Widerstand gegen AfD-Kundgebung zum Wahlkampfabschluss

Am Vortag der Europa- und Kommunalwahl protestierten über 700 Menschen in Karlsruhe gegen die AfD. Aufgerufen hatte das Netzwerk Karlsruhe gegen Rechts (Link zum Aufruf: https://ka-gegen-rechts.de/aktivitaeten/#2528) als vor ca. 2 Wochen bekannt wurde, dass die AfD zum Wahlkampfabschluss auf dem Karlsruher Marktplatz eine Kundgebung mit allerlei Parteiprominenz abhalten will.

Auch wir beteiligten uns als aktiver Teil des Bündnisses mit einem eigenen Redebeitrag und einem Infostand an der Kundgebung und den anschließenden Protesten, die von großer gesellschaftlicher Breite getragen waren und durchweg lautstark und kämpferisch deutlich machten, dass wir rechter Hetze in unserer Stadt geschlossen entgegentreten. Auf Seiten der AfD versammelten sich lediglich ca. 150 Personen, was angesichts der großspurigen Ankündigung im Vorfeld und dem Bekanntheitsgrad der Redner:innen aus dem Landes- und Bundesvorstand der AfD ein recht bescheidenes Mobilisierungsergebnis darstellt, das sich nur unter massivem Polizeischutz und komplett umringt von Gittern versammeln konnte. Am Anfang befand sich in den Trenn-Gittern zwischen der AfD Veranstaltung und unserem Gegenprotest eine Öffnung durch welche AfDler:innen durchgelassen werden sollten. Entschlossene Antifaschist:innen duldeten keine Rechten auf unserer Kundgebungsfläche, daher sah sich die Polizei gezwungen den Durchgang wegen zu hohem Konfliktpotential zu versetzen. Immer wieder versuchten einzelne Rechte in unserer Kundgebung zu provozieren, was ihnen jedoch nicht lange gelang. Im umzäunten Bereich der AfD kam es während ihrer Veranstaltung zu einer kleinen Auseinandersetzung an ihrem Transparent, wobei eine antifaschistische Person unter lautstarken Solidaritätsbekundungen unserer Kundgebung festgenommen wurde.

Als die AfD zusammenpackte, demonstrierten wir zum Abschluss der Proteste noch selbstbestimmt durch die Innenstadt in die Südstadt und machten deutlich, dass wir den Widerstand gegen Rechts nicht abreißen lassen werden, sondern schon jetzt mit den nächsten Projekten an den Schwung vom Wahlkampf anknüpfen werden.

Im Anschluss an die Versammlungen kam es vor einem Cafe am ECE-Center zu einer Auseinandersetzung zwischen AfD’lern und Antifaschist:innen an der unter anderem die bekannten Rechten Paul Schmidt, Oliver Schnell und Marco Rohn beteiligt waren. In diesem Zusammenhang wurden fünf Antifaschist:innen verhaftet und zur ED-Behandlung in die GeSa Moltkestraße gebracht. Da die Bullen noch nach weiteren Personen suchen, ist es jetzt besonders wichtig keine Spekulationen und Gerüchte darüber zu verbreiten, wer wann wie wo beteiligt war, oder was angeblich passiert sein soll. Antifaschistisch Kämpfen bedeutet sich Rechten entgegen zu stellen. Bei Protesten auf der Straße, am Arbeitsplatz und überall.

Wir sind solidarisch mit den jetzt von Repression Betroffenen und ihrem couragierten Handeln.

Solltet ihr selbst von Repression betroffen sein, wendet euch am besten an die Rote Hilfe (Link: https://karlsruhe.rote-hilfe.de) oder kommt zu unserem nächsten Treffen.

Hier noch unsere Rede:

Liebe Genoss:innen, liebe Antifaschist:innen,

Anfang des Jahres standen wir mit 25 000 Menschen hier auf dem Marktplatz, um gegen Menschenfeindlichkeit, Rassismus, und die drohende rechte Gefahr zu demonstrieren. Heute hält die AfD auf dem Marktplatz ihre Hauptwahlkampfveranstaltung ab. Trotz dem großen Aufschrei, der nach der „Correctiv“-Recherche durch die Gesellschaft gerollt ist, stehen heute deutlich weniger Menschen hier.

Wir sehen, dass die AfD nicht ihren Aufwind verloren hat. Das sieht man an dem immer aggressiveren Auftreten der Jungen Alternative, an der weiteren Verstrickung mit der Identitären Bewegung und anderen Nazi-Gruppen. Das sieht man an der schamlosen Instrumentalisierung des Angriffs in Mannheim, wo laut propagiert wird, dass „Remigration“ dies verhindert hätte. Menschenverachtende, rassistische Rhetorik vom feinsten. Die Parole „nie wieder Faschismus“ scheint immer mehr in Vergessenheit zu geraten. Wie kann es sein, dass wir nichts aus der Geschichte gelernt haben?

Wir müssen verstehen, wie die AfD solche politische Wirkmacht entfaltet, wie sie es schafft, so viele Menschen zu überzeugen, wenn wir sie nachhaltig bekämpfen wollen. Wir dürfen die Kritik an der AfD nicht den bürgerlichen Narrativen überlassen, die die größte Gefahr darin sehen, dass die AfD den Rechtsstaat, die Wirtschaft und das angebliche Friedensprojekt Europa gefährdet. Durch das „wieder herstellen des Normalzustandes“ und dem „Kampf für mehr Demokratie und Rechtsstaatlichkeit“ werden wir den Rechtsruck nicht aufhalten. Wir sehen doch alle, dass die bürgerlichen Parteien immer weiter nach Rechts rücken. Dass die geplante „Remigration“ der AfD in Teilen, im schönen Deckmantel des „Rückführungsverbesserungsgesetzes“ schon von der Ampel umgesetzt wird. Dass immer wieder rechte Chatgruppen bei der Polizei auftauchen, dass Linke Aktivist:innen von der Justiz immer härter verurteilt werden. Statt diesen „Normalzustand“ wiederherzustellen, müssen wir das Problem an der Wurzel packen.

Die AfD redet gerne vom „Volksvermögen“, diesem imaginären Kuchen, von dem alle ein Stück abhaben können, wenn sie nur genug dafür arbeiten. In dem System in dem wir Leben, im Kapitalismus, haben aber einige wenige mehr Kuchen als sie essen können. Wir hingegen, die Klasse der Lohnabhängigen, müssen uns zu Tode ackern um ein paar Krümel abzukriegen, die dann bestenfalls zum Überleben reichen. Ja, die AfD nimmt sich der sozialen Frage an. Und sie hat auch recht damit, dass wir uns in einem Zustand der permanenten Krise befinden. Dass die Verhältnisse immer schlechter werden, dass die Inflation steigt, während Löhne fallen, dass wir mittlerweile wieder unmittelbar von einem Krieg bedroht sind, dass kann ja wohl kaum noch einer leugnen. Die AfD führt diese Probleme jedoch nicht auf die wirtschaftlichen Verhältnisse zurück, nicht auf die Tatsache, dass Kapitalinteressen stets über die Interessen des kleinen Mannes gestellt werden. Stattdessen sucht sie Ursachen in der Migration, antisemitischen Verschwörungen oder der Abkehr von der „traditionellen Familie“ und versucht mit rassistischer und queerfeindlicher Rhetorik die Arbeiter:innen zu spalten. Sie reden davon, dass es uns doch allen besser gehen würde, wenn das „Volksvermögen“ eben nur denen zusteht, die sie als Teil ihrer „Volksgemeinschaft“ begreifen. Aber auf diese Spaltung dürfen wir nicht hereinfallen! Wir, als Lohnabhängige Klasse, sitzen doch alle im gleichen beschissenen Boot. Wir müssen alle jeden Tag unsere Arbeitskraft verkaufen, um uns Essen auf dem Tisch und ein Dach über dem Kopf leisten zu können. Wir müssen jeden Tag für den Profit anderer schuften, ein Profit, von dem wir keinen einzigen Cent zu sehen bekommen. Die Ursachen liegen eben nicht, wie die AfD behauptet, bei den Menschen, die sie als Feindbilder inszenieren, sondern sind fester Bestandteil des kapitalistischen Systems. Nur wenn wir unser gemeinsames Interesse erkennen, können wir nachhaltig gegen den Rechtsruck vorgehen. Und unser Interesse ist es doch, liebe Antifaschistinnen und Antifaschisten, ein Wirtschaftssystem aufzubauen, in dem wir selbst entscheiden, wie und was produziert wird. In dem nach unseren Bedürfnissen und nicht nach Profit gewirtschaftet wird!

Viele hoffen, dass sie morgen durch ein Kreuzchen an richtiger Stelle den Rechtsruck aufhalten können. Aber es reicht eben nicht, sein Kreuzchen morgen woanders zu machen. Es reicht nicht, ein „Fuck Nazis“ T-Shirt zu tragen oder beim Familienessen mal Konter zu geben. Wenn wir sagen, dass der Kampf gegen rechts nachhaltig und konsequent geführt werden muss, dann meinen wir, dass wir das Problem an der Wurzel angehen müssen. Dass wir eigene Perspektiven jenseits des Kapitalismus greifbar machen müssen, um vermeintlicher rechter Krisenlösung entgegenzuwirken. Dass wir uns Faschist:innen in den Weg stellen, überall dort, wo sie auftauchen. Das heißt konkret: so wie heute sich der AfD lautstark entgegenzustellen. Aufmärsche verhindern und Infostände blockieren. Unsere Ablehnung ist schön und gut, aber sie bringt nichts, wenn wir sie nicht in die Praxis umsetzen.

Also lasst es uns gemeinsam anpacken!

Für einen konsequenten Antifaschismus, 365 Tage im Jahr!