»Damit sind auch die Kapitalisten gemeint«
Bayern: Antifaschistische Gruppen mobilisieren in Nürnberg gegen rechts und Steigbügelhalter des Faschismus. Ein Gespräch mit Daniel Schäfer
Daniel Schäfer ist aktiv in der Gruppe »Offenes Antifaschistisches Treffen« aus Erlangen
In den vergangenen Wochen gingen Hunderttausende infolge eines Berichts der Rechercheplattform Correctiv gegen die AfD auf die Straße. Weshalb war für Sie eine Teilnahme an diesen Demonstrationen am vergangenen Wochenende [2. März 2024] nicht genug, um eine linke Perspektive zu schaffen?
Diese Demonstrationen haben zwar gezeigt, dass viele Menschen nicht mit dem Rechtsruck einverstanden sind und etwas dagegen tun wollen. Dennoch waren sie geprägt von bürgerlichen Parteien wie Grünen, Union, FDP und Co., die sich auf Kundgebungen stellen und als die großen Gegenspieler des Faschismus inszenieren – während sie gleichzeitig faschistische und autoritäre Staaten mit Waffen versorgen und lauthals in die Parolen von rechts einfallen, angeblich um ihnen Wählerstimmen abzunehmen. Damit treiben sie selbst den Rechtsruck voran. Wir aber wollen etwas Grundlegendes verändern, weshalb wir uns unabhängig von der Bürgerlichkeit organisieren müssen.
Während staatlicherseits der Kampf gegen rechts beschworen wird, werden an vielen Orten aktive Antifaschisten kriminalisiert, so auch in Nürnberg. Für Sie ist das kein Widerspruch?
Ganz im Gegenteil. Es ist offensichtlich, warum der Staat einerseits davon spricht, die AfD und andere Nazis bekämpfen zu wollen, und andererseits mit massiven Repressionen gegen diejenigen vorgeht, die tatsächlichen Antifaschismus leben und organisieren. Bei ihrem Geheimtreffen in Potsdam haben die Faschisten richtigerweise darüber gesprochen, wer ihr größter Gegner ist. Das sind weder die Regierung noch der Verfassungsschutz, das sind die antifaschistischen Gruppen in ganz Deutschland. Genau deswegen sind Repressionswellen, Hausdurchsuchungen und Razzien von politisch genutzten Räumlichkeiten wie in Augsburg und Nürnberg nicht nur Schikane, sondern auch ein Angriff auf ernstgemeinten Antifaschismus. Egal wieviel in der Politik über ein Verbot der AfD und das Bekämpfen von rechts geredet wird: Ihre Praxis ist das Gegenteil.
Hauptzweck der Demonstration am Sonnabend war, die Energie der vergangenen Wochen in dauerhafte Bahnen zu kanalisieren und den Leuten eine Perspektive jenseits des staatstragenden Antifaschismus zu bieten. Wie haben Sie das erreichen wollen?
In erster Linie konnten sich auf der Demonstration verschiedene Gruppen vorstellen und ihre unterschiedlichen Schwerpunkte und Organisationsformen erklären. Wir wollten so dafür sorgen, dass Menschen, die jetzt die Motivation haben, gegen rechts aktiv zu werden, nicht einfach nur vereinzelt Demonstrationen besuchen oder sich den Parteien der bürgerlichen Mitte anschließen. Sie sollen eine Möglichkeit bekommen, ihre Energie sinnvoll zu nutzen und den Nazis das Leben wirklich schwer zu machen. Dafür gab es auf der Abschlusskundgebung nicht nur verschiedene Redebeiträge, sondern auch Infostände, um mit den Teilnehmern ins Gespräch zu kommen und ihnen unsere Werte, Ideale und Ziele nahezubringen.
Sie haben sich klar von liberalen Strömungen abgegrenzt. Wieso ist für Sie nur ein Antifaschismus mit Klassenstandpunkt wirklich wirksam?
Der Klassenstandpunkt ist für uns nicht nur wichtig, er ist die Grundlage unseres Handelns. Rechte Kräfte versuchen ständig, die Arbeiterklasse zu spalten, beispielsweise mit Rassismus. Sie hetzen uns gegeneinander auf oder versuchen es zumindest. Wir setzen uns dagegen zur Wehr, wir stehen solidarisch zusammen und bekämpfen entschlossen den Faschismus sowie alle, die sich ihm als Steigbügelhalter anbieten. Dass das auch die Kapitalisten meint, ist selbstverständlich.
Und wie lautet Ihr Fazit zur Aktion am Wochenende?
Die Demonstration war ein voller Erfolg. Nicht nur waren wir mit circa 1.000 Menschen mehr Teilnehmer als erwartet. Zusätzlich konnten auch alle Gruppen ihre Botschaften auf verschiedene Weisen kundtun. Wir hatten viele kämpferische Redebeiträge und spannende Inhalte zu Rassismus, Klassenbewusstsein und zur Notwendigkeit, aktiv zu werden. Bei der abschließenden Kundgebung sind die Gruppen mit vielen Menschen ins Gespräch gekommen, die bisher unorganisiert waren, aber sich unserem Kampf nun anschließen wollen. Eine weitere Möglichkeit wollen wir jenen Leuten direkt mit der Großdemo am Frauenkampftag in Nürnberg bieten.
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