Versuch einer Einordnung
Seit Ende September wird öffentlich nach einem Genossen gefahndet, welcher der Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung beschuldigt wird und dem Angriffe auf Nazis vorgeworfen werden. Diese Öffentlichkeitsfahndung durch das Bundeskriminalamt und das Landeskriminalamt Sachsen wurde im Vorhinein medial groß angekündigt. In kurz zuvor veröffentlichten Presseartikeln war von 20 Untergetauchten aus dem „linksextremen Spektrum“ die Rede, wurden Parallelen zur RAF gezogen und von einer im Untergrund operierenden Zelle gesprochen. Das Ganze findet im Rahmen der Ermittlungen gegen eine vermeintliche kriminelle Vereinigung im Kontext des Antifa Ost-Verfahrens statt.
Neben mehreren Fotos und persönlichen Informationen, die zu dem Genossen veröffentlicht wurden, wird von den Sicherheitsbehörden eine kopfgeldartige Belohnung von 10.000 Euro für Hinweise in Aussicht gestellt. Dass diese von bürgerlichen Medien unterstützte Fahndung auch von Nazis dankend entgegen genommen und in der rechten Szene verbreitet wurde, überrascht nicht. Diese groß angelegte Öffentlichkeitsfahndung, ihre mediale Begleitung und die weitgehend ausbleibende öffentliche Kritik sind Ausdruck der gegenwärtigen gesellschaftlichen Stimmung. Sie sind vor dem Hintergrund einer erstarkenden Rechten und einem autoritärer werdenden gesellschaftlichen Klima zu sehen, in deren Windschatten eine teils offen faschistische Partei zunehmend konkrete Regierungsambitionen entwickelt.
Es ist kein Geheimnis, dass aufgrund der gegenwärtigen Verfolgung verschiedene Genoss:innen entschieden haben, sich der Repression zu entziehen und unterzutauchen. Motivation hinter diesem Text ist, diesen Fakt anzuerkennen und innerhalb der linken Bewegung eine Debatte darüber loszutreten. Wir haben bemerkt, dass der Schritt des Untertauchens für viele Menschen weit weg von der eigenen Lebensrealität und ihrer politischen Praxis ist und deshalb in der Breite der Bewegung, ihren Strukturen und Zusammenhängen noch kein Bewusstsein darüber entstehen konnte. Wir schreiben diesen Text als Personen, die einen mehr oder weniger direkten Bezug zum Leben in der Illegalität haben. Uns ist bewusst, dass solche Diskussionen zur Voraussetzung haben, dass sie auch gezielt angestoßen und eingefordert werden. Dieser Text soll deshalb ein erster Anstoß sein, über aktuelle Repression, Haftstrafen und die Möglichkeit des Untertauchens zu diskutieren.
Öffentlichkeitsfahndung – Neue Qualität und doch nur die Spitze des Eisbergs
Das Mittel der Öffentlichkeitsfahndung nach Linken ist nicht gänzlich neu. Im Kontext der Angriffe auf Faschisten rund um den „Tag der Ehre“ in Budapest gab es seit Februar bereits mehrere inoffizielle Fahndungen, bei denen u.a. die Bild-Zeitung Namen und Fahndungsbilder verbreitete, welche zuvor durch die ungarische Polizei veröffentlicht worden waren. Bilder des jetzt gesuchten Genossen geistern schon seit Jahren durch rechte Medien, nachdem sie von der Soko LinX an das faschistische Compact-Magazin durchgestochen wurden. Die jüngste Fahndung nach einer Person in beinahe allen großen Zeitungen und auf etlichen Werbetafeln besaß jedoch ein Ausmaß und eine Verbreitung, wie sie bei Linken zuletzt gegen die bewaffnet kämpfenden Gruppen der 70er, 80er und 90er Jahre eingesetzt wurde. Der betriebene Aufwand ist mit der Suche nach dem Milliarden-Betrüger und in diverse Geheimdienstskandale verwickelten Wire Card-Manager Marsalek vor etwa zwei Jahren vergleichbar. Dies zeigt, dass der Aufwand nicht nur im Verhältnis zu anderen Linken, sondern auch generell ungewöhnlich ist. Auf teilweise ähnliche Art und Weise fahndet das BKA aktuell insgesamt nach etwas mehr als 20 Personen.
Das Ziel dieses ganzen Aufwands ist, neben der tatsächlichen Suche nach dem Genossen, auch die öffentliche Diffamierung von konsequentem Antifaschismus. Vergleiche mit der RAF und die ständig wiederholte Behauptung, es könne in „Sicherheitskreisen“ nicht mehr ausgeschlossen werden, dass es irgendwann zu Toten komme, zeichnen ein Bedrohungsszenario, das zu Entsolidarisierung und Isolation der untergetauchten Genoss:innen führen soll. Dazu versuchen LKA Sachsen und BKA mit der Öffentlichkeitsfahndung die Aktionen, die den untergetauchten Genoss:innen vorgeworfen werden, in der Öffentlichkeit zu delegitimieren und rufen öffentlich zur Denunziation eines Antifaschisten auf. In der Bevölkerung soll Angst vor vermeintlich gefährlichen Linken geschürt werden, die schwere Straftaten begehen und sich womöglich noch weiter radikalisieren könnten. Dass die vorgeworfenen Interventionen nicht einfach irgendwelche Menschen getroffen haben, sondern gezielt Faschisten angegriffen wurden, scheint dabei kaum eine Rolle zu spielen bzw. wird teilweise aktiv geleugnet.
Die Öffentlichkeitsfahndung ist der vorläufig deutlichste Ausdruck der Repression gegen die antifaschistische und generell linke Bewegung, aber sie steht bei weitem nicht allein. Insbesondere im Kontext des Antifa Ost-Verfahrens und der Ermittlungen wegen der Angriffe auf Faschisten in Budapest kommt es immer öfter zu Versuchen nicht nur die Beschuldigten, sondern auch das solidarische Umfeld und deren Familien einzuschüchtern. Das LKA Sachsen und seine Soko LinX fallen seit Jahren durch eine in Deutschland einzigartige Regelmäßigkeit an Hausdurchsuchungen auf, oft aus fadenscheinigen Gründen und auf möglichst martialische und demütigende Weise. Hinzu kommen immer neue Fälle von Kameraüberwachung und die ständige Drohung weiterer Anklagen nach § 129.
Doch nicht nur in Leipzig lässt sich verschärfte Repression beobachten. In unterschiedlichen Ausprägungen und mit verschiedenen lokalen Schwerpunkten ist das überall in Deutschland immer deutlicher zu sehen. Waren Haftstrafen vor ein paar Jahren noch eher eine Seltenheit, sind wir in verschiedenen Kontexten immer öfter mit der Möglichkeit von Hafturteilen und tatsächlichen Gefängnisaufenthalten konfrontiert. Innerhalb der letzten Jahre gab es alleine in Süddeutschland sechs Hafturteile gegen linke Aktivist:innen.
Auch Repression gegen linke Strukturen nimmt in jüngerer Vergangenheit immer mehr zu. Der erste große Schlag war das, selbst nach den Maßstäben der bürgerlichen Klassenjustiz sehr wackelige, Verbot von linksunten.indymedia als Verein 2017. Darauf folgten verschiedene weitere Vereinigungsverfahren, von denen in der Vergangenheit vor allem türkische und kurdische revolutionäre Organisationen betroffen waren, welche nun aber immer breiter eingesetzt werden. Neben dem Antifa Ost-Verfahren, wo es bereits zu ersten Urteilen kam, laufen noch weitere Verfahren nach Paragraph 129 bzw. 129a gegen Personen aus Frankfurt, Leipzig oder Berlin. Gegen den Roten Aufbau wurde erst jüngst, nach drei Jahren Ermittlungen, ein solches Verfahren eingestellt. Die Hausdurchsuchungen gegen das Radio Dreyeckland, weil es sich angeblich zum Sprachrohr der verbotenen Vereinigung linksunten.indymedia mache, sowie ein neues Verfahren nach § 129 gegen Personen in Nürnberg, denen die „Verherrlichung der Antifa“ in Form von Soli-Graffiti vorgeworfen wird, reihen sich hier ein.
Zusätzlich wird ein selbstbestimmter Ausdruck auf der Straße immer weiter eingeschränkt oder gewaltsam verhindert, wie sich beim „Tag X“ in Leipzig oder der IAA in München zeigte. Unzählige Verfahren wegen Kleinigkeiten sollen Kapazitäten und Ressourcen binden und die Betroffenen zermürben.
Auf Spurensuche: Woher kommt die Repression?
Für die Zunahme der Repression gibt es aktuell verschiedene prominente Erklärungsansätze. Unter Anderem im Antifa Ost-Verfahren wurden aus (vermeintlich) linken Kreisen entsolidarisierende Erklärungen prominent. Einmal mehr wurde von einem neuen Level der Gewalt schwadroniert, das die Repression nach oben schrauben würde.
Richtig ist: Je konsequenter Antifaschismus handelt und je nachhaltiger Faschisten und andere Rechte zu Schaden kommen, desto härter verfolgt der Staat die vermeintlichen Verantwortlichen. Richtig ist auch: Wer nicht nur punktuell oder spontan gegen Nazis vorgeht, sondern organisiert und verdeckt über einen längeren Zeitraum, stellt sich in einen Antagonismus zum bürgerlichen Staat – stellt ganz konkret das Gewaltmonopol des Staates in Frage – und wird von diesem entsprechend bekämpft. Als Erklärungsansatz für die sich auf verschiedenen Ebenen verschärfende Repression reicht das aber kaum aus.
Vielmehr müssen wir uns die gesellschaftlichen Verhältnisse anschauen, in denen die Repression aktuell wirkt. Seit einigen Jahren ist eine Rechtsentwicklung in der BRD zu beobachten, die sich weniger in einem Aufstreben der traditionellen Gruppen der extremen Rechten äußert, sondern tief in den bürgerlichen Parteien angekommen ist. Zwar ist es die AfD, die offen gegen Geflüchtete hetzt und es sind oft rechte Gewalttäter und klassische Nazis, die Geflüchtetenunterkünfte angreifen und Angsträume für Menschen schaffen, die nicht in ihr Weltbild passen. Aber es sind die bürgerlichen Parteien von der CDU bis zu den Grünen, die die Asylgesetze verschärfen. Es ist die Ampel, die in ihrem Haushaltsentwurf für 2024 bis zu 30% der Sozialausgaben streichen will. Es ist die SPD-Innenministerin Nancy Faeser, die AfD-Wahlslogans umsetzt, wenn sie Migrant:innen in Sippenhaft nehmen und angebliche „kriminelle Clan-Mitglieder“ ohne konkrete Vorwürfe abschieben will. Noch vor ein paar Jahren waren faschistische Parteien und Organisationen eher damit beschäftigt, sich mit ihrer Programmatik an bürgerliche Parteien anzubiedern. Mittlerweile geschieht dies eher anders herum: Bürgerliche Parteien versuchen anschlussfähig an rechte Positionen und Forderungen zu sein und lassen sich von diesen treiben.
Die Repression entwickelt teilweise eigene Dynamiken, die sich gegen alles richten, was in einem j Kontext als links begriffen wird. Betroffen sind demnach nicht nur die Antifa-Bewegung, die Klimabewegung und Revolutionär:innen, sondern auch parlamentarisch und reformistisch ausgerichtete Bewegungen wie die „Letzte Generation“. Die Zunahme von Verboten und repressiven Vorgehensweisen ist dabei keine einförmige Entwicklung. Parallel dazu wird durch Teile der Behörden noch immer auch eine eher auf Befriedung setzende Strategie verfolgt, die darauf abzielt, widerständige Bewegungen zu integrieren und sie somit ihrer Schlagkraft zu berauben.
Der Rechtsruck der bürgerlichen Parteien ist jedoch nicht nur ein opportunistisches und wahltaktisches Nachgeben gegenüber der AFD, auch wenn solche Überlegungen sicher eine Rolle spielen. Die Entwicklung von Kürzungen in den Sozialsystemen, Hetze gegen Geflüchtete oder wie sie in der immer offeneren Militarisierung der BRD zum Ausdruck kommt, ist eine Antwort auf kapitalistische Krisen und zunehmende imperialistische Konkurrenz.
Zuspitzung der Widersprüche und rechte Antworten
Die kapitalistische Produktionsweise spitzt die Klimakrise immer weiter zu, es gibt erste Ansätze einer wirtschaftlichen Rezession in Deutschland, die sich in sinkenden Wachstumsprognosen und Angriffen auf das Renten- und Sozialsystem ausdrückt. Es ist absehbar, dass im Zuge der Umstellung auf „grüne Energien“ wie das E-Auto – die natürlich kein wirksames Mittel gegen die Klimakrise darstellen – zehntausende Arbeitsplätze wegfallen werden. Global spitzen sich Widersprüche unterschiedlicher Machtblöcke weiter in Bezug auf den Zugriff auf notwendige Rohstoffe und politische Einflusssphären zu und treten in Form von Kriegen offen zu Tage. Die Kapitalist:innen sind in der internationalen Konkurrenz dazu gezwungen ihre Profite immer weiter zu steigern. Wer verliert, geht unter. In der Konsequenz wird auch die Ausbeutung der Arbeiter:innenklasse immer weiter intensiviert. In den vergangenen drei Jahren, auch in Folge der Pandemie, ist die Anzahl der in extremer Armut lebenden Menschen sprunghaft angestiegen und sanken die Reallöhne immer weiter, während auf der anderen Seite viele Unternehmen Rekordgewinne meldeten.
Durch die Ausbeutung wirtschaftlich schwächerer Länder ist es aktuell möglich, Teilen der Arbeiter:innenklasse in den politisch, wirtschaftlich und militärisch überlegenen Ländern wie Deutschland noch einen relativen Wohlstand zu ermöglichen und Klassenkämpfe zu befrieden. Doch diese Möglichkeit scheint der Kapitalismus gegenwärtig immer mehr zu verlieren. Die Folge sind Militarisierung und eine Steigerung der Konkurrenz nach Außen, um die eigenen Interessen gegenüber anderen Ländern und Machtblöcken durchzusetzen. Nach Innen äußert sich das in Sozialabbau und steigender Repression sowie einer präventiven Aufstandsbekämpfung, die sich durch neue Polizeigesetze, Aufrüstung und allgemeine Gesetzesverschärfungen äußert. All das geschieht im Wechselverhältnis zu gesellschaftlichem Rechtsruck, rassistischer Hetze und autoritären Tendenzen – bildet einerseits deren Grundlage und wird andererseits von diesen weiter verschärft. Gleichzeitig bringt man sich so auch schon einmal in Stellung gegen mögliche linke und revolutionäre Perspektiven auf Ausbeutung und Unterdrückung.
Während die reformistische Linke in Teilen noch nicht einmal den Anspruch verfolgt all das zu ändern, ist auch die antikapitalistische Linke aktuell nicht in der Lage, hierauf fortschrittliche Antworten zu liefern. Dort wo es versucht wird und der Herrschaftsanspruch des Staates punktuell nicht akzeptiert wird, sind wir gesellschaftlich isoliert, wenn nicht gar bedeutungslos. Oft fehlt es neben militanter Praxis auch an einer Organisierung, die über eine Bekämpfung des politischen Gegners hinausgeht und eigene Perspektiven entwickelt.
Zur Wahrheit gehört auch, dass nicht nur linke bzw. antifaschistische Organisierung von massiver Repression betroffen ist, sondern von staatlicher Seite in den letzten Jahren zumindest punktuell auch gegen rechte Gruppen vorgegangen wird. Die jüngsten Verbote faschistischer und rechtsterroristischer Strukturen zeigen, dass relevante Teile der herrschenden Klasse in Deutschland momentan noch kein Interesse an einer faschistischen Machtergreifung haben. Rechte und reaktionäre Krisenantworten stellen den Kapitalismus jedoch niemals in Frage, sie verschärfen ihn vielmehr. Eine antikapitalistische und antifaschistische Linke hingegen bleibt, trotz gesellschaftlicher Isolation, immer eine – wenn auch aktuell mehr abstrakte – Gefahr für den bürgerlichen Staat.
Wie weiter?
Das Fehlen großer Klassenkämpfe und gesellschaftlicher Bewegungen in Deutschland verstärkt die Gefahr der Isolation fortschrittlicher Kräfte, die das Gewaltmonopol des Staates auch praktisch in Frage stellen. Dieser können wir nur durch eine konstante und ausdauernde Aufbauarbeit begegnen, die auf Ansprechbarkeit und Sichtbarkeit in der Gesellschaft setzt und sich an den Widersprüchen in der Gesellschaft und aktuell stattfindenden Kämpfen orientiert, Teil dieser wird und bereits im Kleinen fortschrittliche Perspektiven aufzeigt. Ganz konkret sorgt das auch dafür, dass linke Perspektiven populärer werden, sich weniger Menschen an Denunziationskampagnen wie der erwähnten Öffentlichkeitsfahndung beteiligen und es das Potential für eine breitere Basis und Unterstützung gibt.
Gleichzeitig gibt es aufgrund der Härte der Repression auch eine Tendenz der Isolation der illegalen Genoss:innen vom Rest der Bewegung. Kaum eine linke Organisation, kaum ein Szenezusammenschluss solidarisiert sich öffentlich mit den Untergetauchten, obwohl die bürgerlichen Medien seit Monaten voll von Hetze und Verleumdung sind. Die Bildung von kollektiven Erfahrungen und Bewusstsein zu dieser Situation wird damit erschwert. Dies lässt sich auch auf politische Gefangene übertragen, wo zwar die Anbindung weniger gefährlich und damit einfacher ist, die jedoch auch in verschiedenen Gefängnissen in der BRD voneinander getrennt werden können oder, sobald es einen zu engen Kontakt mit sozialen Gefangenen gibt, einfach verlegt werden.
Dass das Maß der Repression gerade qualitativ den Stand unserer Kämpfe übersteigt, schafft ein Missverhältnis, in dem sich die Repression ohne bewusstes Handeln und bewusste Entscheidungen durchsetzen wird. Politisches Bewusstsein entwickelt sich unter anderem aus den konkreten Lebensumständen und aus den Kämpfen, die wir führen. Die großteils legalen Kämpfe in Deutschland bereiten die Beteiligten dementsprechend kaum auf den Umgang mit der Repression vor, die der Staat aktuell gegen die Untergetauchten und ihr vermeintliches Umfeld aufzieht. Dass die linke Bewegung in Deutschland von der aktuellen Repression des Staates eingeschüchtert ist, ist also nicht wirklich verwunderlich. Diese Erkenntnis allein bringt uns aber auch nicht weiter. Es braucht die aktive Entscheidung für Solidarität mit den Untergetauchten und für die Praxis, für die sie vom Staat verfolgt werden, es braucht einen klaren Antagonismus zum bürgerlichen Staat und zu seiner Klassenjustiz, um der aktuellen Repression widerstehen zu können.
Auch wenn die oben benannten Fälle an Repression, 129-Verfahren, Öffentlichkeitsfahndung und Haftstrafen noch nicht die Regel sind, stellen sie auch keine Einzelfälle mehr dar, sondern sind die qualitative Spitze einer Tendenz, die sich in den kommenden Jahren wohl noch weiter verschärfen wird. Öffentlichkeitsfahndungen, Überwachungsmethoden wie der massive Einsatz von Kameras, Wanzen oder GPS-Trackern sowie die Repression gegen vermeintliche Umfelder, denen Unterstützung vorgeworfen wird, werden sich fortsetzen. Das ist insbesondere der Fall, solange es weiterhin zu Haftstrafen kommt und Personen sich entscheiden, diesen zu entgehen. Es ist notwendig, sich das einzugestehen und in der Konsequenz Raum für Diskussionen zu schaffen. Dazu gehört auch anzuerkennen, dass Repression – insbesondere ohne einen konstruktiven Umgang mit ihr – Ängste bei Menschen auslöst und zu Rückzug in eine geduldete Praxis bis hin zum kompletten Rückzug aus dem politischen Aktivismus führt.
Neue Verschärfungen fordern auch einen neuen Umgang mit der sich verändernden Repression. Eine Möglichkeit ist, sich der Repression zu entziehen. Durch das Untertauchen können wir eine neue Handlungsfähigkeit und Perspektive auf Haftstrafen schaffen. Dass Untertauchen aktuell so fern scheint, liegt auch daran, dass es hierzu weniger Erfahrungen und aktuelle Beispiele gibt. Die Vorstellung einen abgesteckten Zeitraum in Haft zu verbringen ist für die meisten Menschen damit greifbarer.
Mit der Zeit und gemachten Erfahrungen wird sich dieser Punkt auch etwas relativieren, dennoch ist das damit kein Selbstläufer. Ein Austausch an Erfahrungen und eine bewusste Diskussion über strategische Ansätze und Perspektiven, über Fehler und Probleme – sowohl in Bezug auf Knast als auch Untergrund – muss daher aktiver angegangen werden, um der Tendenz der Isolation zu begegnen. Dazu gehört, sich bewusst zu machen, wofür wir eigentlich kämpfen und wofür wir auch bereit sind, gewisse Konsequenzen zu tragen.
Entgegen aller Widrigkeiten, Repression und Knast gibt es Unterstützung und Solidarität für Menschen im Untergrund und wird gemeinsam für eine Perspektive gekämpft – trotz alledem.