Nächste Runde der Rachejustiz

Budapest-Prozess gegen sieben Antifas

Ab dem 4. November1Nach aktuellen Informationen ist der Prozessauftakt auf den 18.11.2025 angesetzt (Anm. d. Red.) stehen sieben Aktivist*innen im Zusammenhang mit dem sogenannten „Budapest-Komplex“ und dem Antifa-Ost-Verfahren vor dem OLG Dresden. Die Anklage stützt sich auf konstruierte Vorwürfe, vage Indizien und politische Deutungsmuster – und markiert einen weiteren Höhepunkt staatlicher Repressionspolitik gegen antifaschistisches Engagement.

In wenigen Wochen startet der zweite Prozess vor einem deutschen Gericht im sogenannten Budapest-Komplex: Ab dem 4. November 2025 findet die Hauptverhandlung gegen sieben Antifaschist*innen vor dem Oberlandesgericht (OLG) Dresden statt. Zusätzlich zu den Vorfällen in Budapest 2023 enthält die Anklageschrift noch Vorwürfe aus dem sogenannten Antifa-Ost-Komplex.

Konkret geht es in der jetzigen Anklage in Dresden zum einen um den Budapest-Komplex, eine seit nunmehr zweieinhalb Jahren andauernde internationale Hetzjagd auf Antifaschist*innen. Im Februar 2023 fand in Budapest der europaweit größte NS-verherrlichende Nazi-Aufmarsch „Tag der Ehre“ statt, der vom ungarischen Staat wohlwollend geduldet, aber jedes Jahr von antifaschistischen Gegenprotesten begleitet wird. Am Rand der Veranstaltung kam es zu körperlichen Auseinandersetzungen, bei denen mehrere Nazis verletzt wurden. Seitdem führen ungarische und deutsche Behörden eine gemeinsame Verfolgungsoffensive gegen Antifaschist*innen mit zahlreichen Verhaftungen, Prozessen und Verurteilungen zu hohen Haftstrafen.

Zum anderen werden körperliche Auseinandersetzungen aus verschiedenen sächsischen und thüringischen Städten angeführt, die die staatlichen Behörden als Antifa-Ost-Komplex verfolgen. Auch hier waren in den letzten Jahren bereits mehrere Antifaschist*innen zu mehrjährigen Gefängnisstrafen verurteilt worden, darunter Lina zu fünf Jahren und drei Monaten.

Im Mittelpunkt der Anklage gegen Johann, Paul, Henry, Tobias, Thomas, Melissa und Julian vor dem sogenannten Staatsschutzsenat des OLG Dresden steht erneut die staatliche Konstruktion einer „kriminellen Vereinigung“ nach § 129 StGB. Dieser Gummiparagraf wird staatlicherseits gerne bemüht, um linke Strukturen zu durchleuchten und zu kriminalisieren, indem bereits politische Vernetzung und persönliche Kontakte Aktivist*innen zu Verdächtigen machen. Hinzu kommen noch weitere Vorwürfe wie gefährliche Körperverletzung, Sachbeschädigung, Diebstahl und weitere, die meist nur einzelnen Angeklagten zur Last gelegt werden, aber den Prozess zeitlich und finanziell aufblähen. Und erneut bringt die Bundesanwaltschaft gleich mehrfach den absurden Vorwurf des versuchten Mordes ein, obwohl sie damit im Prozess gegen Hanna eine klare Niederlage erlitten hat – abgesehen davon, dass die Zuständigkeit der Bundesanwaltschaft und damit auch die eines OLG für diese körperliche Auseinandersetzungen im Ausland ohnehin sehr umstritten ist.

Das Pilotverfahren gegen die Nürnberger Aktivistin gab in vielerlei Hinsicht die Gangart vor: Vor allem wurde deutlich, dass die Justiz keine stichhaltigen Beweise benötigt, um langjährige Haftstrafen gegen Antifaschist*innen zu verhängen und dafür auch vor der Verwertung ungarischer „Gerichtsergebnisse“ nicht zurückschreckt. Am 26. September 2025 hatte das OLG München Hanna zu fünf Jahren Gefängnis verurteilt – und das, obwohl es nur widersprüchliche Indizien und unwissenschaftliche „Gutachten“ gab.

Im Prozess gegen Johann, Paul, Henry, Tobias, Thomas, Melissa und Julian vor dem OLG Dresden sind bereits rund 70 Verhandlungstage bis Juli 2026 terminiert, rund 60 weitere sollen sich bis Sommer 2027 anschließen. Damit verspricht es einer der umfangreichsten Großprozesse gegen Antifaschist*innen seit Jahrzehnten zu werden. Zusätzlich wird für die kommenden Monate der Prozessauftakt gegen weitere sechs Antifaschist*innen vor dem OLG Düsseldorf erwartet, die hier vor allem im Zusammenhang mit dem Budapest-Komplex verfolgt werden. Darüber hinaus drohen die Behörden auch gegen Menschen als Unterstützer*innen vorzugehen, die sie verdächtigen, sich illegal solidarisch gezeigt zu haben.

„Die Justizmaschinerie läuft auf Hochtouren, sperrt immer neue Aktivist*innen ein und zerrt sie vor Gericht, um die antifaschistische Bewegung einzuschüchtern“, erklärte Hartmut Brückner vom Bundesvorstand der Roten Hilfe e. V. „Die Zahl der Antifaschist*innen in deutschen Gefängnissen hat einen neuen Höchststand erreicht. Damit sendet der Staat ein deutliches Signal: Engagierter Antifaschismus, der über Lippenbekenntnisse hinausgeht, wird unnachsichtig verfolgt. In seiner Repressionsoffensive nähert sich die Bundesregierung der Riege rechter Regierungen weltweit an, die Antifaschismus per se verbieten wollen.“ Abschließend ergänzte er: „Umso nötiger ist Solidarität für die Betroffenen: Wir als Rote Hilfe e. V. stehen an der Seite der Angeklagten und fordern die sofortige Freilassung aller gefangenen Antifas! Wir sind alle Antifa!“


Der Ermittlungsausschuss Dresden veröffentlichte am 20.10.2025 auf Indymedia ebenfalls einen Aufruf und den Hinweis zur Terminänderung:

Antifa Ost Prozess: Schulter an Schulter gegen die Repression

DATUMSÄNDERUNG: Der 18. November ist der erste Prozessstag

Am 18 November startet in Dresden ein weiteres Verfahren gegen Antifaschist*innen. Ihnen werden zahlreiche Angriffe auf Neonazis vorgeworfen. Antifaschismus – zumal autonomer und militanter Natur – steht unter akutem Repressionsdruck. Wir bleiben dabei: für mehr militanten Antifaschismus. Kommt zum Prozessauftakt und zur Kundgebung in Dresden!

Phantomjagd in Sachsen

Es war ein großes Ärgernis für die sächsischen Ermittlungsbehörden: zunächst jagten sie lange Jahre ein Phantom und mussten Verfahren nach Verfahren einstellen. Eine kriminelle „Antifa-Vereinigung“ konnten sie nicht nachweisen. Als es ihnen dann endlich doch gelang vier Antifaschist*innen wegen der Bildung einer kriminellen Vereinigung in Dresden zu verurteilen, fehlten dummerweise wichtige Angeklagte, denen man ebenso den Prozess machen wollte.

Im November 2025 ist es leider soweit: insgesamt sieben Beschuldigte werden zusammen gekarrt für ein weiteres Spektakel vor dem Dresdner Oberlandesgericht. Schon heute kursiert dieser Prozess in den Medien als Mammutverfahren. Was von alldem Zinober am Ende übrig bleibt, werden wir sehen. Es wäre ja nicht das erste Verfahren, bei dem sich der Justizapparat gründlich blamiert. Doch auch dieses Mal werden wir die Angeklagten durch dieses Verfahren begleiten und sie am Ende in die Arme schließen: Repression hin oder her.

Organisiert den Antifaschistischen Selbstschutz

Nazis morden, brandschatzen, vergewaltigen, demütigen und verletzen. Das ist nicht optionaler Bestandteil, das ist die DNA ihrer Ideologie. Doch das was wir heute als Rechtsruck bezeichnen, geht weit über organisierte Neonazis hinaus. Vom rassistischen Pöbler in der Straßenbahn, über die mysogyne Incelwelt bis hin zum parlamentarischen Engagement gegen Transrechte: einig sind sich alle in ihrer menschenfeindlichen Ideologie.

Diese Ideologie schreitet vom Wort zur Tat. Unser Ziel und unsere Aufgabe als Antifaschist*innen ist es, uns zusammenzuschließen um dieser Gewalt entgegentreten zu können. Wir müssen die Drahtzieher*innen denunzieren und ihre Aktivitäten ans Licht bringen. Dabei sind wir nicht allein.

Viele tausend Menschen sind in den letzten Jahren auf die Straße gegangen gegen Faschismus. Sie können wir ansprechen und für unsere Sache begeistern, heute viel eher als noch vor 20 Jahren. Mit der Kraft der Vielen können wir uns gegen die mörderische Brutalität von Neonazis genauso wehren, wie gegen die zahlreichen alltäglichen Anfeindungen.

Solidarität gegen den Wahn

Unsere stärkste Waffe ist kein Knüppel und auch kein Demotraining. Sie klingt auf dem Papier so hohl und ist doch wenn wir sie konkret in unsern Kämpfen und im Alltag erleben so viel und so reich: unsere Waffe ist die Solidarität.

In dieser Gesellschaft zählt das Gemeinsame so wenig und das Einzelne so viel. Jede*r für sich, bis alle am Ende sind. Der neoliberale Wahn vom Kampf nur um das eigene Ich, nur die eigenen Interessen, nur den eigenen Vorteil, ist mindestens Mitschuld am Erstarken des Faschismus. Die Zerstörung des Planeten, der Raubbau an unser aller Gesundheit und die Überwachung der auf sich selbst gestellten Individuen wurde durch den Neoliberalismus begonnen. Durch den Faschismus wird all das heute auf die Spitze getrieben.

Genau deshalb wollen und müssen wir zusammenrücken. Nach unseren politischen Gemeinsamkeiten sollten wir suchen. Zusammen können wir etwas besseres schaffen als diese Nation, als diesen Sauhaufen korrupter Wirtschaft und Polititk. Diesen ganzen Irrsinn, von dem das neue Antifa-Verfahren am OLG in Dresden ein ganz kleiner Teil ist, den lassen wir uns nicht als alternativlos verkaufen!

Mit Liebe und Wut für eine bessere Zukunft! Alerta Antifascista!

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    Nach aktuellen Informationen ist der Prozessauftakt auf den 18.11.2025 angesetzt (Anm. d. Red.)