8000 Menschen auf Demo gegen Rechts in Reutlingen – Hochtranspi „Kampf dem Faschismus – gegen rechte Hetze und Sozialabbau“ – Viele Schilder gegen den Rechtskurs der Regierung – Redebeitrag vom Bündnis Gemeinsam & Solidarisch gegen Rechts – Hunderte schließen sich der Spontandemonstration zum Bahnhof an
Bericht des Offenen Treffens gegen Faschismus und Rassismus
Auch in Reutlingen war der Aufschrei groß – mit nahezu 8000 Menschen waren wir am vergangenen Freitag gemeinsam auf der Straße in Reutlingen. Zusammen mit dem „Bündnis Gemeinsam & Solidarisch gegen Rechts Reutlingen und Tübingen“ hatten wir ein Hochtransparent dabei, auf dem stand: „Kampf dem Faschismus – gegen rechte Hetze und Sozialabbau“. Durch zahlreiche Schilder mit Kritik am Rechtskurs der Ampel-Regierung waren wir präsent und verliehen unserem Anliegen auch durch viele rote und Antifa-Fahnen Ausdruck. Hunderte Flyer wechselten während der Kundgebung den Besitzer. Denn bei aller Kritik an manchen Inhalten, die sich auf den aktuellen Großdemos gegen Rechts wiederfinden, dürfen wir die Proteste nicht denjenigen überlassen, für die Antifaschismus nur ein Lippenbekenntnis ist und die sich durch die Teilnahme an den Protesten profilieren wollen.
Wir denken, aktuell muss es die Aufgabe von Antifaschist*innen und Linken sein, mehr als nur moralische Apelle in die Großdemos gegen Rechts zu tragen. Viel mehr braucht es antifaschistische Inhalte mit einem klaren Klassenstandpunkt, die nicht davor zurückweichen, auch die Politik der regierenden Parteien sowie der CDU scharf zu kritisieren – selbst, wenn diese durch die Basis oder sogar durch Funktionär*innen selbst vertreten sind. Viele Teile der Basis sind selbst nicht einverstanden mit dem aktuellen Rechtsruck in den Parteien – deshalb müssen wir genauso klar, wie wir Kritik formulieren, allen, die sich an den Protesten beteiligen, weil sie ehrlich am Kampf gegen Rechts interessiert sind, ein Angebot machen, aktiv zu werden.
In der Rede des Bündnis Gemeinsam & Solidarisch gegen Rechts Reutlingen und Tübingen macht die Sprecherin genau das laut und deutlich klar: auch wenn sich Scholz, Baerbock und Co gerade gekonnt inszenieren als die vordersten Kämpfer*innen gegen Rechts: die Regierungsparteien sind mit ihrer unsozialen Politik und Krisenverwaltung mitverantwortlich für die rasante Rechtsentwicklung. Es ist folgerichtig, dass viele Menschen frustriert sind, Geldnot und Angst vor dem Abstieg haben – wen wundert es da schon, dass die Rechten genau das machen, was sie immer machen: sie greifen berechtigte Sorgen und Nöte gekonnt auf und lenken sie bewusst in rechte Bahnen. Ein „Weiter so“ der Politik kann es also nicht geben und dass sich die Ampel und die CDU von der AfD von der AfD treiben lassen, dass Asylrecht faktisch abschaffen und ein Kanzler Scholz „Abschiebungen im Großen Stil“ fordert, wird das Problem nicht lösen. Für diese Punkte erhielt die Rednerin viel Zuspruch aus der Kundgebung. Aber nicht nur das Bündnis Gemeinsam & Solidarisch gegen Rechts formulierte eine klare Kritik an der herrschenden Politik – nahezu alle anderen Redner*innen zogen einen Zusammenhang zwischen Sozialabbau und dem Aufstieg der AfD.
Wenn wir dem Aufstieg der AfD langfristig etwas entgegen setzen wollen, dann darf es bei dem wichtigen Zeichen der großen Proteste gegen Rechts also nicht stehen bleiben und die Forderung nach einem AfD-Verbot reicht nicht aus. Wir müssen in unserem Alltag, in der Schule, dem Betrieb und vor allem auf der Straße klare Kante gegen Rechts zeigen. Den Aufstieg der AfD verhindern wir, indem wir die AfD entlarven, Proteste gegen ihre Infostände, Parteitage oder Veranstaltungen organisieren und Seite an Seite mit denen Kämpfen, die von der Politik der AfD nichts zu erwarten haben.
Herausforderung wird es jetzt sein, weiter zusammen mit den vielen Menschen, die jetzt aktiv gegen die AfD auf die Straße gehen auch in Zukunft die Protest gegen die AfD zu organisieren und ihr damit langfristig etwas entgegen zu setzen.
Lassen wir den Widerstand also nicht abreißen, alle zusammen gegen den Faschismus!
Wir sehen uns am:
Stop GEAS
Offenes Treffen gegen Faschismus und Rassismus Tübingen und Region
„Die Rechte Welle brechen“-Demonstration
Die Massenproteste gegen Rechts halten auch zwei Wochen nach der Veröffentlichung der Correctiv-Recherche weiter an.
Bericht des Bündnisses „Gemeinsam & Solidarisch gegen Rechts Reutlingen/Tübingen“
Am Freitag waren wir mit ca. 8000 Menschen in Reutlingen auf der Straße – seit Jahren die größte Demo gegen Rechts in Reutlingen!
Die anhaltenden Demonstrationen gegen AfD & Co sind ein ermutigendes Zeichen im Kampf gegen die anhaltende Rechtsentwicklung und zeigen, dass vielen Menschen rechte Hetze und rassistische Spaltung nicht egal sind.
Die Proteste bieten die Möglichkeit der zunehmenden Normalisierung der AfD entgegenzutreten, die so weit rechts steht wie noch nie seit ihrer Gründung. Auf der Demo waren wir mit einem Hochtransparent mit dem Slogan „Kampf dem Faschismus! Gegen rechte Hetze und Sozialabbau!“ unübersehbarer Teil der Proteste. Darüber hinaus hatten wir Schilder, mit denen die AfD, aber auch der Rechtskurs der Regierungsparteien kritisiert wurde. Das wurde auch in unsere Rede deutlich, in der wir zum Einen Krieg, Krise und Inflation als Ursachen der aktuellen Rechtsentwicklung benannt, als auch betont haben, dass Antifaschismus keine Aufgabe ist, die uns irgendwer abnimmt und es nicht dabei bleiben darf, einmal Flagge zu zeigen, sondern zu handeln. Mit einer Demonstration durch die Innenstadt haben wir gemeinsam mit hunderten Antifaschist:innen ein lautstarkes Zeichen gegen Rechts in Reutlingen gesetzt.
Zusätzlich haben wir Flyer auf der Demonstration verteilt mit dem Aufruf, sich am 24.02. an der Demo „Die Rechte Welle Brechen“ in Stuttgart zu beteiligen und langfristig gegen Rechts aktiv zu werden.
Lassen wir den Widerstand nicht abreißen, alle zusammen gegen den Faschismus!
Im Folgenden findet ihr unseren Redebeitrag:
Hallo Reutlingen,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
liebe Antifaschistinnen und Antifaschisten!
wir freuen uns so sehr, dass ihr alle heute auf der Straße seid, wir so viele sind und dass wir gemeinsam klare Kante zeigen. Klare Kante gegen die AfD und ihre menschenfeindliche Politik! Klare Kante gegen Nazis!
Wir sind heute hier, um laut zu sein um. Unsere Message für die AfD: Bis hier hin und nicht weiter.
Alle zusammen gegen den Faschismus!
Ja genau: Alle zusammen, das heißt wir zusammen!
Ich sehe hier die Omas gegen Rechts, die Seebrücke, Initiativen für Geflüchtete, Fridays For Future, ich sehe die Kirchen, die sozialen Träger, die Kultureinrichtungen, ich sehe die antifaschistische Bewegung, die Gewerkschaften, ich sehe jung und alt und viele mehr.
Ich spreche heute für das „Bündnis Gemeinsam & Solidarisch gegen Rechts Reutlingen und Tübingen“. Fast 5 Jahre gibt es uns nun schon als kontinuierlichen Zusammenschluss von lokalen Organisationen, Gewerkschaften, Gruppen und Treffen.
Manchmal können schlechte Dinge auch Gutes hervorrufen. Die von Correctiv veröffentlichten Deportationspläne haben von Berlin bis Köln, von Hamburg bis Stuttgart, von Karlsruhe nach Reutlingen eine wahrnehmbare Gegenbewegung angestoßen.
Die gesellschaftliche Empörung ist zu Recht groß, der Aufschrei laut – deshalb sind wir heute alle hier. Die Enthüllungen belegen allerdings, was eigentlich längst bekannt war: AfD-Funktionäre und andere Nazis wollen massenhaft Menschen abschieben.
Es bleibt nicht bei leeren Worthülsen, sie schmieden ganz konkrete Pläne unsere Freund:innnen, unsere Kolleg:innen und unsere Familien zu deportieren. Und dabei kommen die Leute an einen Tisch, die es dazu braucht: die Identitäre Bewegung, die„Werteunion“, milliardenschweren Unternehmer und eben die AfD.
Die IB: Die ist das aktivistische Straßenschlägervorfeld. Teil einer neurechten Strategie um „Durchzubrechen“, um es mit Höckes Worten zu sagen.
Die Werteunion: Das ist ein CDU-naher Verein, dessen aktueller Vorsitzender Hans Georg Maßen jahrelang im Dienst des Staates Präsident des Bundesamts für Verfassungsschutz war.
Milliardenschwere Unternehmer: Das sind die Geldgeber und Profiteure von faschistischer Politik.
Zusammengeführt wird alles durch die AfD: als parlamentarischer Arm. Der Knotenpunkt der neuen Rechten.
Die AfD ist keine reine Wahlpartei, sie steht in Wechselwirkung zu ihren vielfältigen Vorfeldstrukturen. Dazu gehören neben der Identitären Bewegung auch das faschistische Betriebsprojekt Zentrum Automobil. Dazu gehören rechte Medien und Magazine, Burschenschaften und Bürgerbewegungen.
Durchbrechen kann die AfD nur mit diesem Vorfeld. Nur so kann sie das Unsagbare Sagbar machen, eine Wirkmacht auf der Straße erlangen und eine rechte Hegemonie herstellen.
Die AfD an der Regierung? Dann wären die Massendeportationen nicht mehr nur Pläne. Dann wären auch viele von uns nicht mehr hier.
Offener Rassismus und Sexismus wären Staatsprogramm.
AfD an der Macht heißt die Einführung der Rente ab 70 aufwärts, Steuergeschenke für Unternehmen und Reiche, Subventionsstreichung auch und gerade für die Landwirtschaft, die Aushöhlung von Tarifvetrträgen, die Beschneidung der Mitbestimmung von Betriebsräten und die Zerschlagung von Gewerkschaften. AfD an der Macht heißt Geld in die Bundeswehr statt in Soziales. AfD an der Macht heißt kein Geld für Erwerbslose. Heißt Streichung staatlicher Mittel fürs Gesundheitsystems, AfD an der Macht heißt gegen die Mietpreisbremse und Privatisierung der öffentlichen Daseinsvorsorge.
AfD an der Macht: das heißt Umverteilung von unten nach oben!
Wie kann es also sein, dass trotzdem gerade diejenigen die AfD wählen, die am aller wenigsten von ihr profitieren?
Dafür lohnt sich ein Blick zurück. Nur wenn wir eine Klarheit darüber erlangen, warum die AfD zur Zeit erstarkt, können wir gemeinsam Schlimmeres verhindern.
Der letzte Umfragensprung der AfD begann im September 2022 und hält bis jetzt an. Die Auswirkungen des Kriegs in der Ukraine trafen viele Menschen hart, die Inflation war auf einem Rekordhoch, Benzin, Energie- und Lebensmittelpreise wurden schlagartig teurer. Viele Menschen sahen ihre Existenz bedroht.
Ein Kern der AfD-Wähler ist offen rassistisch, rechts und frauenfeindlich. Der größere Teil allerdings wählt die AfD nicht weil sie rassistisch ist, sondern nimmt das billigend in Kauf.
Kriegsangst, Energiekrise, Rekordinflation – das sind maßgebliche Gründe für den Stimmen- und Mitgliederzuwachs der AfD. Das zeigen auch die Zahlen: zwei Drittel der AfD-Wähler:innen wollen ihre Stimme der AfD geben, weil sie von den anderen Parteien enttäuscht sind und rund die Hälfte der AfD-Anhänger:innen bewerten die eigene wirtschaftliche Lage als „weniger gut“ oder „schlecht“. (ARD-Deutschlandtrend Sommer 2023)
Die AfD versteht es also, den aktuellen Unmut sowie Krisen- und Zukunftsängste für sich zu nutzen und lenkt diese bewusst in „rechte“ Bahnen. Dafür inszeniert sie sich als „Partei der kleinen Leute“ und gibt einfache Antworten auf die aktuellen Sorgen: Schuld sind die Migrant:innen und andere Feindbilder.
Wir müssen den Rechten den Nährboden entziehen. „Ein Weiter so“ kann es daher also nicht geben.
Statt Profite der Konzerne durch Ausbeutung der Umwelt, braucht es mehr als Symbolpolitik. Es müssen die Profiteure der Klimakrise zur Kasse gebeten werden.
Statt Hetze gegen Geflüchtete und Bürgergeldempfänger à la Lindner, braucht es eine Umverteilung von oben nach unten.
Statt 100 Milliarden in Panzer und anderes Tötungsgerät braucht es genügend Kita-Plätze und gute Krankenhäuser.
Statt „Abschiebung“ im großen Stil à la Kanzler Scholz, braucht es jetzt Solidarität statt Spaltung!
Wir müssen den rechten den Nährboden nachhaltig entziehen. Das heißt also auch Kritik an der aktuellen Politik und den Regierungsparteien üben.
Wir haben bereits gezeigt, dass wir viele sind! Lasst uns jetzt Positionen austauschen, miteinander auf Augenhöhe diskutieren und notfalls auch Widersprüche aushalten, während wir weiter Seite an Seite gegen den Faschismus kämpfen und uns nicht auseinander dividieren lassen.
Antifaschismus ist keine Aufgabe, die uns irgendwer abnimmt. Antifaschismus darf kein Lippenbekenntnis sein, keine Reaktion auf anlassbezogene Empörung. Antifaschismus muss zur Haltung werden. Antifaschismus muss praktisch werden. Wir alle dürfen nicht nur Flagge zeigen, wir müssen handeln. Das nimmt uns niemand ab.
Deshalb lassen wir den Widerstand nicht abreißen, nicht im Betrieb, nicht in der Schule, nicht in der Uni und auch nicht auf der Straße!
Lasst uns gemeinsam lautstarken Protest organisieren, rechte Veranstaltungen stören, AfD-Stammtische wie jüngst in Orschel-Hagen verhindern und Naziaufmärsche blockieren.
Wir sind viele! Wir bleiben wachsam! Und stoppen die AfD!
Alle Zusammen gegen den Faschismus!