unterstützt und bildet, die manche der eigenen Kinder weiter indoktriniert und zum Nachwuchs heranbildet. Eine Szene, die als solche ausrecherchiert, aufgedeckt und die als solche politisch bekämpft werden muss.
Dieser Artikel stammt vom Antifaschistischen Info-Blatt. Schaut gerne mal dort vorbei! Dort gibt es immer wieder gute Rechercheartikel über die rechte Szene, aber auch politische Analysen und Berichte rund um das Thema Anitfa und darüber hinaus.
Auf der Seite der Kampagne „Völkische Verbindungen Kappen“ findet ihr ausführlichen Rechercheartikeln bis hin zu Dossiers über Burschenschaften und andere „elitäre“extreme Rechte.
- 1Astrid Mörig ist nicht „nur“ Ehefrau, sondern auch politische Akteurin. So nahm sie während des „Geheimtreffens“ in Potsdam die Spendengelder entgegen. Im bürgerlichen Kontext wurde sie gemeinsam mit ihrem Mann als „Stifter, Spender und Zeitspender“ der „BürgerStiftung Düsseldorf“ öffentlich bekannt.
- 2Vgl. AIB Nr. 142: Inka Mörig trat öffentlich als politische Akteurin in die Öffentlichkeit. Bei Demonstrationen trat sie als eine Rednerin auf, die sich gegen Asylsuchende richten oder verschwörungsideologisch gegen die Coronapolitik agitierten. „Wie können Sie für diesen Bevölkerungsaustausch im eigenen Land sein?” kritisierte sie außerdem 2015 in einem Kommentar einen Versandhandel, der sich für Geflüchtete engagiert und verdeutlichte dadurch in der Öffentlichkeit ihre politische Haltung.
- 3Vgl. AIB Nr. 142: Arne Mörig ist nicht „nur“ Sohn von Gernot Mörig, sondern auch politischer Akteur. Er war zeitweise bei der AfD-Bundessprecherin Alice Weidel angestellt und beim „Potsdamer Treffen“ zugegen, um Pläne für eine eigene rechte Medienagentur vorzustellen.