„Ich nenne das Hyperpolitik“

Ob gegen rechts, gegen Polizeigewalt oder für das Klima: Warum blieben die großen politischen Proteste zuletzt so folgenlos? Der Historiker Anton Jäger hat eine Antwort. Interview: Julia Lorenz und Ann-Kristin Tlusty Kurz vor der Europawahl sind in vielen deutschen Städten Demonstrationen gegen rechts angekündigt. Die Zivilgesellschaft ist auf den Beinen, wieder einmal. Dabei scheint sie das im Grunde ständig zu sein: Alles ist heute hochpolitisch, sei es der Instagram-Auftritt oder die Wahl des richtigen Fortbewegungsmittels, und doch scheint sich wenig ernsthaft zu ändern in den Gesellschaften des Globalen Nordens. Warum? Dieser Frage geht der belgische Historiker Anton Jäger in seinem Buch „Hyperpolitik“ nach. Anton Jäger Anton Jäger, geboren 1994, wurde […]

Die Zeitschrift „N.S. Heute“ und der Stand des Neonazismus

Seit 2017 erscheint im Dortmunder „Sturmzeichen Verlag“ das neonazistische Magazin „N.S. Heute“ (NSH). Herausgegeben wird die NSH vom Inhaber des Verlages, Sascha Krolzig, der zeitweise einer der beiden Bundesvorsitzenden der Partei „Die Rechte“ war. Die Autor:innenschaft liest sich wie ein who is who der Neonaziszene. Sowohl Mitglieder der Parteien Die Rechte, NPD (jetzt „Die Heimat“) und „Der III. Weg“ sind vertreten, als auch ehemalige Mitglieder zahlreicher inzwischen verbotener Parteien und Organisationen. Das Magazin richtet sich ‚nach innen‘ – an eine aktivistische Leser:innenschaft. Die NSH erschien bisher i.d.R zweimonatlich, laut Eigenangabe mit einer Auflage von 1000 bis 1500 Exemplaren. Strategiedebatten in der NSH Entsprechend der adressierten Leser:innenschaft ist die NSH ein […]

2. Runde des Antifa Ost-Verfahrens

Nachfolgend dokumentieren wir ein Statement Leipziger Soligruppen zur zweiten Runden des Antifa Ost-Verfahrens. Der Text kann auch heruntergeladen und in Broschürenformat ausgedruckt und verteilt werden. Content-Note: Thematisierung sexualisierter Gewalt. Einleitung und Rückblick Heute vor einem Jahr, am 31. Mai 2023, endete der Antifa Ost-Prozess vor dem Oberlandesgericht Dresden nach fast 100 Prozesstagen bzw. nach über anderthalb Jahren. Vier Antifaschist*innen wurden in diesem zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt. Für Angeklagte, Angehörige und Solistrukturen war es eine aufreibende Zeit. Doch sind die Verurteilungen nicht das Ende, sondern eher der Anfang weiterer Prozesse. Gerade einmal vier von mindestens 15 Beschuldigten wurden, nun fast vier Jahre nach Einleiten des Verfahrens, verurteilt. Unklar ist, wie viele […]

Wieder Razzien gegen Reichsbürger:innen

Am 11. Juni gab es erneut Razzien im Verfahren gegen die „Gruppe Reuß“. Vor einer Woche gab es bereits mehrere Razzien gegen die „Reichsbürger“-Gruppe. Auf Betreiben der Generalstaatsanwaltschaft Celle wurden drei Orte in Niedersachsen und ein Ort in Sachsen-Anhalt durchsucht. Die Durchsuchungen fanden in Rinteln an der Weser, Dannenberg (Elbe), Wahrenholz im Landkreis Gifhorn sowie Allstedt in Sachsen-Anhalt statt. Ermittelt werde gegen zwei Frauen und zwei Männer im Alter zwischen 48 und 60 Jahren. Ihnen wird in einem Fall Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung, in zwei Fällen Unterstützung einer terroristischen Vereinigung und in einem Fall das Werben um Mitglieder beziehungsweise Unterstützer vorgeworfen. Razzien während der Reichsbürger-Prozesse Am 4. Juni gab […]

Wenn widersetzen, dann richtig!

Eine notwendige Kritik an der Kampagne gegen den AfD-Bundesparteitag in Essen Ende Juni 2024 will die Bundes-AfD ihren Parteitag in den Essener Grugahalle abhalten. Es wird das erste Zusammenkommen der Partei nach den Kommunal- und Europawahlen am 9. Juni sein und damit auch die erste Bundesversammlung nach dem verkorksten Wahlkampf rund um die beiden Spitzenkandidaten Bystron und Krah und dem Rauswurf der AfD aus der Fraktion der extremen Rechten im Europaparlament. Gleichzeitig wird der Essener Parteitag das zentrale Event der Partei vor den anstehenden Landtagswahlen in Brandenburg, Sachsen und Thüringen im September. In allen drei Bundesländern ist mit Wahlsiegen der, vom faschistischen Teil geführten, Landesverbände zu rechnen. Zudem ist zu […]

Erzreaktionäre im katholischen Cartellverband

Ultramontanismus im Cartellverband Communiqué als PDF (2,3 MB) Vom 30. Mai bis zum 2. Juni 2024 findet in Berlin die „138. Cartellversammlung“ des Cartellverbands der katholischen deutschen Studentenverbindungen (CV) statt. Doch es gibt Streit in den Reihen der Katholiken, gesät vom diesjähren „Vorort Berlin“. Nicht nur wir finden, dass dieser Streit in die Öffentlichkeit gehört, denn schließlich ist der CV die Kaderschmiede der Unionsparteien, so wie er früher die des Zentrums war. Wir veröffentlichen die „Vertreterunterlagen“ zur „Cartellversammlung“, die Berichte zum „Studententag“ und das „Memorandum Romanum“ – ein erzreaktionäres Traktat, das im Cartellverband zu viel Streit führte. Wie in der Kirche auch wird über sexuellen Missbrauch im CV geschwiegen, wenn […]

Interview mit Death in Custody

Teil eines größeren Gewaltkomplexes Die Recherchegruppe Death in Custody sammelt künftig auch Fälle von Menschen, die nicht von Rassismus betroffen sind – warum? Nach Ende der 2019 ins Leben gerufenen Kampagne Death in Custody setzte die Recherchegruppe von DIC ihre Arbeit fort: die Dokumentation von bislang 252 Todesfällen rassifizierter Menschen in deutschem Gewahrsam. Im vergangenen Jahr begann die Gruppe einen Reflexionsprozess darüber, nach welchen Kriterien sie Polizeigewalt dokumentiert und ob es weiterhin sinnvoll ist, Todesfälle von Personen, die nicht von Rassismus betroffen waren, aus der Dokumentation auszuschließen. Über die Gründe für dieses Hinterfragen und die Ergebnisse der Diskussion sprechen Katharina Schoenes und Maruta Sperling im Interview. Ihr habt euch in […]

Rassismus: Partykracher und politischer Alltag

Auf Sylt rufen ein paar wohlstandsverwahrloste Bonzenkids „Deutschland den Deutschen – Ausländer Raus„, zeigen hier und da den Hitlergruß und filmen sich dabei. Symptom der Normalisierung rechter Inhalte und Grund genug für eine Empörungswelle, hinter der sich bürgerliche Moralapostel verstecken können. Die Normalisierung rechter Inhalte Die extreme Rechte hat das Internet längst als Agitationsraum erkannt. Insbesondere die Funktionsweise von „social media“: Kurze Aufmerksamkeitsspanne, wenig Inhalt und Hauptsache viral gehen. Humor ist dabei gut, Skandale sind besser. Von „Ich lasse mir nicht mein Schnitzel wegnehmen!” bis “Alles für Deutschland” ist alles recht um Aufmerksamkeit zu bekommen. Und das praktische am Internet ist, dass sich so etwas verselbstständigt. Der „Spaß“ „Deutschland den […]

Die Bewaffnung des Begriffs Antisemitismus

Schon länger ist es modisch, die revolutionäre Linke als antisemitisch zu diffamieren. In den letzten Jahren ist es mehr daraus geworden: der Begriff ist eine Waffe, mit welcher kriminalisiert und ausgegrenzt wird und die den rechtesten Kräften ermöglicht, politisch korrekt gegen «Islamisierung» zu hetzen. Antisemitismus existiert und er bleibt bis heute eine gewaltige Kraft, die wie Rassismus erniedrigt, verletzt und diskriminiert und dabei auch noch die reaktionäre Seite stärkt. Für uns Kommunist_innen ist es eine Selbstverständlichkeit, gegen Rassismus und Antisemitismus aufzustehen, die historische Konstruktion von Rasse in der Luft zu zerreißen und für die Überwindung von Stereotypen und Vorurteilen zu streiten. Zugegebenermaßen sind wir in einer reaktionären Gesellschaft sozialisiert worden […]

Deutschland im Herbst 1992

Wenn Bürgerliche und Linke gemeinsam gegen rechts demonstrierten, gab es schon früher Probleme – ein Rückblick Das hatte sich der Bundespräsident ganz anders vorgestellt. Vor mehr als 300.000 Menschen wollte Richard von Weizsäcker (CDU), Sohn und Rechtsbeistand des verurteilten NS-Kriegsverbrechers Ernst von Weizsäcker, am 8. November 1992 in Berlin das »weltoffene und ausländerfreundliche Deutschland« preisen und sich dafür feiern lassen. Daraus wurde nichts. Schon nach seinem ersten Satz ertönte ohrenbetäubender Lärm, auch Eier und Farbbeutel flogen. Ein zerschnittenes Mikrokabel machte den Rest seiner Ansprache weitgehend unhörbar. Dafür gesorgt hatten: »die Autonomen«. Weitere Redner*innen waren nicht vorgesehen. Veranstaltet wurde die Kundgebung vom Berliner Abgeordnetenhaus, Bundestag und Bundesrat. In den folgenden Tagen […]

„Combat 18“-Rädelsführer sollen vor Gericht

Bundesanwaltschaft erhebt Anklage gegen vier mutmaßliche Mitglieder von »Combat 18« Vier Männer sollen trotz Verbots die Strukturen der militanten Neonaziorganisation »Combat 18 Deutschland« aufrecht erhalten haben. Die Bundesanwaltschaft in Karlsruhe hat deshalb Anklage gegen die mutmaßlichen Anführer erhoben, wie die Behörde am Donnerstag mitgeteilt hatte. Derartige Aktivität gegen »Combat 18« in der Bundesrepublik habe deutlich zu lange auf sich warten lassen, erklärte der Politikwissenschaftler Hajo Funke, Spezialist für die extreme Rechte in Deutschland, am Sonntag im Gespräch mit junge Welt. Seiner Auffassung nach wurde die Gruppe »lange verharmlost«. Konkret werden den vier Männern die Organisierung von 14 konspirativen Treffen, von Konzerten und Aufnahmeritualen vorgeworfen. Erst im Januar 2020 war der […]

Mörigs rechtsextreme Kaderschmiede

Kostenpflichtige Kamingespräche und völkische Feriencamps Am 10. Januar 2024 veröffentlichte »Correctiv« einen Bericht über das von Gernot Mörig organisierte rechtsextreme Vernetzungstreffen des „Düsseldorfer Forums“ in Potsdam am 25. November 2023. Antifaschistische Recherchen zeigten auf, dass solche von Gernot und Astrid Mörig (Prien am Chiemsee) organisierten Treffen mit teils finanzkräftigen Unternehmern und hochrangigen Vertretern der konservativen und extremen Rechten unter dem Namen „Düsseldorfer Forum“ bereits in den Vorjahren stattfanden. Doch an jenem Novemberabend Ende 2023 in Potsdam wirkte Gernot Mörig unruhig. Verständlich, denn die eine Hälfte seiner völkischen „Sippe“ wurde vier Tage davor durch antifaschistische Recherchen geoutet und auch wenn er und Sohn Arne in dem Artikel noch keine Hauptrolle spielten, […]